Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Das Marien-Leben Rainer Maria Rilke - Rilke wuchs in einem katholisch orientierten Elternhaus auf. Später hat er sich vom christlichen Glauben zwar nicht abgewendet, aber viele Dogmen mehr und mehr kritisch betrachtet. Der Einfluß Friedrich Nitzsches ist ebenfalls erkennbar. Daß er sich mit dem Thema des Marienlebens beschäftigte, ist vermutlich der intensiven Bekanntschaft mit dem Komponisten Paul Hindemith zu verdanken. Hindemith vertonte Rilkes Gedichtzyklus zweimal.Rilke stellt Maria als Mutter Jesu in zwei Ebenen dar, der irdischen und der überirdischen. Einerseits ist sie die ganz normale Mutter eines Sohnes, auch wenn der sich zu Höherem berufen fühlt, andererseits empfindet sie die Verkündigung durch einen Engel als Traumerlebnis. Durch verschiedene Erlebnisse wie die Begegnung mit den drei Weisen Männern, die ihr nach der Geburt Jesu Geschenke bringen oder die spätere Weigerung des Täufers Johannes, Jesus taufen zu können, der für diesen MEHR ist als er selbst, kommen ihr Zweifel an der rein irdischen Entwicklung ihres Sohnes. Rilke hat bewußt das Wort Marienleben durch einen Bindestrich getrennt, um diese Doppelbedeutung zu unterstreichen. Diese Differenzierung wird auch deutlich in Marias Begegnung mit dem Engel, in der Maria in lyrischer Umschreibung die baldige Schwangerschaft angekündigt wird. Am Ende dieser Begegnung singt der Engel. Welche Glücksmomente mögen den Engel zum Singen veranlasst haben? Was mag er gesungen haben? Und wie auffallend: der Gedichtzyklus endet mit dem Wort sing. Das ist eine Anspielung auf die angeblich jungfräuliche Empfängnis. Friedrich Nietzsche spricht diesen Zweifel nur mit härtester Eindeutigkeit aus.Großzügig wird Maria mit dem Kind von Josef gerettet, indem sie vor den Kindesmorden des Königs nach Ägypten fliehen. Wieder zurück in der Heimat verfolgt Maria teilnahmsvoll wie auch angstvoll das Wirken des Sohnes und ahnt das Verderben, in das er sich zu stürzen beabsichtigt. In der Szene des Hochzeitsfestes zu Kana wird sie von Rilke als stolze Mutter eines bekannten Wundertäters beschrieben. Sie bittet ihren Sohn erfolgreich, den Wein herbeizuzaubern.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 13
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
O was muß es die Engel gekostet haben,
nicht aufzusingen plötzlich, wie man aufweint,
da sie doch wußten: in dieser Nacht wird dem Knaben
die Mutter geboren, dem Einen, der bald erscheint.
Schwingend verschwiegen sie sich und zeigten die Richtung,
wo, allein, das Gehöft lag des Joachim,
ach, sie fühlten in sich und im Raum die reine Verdichtung,
aber es durfte keiner nieder zu ihm.
Denn die beiden waren schon so außer sich vor Getue.
Eine Nachbarin kam und klugte und wußte nicht wie,
und der Alte, vorsichtig, ging und verhielt das Gemuhe
einer dunkelen Kuh. Denn so war es noch nie.
zurück zum Inhaltsverzeichnis
Um zu begreifen, wie sie damals war,
mußt du dich erst an eine Stelle rufen,
wo Säulen in dir wirken; wo du Stufen
nachfühlen kannst; wo Bogen voll Gefahr
den Abgrund eines Raumes überbrücken,
der in dir blieb, weil er aus solchen Stücken
getürmt war, daß du sie nicht mehr aus dir
ausheben kannst: du rissest dich denn ein.
Bist du so weit, ist alles in dir Stein,
Wand, Aufgang, Durchblick, Wölbung —, so probier,
den großen Vorhang, den du vor dir hast,
ein wenig wegzuzerrn mit beiden Händen:
Da glänzt es von ganz hohen Gegenständen
und übertrifft dir Atem und Getast.
Hinauf, hinab, Palast steht auf Palast,
Geländer strömen breiter aus Geländern
und tauchen oben auf an solchen Rändern,
daß dich, wie du sie siehst, der Schwindel faßt.
Dabei macht ein Gewölk aus Räucherständern