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Es gibt ein Forschungsgebiet, von dem die Mehrzahl der Gebildeten sich mit Widerstreben abwendet. Der Grund dieses Widerstrebens ist der Zweifel, und zwar der Zweifel daran, dass dies Gebiet überhaupt gangbar ist, namentlich für den, der sich frei dünkt von jedem Hang zum Aberglauben. Dies Gebiet ist das der experimentellen psychischen Forschung, gewöhnlich kurz als Spiritismus oder auch als Okkultismus bezeichnet. Diese Ausdrücke haben zwar in Wirklichkeit eine andere Bedeutung als die, in der sie meistenteils gebraucht werden. Trotzdem wird in der folgenden Einleitung diesem Sprachgebrauch Rechnung getragen. Was die genannten Ausdrücke in Wirklichkeit besagen, wird an anderer Stelle eingehend erörtert werden.
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Das Mysterium des Menschen im Lichte der psychischen Forschung
Eine Einführung in den Okkultismus
Ludwig Deinhard
Mit einem Beitrag von Dr. Hübbe-Schleiden über das Problem der Wiederverkörperung
Verlag Heliakon
2023 © Verlag Heliakon, München
Umschlaggestaltung: Verlag Heliakon
Bild Cover: Pixabay
Vertrib: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin
www.verlag-heliakon.de
Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verfassers unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Inhaltsverzeichnis
Title Page
Vorwort
Einleitung: Was versteht man unter psychischer Forschung?
Psychische Forschung im experimentellen Sinn
England und Nordamerika
1. Gedankenübertragung und Telepathie unter Ausschluss der Sinnesorgane
2. Wesen, Kraft und Wirkung der Suggestion; insbesondere Mesmerismus, Hypnotismus und Psychotherapie
3. Mentale Fähigkeiten, die wissenschaftlich noch nicht anerkannt sind, insbesondere die des subliminalen Bewusstseins
4. Sichtbare Phantome und Spukerscheinungen
5. Untersuchung der Beweise für die Zulässigkeit resp. Unzulässigkeit der Spirit-Hypothese
6. Die Wünschelrute
7. Die Kristall-Vision
8. Dr. Richard Hodgson
9. Dr. James Hyslop
10. Automatische Kreuz-Korrespondenz
11. William Stead und sein „Büro Julia“
Frankreich und Italien
1. Prof. Dr. Charles Richet
2. Camille Flammarion
3. Dr. med. Paul Joire
4. Albert de Rochas
5. Dr. med. Joseph Maxwell
6. Die Fotografie des Unsichtbaren
7. Die Phantome Lebender
8. Das italienische Medium Eusapia Paladino
Das übrige europäische Ausland
1. Was ist Aberglaube?
2. Animismus und Spiritismus
3. Psychometrie
4. Prof. Dr. Julian Ochorowicz (Warschau)
5. Prof. Dr. Th. Flournoy (Genf)
6. Im Norden Europas
Deutschland
1. Gegner der Spirit-Hypothesen
2. Dr. phil. Carl Freiherr du Prel
3. Deutsche Fachvereine und Fachzeitschriften
Psychische Forschung im esoterischen Sinn
Das Gesetz der Palingenie oder Wiederverkörperung
1. Zeugen für den Gedanken der Palingenie
2. Die Palingenie vom Standpunkt der Esoterik
3. Die Palingenie vor dem Richterstuhle der Vernunft
Die Esoterik des Altertums
1. Pythagoras
2. Die pythagoreische Schule
Die Esoterik der Gegenwart
1. Die Grundbestandteile des Menschenwesens
2. Die Seelenwelt
3. Die Geisteswelt
4. Einwände gegen diese Gedankenrichtung
5. Nutzen dieser Gedankenrichtung
6. Das Verhältnis beider Forschungsarten
7. Die esoterische Schulung
8. Einschlafen und Träumen
9. Die Gedankenübertragung esoterisch betrachtet
10. Das Unterschwellen-Bewusstsein
11. Der Spiritismus im Licht der Esoterik
12. Das zukünftige Menschenwesen
13. Die Vertreter der Esoterik
14. Das Christus-Problem
Es gibt ein Forschungsgebiet, von dem die Mehrzahl der Gebildeten sich mit Widerstreben abwendet. Der Grund dieses Widerstrebens ist der Zweifel, und zwar der Zweifel daran, dass dies Gebiet überhaupt gangbar ist, namentlich für den, der sich frei dünkt von jedem Hang zum Aberglauben. Dies Gebiet ist das der experimentellen psychischen Forschung, gewöhnlich kurz als Spiritismus oder auch als Okkultismus bezeichnet. Diese Ausdrücke haben zwar in Wirklichkeit eine andere Bedeutung als die, in der sie meistenteils gebraucht werden. Trotzdem wird in der folgenden Einleitung diesem Sprachgebrauch Rechnung getragen. Was die genannten Ausdrücke in Wirklichkeit besagen, wird an anderer Stelle eingehend erörtert werden.
Auf diesem etwas schwierig zu begehenden Forschungsgebiet möchte nun das vorliegende Buch ein Führer sein für solche, die einmal den Gang wagen wollen. Aber nicht nur ein Führer, der den Leser über manche ihn bedrängende Zweifelfrage sicher hinübergeleiten möchte, sondern auch ein zuverlässiger Gefährte, der ihn aufklären möchte über die bisherigen Ergebnisse dieser Art von Forschung. Bilden doch diese Forschungsergebnisse Lichtstrahlen, die uns einen Blick werfen lassen in die geheimnisvolle Welt unseres eigenen Wesens. Wir werden sehen, in welcher Form diese Forschung heutzutage in den wichtigsten Kulturländern auftritt und werden mit den Hauptvertretern dieser Forschungsrichtung Bekanntschaft machen.
Nun gibt es aber noch eine andere Art psychischer Forschung, die sich toto genere von der auf experimentellem Wege betriebenen unterscheidet. Es ist dies die, auf die allein der Ausdruck Okkultismus angewandt werden sollte, die Forschungsart der sogenannten Geheimwissenschaft oder Esoterik. Auch mit dieser im esoterischen Sinn betriebenen Forschungsrichtung werden wir uns also zu befassen haben, und zwar umso mehr, als deren Ergebnisse uns wirklich hineinführen in das Mysterium unseres Menschenwesens, freilich nur dann, wenn wir uns entschließen können, dem Esoteriker Vertrauen entgegenzubringen.
Das Grundproblem der Esoterik bildet der Gedanke der Palingenie oder Wiederverkörperung. Wir werden hier zu untersuchen haben, welche Stellung hervorragende Denker der Vergangenheit und Gegenwart diesem Problem gegenüber einnehmen. Einen wertvollen Beitrag zur möglichst allseitigen Beleuchtung dieses überaus wichtigen Problems liefert uns hierbei der ehemalige Herausgeber der Zeitschrift „Sphinx“ Dr. Hübbe-Schleiden, dem der Verfasser hierfür an dieser Stelle seinen wärmsten Dank ausdrücken möchte.
Unsere heutige akademische Psychologie hält sich von allen Fragen und Problemen, die ein metaphysisches Gepräge tragen, geflissentlich ferne. Da nun die hier behandelten Fragen beinahe alle dieses Gepräge tragen, da dieses Buch ja recht eigentlich den metaphysischen Bedürfnissen unserer Zeit entgegenkommen will, so kann es nicht ausbleiben, dass es auf akademisch gebildete Psychologen den Eindruck der Unwissenschaftlichkeit und Willkürlichkeit machen wird. Der Verfasser hält es deshalb für seine Pflicht, hier ausdrücklich zu betonen, dass dieses Buch sich selbstverständlich nicht an die soeben genannten Kreise wendet, sondern vielmehr an die große Zahl der gebildeten und wissbegierigen Laien, die sich mit den hier aufgerollten Problemen einmal gründlicher beschäftigen wollen, als ihnen dies vielleicht bisher möglich gewesen ist.
Das Buch wendet sich also nicht an Fertige sondern an Werdende. Denn:
Wer fertig ist, dem ist nichts recht zu machen,
Ein Werdender wird immer dankbar sein.
München, den 1. März 1910.
Ludwig Deinhard
Wir tappen alle in Geheimnissen und Wundern. Wir sind von einer Art Atmosphäre umgeben, von der wir noch gar nicht wissen, was sich alles in ihr regt und wie es mit unserm Geist in Verbindung steht.
Aber: Der Mensch muss bei dem Glauben beharren, dass das Unbegreifliche begreiflich sei. Er würde sonst nicht forschen.
Diese beiden Aussprüche Goethes – sie stammen bekanntlich aus verschiedener Zeit – bilden zusammen so recht eigentlich das Leitmotiv alles Tuns und Strebens, das man seit ungefähr 28 Jahren, seit der im Jahre 1882 erfolgten Gründung der „Society for Psychical Research“ in London, kurz als psychische Forschung bezeichnet. Unter diesem Ausdruck psychische Forschung kann man nun freilich, wenn man will, alles Mögliche verstehen. Denn jeder Psychologe, gleichgültig welcher Richtung, treibt psychische oder, wie man wohl besser sagen wird, psychologische Forschung. Was aber die Gründer jener soeben genannten englischen Gesellschaft unter obigem Ausdruck speziell verstanden wissen wollen und was auch wir hier zunächst darunter verstehen wollen, das ist die Erforschung übersinnlicher Vorgänge. Darunter ist zu verstehen die Erforschung aller jener vom Normalen abweichenden und über dasselbe hinausgehenden, also anormalen und supernormalen Vorgänge physischer, psychophysischer und psychischer Natur, die von der herrschenden Schulwissenschaft darum keiner ernsteren Beachtung gewürdigt werden, weil ihr blindes Vorurteil sie beharrlich mit dem Begriff Aberglaube verquickt.
Wir denken also hier an die – wie man gewöhnlich sagt – okkulten Vorgänge und Erscheinungen, an die Geheimnisse und Wunder, in denen wir alle tappen, nach der Ausdrucksweise Goethes – deutlicher gesprochen, an jene Vorgänge, auf die man sich gewöhnt hat, die Ausdrücke: Mesmerismus, Somnambulismus, Mediumismus, ferner: Telepathie, Telästhesie, Telenergie, Psychometrie usw. anzuwenden. Freilich lauter Ausdrücke, vor denen die Schulwissenschaft sich bis vor kurzer Zeit noch bekreuzt hat. Aber wir können ihr nicht helfen. Diese Vorgänge müssen doch irgendwie bezeichnet werden. Und solange uns die offiziellen Gelehrten keine andere Bezeichnung nach liefern, müssen wir uns eben an die bisher üblichen Ausdrücke halten, selbst auf die Gefahr hin, dass diese Herren, wenn sie einen solchen Ausdruck hören, sich die Ohren zuhalten.
Durch das beharrliche Ignorieren dieser Erscheinungen seitens jener Herren war in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts tatsächlich ein Zustand allgemeiner völliger Ratlosigkeit all diesen Fragen gegenüber entstanden, ein Zustand, der, wie der englische Psychologe Professor Henry Sidgwick an der Universität Cambridge einmal meinte, für unser aufgeklärtes Zeitalter geradezu ein Skandal zu nennen ist.
Es war dies am 17. Juli 1882. An diesem Tag übernahm Professor Sidgwick den Vorsitz über die neu begründete „Society for Psychical Research“ in London. Indem er den Mitgliedern dieser aus Wissbegierigen aller Stände, unter denen auch die höchsten Gesellschaftsklassen vertreten waren, zusammengesetzten Vereinigung ihre Aufgaben und Ziele in längerer Rede auseinandersetzte, entwickelte er ungefähr folgendes Programm:
Um jenem skandalösen Zustand der Ratlosigkeit in all den hier oben aufgerollten Fragen ein Ende zu bereiten, sollten die Mitglieder – so führte er etwa aus – es sich zur Aufgabe machen, Tatsachen auf Tatsachen zu sammeln, die so beweiskräftig sind, dass sie den herrschenden Unglauben der Gelehrtenwelt zum Wanken bringen müssen. Desgleichen sollten sie Experimente auf Experimente anstellen, die den Zweiflern an der Beweiskraft dieser Experimente keinen andern Ausweg übrig lassen, als den, an der Ehrlichkeit derer zu zweifeln, die diese Experimente angestellt haben; das heißt: ihnen also die Eigenschaft der bei jedem Forscher doch als selbstverständlich vorauszusetzenden Wahrheitsliebe vollständig abzusprechen – gewiss ein etwas unangenehmes Dilemma.
Dies war die Methode des Vorgehens, die Professor Sidgwick an jenem denkwürdigen Tag, an dem die „Society for Psychical Research“ ihre Tätigkeit eröffnete, in Vorschlag brachte. Und man kann heute wohl dreist sagen, dass es im Wesentlichen der direkten Durchführung dieses Programms zu verdanken ist, wenn es dieser S. P. R. – wie wir kurz schreiben wollen – in den seither verflossenen 28 Jahren ihres Bestehens tatsächlich gelungen ist, jenem ehemaligen Zustand der völligen Ratlosigkeit in Bezug auf die Phänomene des Okkultismus ein Ende zu bereiten – sicherlich wenigstens in England. Ebenso hat dies zielbewusste und energische Vorgehen der S. P. R. es dort fertiggebracht, dem blinden Vorurteil der Herren Gelehrten einen gelinden Stoß zu versetzen, der gewiss manchen dieser Herren aus seiner bisherigen Skepsis aufgerüttelt haben dürfte. Wir werden auf die Tätigkeit der S. P. R. später eingehend zu sprechen kommen.
Ähnliche Bestrebungen, wie sie in England und dem übrigen englischen Sprachgebiet durch das Auftreten dieser Gesellschaft angeregt wurden, ähnliche Ansätze von psychischem Forschungsbedürfnis beginnen dann, einige Jahre später sich auch in anderen Ländern zu regen. War doch jene Zeit der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts in der Geschichte unsrer Geisteskultur eine merkwürdige Übergangszeit – eine Zeit, in der die herrschende extrem materialistische Weltanschauung Schritt für Schritt an Boden verlor, dafür aber ein jugendlicher Drang erwachte nach einer Lösung alter, hinter dem Wort Okkultismus sich verbergender Probleme der menschlichen Psyche. Löst uns die Rätsel dieser Sphinx – so ertönte der Ruf von allen Seiten – wir wollen Klarheit haben! Fort mit den unbefriedigenden Begriffen der Schulwissenschaft! Lasst uns Wahrheiten hören, an denen man sich halten, mit denen man leben und sterben kann, keine vagen Theorien, die uns zu stumpfer Resignation verurteilen und nur ja kein Ignorabismus!
Und diesem gesunden Verlangen nach Aufklärung über die Probleme des Okkultismus kamen nun überall ähnliche Bestrebungen entgegen, wie wir sie in der Gründung der S. P. R. in die Erscheinung treten sahen – Bestrebungen, die sich ebenso gegen das kehrten, was man Aberglaube, wie gegen das, was man Unglaube zu nennen berechtigt ist. Gegen den Aberglauben insofern, als dies Streben nach Aufklärung über jene Probleme auch in die Kreise des vulgären Spiritismus mit seiner unglaublichen Gedanken- und Kritiklosigkeit dringen musste. Gegen den Unglauben insofern, als man dadurch die vonseiten der skeptischen Gelehrtenwelt beliebte Politik des Ignorierens all dieser Probleme wieder gut zu machen suchte. So sehen wir also im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts eine geistige Bewegung entstehen, die darauf ausgeht, unter den Erscheinungen und Problemen des Okkultismus einmal gründliche Musterung abzuhalten, die Erscheinungen mit allen Hilfsmitteln der Wissenschaft zu erforschen und mit den Ergebnissen dieser Forschung die Probleme zu lösen. Und daraus entstand dann jene emsige Tätigkeit, die man kurz als psychische Forschung bezeichnen kann, wenn man will, und zwar als eine solche im experimentellen Sinn.
Aber damit noch nicht genug. Um dieselbe Zeit, von der wir hier reden, beginnt in der Kulturwelt neben diesem gegen den Aberglauben, wie gegen sein Gegenteil, den Unglauben, gerichteten Drängen nach Aufklärung über gewisse, bisher okkult erschienene, d. h. verborgen gebliebene Erscheinungen und Vorgänge noch eine andere Geistesbewegung sich bemerkbar zu machen. Diese war zwar einem ähnlichen metaphysischen Bedürfnis wie die vorige entsprungen, aber doch insofern etwas anderer Art, als ihr Blick gleich von Anfang an auf ein bedeutend höher gestecktes Ziel gerichtet war. Was war dies nun für ein Ziel?
Jene uralte Rätselfrage, die einst Heinrich Heine in die Worte gefasst hatte:
Sagt mir, was bedeutet der Mensch?
Woher ist er kommen? Wo geht er hin?
und von der dieser geistvolle Spötter gemeint hatte, dass nur ein Narr“ erwarten könne, jemals eine Antwort darauf zu erhalten, war es, die am Ausgang dieses 19. Jahrhunderts mit seinem öden Materialismus und trostlosen Pessimismus einem anfangs zwar nur kleinen, bald aber immer größer und größer werdenden Häuflein von tiefer angelegten Menschen in ihrer ganzen Schwere vor die Seele trat. Gleich angeekelt von dem Dogmatismus der kirchlichen Orthodoxie, wie von den materialistischen Lehren der offiziellen Wissenschaft sehnten sich diese Menschen nach einem Schlüssel, der ihnen Zutritt verschaffen sollte zu dem Mysterium ihres eigenen Wesens.
Haben nicht – so fragten sich diese – die erhabenen Stifter der großen Weltreligionen einen solchen Schlüssel wirklich besessen? Scheint es nicht, wie wenn die großen Weisen, die uns die Geschichte nennt – ein Pythagoras, ein Platon, ein Plotinos, ein Jamblichos, ein Giordano Bruno – in dieses Mysterium mehr oder weniger eingeweiht gewesen wären? Und stoßen wir nicht, wenn wir in die Geistesgeschichte der alten Kulturvölker, der alten Inder, Ägypter, Chaldäer, Babylonier, Griechen und Römer eindringen, überall auf Andeutungen, dass die geistigen Führer dieser Völker Schätze eines nur ihnen bekannten Geheimwissens besaßen? Was ist aus jenen Mysterienschulen des Altertums geworden? Sind sie ganz spurlos vom Erdboden verschwunden oder gibt es heute noch irgendwo solche Stätten der Einweihung in jene geheimnisvollen Lehren?
So fragte man sich. Die also Fragenden schritten dann um die Mitte der 70er Jahre zur Gründung einer Gesellschaft, die zunächst das Studium der Esoterik der Wunderländer des Fernen Ostens ins Auge fasste.
Und ist diese Vereinigung von Dauer, sind diese Bestrebungen von Erfolg begleitet gewesen? – wird der Leser wohl fragen.
Gewiss! Trotz aller Missachtung und Verdächtigung, deren hochgehende Wogen fortwährend gegen die Pforten dieser Gesellschaft anprallten, hat sie dennoch standgehalten, ja sie hat sich immer mehr und mehr ausgebreitet, sodass sie heute bereits – man kann dreist sagen – den ganzen Erdball umspannt und unter den Bekennern der verschiedensten Religionsformen zahlreiche begeisterte Anhänger zählt. – Entspricht sie doch offenbar einem geistigen Zug unserer Zeit.
Ziel und Zweck dieser Gesellschaft ist es nun in erster Linie, die aller und jeder Religion – heiße sie, wie sie wolle – zugrunde liegende uralte Weisheit ihren Mitgliedern zum Bewusstsein zu bringen und in zweiter Linie, ihnen zu einer klaren Einsicht zu verhelfen in das Mysterium ihrer eigenen Seele, mit anderen Werten, ihnen ein klares Verständnis zu verschaffen von deren Ursprung, ihrer allmählichen Entfaltung, weiteren Entwicklung und schließlich Vollendung – als Menschenseele. Gewiss ein Ziel, aufs Innigste zu wünschen, wenn es von uns Menschen zu erreichen ist.
So entstand jene Geistesbewegung der Neuzeit, die sich, wie dies schon bei mancher früheren, von der die Geschichte erzählt, der Fall war, um die viel gedeuteten und wenig verstandenen Begriffe von Mystik und Esoterik dreht. So entstand jene theosophische Bewegung, wie sich diese Geistesbewegung nennt, bei der wir es ebenfalls in gewissem Sinne mit einer psychischen Forschung zu tun haben. Nur unterscheidet sich die Forschungsrichtung der Theosophischen Gesellschaft von der Forschungsrichtung einer S. P. R. und ähnlicher Gesellschaften ganz wesentlich. Während nämlich die S. P. R. sich bei ihrer Forschung ganz auf den Boden der heutigen Natur- und Geisteswissenschaften stellt und diese im ganz modernen experimentellen Sinn betreibt, geht die Richtung der Theosophischen Gesellschaft direkt auf die Erforschung des ureigentlichen Wesens der menschlichen Seele aus. Dies bedeutet aber nichts anderes, als dass deren Mitglieder sich nicht damit begnügen können, die in der Menschenseele schlummernden Kräfte bloß theoretisch zu ergründen, nein, sie sollen und wollen sie auch praktisch in sich selbst zur Entfaltung bringen, um sie zu ihrer Forschung verwerten zu können. Wir haben also hier eine Forschungsrichtung vor uns, die mit Kräften operiert, die der Forscher erst durch eine besondere Schulung in sich selbst entwickeln muss, und wir lernen somit hier ein Streben kennen, das dem Sinn und Zweck der alten Mysterienschulen mit ihrer Einweihung in die Lehren der Esoterik durchaus verwandt ist. Deshalb werden wir auch diese Art von Forschung, wie sie seit circa 35 Jahren von der theosophischen Geistesbewegung in Fluss gebracht worden ist, zum Unterschied von der im experimentellen Sinn betriebenen Forschungsart der S. P. R. und ähnlicher Gesellschaften als eine psychische Forschung im esoterischen Sinn bezeichnen müssen.
Im Folgenden sollen nun diese beiden beinahe gleichzeitig entstandenen Richtungen moderner psychischer Forschung näher beleuchtet werden. Wir werden zu untersuchen haben, zu welchen Ergebnissen sie bisher geführt haben, und wie sie sich im Kulturleben der Gegenwart widerspiegeln.
Noch ein Punkt aber ist es, den wir hier in dieser Einleitung in der Kürze zur Sprache bringen müssen, nämlich die Frage: Wie stellen sich denn nun diese beiden so grundverschiedenen Richtungen gegenseitig zueinander? Können sie sich untereinander irgendwie verständigen? Die Antwort, die auf diese wichtige Frage zu geben ist, dürfte etwa folgendermaßen lauten:
Wer sich der tatsächlich einen seltenen Grad von Geduld und Ausdauer erfordernden experimentellen Richtung anschließt, wer sozusagen ganz in ihr aufgeht, wie dies bei manchen Mitgliedern der S. P. R. der Fall ist, der wird für die esoterische Richtung nicht viel übrig haben. Er wird ihr kaum irgendwelchen – sei es wissenschaftlichen, sei es philosophischen – Wert beimessen, ja er wird eher geneigt sein, sie für Selbsttäuschung, für Schwärmerei und Fantasterei, wenn nicht gar für Schlimmeres, für bewusste Täuschung und Flunkerei zu erklären. Dies liegt in der Natur der Sache.
Wer sich dagegen vollständig in die esoterische Richtung versenkt, der wird es kaum mehr recht verstehen können, dass sich jemand noch mit solch elementaren Problemen abgeben kann, wie mit denen, die den experimentellen Forscher beschäftigen. Denn dem angehenden Esoteriker bietet schon das bloße Studium dessen, was andere weiter Vorangeschrittene erforscht haben, unendlich viel mehr, als dem Experimentator seine ganze, wenn auch noch so gewissenhaft angestellte Forschung. Allerdings erfordert auch die esoterische Richtung, wenn es sich bei ihr um eigentliches Forschen, nicht bloß um gläubiges Hinnehmen esoterischer Wahrheiten handeln soll, ganz andere und viel subtilere Eigenschaften, als sie die experimentelle Richtung erfordert. Ja das Vorhandensein der zum eigentlichen Forschen im esoterischen Sinn erforderlichen Eigenschaften und Fähigkeiten ist bei den heute lebenden Menschen – zumindest bei den heutigen Europäern – so ungemein selten zu finden, dass außerhalb der theosophischen Kreise niemand und am allerwenigsten der sich als Sachkenner fühlende experimentelle psychische Forscher an die Möglichkeit solcher Fähigkeiten glauben will. All das, was die Theosophische Gesellschaft als das Ergebnis ihrer Erforschung der übersinnlichen Welten vor das Forum der Öffentlichkeit bringt, erscheint darum dem bedächtigen und gewissenhaften Experimentalforscher als vorschnelle, gänzlich unbeweisbare Behauptung. Ja es muss ihm als solche erscheinen. Kann doch auch der Sehende dem Blinden nicht beweisen, dass junges Laub dem Auge zartgrün und der heitere Himmel in lichtem Blau erscheint.
Schon diese wenigen Andeutungen über das Verhältnis, in dem die beiden von uns namhaft gemachten Richtungen der modernen psychischen Forschung zueinanderstehen, dürften dem Leser verständlich gemacht haben, dass, so berechtigt sie auch beide in ihrer Eigenart sind, sie sich doch an Menschen von ganz verschiedenen Entwicklungsanlagen wenden. Denn die eine wendet sich vorwiegend an den Intellekt, während die andere sich mehr an die Intuition, an das geistige Wahrheitsgefühl, an das unmittelbare Anschauungsvermögen des Menschen wendet.
Wir wollen nun an die immerhin nicht ganz leichte Aufgabe herantreten, in dem uns hier gesteckten Rahmen dem Leser von beiden Richtungen eine klare Vorstellung zu verschaffen. Er möge sich aber stets dabei bewusst bleiben, dass wir hier nur das Allerwichtigste berühren können und der uns gebotenen Kürze wegen Tausende und aber Tausende von Einzelheiten, die eigentlich liebevolle Berücksichtigung verdienten, leider übergehen müssen. Wer sich mit diesen Detailfragen vertraut machen will, der muss sich an die so überaus zahlreich vorhandenen Spezialwerke halten.
Und nun noch eines. Der Verfasser hegt zwar den lebhaften Wunsch, dass es ihm gelingen möge, den Leser für ein ernsteres Studium dieser heutigen auf die Enträtselung der tiefsten Fragen der Menschenseele gerichteten Bestrebungen zu gewinnen. Aber er möchte es doch ganz ihm selbst überlassen, welcher von den beiden hier zu zeichnenden Richtungen psychischer Forschung er sein Interesse und seine Neigung schenken will. Es soll hier nicht Propaganda gemacht werden weder für die eine Richtung noch für die andere.
Wohl aber wird sich der Verfasser bemühen, von beiden Richtungen dem Leser ein möglichst objektiv gezeichnetes Bild vor Augen zu stellen, das ihn in die Lage versetzt, jede dieser Richtungen ruhig zu prüfen. Welcher von beiden er dann den Vorzug geben will, dies wird ganz und gar von seiner eigenen Individualität abhängen. Diese wird, wie sie jede wichtige Wahl entscheidet, vor die uns das Leben stellt, auch hier den Ausschlag geben. Was aber unter dieser Individualität hier gemeint ist, dies werden erst spätere Ausführungen klarstellen.
Motto: Die Arbeit des psychischen Forschers gehört zu den dringendsten Forderungen der modernen Geisteswissenschaft.
Prof. William James.
Die ersten Versuche, psychische Forschung im experimentellen Sinn nach streng wissenschaftlicher Methode zu betreiben, dürften wohl von der im Jahre 1867 unter dem Vorsitz von Sir John Lubbock begründeten „Dialectical Society“ in London ausgegangen sein. Wir erwähnen die Gründung dieser Gesellschaft hier nur als ein in der Geschichte unserer Forschung wichtiges Ereignis, ohne auf deren Arbeiten näher einzugehen.1 Ebenso wenig können wir uns hier mit einer Schilderung der vielbesprochenen Experimente befassen, die der berühmte englische Physiker Sir William Crookes mit den Medien Daniel D. Home und Florence Cook anfangs der 70er Jahre angestellt hat.2 Über alle diese Versuche und Experimente, die vor Gründung der uns im Folgenden beschäftigenden „Society for Psychical Research“ in London stattgefunden haben, orientiert man sich am leichtesten, wenn man die ersten Jahrgänge (1874, 1875 und 1876) der ältesten deutschen Zeitschrift dieser Richtung, der „Psychischen Studien“ (Oswald Mutze, Leipzig) durchgeht. Wir müssen uns hier auf das Allerwichtigste beschränken und ein solches dürfte es sein, wenn wir damit beginnen, uns einen Überblick über die Arbeiten der – wie schon in der Einleitung angegeben wurde – i. J. 1882 begründeten S. P. R. zu verschaffen. Eine sehr übersichtliche Zusammenstellung der Arbeiten dieser Gesellschaft in den ersten 20 Jahren ihres Bestehens – also von 1882 bis 1902 – hat deren langjähriger Hilfssekretär Edward T. Bennett in einer kleinen Schrift: „The Society for Psychical Research, its Rise and Progress“3 geliefert, deren Angaben wir uns im Folgenden zunutze machen wollen.
Darnach wurde diese Gesellschaft am 26. Februar 1882 von angesehenen Männern der Wissenschaft ins Leben gerufen. Unter den Gründern befanden sich: Henry Sidgwick, Professor der Moralphilosophie an der Universität Cambridge; W. F. Barrett, Professor der Physik am Royal College of Science, Dublin; Reverend W. Stainton Moses; Frederic W. H. Myers, Schulinspektor in Cambridge; George J. Romanes, Professor am Royal Institution in London und andere hervorragende Gelehrte.
Die Tätigkeit der Gesellschaft lässt sich, wenn man zunächst nur das Wichtigste ins Auge fasst, in fünf Forschungsgebiete einteilen:
I. Gedankenübertragung und Telepathie unter Ausschluss der gewöhnlichen Sinnesorgane.
II. Wesen, Kraft und Wirkungen der Suggestion. Insbesondere: Mesmerismus, Hypnotismus und Psychotherapie.
III. Mentale Fähigkeiten, die wissenschaftlich noch nicht anerkannt sind. Insbesondere die des subliminalen Bewusstseins.
IV. Sichtbare Phantome und Spukerscheinungen.
V. Untersuchung der Beweise für die Zulässigkeit resp. Unzulässigkeit der Spirithypothese.
Für jedes dieser Forschungsgebiete wurde ein besonderer Arbeitsausschuss eingesetzt. – Was die Mitgliederzahl der S. P. R. anlangt, so war diese i. J. 1900 bereits auf 1500 gestiegen. Dieses für eine solche Gesellschaft verhältnismäßig rasche Anwachsen erklärt sich wohl zum Teil aus der gleich bei der Gründung getroffenen Bestimmung, dass der Eintritt in dieselbe weder an die Annahme von besonderen Hypothesen, durch die die zu untersuchenden Phänomene sich möglicherweise erklären lassen, geknüpft werden solle, noch den Glauben an die Existenz von Kräften, die wissenschaftlich noch keine Anerkennung gefunden haben, zur Bedingung macht. Aus diesem Grundsatz folgt, dass in dieser Gesellschaft vollkommene Meinungsfreiheit herrscht.
Wenn wir die hier folgende Liste der aufeinander folgenden Präsidenten der S. P. R. betrachten, so ergibt sich daraus, welch angesehene Stellung die Gesellschaft in England einnehmen dürfte. Diese Präsidentenliste lautet:
Professor H. Sidgwick (Universität Cambridge) von 1882 bis 1884
Professor Balfour Stewart F. R. S. (Manchester) von 1885 bis 1887
Professor H. Sidgwick von 1888 bis 1892
The Right Honorable A. J. Balfour M. P. F. R. S. 1893
Professor W. James (Harvard University U. S. A.) von 1894 bis 1895
Sir William Crookes F. R. S. (London) von 1896 bis 1899
Frederic W. H. Myers (Cambridge) 1900
Sir Oliver Lodge F. R. S. (Universität Birmingham) von 1901 bis 1903
Professor W. F. Barrett F. R. S. (Royal College of Science, Dublin) 1904
Professor Dr. Charles Richet (Universität Paris) 1905
The Right Honorable G. W. Balfour von 1906 bis 1907
Mrs. Henry Sidgwick Litt. D von 1908 bis 1909
Der Leser möge beachten, dass auf dieser Liste zwei Männer stehen, die später zum Rang eines Ministers aufstiegen, nämlich die beiden Brüder Balfour. Wir wollen nun die oben angeführten Arbeitsgebiete der S. P. R. nacheinander durchnehmen. Die uns gebotene gedrängte Darstellung zwingt uns aber, bei der Besprechung der einzelnen Gebiete uns nur auf einige wenige typische Beispiele zu beschränken. Wären wir in der Lage, Hunderte von Beispielen anführen zu können, wie dies in Spezialwerken geschieht, so würde dies naturgemäß die Beweiskraft unserer Ausführungen entsprechend erhöhen. Hier handelt es sich aber weniger darum, den Leser davon zu überzeugen, dass solche supernormalen Vorgänge, wie wir sie kennenlernen werden, ziemlich häufig stattfinden, als vielmehr darum, ihm einen Überblick über das ganze Forschungsgebiet zu verschaffen. Dies möge er stets im Auge behalten.
Der Fundamentalversuch des psychischen Forschers ist die Übertragung von Gedanken, unter vollständiger Ausschließung der Sinnesorgane. Ist eine solche Übertragung möglich oder nicht, das war die erste Frage, mit deren Lösung ein zu diesem Zweck eingesetztes Arbeitskomitee betraut wurde. Von Seiten der sich mit dieser Frage beschäftigenden Psychologen und Psycho-Physiker wurde stets und wird noch heute der Grundsatz aufgestellt, dass von einer wirklichen Gedankenübertragung natürlich erst dann gesprochen werden dürfe, wenn alle Fehlerquellen, die zu falschen Schlüssen Veranlassung geben könnten, vermieden werden. Als eine solche Fehlerquelle wird besonders das unwillkürliche Flüstern betrachtet, das sich bei solchen Versuchen erfahrungsmäßig kaum vermeiden lässt.
Nun sind aber von dem betreffenden Arbeitskomitee der S. P. R., an dessen Spitze Prof. W. F. Barrett, Physiker am Royal College of Science in Dublin (vergleiche die obige Präsidentenliste), stand, zahllose mit peinlichster Genauigkeit durchgeführte Versuche angestellt worden, die tatsächlich den Beweis zu liefern scheinen, dass eine solche Übertragung auf rein mentalem Wege wirklich möglich ist. Und zwar im normalen Wachzustand und unter vollständiger Ausschließung jeder Art von Verständigung mit Hülfe der Sinnesorgane. Barrett war wohl der erste Gelehrte, der sich mit solchen streng-wissenschaftlich angestellten Gedankenübertragungsversuchen befasst hat.
Anfänglich wurde bei diesen Versuchen nur die Vorstellung einer Farbe oder einer Zahl, einer Spielkarte oder einer bestimmten Körperstelle, an der der Empfänger Schmerz empfinden sollte, zu übertragen gesucht. 50 Prozent der Versuche gelangen sofort. Später ging man dann daran, das auf Papier gezeichnete Bild eines einfachen Gegenstands oder einer geometrischen Figur zu übertragen, natürlich unter strengster Beachtung der notwendigen Vorsichtsmaßregeln, damit jede Verständigung zwischen dem „Agenten“ und dem „Perzipienten“, d. h. zwischen dem Urheber und dem Empfänger der Übertragung ausgeschlossen ist. Der Prozentsatz der gelungenen Versuche war allerdings jetzt bedeutend kleiner. Zur Illustration derartiger Versuche geben wir auf der nächsten Seite in zwei Fällen die Originalzeichnung, daneben die auf rein mentalem Weg übertragene und mehr oder weniger geglückte Reproduktion dieser Zeichnung. Beide Versuche entstammen den Veröffentlichungen der S. P. R., die unter dem Titel: Proceedings of the Society for Psychical Research durch den Buchhandel bezogen werden können,4 während das allmonatlich erscheinende „Journal“ nur an die Mitglieder abgegeben wird. Die ersten Bände der „Proceedings“, die in den Jahren 1882 und 1883 erschienen sind, enthalten eine Menge Berichte über solche von den Mitgliedern der S. P. R. damals angestellten Versuche von experimenteller Gedankenübertragung. Der Leser, der sich für diese Berichte und für die beigegebenen Tafeln besonders interessiert, wird diese am besten in den ersten Bänden der in den Jahren 1886–1896 von Dr. Hübbe-Schleiden herausgegebenen Zeitschrift „Sphinx“ nachschlagen.5
Wie lässt sich nun die Tatsache der Gedankenübertragung wissenschaftlich erklären?
Diese Figuren zeigen deutlich die verschiedenen aufeinanderfolgenden Versuche, das Original zu reproduzieren. Es lässt sich daraus schließen, dass der übersinnlich-mentale Eindruck stückweise empfangen wird.
Zunächst lässt sich nur so viel sagen, dass, wenn die Versuche gelingen sollen, zwei Bedingungen erfüllt sein müssen: 1. muss der Übertragende einen hohen Grad von Konzentrationsfähigkeit besitzen; 2. muss der Empfänger im hohen Grad sensitiv sein. Über den Vorgang selbst äußerte sich der berühmte Physiker Sir William Crookes (vergleiche die obige Präsidentenliste) in einer am 29. Januar 1897 gehaltenen Präsidialrede wie folgt:
„Es scheint mir, dass wir in den Röntgenstrahlen und ähnlichen Strahlen von hoher Frequenz mit Trillionen von Ätherschwingungen pro Sekunde möglicherweise ein Mittel zur Übertragung von Gedanken besitzen, das uns, wenn wir ein paar vernünftige Postulate aufstellen, zu vielem, was bei unserer psychischen Forschung noch dunkel ist, einen Schlüssel liefert. Nehmen wir einmal an, dass diese Strahlen in das Gehirn eindringen und dort auf irgendein Nervenzentrum einwirken. Stellen wir uns vor, das Gehirn enthielte ein Zentrum, das mit diesen Strahlen etwa so verfährt, wie eine Musiksaite mit Tonschwingungen, und das Zentrum würde diese Strahlen mit der Geschwindigkeit des Lichts nach dem empfangenden Ganglion eines anderen Gehirns hinsenden. Auf diese Weise würden sowohl gewisse telepathische Erscheinungen,6 wie die Übertragung von Gedanken gesetzmäßig und begreiflich erscheinen. Ein sensitiver Mensch wäre dann ein solcher, der ein telepathisches Übertragungs- oder Empfangsganglion von höherer Entwicklungsstufe besäße, oder der durch fortgesetzte Übung sich für diese Wellen hoher Frequenz sensitiv gemacht hätte. Die Erfahrung scheint zu beweisen, dass die Übertragungs- und die Empfangsganglien sich nicht in gleicher Weise entwickeln. Das eine kann in Aktivität treten, während das andere sich kaum rührt, etwa wie die Zirbeldrüse. Durch eine solche Auffassung würden keine physikalischen Gesetze verletzt, und man müsste nicht zu Erklärungen greifen, die ins Übernatürliche führen.“
Crookes sprach dann noch die Ansicht aus, dass alle diese Vorgänge in einer Region verlaufen, für die allerdings unsere gewohnte Raumanschauung keine Gültigkeit besitzt. Zum Schluss sagt er, er sähe keinen vernünftigen Grund ein, weshalb irgendein Wissenschaftler sich den Arbeiten der S. P. R. verschließen oder sich absichtlich davon fernhalten sollte.
Ähnlich drückte sich Crookes aus, als er im September 1898 die Jahresversammlung der British Assoziation (die unseren deutschen Naturforscher- und Ärzteversammlungen entspricht) als deren Präsident eröffnete. Er erinnerte hier an den bei der drahtlosen (oder Funken-) Telegrafie in Anwendung kommenden Branlyschen Kohärer und stellte die Hypothese auf, dass in unserm Gehirn ein diesem Apparat analoger Nerven-Kohärer existieren dürfte, dessen spezielle Funktion es sei, Impulse zu empfangen, die ihm durch aufeinanderfolgende Ätherwellen von geeigneter Größenordnung von außen zugingen. Über psychische Forschung im Sinn der S. P. R. äußerte sich Crookes bei dieser Gelegenheit in folgenden Worten:
„Diese Forschung vereinigt die Schwierigkeiten, die allen experimentellen Untersuchungen unsrer Psyche anhaften, mit denen, die durch die verwickelten menschlichen Temperamente und durch Beobachtungen entstehen, die nicht auf Ablesen von Apparaten, sondern auf persönlichem Zeugnis beruhen.“7
Wir gelangen nun zur spontanen Telepathie, d. h. einer Gedanken- oder Vorstellungsübertragung, die zum Unterschied von der auf experimentellem Weg herbeigeführten oder gewollten, von der wir soeben gehandelt, freiwillig von selbst auftritt, wie Tausende von Fällen, die die S. P. R. gesammelt, untersucht und veröffentlicht hat, beweisen. Damit der Leser nicht im Zweifel ist, was man unter spontaner Telepathie versteht, mögen hier zwei Fälle von solcher Gefühls-, resp. Gedankenübertragung, wofür wir im Deutschen gewöhnlich das Wort Ahnung gebrauchen, folgen, die beide von der S. P. R. veröffentlicht wurden.
Fall (von einem Arzt mitgeteilt, Proceedings S. P. R. Vol. I. S. 31): Lady G. und ihre Schwester hatten den Abend bei ihrer alten Mutter zugebracht und sie anscheinend in bestem Wohlsein und guter Stimmung zurückgelassen. Mitten in der Nacht wachte die Schwester mit einem Gefühl von Angst auf und sagte zu ihrem Gatten: „Ich muss sofort zu meiner Mutter, bestelle mir den Wagen! Ich bin sicher, sie ist krank geworden.“ Der Gatte versucht zuerst vergeblich, seine Frau zu überzeugen, dass sie fantasiere, bestellt aber dann doch den Wagen. Als sich diese dann mit ihrem Wagen dem Hause der Mutter nähert, kommt sie an eine Stelle, wo zwei Straßen einander kreuzen. Zu ihrer Überraschung sieht sie dort den Wagen ihrer Schwester, der Lady G. Sobald die beiden Schwestern sich einander genähert hatten, fragt die eine die andere, weshalb sie gekommen sei. Dieselbe Antwort von beiden Seiten: „Ich konnte nicht schlafen. Ich hatte immer das bestimmte Gefühl, die Mutter müsse krank geworden sein und deshalb bin ich gekommen, um nachzusehen.“ Als sie das Haus in Sicht hatten, gewahrten sie die vertraute Dienerin der Mutter an der Tür, die ihnen, als sie ankamen, sagte, ihre Mutter sei ganz plötzlich krank geworden und liege jetzt im Sterben. Sie habe den ernstlichen Wunsch geäußert, ihre beiden Töchter zu sehen.
Noch interessanter, wie dieser, ist der folgende, ebenfalls von einem Arzt mitgeteilte 2. Fall („Phantasms of the Living“, Vol. II, S. 123-124). Als ich vor etwa 40 Jahren noch in Penketh lebte, saß ich eines Abends lesend da, als es mir plötzlich war, wie wenn ich eine Stimme hörte, die die Worte sagte: „Sende James Gandys einen Laib Brot.“ Ich fuhr fort zu lesen. Plötzlich hörte ich die Stimme zum zweiten Mal, dieselben Worte wiederholend. Ich fuhr noch immer fort zu lesen. Auf einmal höre ich die Stimme zum dritten Mal, dieselben Worte: „Sende James Gandys einen Laib Brot!“ mit starker Betonung wiederholen. Diesmal war sie aber von einem unwiderstehlichen Impuls zum Aufstehen begleitet. Ich gehorchte also diesem Impuls, ging in das Dorf und kaufte einen großen Laib Brot. Als ich an der Ladentür des Bäckers einen Jungen stehen sah, fragte ich ihn, ob er James Gandy kenne. Der Junge sagte ja. Ich gab ihm nun eine Kleinigkeit und hieß ihn, den Laib nehmen, zu Gandys hintragen und dort sagen, es hätte ihn ein unbekannter Herr gesandt. Frau Gandy war mir nun aber persönlich bekannt. Ich ging also den nächsten Morgen zu ihr hin, um nachzusehen, was aus der Sache geworden sei. Als ich hinkam, sagte mir die Frau, es sei ihr am vergangenen Abend etwas sehr Merkwürdiges passiert. Sie erzählte: als sie die Kinder habe zu Bett bringen wollen, hätten diese angefangen, nach Brot zu jammern, und sie hätte doch nichts im Hause gehabt. Ihr Mann sei schon 4 oder 5 Tage ohne Arbeit. So hätte sie denn zu Gott gebetet, er möge ihnen doch etwas schicken. Bald darauf sei ein Junge zur Türe hereingekommen mit einem Laib Brot im Arm, den ihm ein unbekannter Herr gegeben hätte mit dem Auftrag, er solle ihn herbringen. Als ich weiter nachforschte, stellte sich heraus, dass das Beten der Frau und die von mir gehörte Stimme zeitlich genau koinzidiert hatten.
Wer sich mit diesen zwei wohlbeglaubigten Fällen von spontaner Telepathie nicht begnügen will und nach mehr verlangt, dem sei das Studium des schon oben zitierten, von 3 Mitgliedern der S. P. R. herausgegebenen Werkes: „Phantasms of the Living“ von Edmund Gurney M. A., Frederic W. H. Myers M. A. und Frank Podmore M. A. empfohlen,8 von dem ein kürzerer Auszug unter dem etwas sonderbar klingenden Titel: Gespenster Lebender (Leipzig bei Oswald Mutze) in deutscher Übersetzung vorliegt. Alle diese Fälle – im englischen Originalwerk sind etwa 700 zusammengestellt – sind vor ihrer Veröffentlichung hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Berichterstatter aufs gewissenhafteste geprüft worden.
Die Vorgänge der Gedankenübertragung und Telepathie liegen freilich noch sehr im Dunkeln. Trotzdem aber haben die hierauf bezüglichen Arbeiten der S. P. R. sicher aufs deutlichste bewiesen, dass unsere 5 Sinne nicht die Mittel erschöpfen, durch welche uns Kenntnisse von außen zufließen können.
Aber es bleibt selbstverständlich äußerst wünschenswert, dass weitere Versuche nach dieser Richtung angestellt und weitere Erfahrungen auf diesem Gebiet gesammelt werden.
Hier ist vor allem zu betonen, dass die Elite der S. P. R. seit 1886 den Begriff Mesmerismus (in Deutschland redet man bekanntlich von organischem oder animalischem Magnetismus), der die Annahme involviert, dass es ein spezifisches Fluidum vitaler Natur gibt, das sich von Mensch zu Mensch übertragen lässt, definitiv hat fallen lassen und seither nur von Suggestion redet. Ob mit Recht oder Unrecht bleibt hier ganz außer Frage. Das weitaus eifrigste und leistungsfähigste Mitglied der S. P. R. der schon oben genannte (vgl. die obige Präsidentenliste) Frederic Myers (gestorben Januar 1901) schlug i. J. 1886 in betreff des soeben gebrauchten Ausdruckes Suggestion vor, die verschiedenen Bedeutungen, die diesem Begriff zukommen können, streng auseinanderzuhalten. Myers unterschied schon damals zwischen einer Verbalsuggestion (durch Worte hervorgerufen) und einer Selbst- oder Autosuggestion; ebenso zwischen einer Mentalsuggestion, die von einer anwesenden Person, und einer Mentalsuggestion, die von einer abwesenden Person ausgehen kann. Dies alles sind uns heute ganz geläufige Begriffe. Sie zuerst klargestellt zu haben, ist das Verdienst des eben genannten Forschers. In seinem i. J. 1903 posthum erschienenen Werk: „The Human Personality and its survival of bodily death“ (Longmans, Green and Co. London) sucht Myers den Nachweis zu erbringen, dass eine Fremdsuggestion sich ihrerseits immer in eine Selbst- oder Autosuggestion auflöst, und definiert hier den Begriff Suggestion als einen erfolgreichen Appell an das subliminale Bewusstsein.
Wie erklärt nun Myers die Wirkung einer hypnotischen Behandlung, sagen wir z. B. der Trunksucht? Auf diese Frage gab Myers einmal folgende für seine Auffassung der menschlichen Seelenkräfte sehr charakteristische Antwort: (Vgl. Proceedings. S. P. R. Vol. XIV, S. 106-7.)
„Der Hypnotismus bedeutet im Wesentlichen immer dasselbe nämlich die Ausübung der volleren Herrschaft über die subliminale – d. h. unter der Schwelle des Bewusstseins wirkende – plastische Kraft. Auf welche Weise wird nun diese vollere Herrschaft herbeigeführt? Auf welche Weise wird diese subliminale plastische Kraft – diese vis medicatrix naturae – in Wirklichkeit erreicht? Die rein physiologische Erklärung ist absolut ungenügend. Übereinstimmend erklären alle heute lebenden Hypnotiseure, dass die hypnotischen Erscheinungen in der Hauptsache oder ganz ausschließlich nur auf Suggestion beruhen. Wir brauchen dieses Diktum nicht zurückzuweisen, aber wir müssen uns die Aufgabe stellen, herauszufinden, was dieses Wort Suggestion im vorliegenden Fall eigentlich bedeutet. Etwas kann dieses Wort sicherlich nicht bedeuten, nämlich die Kraft der bloßen Überredung. Der Hypnotiseur würde sicher nichts erreichen, wenn er den Trunksüchtigen nur zu überreden suchte, dass es besser wäre, wenn er das Trinken sein ließe. Wenn er einen solchen Patienten von seiner Leidenschaft des Trinkens wirklich zu kurieren vermag, so geschieht dies darum, weil es geglückt ist, auf seine subliminale plastische Kraft einzuwirken und nicht auf seine supraliminale Vernunft, d. h. auf die Vernunft seines gewöhnlichen Ich. Er hat eine intelligent wirkende organische Fähigkeit in dem Menschen wachgerufen, die bis zu diesem Moment geschlummert hat und die eine wirksamere Heilkraft auszuüben vermag als sein bewusster Wille. Wie aber hat er dies getan? Entweder hat er ihm Kraft eingeflößt oder er hat in ihm Kraft hervorgerufen. Entweder hat er durch irgendeine Beeinflussung ihm neue Kraft verliehen oder er hat irgendwo eine Quelle von Kraft erschlossen, die bis dahin in dem Wesen des Mannes verschlossen war. Unter der Schwelle des Wachbewusstseins ruht aber nicht bloß ein unbewusster Komplex von organischen Prozessen, sondern eine intelligent wirkende vitale Kraft. Diese verborgene Kraft mit dem Willen unsres Wachbewusstseins zu erreichen, dies ist das große evolutionäre Ziel, zu dessen Erreichung uns der Hypnotismus seine Hilfe zu leihen beginnt.“
Es steckt jedenfalls – das wird der Leser intuitiv herausfühlen – viel Wahrheit in diesen Ausführungen des geistvollen englischen Forschers, dem wir diese Bemerkungen über die Wirkungsweise des Hypnotismus verdanken, und wir wollten uns deshalb nicht versagen, sie vollständig hierher zu setzen.
Es ist bezeichnend für die Umsicht, mit der die S. P. R. bei der Auswahl ihrer Untersuchungsobjekte vorging, dass sie auch den sogenannten Wund erküren ihre Aufmerksamkeit schenkte. Der IX. Band der Proceedings vom Juni 1893 brachte eine längere Arbeit der Gebrüder Myers, betitelt: „Mind-Cure, Faith-Cure and the miracles of Lourdes“. Diesen jetzt in jüngster Zeit wieder viel genannten Ort hatten damals der uns bereits bekannte Frederic Myers und sein Bruder Dr. med. Myers zum Zweck des Studiums jener Gerüchte über dort stattgefundene Wunderkuren persönlich aufgesucht. Sie fassen ihr Urteil in folgenden Worten zusammen: (Vgl. Proceedings, S. P. R. Vol. IX, S. 204).
„Keine der speziellen Formen von Psychotherapie, die wir zu untersuchen beauftragt sind, hat uns genügende Beweise geliefert, die einen vernünftigen Menschen von der tatsächlichen Existenz eines Wunder wirkenden Agens hätten überzeugen können, so überraschend auch die Kunde von einer Kur klingen mag. Viele Formen von Psychotherapie bringen durch verborgene aber natürliche Agenden, für die wir zurzeit keine besseren Bezeichnungen als Suggestion und Autosuggestion besitzen, Wirkungen hervor, für die eine bestimmte Grenze bis jetzt noch nicht anzügen ist. Lourdes kann in Bezug auf Heilungen allerdings die beste Liste aufweisen. Seine Überlegenheit in dieser Hinsicht kommt aber nur daher, dass eben dort eine größere Zahl von Leidenden zusammenströmt, als irgendwo anders und dass die Leute zu der dortigen Behandlung ein größeres Zutrauen haben. Es gibt keinen wirklichen Beweis weder dafür, dass die Erscheinung mehr ist, als eine subjektive Halluzination, noch dafür, dass sie in einem andern als bloß subjektiven Zusammenhang mit den Heilungen steht.“
Diese Auffassung der Gebrüder Myers, denen zweifellos damals die ganze S. P. R. zugestimmt haben dürfte, stimmt wohl auch mit der Auffassung der heutigen medizinischen Wissenschaft, speziell der deutschen, hinsichtlich dieser Frage ziemlich überein, wie sie ja auch in dem neuerlichen Vorgehen des deutschen Monistenbundes gegen die „angeblichen Wunderheilungen von Lourdes“9 zum Ausdruck kommt. Aber rätselhaft bleiben diese vom „Bureau des Constatations“ in Lourdes angeblich festgestellten Heilungen immerhin. Vielleicht wäre eine klarere Einsicht in diese Heilungen möglich, wenn man den Faktor Psychodynamismus, den Professor Morselli in Genua in seinem erst kürzlich erschienenen Werk: Psicologia e Spiritismo – auf das wir im folgenden Kapitel noch zu sprechen kommen werden – heranzieht, um die merkwürdigen, in den Sitzungen mit dem Neapolitaner Medium Eusapia Paladino auftretenden Phänomene zu erklären. Wenn wir annehmen, dass in der psychischen Atmosphäre der von gläubigen Pilgern erfüllten Gegend von Lourdes ein ähnlicher Psychodynamismus, d. h. eine ähnliche plastisch wirksame psychische Kraft herrscht, wie sie nach Prof. Morselli in den Sitzungen mit Eusapia herrschen soll, dann brauchen wir uns bloß daran zu erinnern, was Frederic Myers über die überraschende Wirkung der Suggestion angibt, um diese Heilungen von Lourdes – ihr wirkliches Vorkommen vorausgesetzt – unserm Verständnis näher zu bringen. Darnach wäre es die psychische Atmosphäre von Lourdes, die diese behaupteten wunderbaren Heilungen hervorbringt. Dies ist eine Hypothese, weiter nichts, die ich mir gestatten möchte, dem Nachdenken des freundlichen Lesers zu empfehlen.
Wir kommen jetzt zu einem Begriff, der in der gesamten Literatur der S. P. R., die nebenbei bemerkt heute schon ein sehr stattliches Bücherregal anfüllt, eine sehr große Rolle spielt. Und wir betreten mit diesem Begriff sozusagen das Dickicht des Okkulten, das von jetzt an immer unwegsamer, immer schwieriger zu durchdringen sein wird, worauf wir den Leser schon hier aufmerksam machen möchten. Wer unter den psychischen Forschern in dieses Dickicht am tiefsten eingedrungen ist, der besitzt natürlich auch am meisten Erfahrung darüber, und wenn sich der Betreffende auch sonst eines guten wissenschaftlichen Rufes erfreut, so werden wir ihn wohl auch in diesen delikaten Fragen der Psychologie des Okkulten als eine Autorität betrachten dürfen, ohne Gefahr zu laufen, wegen eines übertriebenen Autoritätsglaubens uns die Missbilligung des Lesers zuzuziehen.
Dies trifft nun auf Frederic Myers, mit dem der Leser ja bereits nähere Bekanntschaft gemacht hat, in jeder Hinsicht zu. Wir haben bereits gehört, dass Myers von einem supraliminalen und einem subliminalen Bewusstsein redet, und wollen nun sehen, was er sich bei diesen Ausdrücken gedacht hat. Wenn der angesehenste amerikanische Psychologe der Gegenwart, Professor William James (vergleiche oben die Präsidentenliste) nach Myers Tod in den Proceedings der S. P. R. vorgeschlagen hat, das Problem des subliminalen Bewusstseins in der Psychologie künftighin das Myerssche Problem zu nennen, so beweist dies doch, dass man diesem Problem in Fachkreisen eine größere Bedeutung beimisst. Myers selbst erläutert dieses Problem folgendermaßen: