Das Papolupatal. Die federleichte Rückkehr - P.C. Nunes Monteiro - E-Book

Das Papolupatal. Die federleichte Rückkehr E-Book

P.C. Nunes Monteiro

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Beschreibung

„Wir sind endlich wieder zurück am Regenbogensee! Auf unserem Weg haben wir neue Freundschaften geschlossen und mussten auch zahlreiche Wagnisse eingehen. Wir waren in uns nicht bekannten Gegenden, trafen auf das eine oder andere Missverständnis und fanden schließlich das, was wir suchten! Unsere Eltern wohnten indes einem Wettkampf am Rabenhorn bei und starteten eine Rettungsaktion an einem gefährlichen Wasserstrudel. Natürlich war der Federverlust von Tütelütü erneut ein Thema – und Hüte spielten diesmal auch eine Rolle. Folgt mir nun und erfahrt, was uns alles vor unserer Rückkehr widerfuhr! Euer Blaukäppchen.“ Blaukäppchen ist eine nachdenkliche, junge Blaumeise, die im Papolupatal heranwuchs. Um der Zwergente Tütelütü bei ihrem Federproblem zu helfen, machten sich Blaukäppchen und seine Geschwister auf zur Insel der Keas. Daraufhin führte sie ihr Weg durch eine enge Röhre unter dem Regenbogensee und hinauf auf den Tafelberg. Im Verlauf ihrer Reise trafen sie auf weitere Tiere, mit denen sie sich anfreundeten. Die Eltern der Jungvögel, die sich auf eine eigene Reise begeben haben, um einem Verwandten zu helfen, wohnten unterdessen einem Wettkampf auf dem Rabenhorn bei. Die siegreichen Teams begleiteten die Meisen auf ihrem Rückweg zum Regenbogensee und erlebten mit ihnen einige Abenteuer, die denen der Jungvögel in nichts nachstanden. Die Autoren P. C. Nunes Monteiro und J. Roos entführen uns mit diesem Buch erneut in die große Welt der ungewöhnlichen Tiere und lassen uns am Leben der Bewohner des Papolupatals teilhaben. Wieder präsentieren sie uns eine Geschichte, die von wahrer Freundschaft, Mut und Hilfsbereitschaft erzählt – gewürzt mit einer Menge Witz und Spaß! Neben alten Bekannten treten in diesem Teil zahlreiche neue Akteure in Erscheinung, wie beispielsweise das vegetarische Krokodil Rollo de la muerte und ein zorniges Flusspferd namens Fefelosa. Außerdem lernen wir den Hutmacher Chismu kennen sowie ein Stummelschwanzchamäleon, welches auf den Namen Deprimus hört …

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Inhalt

Erwachen am Rabenhorn

Butterblumen zur Beruhigung

Das Spiel beginnt

Die letzten Vorbereitungen

Sehr rutschige Pfade

Weiter, immer weiter!

Eine außergewöhnliche Freundschaft

Eine windige Gestalt

Aus heiterem Himmel

Strudel der Gefühle

Regen, Sonne, Regenbogen

Ein luftiger Blütengruß

Jemand weiß Bescheid!

Der Schein trügt

Wir halten zusammen

Ein vermeintlicher Hinterhalt

Wert der Freundschaft!

Verwüstung, Verärgerung, Versprechung

Es läuft zusammen!

Hinterhalt und Hüte

Irrungen und Wirrungen

Zu den Sternen

Für Birgit: Denk an den Stein und daran, dass alles auch immer eine gute Seite hat!

Zweiter Teil

Prolog

In „Ein federleichter Anfang“, dem Beginn unserer Geschichte, habt ihr mit mir erlebt, wie ich die ersten Farben meiner Welt erblickte. Im weiteren Verlauf lerntet ihr meine Familie kennen und wart natürlich auch am großen Tag unseres Ausfliegens dabei!

Ihr erfuhrt ferner, warum Mama und Papa ihren eigenen Weg einschlugen, wie sie gegen das grauenhafte Unwetter ankämpften und dem großmäuligen Chikotte zu Hilfe kamen, der dadurch ebenfalls in Not geraten war.

Auch seid ihr dabei gewesen, als sie zusammen mit ihren Freunden einige Jungvögel aus einer ziemlich misslichen Lage befreiten.

Natürlich habt ihr auch von dem gefräßigen Wels erfahren, der unsere Eltern bereits zu seiner Zwischenmahlzeit auserkoren hatte.

Wie ihr nun wisst, sind sie schließlich nach ihrer abenteuerlichen Reise wohlbehalten auf dem Rabenhorn angelangt!

Meine Geschwister und ich bestanden unterdessen unsere eigenen Herausforderungen! Federnah habt ihr miterlebt, wie wir nur um Krallenbreite raubgierigen Ameisen entkommen konnten und wie wir unseren heldenhaften Grünspecht Stechbert von Schnuddel kennenlernten.

Sicherlich könnt ihr euch genauso gut an den schwerhörigen Langohrigel Kleimi, das lauschende Eichhörnchen Pinselohr und die Nusshöhle der Haselmausschwestern erinnern.

Wenn ihr mir gut zugehört habt, wisst ihr bestimmt auch noch, warum Omelettegesicht immer jammernd durch den nächtlichen Himmel schwebt und weshalb der Pfeifhase Pepe´leoh vor dem Bären Zuckerschnute davongehoppelt ist.

Außerdem habt ihr uns mit den Bibern begleitet, als wir mit der armen Tütelütü zur Keainsel reisten und wie wir von dort in Begleitung Tornados, auf eine ungewisse Reise durch die Röhre, zum Plateau aufbrachen. Denn schließlich sollten ja dort die Seerosenblüten mit den vielen „Minerals“ wachsen, mit deren Hilfe wir hofften, Tütelütüs Federproblem zu lösen!

Wenn ihr euch zwischenzeitlich wieder von den schwindelerregenden Ereignissen des ersten Teils erholt habt und noch ausreichender Abenteuergeist bei euch vorhanden ist, dann folgt mir nun. Haltet aber bitte eure Federn gut fest, denn es werden erneut heftige Turbulenzen auftreten!

Euer Blaukäppchen

1. Erwachen am Rabenhorn

Arle wurde von leisem Flüstern geweckt und öffnete ihre noch vom Schlaf verklebten Augen.

Sie hockte auf dem wippenden Zweig einer mächtigen Kiefer. Ihr Gefährte Gego befand sich neben ihr und bewegte sich schlafend im Einklang mit den schlingernden Bewegungen des Zweiges. Jetzt kehrten Arles Erinnerungen zurück: Sie waren auf dem Rabenhorn, wo sie ja am Vorabend eingetroffen waren!

Schlagartig wurde ihr auch wieder bewusst, dass sie ihre Kleinen beim Heimbaum zurückließen, weil sie ihnen eine solche weite und gefährliche Reise nicht hatten zumuten wollen. Dazu kam noch, dass deren Flügel dafür noch gar nicht kräftig genug waren. Nicht zum ersten und mit Sicherheit auch nicht zum letzten Male wünschte sie sich, dass es ihnen während ihrer Abwesenheit gut ergehen würde!

Nach ihrer Ankunft hier oben auf dem Rabenhorn hatten sie Onkel Butterschnabel und den seltsamen Nacktschnabelhäher Bickabolo getroffen, welcher sie sogleich einem Verhör unterzogen hatte. Eine Frage war der nächsten gefolgt, wobei er sie die ganze Zeit mit bohrenden Augen fixiert hatte. Was der so alles hatte wissen wollen! Doch im weiteren Verlauf des Abends, als sie die Geschichte ihrer Herreise erzählt hatten, war er zunehmend entspannter geworden und verlor dabei immer mehr seine misstrauische Haltung.

Nun wurde Arles Aufmerksamkeit auf die Wiese gelenkt, die sich scheinbar endlos in westliche Richtung ausbreitete. Gestern noch hatten sich hier in der Nähe des Baumstammes viele schlafende und schnarchende Steinböcke aufgehalten. Jetzt zogen diese grasend oder herumtollend in einiger Entfernung über den wogenden Grassee.

Ursprünglich waren die beiden Blaumeisen aufgebrochen, um einem Bruder Arles zu helfen, der sich laut Frau Platsch hier im Gebirge verletzt haben sollte. Doch im Verlauf ihrer Herreise stellte sich heraus, dass es sich dabei nicht um einen von Arles Brüdern gehandelt hatte, sondern um Onkel Butterschnabel.

Die Kohlmeise war bereits durch den Nacktschnabelhäher Bickabolo und die Seinen versorgt worden. Onkel Butterschnabel befand sich schon auf dem Weg der Besserung und würde heute mit ihnen den Rückweg zu ihrem Heimbaum antreten. Da sein Flügel noch nicht vollständig ausgeheilt war, würden sie deshalb nur ein wenig langsamer reisen müssen. Aber das machte nichts, denn sie würden ja nach Hause zurückkehren. Zurück zu Federchen, Blaukäppchen, Bürste, Kralle, Piep und Samtbäuchlein – ihren Kleinen, die sie beide so sehr vermissten!

2. Butterblumen zur Beruhigung

Als Arle sich umschaute, sah sie Onkel Butterschnabel und Bickabolo am Ende des Astes hocken. Sie unterhielten sich in gedämpftem Tonfall, wahrscheinlich um niemanden aufzuwecken. Während sie diese betrachtete, fragte sich Arle nicht zum ersten Mal, wo der Onkel nur immer diese Butterblumen herbekäme. Sie hingen ihm bei jeder Gelegenheit aus dem Schnabel – wie auch jetzt wieder. Es schien fast so, als würden sie darin wachsen. Eine andere mögliche Erklärung für Arle war, dass der Waldwichtel ihm immer heimlich zuflüsterte, wo diese gerade zu finden waren!

Um Gego noch nicht aufzuwecken, hüpfte sie möglichst leise den Ast entlang. Als Bickabolo dies bemerkte, hob er seinen Kopf und stieß gleichzeitig einen kurzen Pfiff in Richtung des Baumwipfels aus. Wie der Blitz kamen darauf zwei Rabenvögel aus dem Baum herabgezischt.

Sie brachten Arle verschiedene Sämereien, Pinienkerne und auch Beeren zum Frühstück, welche sie vor ihr auf dem Ast ausbreiteten. Bickabolo nickte ihnen wohlwollend zu und kraulte ihnen zum Dank dafür noch kurz mit seinem Schnabel den Nacken. Rabenvögel machten das gerne, um den Gruppenzusammenhalt zu festigen!

Leise fragte Bickabolo den zuletzt gelandeten Rabenvogel in einem verschwörerischen Tonfall, ob er auf dem Weg hierher irgendjemanden mit verdächtigem Verhalten bemerkt habe. Darauf schüttelte der Angesprochene verneinend den Kopf und flog dann dem anderen Rabenvogel geschäftig hinterher!

Gestern Abend hatten sie noch alle bis weit nach der Dämmerung in dem Heimbaum von Bickabolo und seiner Gefährtin Hakeka gehockt. Dort in der riesigen Kiefer hatten die Blaumeisen von ihrer ereignisreichen Herreise zum Rabenhorn erzählt. Je mehr sie erzählten, desto voller war es auf den Ästen um sie herum geworden. Am Ende ihrer Erzählung war fast jeder Ast von Vögeln besetzt gewesen – weil in der rauen Umgebung des Rabenhorns natürlich alle Bewohner spannende Geschichten zu schätzen wussten!

Sogar ein paar Steinböcke, wie Gotondro oder auch der arme, verwirrte Hornrich, befanden sich unter der Zuhörerschaft. Sie hatten unterhalb der Äste auf der Wiese gestanden, die nun von einer dünnen Nebelschicht bedeckt war, da so hoch in den Bergen die Nächte immer ziemlich feucht waren. Die ersten Strahlen der Sonne sorgten am Morgen dafür, dass die Feuchtigkeit aus dem Boden stieg und sich als Nebelteppich auf das Gras legte. An diesem Morgen zupfte die sich sanft bewegende Luft bereits erste Stücke davon heraus und verschwand damit irgendwo weit oben im Himmel. Heute würde sicherlich ein sonniger Tag werden – und das war auch gut so!

Die rege Betriebsamkeit, welche bereits auf der Wiese herrschte, erinnerte Arle wieder daran, dass an diesem Tag ein Wettkampf stattfinden sollte. Da Bickabolo wusste, dass die Blaumeisen zu ihrem Heimbaum zurückkehren wollten, hatte er sich am Vorabend zusammen mit Gotondro überlegt, dass die drei Gewinnerteams daraus sie auf ihrer Rückreise begleiten sollten. Zum einen, weil Onkel Butterschnabel noch nicht ganz gesund war, und zum anderen, weil es natürlich mehr Spaß machen würde, in einer Gruppe zu reisen!

Arle pickte genüsslich an einer Beere herum, während sie nebenbei dem Gespräch zwischen Bickabolo, Onkel Butterschnabel und dem Steinbock Gotondro zuhörte, der graskauend unter ihrem Ast stand. Die drei fachsimpelten über den anstehenden Wettkampf und die Blaumeise fragte sich zum wiederholten Male, wie es nur sein konnte, dass sich ausgewachsene Tiere dermaßen wegen eines Spieles erregen konnten – ganz so, als ob es nichts Wichtigeres geben würde. Sie hatte diese Frage bereits am Vorabend Onkel Butterschnabel und Gego gestellt, aber nur erstaunte Blicke von ihnen geerntet.

Ihre weiteren Überlegungen zu diesem Thema wurden nun durch Gego unterbrochen, der inzwischen aufgewacht war und den Ast entlang auf sie zugehüpft kam. Seine Kopffedern wirkten noch ziemlich unordentlich und wiesen in jede erdenkliche Richtung, was durchaus passieren konnte. Im Besonderen, wenn man sich die ganze Nacht den Schlafflügel über den Kopf hielt und die Nachtluft dazu noch sehr feucht war. Das Schlimme daran war aber, dass Arle ganz genau wusste, dass ihr Gefährte den ganzen Tag lang so herumhüpfen konnte, ohne dass ihn das in irgendeiner Weise stören würde!

Sie schnäbelte flüchtig mit ihm und blickte ihn leicht vorwurfsvoll an. Daraufhin begann sie geschäftig seine vorwitzigen Kopffedern mit einem ihrer Flügel zu glätten, bis sie schließlich mit seinem Aussehen einverstanden war. Anschließend gab Arle dem Nacktschnabelhäher ein Zeichen, der dann erneut einen Pfiff ausstieß. Unmittelbar darauf kamen abermals zwei Rabenvögel aus dem Baum herabgezischt, doch jetzt waren es andere als vorhin und sie brachten die Nahrung für Gego. Bickabolo dankte auch ihnen mit einem Nackenkraulen. Bevor die zwei Vögel wieder in die Baumspitze fliegen konnten, flüsterte er einem von ihnen noch etwas zu. Dieser blickte ihn aufmerksam an, schüttelte nach einem Moment den Kopf und flog mit seinen Artgenossen davon.

Zwischenzeitlich steuerten die Wettkampfvorbereitungen ihrem Höhepunkt entgegen. Gerade wurden am südlichen Ende der Wiese mehrere Tannenzapfen in einer Reihe ausgelegt. Auf den fragenden Blick von Gego erklärte ihm Bickabolo:

„Alle Teilnehmer stellen sich nachher im Norden der Wiese auf, wo wartende Helfer je einen Steinbock und einen Vogel mit einer besonderen Pflanzenfaser verbinden.“

Er machte eine Pause, um der Blaumeise die Gelegenheit zu geben, sich das vorzustellen, und fuhr dann fort:

„Wenn der Spielwächter pfeift, bewegen sich alle Mannschaften zum südlichen Ende des Feldes – so schnell es eben geht! Sie nehmen einen der dort liegenden Tannenzapfen auf und laufen damit wieder umgehend zurück nach Norden.“

„Ja, genau bis dahin, wo ihr das große Nest sehen könnt“, schaltete sich Gotondro dazwischen.

Die Blicke der drei Meisen wanderten in die angegebene Richtung. Das kunstvolle Gebilde war von ihrem Ast aus gut zu sehen. Es stand fast unmittelbar neben dem Zugang zur Schlucht, durch die sie am Vorabend hier hochgelangt waren.

Das Nest hatte ungefähr die Höhe von zwei Rabenvögeln, die übereinanderhockten. Als Baumaterial waren Äste von Weiden ausgewählt worden, zwischen die verschiedenste Blüten gesteckt worden waren. Wie Bickabolo ihnen bereitwillig erklärte, dienten diese nur der Verschönerung – was aber eindeutig untertrieben war. Die drei Meisen waren augenblicklich begeistert von der Blütenpracht, die sich ihnen darbot.

„In das Nest wird dann der Tannenzapfen hineingeworfen – natürlich unter den strengen Blicken des Spielwächters und seiner Gehilfen. Die ersten drei Mannschaften, die das geschafft haben, sind die Sieger, und der Wettkampf ist beendet!“

Der Nacktschnabelhäher schaute daraufhin die Meisen nachdrücklich an und Gotondro sagte volltönend, Bickabolos Gesprächspause nutzend:

„Aber glaubt jetzt nur nicht, das wäre so einfach! Löst sich beispielsweise eine Pflanzenfaser, aus welchem Grund auch immer, muss die entsprechende Mannschaft zum nördlichen Ende zurückkehren – ohne Tannenzapfen! Sind sie dort angelangt, werden die beiden erneut verbunden und erhalten auch wieder einen Tannenzapfen. Dann müssen sie den anderen schleunigst hinterher und je später eine Mannschaft getrennt wird oder ihren Tannenzapfen verliert, desto schwerer wird es natürlich auch für sie, die anderen wieder einzuholen!“

Bickabolo hatte mehrmals während der Erklärung des Steinbockes seinen Schnabel geöffnet, um etwas zu sagen, doch jetzt hielt er es nicht mehr aus und es quoll aus ihm hervor:

„Schaut da! In der Mitte des Spielfeldes!“

Die Meisen taten, wie er ihnen geheißen hatte. Dort sahen sie einen langen Graben, der randvoll mit Schlamm angefüllt war. Unmittelbar daneben breitete sich ein dichtes Gebüsch aus.

„Dieses Buschwerk ist der Irrweg des Erfolges“, erklärte der Nacktschnabelhäher mit einem dramatischen Unterton, „und seitlich davon befindet sich der Graben der Läuterung!“

Er schaute nun so, als erwarte er, dass einer von ihnen etwas dazu sagen würde.

„Hübsch, aber ein paar Blumen würden es bestimmt noch verschönern!“, meinte Arle, da ihr gerade nichts Besseres dazu einfiel.

Der Nacktschnabelhäher sah sie ein wenig irritiert an, bevor er fortfuhr:

„Der Irrweg des Erfolges ist ein verschlungenes, tückisches Labyrinth. Niemand darf sich vor Spielbeginn in dessen Nähe aufhalten oder gar darüberfliegen! Die Gänge des Irrgartens werden vor jedem Spiel geändert. Manche enden einfach, andere führen zum Eingang zurück, wieder andere in den Graben der Läuterung – und nur zwei führen auf die andere Seite!“

„Erzähl ihnen von dem Graben, erzähl ihnen von dem Schlamm!“, forderte Onkel Butterschnabel nun den Steinbock ebenso leidenschaftlich wie ungeduldig auf.

„In den Graben der Läuterung werden das ganze Jahr hindurch immer wieder Äste oder Pflanzen hineingeworfen – manchmal sind es nur Zweige oder einfaches Gras, dann wieder starke Äste oder kleine Baumstämme. Weil das Hineingeworfene natürlich unterschiedlich schnell vermodert, ist der Schlamm im Graben auch nicht an allen Stellen gleich tief!“

Dem Nacktschnabelhäher dauerte die Beschreibung Gotondros offenbar zu lange, denn er platzte einfach dazwischen:

„Wenn jemand bei der Überquerung Glück hat, tritt er auf die noch nicht vollständig vermoderten Pflanzen und gelangt so schnell zum gegenüberliegenden Ende. Das ist der kürzeste, aber zugleich auch der heimtückischste Weg zum Ziel. Wegen des Schlamms kann man natürlich nicht genau sehen, worauf man tritt. Das, was lose aussieht, ist manchmal fest – und umgekehrt. Schnell ist man dort gestürzt und zerreißt das Band – oder der Tannenzapfen geht verloren. In jedem Fall wird man unheimlich dreckig!“, lachte Bickabolo und die Meisen stimmten mit ein. Ihre Ausgelassenheit war sicherlich auch zum Teil darauf zurückzuführen, dass sie bei dem Spiel nur Zuschauer sein würden.

Der Nacktschnabelhäher flatterte hinab zu Gotondro und krallte sich an einem seiner Hörner fest. Dann entschuldigten sich die beiden bei den Meisen, da sie sich nun zur Startzone begeben mussten. Selbstverständlich wollten sie auch an dem Spiel teilnehmen – und zwar als Team!

„Das Beste wird sein, wenn ihr von eurem Ast aus dem Spiel folgt. Neben einem ausgezeichneten Überblick, geht es da auch nicht so wild wie unten zu. Die Zuschauer, die sich direkt neben dem Spielfeld aufhalten, liefern sich nämlich immer ihre eigenen kurzen Kämpfe. Dabei können kleine Vögel schon mal schnell übersehen werden!“, rief ihnen Gotondro im Davontraben noch zu.

Da das Spiel noch nicht begonnen hatte, entschuldigte sich Onkel Butterschnabel kurz bei den beiden Blaumeisen. Er hüpfte vom Ast, glitt nach unten zur Wiese und schon einen kurzen Moment später kam er bereits wieder zurückgeflogen. In seinem Schnabel wippten frische Butterblumen, worauf sich Arle und Gego amüsiert anschauten.

„Na und?“, fragte Onkel Butterschnabel gelassen. „Ich mag sie halt gerne und sie beruhigen mich auch irgendwie. So ein Spiel kann nämlich ganz schön aufregend werden, müsst ihr wissen!“

Im Gegensatz zu ihrem Onkel verließen sich Arle und Gego lieberauf die beruhigende Wirkung von Pinienkernen oder irgendwelchen Sämereien! Gut, diese beruhigten vielleicht nicht wirklich ihre Gemüter, aber die beiden Blaumeisen pickten gerne darauf herum, während sie beispielsweise einem Wettkampf zusahen – oder auch nur einfach so.

Die Bewohner des Rabenhorns mochten zwar in einer wilden Gegend leben, trotzdem – oder gerade deshalb – waren sie ausgezeichnete Gastgeber, wie die Meisen nun bemerken durften. In regelmäßigen Abständen kamen Vögel zu ihnen geflogen, um sich mit ihnen zu unterhalten und ihre Meinung zu dieser oder jener Mannschaft kundzutun. Oder sie brachten einfach nur verschiedene Leckereien vorbei, damit sich die Gäste wohlfühlten.

Dies taten sie natürlich nicht zuletzt wegen Bickabolo, der großen Wert auf Gastfreundschaft legte!

3. Das Spiel beginnt

Gotondro war mit Bickabolo zu der Nordseite des Feldes getrabt, wo schon ungefähr dreißig Mannschaften Aufstellung genommen hatten. Eifrige Vögel verbanden dort je Team das Horn eines Steinbockes mit der Kralle eines Vogels durch eine Pflanzenfaser, um sie so auf den anstehenden Wettkampf vorzubereiten.

Die Meisen sahen von ihrem Ast aus, dass Gotondro sich neben dem armen Hornrich aufgestellt hatte, auf dessen rechtem Horn ein großer, pechschwarzer Rabe thronte.

„Das ist Jaeo!“, sagte ein Rabenvogel, der ihnen gerade etwas zum Picken vorbeigebracht hatte und dabei ihre fragenden Blicke aufgefangen hatte. „Er ist zwar etwas merkwürdig, weshalb er auch gut zu Hornrich passt, aber er ist auf alle Fälle einer der tollkühnsten Flieger des Rabenhorns“, führte er weiter aus.

„Wer steht denn da auf der anderen Seite neben Gotondro?“, erkundigte sich Arle wissbegierig bei dem Rabenvogel.

„Das ist Hakeka, die Gefährtin von Bickabolo. Der Steinbock, auf dem sie hockt, heißt Windfuß. Er ist der schnellfüßigste Läufer hier bei uns und kein anderer Steinbock kann es mit seinem Tempo aufnehmen!“

Darauf entschuldigte sich der Rabenvogel bei ihnen, da er auch noch anderen etwas zu picken bringen wollte, bevor das Spiel begann. Als er in den Himmel aufgestiegen war, setzten die drei Meisen ihre Beobachtungen weiter fort.

„Ich hoffe nur, dass der arme Hornrich sich wieder so weit erholt hat, dass er ungefähr weiß, was er macht. Nicht, dass sein armer Kopf noch mehr Schaden nimmt!“, sagte Arle mitfühlend.

„Möglicherweise übernimmt ja dieser Jaeo das Denken für ihn, dann müsste Hornrich nur laufen und würde nicht so sehr durch andere Dinge abgelenkt“, meinte Gego daraufhin.

Just in dem Moment kamen drei Saatkrähen zu den Mannschaften geflogen.

„Das müssen der Spielwächter und seine beiden Gehilfen sein!“, kommentierte Onkel Butterschnabel deren Eintreffen, während er leidenschaftlich eine gelbe Blüte mit seinem Schnabel zermatschte.

Die Krähen machten einen ziemlich gewichtigen Eindruck und hüpften nacheinander um jedes Team herum. Es sah so aus, als prüften sie genau, ob alle Teilnehmer ordnungsgemäß mit den Pflanzenfasern verbunden waren. Anscheinend war alles so, wie es von ihnen erwartet worden war, denn sie stiegen kurze Zeit später wieder in die Luft auf. Die beiden Gehilfen flogen jeweils auf eine Seite des Feldes und kreisten dort, während der Spielwächter, einen lauten Pfiff ausstoßend, über die Mannschaften hinwegflog. Es war ein wirklich sehr lauter Pfiff, welcher bestimmt noch am Fuße des Rabenhorns zu hören war!

Die Unterhaltungen verstummten auf der Stelle und das darauf folgende Geräusch der sich zugleich entfaltenden Flügel erinnerte stark an das Knallen einer Peitsche. Nur Wimpernschläge später stürmten die Steinböcke zum südlichen Ende des Feldes davon, während die Vögel über ihren Köpfen flogen. Natürlich nur so hoch, wie die Pflanzenfaser dies zuließ, die das jeweilige Team verband. Die Gefiederten machten das, um den Steinböcken ein möglichst unbehindertes Vorankommen zu ermöglichen. An ihre Hörner gekrallt, wäre das durch die Bremswirkung ihrer Flügel nicht gewährleistet gewesen, die zwar vermutlich nicht sehr stark ausgefallen wäre, aber keiner der Teilnehmer wollte das riskieren!

„Schaut mal, wie schnell der ist!“, rief Arle aufgeregt und deutete mit ihrer Klaue auf das führende Team. Es waren Hakeka und Windfuß, dessen Beine nicht mehr den Boden zu berühren schienen, so schnell war er. Sie verschwammen förmlich vor den Augen der Meisen!

Es wirkte ganz so, als würde er in langen Sätzen von Grashalm zu Grashalm springen. Oder auch so, als zöge Hakeka ihn bei jedem Satz an der Pflanzenfaser nach oben, was sie aber natürlich nicht konnte.

Schnell erreichten die beiden die Tannenzapfen am südlichen Ende des Feldes – weit vor allen anderen Teams. Hakeka krallte sich dort einen der Zapfen, beeindruckenderweise ohne dass Windfuß anhalten musste. Kurz darauf hatten die beiden schon fast die halbe Strecke zum Irrweg des Erfolges zurückgelegt, noch bevor eine der nachfolgenden Mannschaften überhaupt in die Nähe der Südseite gelangen konnte. Schließlich schafften es doch mehrere Teams beinahe zeitgleich am südlichen Ende des Spielfeldes einzutreffen.

Jede dieser Gruppen versuchte nun, so schnell als möglich einen Tannenzapfen für sich zu erbeuten, wodurch ein fürchterliches Gedränge entstand. Jene, die bereits einen ergattert hatten, wollten diesen natürlich schnellstmöglich ins Nest bringen, während die anderen zunächst einmal einen erringen mussten.

Aus diesem Chaos heraus entstand ein wildes Gerangel, das von Schubsen und aufgeregtem Flügelschlagen begleitet wurde. Sogar die Zuschauer knufften sich untereinander ein wenig, begleitet von lautem Röhren, Pfeifen und Krähen. Dann konnten sich die ersten Mannschaften aus dem Wirrwarr lösen. Sofort nahmen sie die Verfolgung von Windfuß und Hakeka auf. Auch bei den Zuschauern trat wieder ein wenig mehr Ruhe ein und sie widmeten sich erneut mit voller Aufmerksamkeit dem Spielgeschehen.

„Schaut, Gotondro und Bickabolo sind schon an der vierten Stelle, aber weder von Hornrich noch von Jaeo ist eine Spur zu entdecken!“, sagte Onkel Butterschnabel aufgeregt – trotz der Butterblume, die er zwischen seinem Schnabel nervös pürierte. Kaum hatte er das ausgesprochen, drangen laute, ungewöhnliche Geräusche zu den Meisen vor. Unmittelbar darauf wurde auch die Ursache dieses Lärms ersichtlich: Es waren Hornrich und Jaeo!

Der Steinbock bewegte sich zügig springend vorwärts und grölte lautstark dazu. Der Rabe flog, nicht minder laut krächzend, über Hornrichs Kopf und hielt dabei in einer seiner Klauen einen Zapfen.

„Windfuß, lauf! Hakeka, ihr schafft es!“, rief Arle voller Begeisterung, bevor die beiden im Irrweg des Erfolges verschwanden.

„So viel Aufregung nur wegen eines Spieles – ganz so, als ob es nichts Wichtigeres geben würde!“, flüsterte Gego augenzwinkernd seinem Onkel zu. Gemeinsam blickten sie zu Arle hinüber, schauten sich wieder an und begannen prustend zu lachen. Als Arle sie daraufhin durchdringend ansah, richteten sie ihre Blicke umgehend auf das Spielgeschehen und versuchten dazu einen unschuldigen Eindruck zu vermitteln.

Weitere Mannschaften verschwanden im Irrgarten, wo mittlerweile ein ziemliches Gedränge herrschen musste. Aus dem Gebüsch drangen laute Rufe der konkurrierenden Teams bis zu den Zuschauern hinüber. Plötzlich zischte ein Team in sehr zügigem Tempo aus einer seitlichen Öffnung des Irrgartens heraus. Einen Moment befanden sich Steinbock und Vogel in der Luft, dann stürzten sie mit lautem Klatschen in den Graben der Läuterung. Eine Schlammfontäne spritzte nach oben und sowohl die beiden als auch einige Zuschauer, die sich zu nahe am Geschehen aufhielten, wurden von dem wieder herabfallenden Schlamm besudelt. Der Rabenvogel hatte sich dadurch so erschrocken, dass er hochflog und dabei die Pflanzenfaser zerriss.

„Die müssen jetzt wieder von vorne anfangen“, kommentierte ein Vogel das Geschehen, der gerade zu den drei Meisen geflogen war, um sie wieder mit Knabbereien zu versorgen. „Und ich würde meinen, dass sie nun keine Chance mehr auf einen Sieg haben“, fügte er noch hinzu.

Im gleichen Moment ging ein Ächzen durch die Zuschauermenge. Hornrich war mit Jaeo auf den Graben der Läuterung zugerannt und kurz davor mit einem gewaltigen Satz abgesprungen. Jaeo hatte sich mit je einer Klaue an seinen Hörnern festgekrallt und bewegte dazu kraftvoll seine langen Flügel. Es sah fast so aus, als könnte es ihm gelingen, sich mit Hornrich in die Luft zu erheben, um so den Graben zu überwinden. Doch natürlich war der Steinbock viel zu schwer für den Rabenvogel und so fielen beide zusammen hinunter in den Graben.

Jedoch gingen sie nicht, wie von den Meisen erwartet, im Schlamm unter. Sobald Hornrichs Hufe darin ein kleines Stück versanken, krähte Jaeo auf und der Steinbock sprang umgehend zu einer anderen Stelle.

„Hört mal, Jaeo gibt Hornrich immer ein Zeichen, wann er abspringen soll!“, kommentierte Arle und schaute den beiden verblüfft zu, wie sie sich unter emporspritzenden Schlammfontänen vorwärtsbewegten. Als diese wieder herabplatschten, wurde das Publikum, das sich zu weit vorgewagt hatte, dadurch fast vollständig verdreckt. Dann, kurz bevor sie die gegenüberliegende Grabenseite erreichten, machte Hornrich einen gewaltigen Satz und die zwei befanden sich wieder auf festem Boden!

Die Meisen konnten nun auf ihrem Ast hören, wie der herumspringende Steinbock brüllte:

„Wir sind die Schlechtesten! Lernt von uns, wie man verliert!“

Anscheinend hatte sich der Arme doch noch nicht ganz von dem Kräftemessen mit Gotondro erholt, weshalb er beim Sprechen noch immer die Inhalte leicht verdrehte. Wie es aber aussah, konnte Jaeo ihn davon überzeugen, dass der Tannenzapfen zum Nest gebracht werden musste, denn die Meisen sahen jetzt, wie der Steinbock zum nördlichen Ende des Feldes lief.

Als die beiden dann an dem kunstvoll gefertigten Nest angelangt waren, warf Jaeo den Tannenzapfen hoch in die Luft, worauf ein Stöhnen durch die Menge ging. Doch als der Zapfen wieder herabfiel, landete er zielgenau im Nest!

„Wir haben das erste Gewinnerteam: Hornrich und Jaeo!“, gab der Spielwächter mit kräftiger Stimme bekannt, während die Zuschauer begeistert grölten und anerkennend pfiffen. Jaeo durchtrennte daraufhin die Pflanzenfaser und flog krähend sowie vor Schlamm tropfend um seinen Mitstreiter herum. Dieser sprang ausgelassen umher, noch dreckiger als der Rabe, und brüllte immer wieder:

„Wir haben zuerst verloren, wir sind die ersten Verlierer!“

Den Zuschauern blieb aber keine Zeit, darauf zu reagieren, denn inzwischen hatten auch Gotondro und Bickabolo den Irrweg des Erfolges hinter sich gelassen. Sie bewegten sich jetzt zielgerichtet auf das Nest zu und Bickabolo krähte begeistert auf, als er sah, dass ihnen niemand folgte.

Der Blick der drei Meisen wurde erneut abgelenkt, weil in diesem Moment ein anderes Team seitlich aus dem Irrweg des Erfolges herausschoss und laut brüllend in den Graben der Läuterung stürzte. Nur Augenblicke später folgte ihnen ein weiteres Team nach!

„Da wollten wohl welche besonders schlau sein und es Hornrich nachmachen, oder im Labyrinth wird es langsam zu eng!“, kommentierte Gego das Missgeschick, während sich eine weitere Schlammwelle über die Zuschauer ergoss, denen dies jedoch nichts auszumachen schien. Im Gegenteil, alle waren offensichtlich begeistert davon und verfielen umgehend in eine erneute Rangelei.

Die beiden Mannschaften konnten sich unterdessen wieder total verdreckt aufs Trockene retten, nur leider hatte das erste Team den Tannenzapfen verloren und das zweite war nicht mehr mit der Pflanzenfaser verbunden. Da das Spiel schon zu weit fortgeschritten war, lohnte sich für beide Mannschaften kein neuerlicher Start. So schlossen sie sich den Zuschauern an und hatten dort ihren Spaß.

Die Blicke der Meisen wanderten wieder zu Gotondro und Bickabolo, die mittlerweile schon die Hälfte der Strecke zum Nest zurückgelegt hatten. Hinter ihnen kamen weitere Mannschaften aus dem Irrweg des Erfolges herausgeschossen und nahmen sofort deren Verfolgung auf. Bickabolo machte trotzdem einen gelassenen Eindruck, weil der Vorsprung ja ausreichend war. Das dachte er zumindest!

Ein Steinbock und ein Nacktschnabelhäher, der etwas kleiner als Bickabolo war, schälten sich aus der Verfolgergruppe hinaus und kamen rasch näher: Es waren Windfuß und Hakeka!

In Windeseile schmolz der verbleibende Abstand zwischen den beiden Teams zusammen und als Gotondro einmal nervös den Blick wandte, war Windfuß schon fast bei ihm angelangt!

Augenblicke später konnte er nur noch dessen Rückseite bewundern, da dieser ihn überholt hatte. Schnell vergrößerte sich der Abstand zwischen beiden Teams, nur dass dieses Mal Gotondro und Bickabolo hinten lagen!

Der Nacktschnabelhäher versuchte jetzt alles, um seinen Teamkameraden zu mehr Schnelligkeit zu bewegen. Er flatterte sogar unterstützend mit seinen Flügeln, doch der Steinbock war fast am Ende seiner Kräfte angelangt. Auch die Flügelschläge Bickabolos verloren an Kraft, bis er sie nur noch müde herabhängen lassen konnte. So blieb den beiden nichts anderes übrig, als zuzusehen, wie Hakeka den Tannenzapfen vor ihnen ins Nest warf und wie die beiden durch den Spielwächter zum zweiten Sieger ausgerufen wurden.

Schließlich schafften Gotondro und Bickabolo es ebenfalls bis zum Nest, aber der Nacktschnabelhäher legte den Tannenzapfen einfach nur hinein, ganz ohne die für ihn sonst übliche Übertreibung – was allen zeigte, wie erschöpft er wirklich sein musste!

Der Spielwächter rief nun den dritten Sieger aus und erklärte das Spiel für beendet. Sowohl die Zuschauer als auch die Mannschaften pfiffen und brüllten anerkennend – auch wenn vielleicht einige von ihnen gerne selber gewonnen hätten!

„Hornrich, Jaeo, Windfuß, Hakeka, Gotondro und Bickabolo sind die Sieger des Wettkampfes. Daher dürfen sie unsere drei Ehrengäste auf ihrem Weg nach Hause begleiten. Der Waldwichtel lebe hoch, hoch lebe der Waldwichtel!“, rief der Spielwächter mit seiner kräftigen Stimme.

Daraufhin trampelten die zuschauenden Steinböcke mit den Hufen und die Vögel klapperten dazu mit ihren Schnäbeln. Gemeinsam brüllten sie dann:

„Hoch lebe der Waldwichtel, der Waldwichtel lebe hoch!“

4. Die letzten Vorbereitungen

Unaufhaltsam stieg die Sonne ihrem höchsten Punkt entgegen und sowohl bei den Spielern als auch bei den Zuschauern machte sich nun Hunger breit.

„Einige von uns haben eine Kleinigkeit zum Essen für alle Hungrigen ausgelegt. Ich bitte euch daher, mir nun zu meinem Heimbaum zu folgen, in dessen Schatten wir gemeinsam speisen werden!“, rief Bickabolo, woraufhin die Versammelten brüllten, bevor sie ihm folgten:

„Hoch lebe unser Bickabolo und seine Helfer! Sie leben alle hoch!“

Einige Spielteilnehmer und auch mehrere Zuschauer suchten zuvor allerdings den kleinen Wasserfall in der Nähe auf, um sich des Schlamms zu entledigen, den sie während des Wettkampfes abbekommen hatten. Manche von ihnen konnten sich kaum noch bewegen, besonders da der Matsch schon zu trocknen begann.

Jaeo war beispielsweise nicht mehr in der Lage, richtig zu fliegen, so besudelt hatte er sich. Er musste sich sogar von dem ebenfalls stark verdreckten Hornrich zum Wasser tragen lassen. Die Meisen lachten herzhaft, als sie das Bild der beiden betrachteten, das sich ihnen darbot. Jaeo, der wie ein großer, wabbelnder Dreckklumpen mit Beinen aussah, hockte auf dem Geweih des vor Schlamm tropfenden Hornrichs!

Nach einer Weile kehrten alle von ihnen wieder gesäubert zurück, hockten sich zu den anderen und begannen mit ihnen eifrig zu essen.

„Am frühen Nachmittag werden wir mit den Meisen zu ihrem Heimbaum aufbrechen. Damit hier alles seinen gewohnten Gang geht, bitten wir unsere Vertreter, sich in der Zwischenzeit um alles zu kümmern. Sollte während unserer Abwesenheit ein unlösbares Problem auftreten, kann uns ein schneller Flieger jederzeit benachrichtigen. Er muss dann einfach nur nach einer großen Kastanie in der Nähe des westlichen Ufers unseres Regenbogensees suchen!“, erklärte der Steinbock den Versammelten, als deren größter Hunger gestillt war.

„Wir begeben uns jetzt mit denen, die in der Zwischenzeit unsere Aufgaben übernehmen werden, zum Besprechungsbaum. Die restliche Gesellschaft kann gerne an Ort und Stelle verbleiben und in Ruhe noch ein wenig weiterfeiern, während wir die zu erledigenden Dinge durchsprechen werden!“, sagte Bickabolo und flatterte zum Anführer der Steinböcke hinüber, wo er sich auf dessen Geweih niederließ.

Als sie in Richtung des Besprechungsbaumes entschwunden waren, feierten die Zurückbleibenden weiter, wie Bickabolo es gerade angeregt hatte. Erneut flatterten Vögel aus dem Heimbaum herab und brachten Kleinigkeiten zum Picken, während junge Steinböcke von der Wiese mit frisch gezupften Kräutern heraneilten. Ziemlich schnell entwickelte sich unter den Feiernden ein lebhafter Meinungsaustausch über den zuvor gesehenen Wettkampf.

In seiner Begeisterung hatte einer der Steinböcke etwas gesagt, was Arle nicht besonders zu gefallen schien. Daraufhin flatterte sie zu ihm hinüber, krallte sich an eines seiner Hörner und ließ sich davon kopfüber herabhängen. Von dort schaute sie ihm fest in die Augen und sagte energisch:

„Das hatte nicht im Geringsten etwas mit Glück zu tun. Hakeka und Windfuß sind ein tolles Team! Schlauheit und Schnelligkeit, das sind eben die Erfolgsgaranten, auf die es letztlich ankommt!“

Klugerweise verzichtete der Angesprochene darauf, ihr seine weiteren Ansichten mitzuteilen, woraufhin Gego ihm zunickte. Seines Erachtens hatte der Steinbock mit Schweigen die einzig richtige Wahl getroffen. Auch wenn seine Arle für den Steinbock vielleicht nur die Größe eines Insektes hatte, besaß sie doch das Temperament eines Bären – und zwar das eines ziemlich großen. Gego wusste ja aus eigener Erfahrung, dass dieses sich bei solcherart Gesprächen gerne in den Vordergrund drängte!

Nach einer Weile hockten sich die Meisen dann zu Hakeka, Windfuß, Hornrich und Jaeo, damit sich alle besser kennenlernten, bevor sie ihre gemeinsame Reise antraten.

„Eine gute Möglichkeit, uns miteinander vertraut zu machen, ist vielleicht, dass du kurz die Geschichte eurer Reise zum Rabenhorn erzählst“, meinte Hakeka an Arle gerichtet, während sie diese verschmitzt ansah – hatte sie die ausführliche Version ihrer Schilderung doch schon am Vorabend gehört, „Bei uns lieben alle Geschichten, wenn sie gut sind. Das ist ein fester Bestandteil unserer Gemeinschaft. Wir hocken uns oft mit Durchreisenden zusammen, wobei auch immer Erzählungen ausgetauscht werden. Das erlaubt nicht nur Einblicke in die verschiedenen Welten, sondern fördert auch das Verständnis für andere Lebensweisen. Mir wäre niemand bekannt, der Geschichten nicht mögen würde, und so nebenbei kann man dadurch ja auch noch vieles erfahren! Zum Beispiel, wie es in der näheren Umgebung aussieht, ob dort genügend Nahrung vorhanden ist, oder wo man in der Reichweite gutes Wasser trinken kann und natürlich auch wen oder welches Gebiet man am besten meiden sollte. Wenn dazu noch alles in eine nette Erzählung eingewickelt ist, bekommt man wichtige Informationen, die auch dann gut in Erinnerung bleiben!“

So taten Arle und Gego ihnen den Gefallen und erzählten noch einmal zusammengefasst, was ihnen alles auf der Herreise widerfuhr. Zwischenzeitlich war auch die Besprechung beendet, denn Bickabolo, Gotondro und die anderen kamen wieder zurück. Ihnen hatten sich mehrere Steinböcke und Vögel angeschlossen, welche die unterschiedlichsten Dinge mit sich führten.

„Dies ist für unsere Reise! Niemand kann vorhersehen, was wir unterwegs benötigen werden – mit Ausnahme vielleicht der Seher oder des Waldwichtels. In der Hauptsache sind es natürlich Nahrungsmittel, wie beispielsweise Heu oder Beeren, aber genauso auch Heilkräuter – für den Fall, dass etwas Unerwartetes auf unserer Reise geschehen sollte!“, erklärte Bickabolo. Das alles wurde sodann mit Pflanzenfasern auf den starken Rücken von Gotondro, Hornrich und Windfuß befestigt.

Dieses Gewicht schien ihnen nichts auszumachen, denn sie erlaubten den Vögeln sogar, dass sie es sich während der Reise auf ihren Rücken bequem machten. Natürlich wäre das nicht notwendig, da diese ja gut fliegen konnten, mit Ausnahme vielleicht von Onkel Butterschnabel – aber so war es geselliger. Sie konnten sich dann dabei gemütlich miteinander unterhalten, was wiederum die gefühlte Dauer der Reise für alle erheblich verkürzen würde.

Um nun die Zeit bis zum Aufbruch schneller vergehen zu lassen, erzählte Onkel Butterschnabel Arle und Gego von ihren Familien: