Das Schicksal der Legenden - Emilia Romana - E-Book

Das Schicksal der Legenden E-Book

Emilia Romana

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Beschreibung

Der Schatten seiner gigantischen Flügel bringt das Schicksal zu jenen, über die er fällt und sein sanfter Feueratem schickt die Menschen in ihren vorherbestimmten Tod. Morgana ist es vorherbestimmt, böse zu werden. Das Schicksal hat seine Klauen fest um sie geschlossen, doch die Thronfolgerin weigert sich, ihrem festgelegten Pfad zu folgen. Sie möchte die Leute ihrer Heimatinsel davon überzeugen, dass der freie Wille in jedem Wesen schlummert und die Menschen nicht auf das Schicksal angewiesen sind. Eines Tages besucht jedoch ein junger Mann namens Colin die Glücklichen Inseln und wird Morganas Diener. Damit verändert sich das Leben der Prinzessin. Denn der Bursche ist nicht der, der er zu sein behauptet. Sondern niemand Geringeres, als das Schicksal selbst, das die junge Frau dazu bringen will, ihrer Bestimmung zu folgen.

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Seitenzahl: 871

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel – Colin

Kapitel – Morgana

Kapitel – Colin

Kapitel – Colin

Kapitel – Morgana

Kapitel – Colin

Kapitel – Morgana

Kapitel – Morgana

Kapitel – Colin

Kapitel – Morgana

Kapitel – Colin

Kapitel – Morgana

Kapitel – Morgana

Kapitel – Colin

Kapitel – Colin

Kapitel – Morgana

Kapitel – Colin

Kapitel – Morgana

Kapitel – Colin

Kapitel – Morgana

Kapitel – Colin

Kapitel – Morgana

Kapitel – Morgana

Kapitel – Colin

Kapitel – Colin

Kapitel – Morgana

Kapitel – Colin

Kapitel – Morgana

Kapitel – Colin

Kapitel – Morgana

Kapitel – Colin

Kapitel – Morgana

1. Kapitel – Colin

»Es ist sein Schicksal, zu sterben!«

Die kristallenen Schuppen erhitzten sich vor Vorfreude dicht unter meiner Haut.

Helle Sonnenstrahlen fielen durch das Blätterdach des erblühenden Waldes auf eine kleine, heruntergekommene Holzhütte.

Durch den Schutz des blühenden Unterholzes konnte ich das Geschehen beobachten, ohne selbst gesehen zu werden.

An der Holztür stand ein verängstigter Bauer, der gerade von zwei Banditen festgehalten wurde, die ich zu ihm geführt hatte.

Die wütenden Stimmen der beiden schwarzgekleideten Räuber drangen gedämpft, wie undurchlässiger Nebel, durch den friedlichen Wald, bis an meine Ohren.

Sie bedrohten den erwachsenen Mann mit ihren bösen Worten und silbernen Schwertern.

Ich möchte verstehen, was sie sagen.

Zwei spitze, wolkenweiße Drachenohren ersetzten langsam die meinen. Als die kleine Verwandlung abgeschlossen war, konnte ich verstehen, was die beiden Verbrecher zischten.

»Zum letzten Mal: Gib uns dein Geld, oder wir schneiden dir die Kehle auf!«, drohte der eine mit hochgehaltenem Schwert.

Der andere hatte das Opfer fest gepackt, sodass es nicht fliehen konnte. »Hör´ lieber auf meinen Freund! Oder willst du den Sonnenuntergang nicht mehr erleben?«

Der blonde Bauer trat um sich und rief panisch: »Ich sage euch doch: Ich habe kein Geld! Ich bin doch nur ein armer Bauer! Bitte! Bitte verschont mein Leben! Bitte! Ich habe einen Enkel! Er braucht mich!«

Die weißen Drachenohren verschwanden.

Ich habe genug gehört. Auf Wiedersehen ...

Sein Schicksal war besiegelt.

Anstatt dem armen alten Mann zu helfen, schaute ich mit einem Seufzen weg und drehte mich zum Gehen.

Dabei gab ich den Männern den Impuls.

Der letzte, schmerzverzerrte Schrei des Bauern durchbrach das wunderbare Schweigen des friedlichen Waldes.

Ich erstarrte kurz, wandte mich allerdings nicht zu ihm um.

Die harten Kristallschuppen dicht unter meiner Haut kühlten wieder ab. »Gut gemacht.«

Als seine qualvolle Stimme erloschen war und der Wald zu seiner beruhigenden Stille zurückgefunden hatte, setzte ich meinen einsamen Weg fort.

Es war sein Schicksal. Ich habe etwas Gutes getan.

Ein Lächeln umspielte kurze Zeit später meine Lippen, als ich tiefer in das lebendige Unterholz eintauchte.

Tropfen von warmen Sonnenstrahlen sprenkelten den bunten Waldboden und zeichneten magische, goldene Symbole auf meinen Körper, die mich in ihren Bann zogen.

Ein Gefühl des tiefen Friedens kam in mir auf, als ich die vielen Farben der Natur um mich herum erblickte.

Genüsslich sog ich den Duft von Blumen und dem Sommer selbst in mich hinein.

Vögel zwitscherten schrille, trotzdem wunderschöne Lieder in ihren Verstecken in den Blättern der majestätischen Bäume.

Diese uralten Riesen hatten bereits hier ihre Wurzeln geschlagen, noch bevor die ersten Menschen diese Welt ihr Zuhause nannten.

Ein glücklicher Schauer lief mir den Rücken hinunter, als mir klar wurde, zwischen welchen mächtigen Bäumen ich ging.

»Verliere dich nicht in deiner Freude«, warnte mich die rauchige Stimme in meinem Kopf.

»Du weißt, was deine Aufgabe ist.«

»Natürlich weiß ich das«, meinte ich fröhlich, während ich mich weiterhin umschaute und die Aussicht mit jeder Faser meines Körpers genoss.

»Ich weiß auch, wo mein Platz in der Geschichte ist, keine Sorge. Aber es ist das erste Mal überhaupt, dass ich hier bin!«

»Gut. Es ist wichtig, dass du es nicht vergisst.«

Ich verdrehte die Augen. »Du erinnerst mich jeden einzelnen Tag daran, also kann ich es gar nicht vergessen.«

»So fröhlich habe ich dich noch nie gesehen«, bemerkte die Stimme leise.

Erleichtert über meine neue Situation, erklärte ich ihr: »Vorher hatte ich ja auch keinen Grund, so fröhlich zu sein. Jetzt ... bin ich endlich an einem anderen Ort. An so einem wunderschönen Ort! Und mit jedem Schritt werden die Farben intensiver und es wird wärmer!«

Begeistert beschleunigte ich mein Schritttempo, bis ich schließlich voller Energie und Freude durch den Wald rannte.

Das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit im Einklang mit mir selbst und der Natur.

»Die Glücklichen Inseln tragen nicht umsonst diesen Namen«, erinnerte mich mein unsichtbarer Begleiter beinahe ein wenig belustigt.

Da brach ich aus dem Wald hinaus und blieb vor einem gigantischen See stehen.

Er war so gewaltig, dass man ihn für ein Stück des Ozeans halten konnte. Das war er auch irgendwie.

Die warme Sonne ließ das türkise Wasser glitzern, als würden unzählige Diamanten in ihm schwimmen.

Winzige Wellen liefen rauschend auf einem goldenen Sandstrand aus.

Farbintensive Nadelwälder grenzten rechts und links an diesem wunderschönen See.

Weit in der Ferne konnte ich steile und schroffe Gebirgsketten ausmachen, die das Meerwasser durch ihre Mitte in diese gigantische Bucht geleiteten.

Außerdem ragten sie gewaltig über dem See auf und spiegelten sich kristallklar auf der ruhigen, türkisblauen Wasseroberfläche.

Eine warme Brise, die den Geschmack nach Harz und Äpfeln mit sich brachte, streichelte sanft meine Arme.

Im Zentrum dieses kleinen Meeres, weit entfernt von den Ufern, konnte ich den Anfang einer großen grünen Insel erkennen.

Einer Inselkette, genauer gesagt.

»Wir sind da«, wurde mir bei diesem einmaligen Anblick klar. Schlagartig erinnerte ich mich an die Schattenseite meines Herkommens.

Die Begeisterung schrumpfte zu meinem altbekannten Pflichtgefühl.

»Ich weiß, was ich zu tun habe«, sprach ich laut meine Gedanken aus, um mir selber ein wenig Mut zu machen. »Und ich werde es tun. Ich erfülle mein Schicksal.«

»Geh. Dein neuer Herr weiß es zwar noch nicht, aber er wartet auf dich.«

Ein paar Meter von mir entfernt lag ein winziges Holzboot am Ufer. Ich ging darauf zu und entdeckte, neben dem Boot, einen Fisch am Strand zappeln.

»Du armes Ding«, sagte ich bemitleidend zu ihm und trat auf das Tier zu. »Keine Sorge, das haben wir gleich.«

Meinem ersten Instinkt wollte ich folgen und den silbernen Wasserbewohner zurück in seine Heimat schieben, da meinte die Stimme: »Nein. Seine Zeit ist gekommen.«

Sofort ließ ich von dem sterbenden Wesen ab.

»Tut mir leid, mein Kleiner. Deine Zeit ist gekommen.«

Mitleid flutete mein Herz, doch ich konnte nichts tun.

Das war sein Schicksal. Anstatt dem Fisch also zu helfen, schob ich das Boot ins glitzernde Wasser und sprang hinein.

»Und vergiss nicht: Sobald du einen Fuß auf die Insel gesetzt hast, darfst du dich nicht erwischen lassen, wenn du meine Magie benutzt.«

Ich atmete tief durch.

»Ich bin kein kleines Kind mehr, Destino. Ich weiß, ich habe mich über die Inseln informiert. Und diese eine, sehr wichtige Information habe ich auch nicht vergessen. Keine Sorge. Aber ... danke, dass du mich dran erinnern wolltest.«

Zwei Paddel lagen im Innern des Bootes, mit denen ich mich auf den Weg zu meiner neuen Aufgabe machte.

Die Fahrt wurde nur durch das Gemurmel der Wellen, die an das Holzboot schwappten, begleitet.

Die heiße Sonne schien mir auf die Haut, doch langsam fing sie an, zu stören. Das Wasser reflektierte ihre Strahlen und blendete mich, sodass ich die Augen vor ihrer Grellheit zusammenkneifen musste.

»Ihre Zeit ist noch nicht gekommen«, warnte mich mein Freund plötzlich.

Lauschend schaute ich mich um und da trug der warme Wind auch schon panische Schreie mit sich.

Ich lenkte meine Aufmerksamkeit auf die riesige Insel, von wo die Hilferufe kamen, und konnte in der Ferne eine Gestalt am sandigen Ufer erkennen.

Ich brauche deine Augen!

Mit einem Blinzeln wurden meine Augen vollkommen weiß.

Nun war es mir möglich, an das Geschehen am Ufer heranzuzoomen.

Eine Frau mit weißblonden Haaren, in einem edlen, dunkelblauen Samtkleid lief auf einem langen Steg auf und ab.

Angsterfüllt schrie sie einer anderen Frau etwas zu, die neben dem Badesteg im See darum kämpfte, an der Wasseroberfläche zu bleiben.

Ich habe genug gesehen.

Damit bekam ich meine Augen wieder zurück und ruderte eilig auf die beiden Frauen zu.

Das Boot wurde dank meiner Verbindung zu meinem Freund rascher.

»Halte durch!«, brüllte ich ihr zu.

Als ich näher kam, wedelte die junge Frau am Steg hektisch mit den Armen, weil sie mich entdeckt hatte.

»Hilfe! Hilfe! Sie ertrinkt! Elaine ertrinkt!«

»Ich komme!«, rief ich ihr entgegen und sprang ohne zu Zögern mit einem Kopfsprung in den klaren See.

Es war, als würde ich in eine türkise Welt eintauchen, nachdem sich die Wasseroberfläche über mir geschlossen hatte.

Konzentriert hielt ich die Luft an und schaute mich kurz um, um mich zu orientieren.

Der See war kristallklar, sodass ich bis auf den sandigen Grund ein paar Meter unter mir sehen konnte.

Das Wasser war angenehm kühl, nicht so kalt, wie ich erwartet hatte.

Die Frau, die in den See gefallen war, strampelte weit vor mir verzweifelt.

Unter Wasser schwamm ich ein Stück, bis ich Luft holen musste und durch die Wasseroberfläche brach.

Nur noch ein paar Meter entfernten mich von der Ertrinkenden.

»Ich komme! Bleib ruhig!«, brüllte ich ihr zu, während mir salziges Meerwasser ins Gesicht und in den Mund schwappte.

Das hielt mich aber nicht davon ab, eisern weiterzuschwimmen. Die Frau ruderte kopflos mit ihren Armen und japste nach Atemluft, jedoch ging ihr Kopf immer wieder unter.

Kurz vor ihr tauchte ich noch einmal ab, denn sie war nun gänzlich dabei, unterzugehen.

Unter Wasser strampelte sie und schrie mich an, sodass mir Luftblasen entgegen strömten.

Ihre Augen waren panisch aufgerissen. Sie steckte ihre schlanken Hände nach mir aus.

Es fühlte sich an wie Minuten, bis ich hinuntergeschwommen war und die Frau endlich packen konnte.

Ich schlang meine Arme um sie und versuchte, sie in Richtung Oberfläche zu ziehen.

Sie wollte mir helfen, indem sie mitschwamm, doch ihr Gezappel machte es mir nur schwerer.

Sie war ziemlich schlank und ein wenig kleiner als ich.

Dennoch kam ich mit ihr kaum vom Fleck.

Es schien mir eher, als würden wir trotz meiner Anstrengungen weiter sinken.

Ich bin echt schwach! Verdammt!

Mit Destinos Magie wurde es, dem Schicksal sei Dank, sehr viel leichter.

Schneller, als ich es je allein geschafft hätte, brach ich schließlich mit ihr durch die Wasseroberfläche.

Die junge Frau sog hektisch die Luft in ihre Lungen.

Ihre honigfarbenen Haare klebten ihr im Gesicht, doch sie rang trotzdem nach Atem.

»Es ist alles gut«, beruhigte ich sie angestrengt, während ich ihr die Haare aus der Miene strich und mit ihr vorsichtig zum Ufer schwamm.

»Du bist in Sicherheit. Es ist alles gut.«

Die junge Frau, die Anfang zwanzig sein konnte, starrte mich fast verstört an, aber ich mied konzentriert ihren Blick.

Sie begann, das Wasser aus ihren Lungen zu husten, sodass sie mich nicht mehr ansah.

Am Ufer wartete nun die verängstigte Frau auf uns und nahm mir ihre bestimmt etwas jüngere Freundin voller Erleichterung ab.

»Bei allen Schicksalen! Elaine! Du lebst!«

Die junge Frau namens Elaine brach auf dem breiten Strand erschöpft zusammen.

Sie hustete und spuckte sich die Seele aus dem Leib.

Auch ich sank kraftlos auf die Knie.

Puhh ... es ist lange her, dass ich geschwommen bin ... seltsames Gefühl ...

Die weißblonde Frau vergewisserte sich schnell, dass es ihrer Freundin soweit gut ging, bevor sie sich an mich wandte.

Sie trug ein silbernes Diadem auf dem Kopf.

Also musste sie eine hohe Stellung auf den Inseln haben.

Ihre nussbraunen Augen leuchteten voller Dankbarkeit.

»Danke! Danke! Danke! Du hast meine kleine Schwester gerettet! Danke!«

Für einen Moment konnte ich nicht antworten.

Ich starrte diese ovalen, auffällig geschminkten Augen an und sah, wie das Licht in ihnen erlöschen würde.

Durch ein verzaubertes Schwert.

Erschrocken schnappte ich nach Luft.

Während ich die Vision sah, spürte auch ich den brennenden Schmerz in meiner Brust, als sich die verwunschene Klinge in den Oberkörper der Frau bohrte.

Das Bild und die Qualen verschwanden so schnell, wie sie gekommen waren, sobald ich den Blickkontakt abbrach.

Jetzt kenne ich ihr Ende, ohne überhaupt ihren Namen zu wissen ...

Außer Atem erhob ich mich langsam.

»Nichts zu danken«, stritt ich schüchtern ab, während ich mir Wasser aus den Augen wischte und tief durchatmete.

»Das hätte ... jeder getan.«

»Du musst belohnt werden!«, redete die braungebrannte Frau in heller Stimme weiter, ohne auf meine Worte zu achten.

Sie drehte sich so eilig um, sodass mir ihre geraden, bauchlangen Haare ins Gesicht peitschten.

Überrascht ging ich hastig zwei Schritte zurück.

Sie zeigte mit einem schmalen Finger den Strand entlang, auf ein riesiges weißes Schloss, welches auf einem grasbewachsenen Hügel, direkt neben dem Wasser, thronte.

Das Schloss bestand eigentlich aus einem gigantischen Haupthaus, mit unzähligen zusammenhängenden Gebäuden und Türmen, die sich in mehreren Etagen die Anhöhe hinunter ergossen.

Es sah so aus, als wäre die enorme Burg der ganze Hügel, gespickt mit vielen Bäumen, Tannen und Grünpflanzen.

Das gewaltige Haupthaus, welches auf der Spitze der Erhöhung saß und über den See hinauszublicken schien, hatte von hier beinahe die Form eines aufrechtsitzenden Drachens mit ausgebreiteten beeindruckenden Fledermausschwingen.

Wow ... wunderschön.

Es war größer und prachtvoller, als jedes andere Schloss, das ich bisher gesehen hatte. Und das musste etwas heißen.

Efeuranken und bunte Blumen wuchsen an allen Wänden empor, sodass sie dem weißen Stein ein wenig Farbe verliehen.

Sogar von hier konnte ich riesige Bäume erkennen, mit blühenden Baumkronen, die überall zwischen den Mauern hervorlugten.

Jetzt bemerkte ich auch den schweren Duft nach frischen Äpfeln in der Luft.

»Dort. Komm mit uns zum Drachenschloss. Meine Eltern werden dich reich belohnen!«

Gerade wollte ich widersprechen, da hatte Elaine sich ausgehustet und drehte sich erschöpft auf den Rücken.

Ihre ältere Schwester fiel neben ihr auf die Knie und hielt ihre Hand. »Es ist alles gut, Schwesterherz. Du bist in Sicherheit!«

Der erstaunte Blick von der jüngeren Schwester, als könnte sie nicht glauben, dass sie noch lebte, suchte meinen.

Dieses Mal begegnete ich ihm zögerlich.

Früher oder später sehe ich es sowieso.

In ihren Goldaugen spiegelte sich das Wasser.

Diesmal hatte ich sie gerettet, doch irgendwann würde der See ihr Schicksal besiegeln.

Meine Lungen explodierten fast, als ich miterlebte, wie Elaine unter Wasser kämpfte, allerdings verlor.

»Du hast ... mir das Leben gerettet«, hauchte sie ungläubig und katapultierte mich mit ihren Worten aus der Vision.

Schnell blinzelte ich und rang unauffällig nach Atem, als wäre ich gerade durch die Wasseroberfläche gebrochen.

»Ähm ... kein Problem. Wie gesagt ... das hätte jeder getan.«

Ich verbeugte mich förmlich vor den beiden Damen und lächelte sie schüchtern an, bevor ich mir nervös meine nasse Kleidung auswrang, um mit keinem der Anwesenden mehr Blickkontakt aufnehmen zu müssen.

»Ich werde dir das niemals vergessen«, schwor das langhaarige Mädchen ernst, während sie mich weiterhin ansah.

Ihren goldenen Blick spürte ich brennend auf mir.

Ich dagegen konzentrierte mich auf meine klitschnassen, braunen Klamotten.

»Meinen Namen kennst du ja schon.« Ein zaghaftes Lächeln konnte ich aus ihrer hellen Stimme erhören.

»Und das ist meine ältere Schwester Morgause Le Fay. Wie darf ich meinen Retter nennen?«

Sie klang nun so erleichtert. Jetzt musste ich sie einfach wieder ansehen.

Von meinem Leinenhemd ließ ich ab und schaute ihr in die runden Augen.

Erneut barsten meine Lungen beinahe in meiner Brust.

Schnell konzentrierte ich mich auf ihre schmale Nase und verbeugte mich noch einmal vor den beiden.

»Es freut mich sehr, euch kennenzulernen, Myladys. Ich heiße Colin.«

»Wir waren am Steg. Elaine ist gestolpert und ins tiefe Wasser gefallen. Ich habe ihr noch gesagt, sie soll nicht bis ans Ende gehen, aber sie wollte unbedingt diese Fische füttern ... Dem Schicksal sei Dank kam Colin rechtzeitig. Er hat ihr das Leben gerettet.«

Der lange Thronsaal war gespickt mit großen, bodenlangen Fenstern, durch die helles Sonnenlicht in den Raum fiel.

Die Decke war gewölbt wie ein Torbogen und in einem hellblau gestrichen, als wäre es ständig Tag.

Neben mir stand Morgause, edel und stolz.

Am Ende des Saals befanden sich drei verschnörkelte Throne aus weißem Opal, der im Innern in Regenbogenfarben funkelte.

Blutrote Lederkissen schmückten zusätzlich den Sitz.

Drei kleine, weiße Stufen, ebenso aus funkelndem Opal, wie das gesamte Schloss, führten zu ihnen hinauf.

Hinter den Königsstühlen war eine Glaswand eingebaut worden, woraus man direkt auf den wunderschönen See hinausschauen konnte.

Im, von mir aus gesehenen, linken Herrschersitz saß ein etwas breiterer Mann mit dunkelblonden Haaren, die ihm bis zu den Schultern gingen, einem buschigen Vollbart und einer silbernen großen Krone.

Die anderen beiden Stühle waren leer.

So lange ich konnte, mied ich es, den wenigen Anwesenden in die Gesichter zu sehen.

Stattdessen konzentrierte ich mich auf meine Haltung.

Die Hände ordentlich hinter den Rücken legen und eine gerade Körperhaltung einnehmen. So, wie ich es gelernt habe.

Nun begutachtete ich unauffällig die Wände, um meine Augen weiterhin von anderen abzulenken.

Ich konnte mich kaum sattsehen an den bemalten Mauern, die alle erdenklichen Landschaften zeigten und dem ganzen Saal Leben und Freude einhauchten.

Sonnenbeschienene Wälder und Felder, Apfelbäume, bunte Blumenwiesen, türkise Meere und zerklüffte Berge ...

»Ich werde mich zurückziehen, Vater, und nach Elaine sehen«, sprach Morgause neben mir respektvoll und verneigte sich vor dem König.

Dieser nickte seiner Tochter zu, ehe sie sich abwandte und mit graziösen Schritten den imposanten Saal verließ.

Nun war ich mit dem König und einem jungen Mann, der in der Ecke des Raumes stand, allein.

Der Herrscher erhob sich von seinem mächtigen Stuhl und zog somit meine Aufmerksamkeit sogleich auf sich.

Konzentriert beobachtete ich seine kleine Nase, die er Elaine vererbt hatte, als er sich vor mir verbeugte. Mit einem dankbaren Lächeln auf den dünnen Lippen sagte er: »Sei gegrüßt, Colin. Mein Name ist Gorlois Le Fay. Meine Frau, Königin Igraine Le Fay, schaut bereits nach Elaine. Sie wird dich sicher auch sehr bald kennenlernen wollen. Zwei meiner drei Töchter hast du ja heute schon getroffen. Es tut mir leid, dass dies unter solchen Umständen geschehen musste. Aber genau deshalb heißen wir dich auf den Glücklichen Inseln aus ganzem Herzen willkommen.«

Sofort fiel ich vor dem König auf die Knie.

»Es ist mir eine Ehre, hier sein zu dürfen, Eure Majestät.«

»Erhebe dich, mein Freund«, forderte der Mann herzlich und ich folgte dem Befehl direkt.

Der König kam die drei Stufen zu mir herunter.

»Und duze mich bitte. Du hast es dir verdient.«

Erstaunt hob ich die Augenbrauen, den Blick hielt ich allerdings gesenkt. Das konnte nicht wahr sein. Noch nie sollte ich einen König so ansprechen, als stünden wir auf Augenhöhe.

Ich seufzte innerlich, bevor ich seinen dankbaren, tannennadelgrünen Blick mit einem gezwungenen Lächeln erwiderte.

Jemand stieß einen Dolch in den Bauch des Königs.

Schwer schluckend bemühte ich mich, mir nichts anmerken zu lassen, als der brennende Schmerz mir in den Magen schoss.

»Du bist unser Ehrengast und sollst als Held gefeiert werden!«

Seine eifrigen Worte brachten mich aus der Vision heraus und ich stieß erleichtert die Luft aus, da der Schmerz schnell verschwand.

Sofort senkte ich wieder unterwürfig den Blick und erinnerte mich an das, was er gesagt hatte.

»Oh, nein, Eure Majestät! Das ist nicht nötig. Ich habe keinerlei Heldentat vollbracht.«

Menschenmengen taten mir nicht sonderlich gut.

Aber der König nahm meine Hand und schüttelte sie schwungvoll.

Ich zuckte innerlich vor der Berührung zurück.

»Natürlich, mein Junge!«, widersprach er euphorisch.

Sein dankbarer Blick bohrte sich in meine Haut, doch ich wollte ihn nicht erwidern.

»Du hast meine Tochter, die Prinzessin der Glücklichen Inseln, gerettet! Ohne dich wäre sie jetzt nicht mehr unter uns. Es war dein Schicksal, sie vor ihrem Tod zu bewahren. Danke, mein Freund!«

Das entlockte mir tatsächlich ein winziges Schmunzeln.

Wenn du wüsstest, was mein Schicksal ist.

Unerwartet legte er seine großen Hände fest auf meine Schultern. Ich verbot mir, erschrocken zusammenzuzucken.

Trotzdem fragte ich mich sofort: Wieso fasst er mich an, wenn er mich nicht bestrafen will?

Zögerlich hob ich den Blick und fixierte erneut seine kleine Nase. Er lächelte warmherzig.

»Ich danke dir als liebender Vater, der es nicht ertragen hätte, seine Tochter zu verlieren«, meinte er bedeutsam.

»Die Glücklichen Inseln werden dir das niemals vergessen. Auch, wenn du kein Fest möchtest und auch nicht als Held angesehen werden willst, sollst du einen Wunsch erfüllt bekommen. Und diesmal keine Widerrede, mein Freund. Was wünschst du dir? Wir werden alles in unserer Macht stehende tun, um dir deinen Traum zu erfüllen. Das sind wir dir wenigstens schuldig.«

Meinen Traum ... den kann mir niemand erfüllen., dachte ich ein wenig niedergeschlagen, bevor mir eine Idee kam.

Ein Lächeln erschien auf meinen vollen Lippen. »Eure Majestät, ich danke Euch für Eure Güte. Ich kam hierher, um ein neues Leben zu beginnen und - «

»Du bekommst das schönste Haus auf den ganzen Inseln!«, entschied der König begeistert und riss die Arme in die Luft.

»Nein!«, rief ich fast panisch aus.

Irritiert blickte König Gorlois mich an. »Nein?«, wiederholte er verwirrt. »Was möchtest du dann?«

Ich trat einen Schritt zurück und verbeugte mich tief vor dem Herrscher. »Euer Diener werden, mein König.«

So kann ich alle Schicksale des Schlosses mit Leichtigkeit erfüllen!

Ich erhob mich wieder und sah seine Nase an.

»Ich verließ meine Heimat, meinen vorherigen Herren, um im schönsten Königreich der Welt zu leben und zu helfen. Wie könnte ich besser behilflich sein, als Euch zu dienen, Eure Majestät? Das ist mein Wunsch.«

Zu meiner Enttäuschung verschwand das Lächeln des Königs. »Das ist ein edler Wunsch«, meinte er anerkennend.

»Leider kann ich ihn dir unmöglich erfüllen. Ich habe bereits einen treuen Diener, Tristan, den ich für niemanden auf der Welt ersetzen würde.«

Er deutete mit einem breiten Lächeln auf den jungen Mann mit braunen, kurzen Haaren, der mir lächelnd zunickte.

Ich nickte zurück, sah ihn aber gar nicht wirklich an, um mehr Schmerzen zu vermeiden.

Die Ernüchterung schluckte ich hinunter, doch da fügte der König begeistert hinzu, als hätte er gerade eine großartige Idee:

»Aber ich kenne jemanden, dessen Dienerin vor Kurzem nach Hause zurückgekehrt ist, was bedeutet, dass sie im Moment einen persönlichen Diener sucht.«

Verwundert blinzelte ich. »Sie?«

Der König wollte gerade antworten, da hörte ich, wie sich das Eingangstor hinter mir öffnete.

Während ich mich umdrehte, erklang bereits eine helle Stimme, die so klar und rein klang wie eine frische Quelle: »Wo ist er? Morgause hat mir erzählt, was passiert ist! Ist er das?«

Eine schlanke Frau kam in den Thronsaal geeilt.

Zuerst fielen mir ihre dicken, gepflegten Haare auf.

Wie wilde Meereswellen aus flüssiger Tinte ergossen sie sich offen bis zu ihrer geformten Hüfte hinunter.

Eine große, lila Blume, dessen Form mich an ein übergroßes Kleeblatt mit vier breiten Blütenblättern erinnerte, steckte verspielt hinter ihrem kleinen Ohr.

Sie trug ein luftiges, fliederfarbenes Sommerkleid, welches locker aufflatterte, als sie herbei eilte.

Es passte gut zu ihrer milchigen, reinen Haut.

Um ihren schlanken Hals baumelte eine lange Silberkette mit einem tränenförmigen, geschliffenen Aquamarinstein.

Ihre schmalen Arme waren nackt und mit silbernen, wertvollen Armreifen geschmückt.

Was aber so überhaupt nicht zu dem gepflegten Auftritt der Frau passte: Sie hatte keine Schuhe an. Ihre Füße waren nackt.

Dennoch verschlug ihr Anblick mir die Sprache. Nicht, wegen ihrer Schönheit, die die meisten Männer als Grund genannt hätten.

Nein, aus einem ganz anderen.

Mein Blick glitt nämlich zu ihrem ovalen Gesicht.

Im ersten Moment erschien ein amüsiertes Schmunzeln hinter meiner schützenden Maske der Unterwürfigkeit.

Ein heftiger Sonnenbrand strahlte auf ihrer Stupsnase und ihren runden Wangen, genauso wie auf ihrer glatten Stirn und ihrem Kinn.

Das machte sie mir sympathisch, denn auch ich wurde sehr schnell rot.

Doch dann wanderte meine Aufmerksamkeit zu ihren freundlichen cyanfarbenen Augen, die Dankbarkeit und Erleichterung ausstrahlten.

Und das war´s.

Ich sah in ihren unglaublichen, hellen Cyanaugen Dankbarkeit und Erleichterung!

Keine Vision. Keinen Schmerz. Kein Vorwissen. Nichts.

Wie ist das möglich?!

Angst stach mir statt einer Vision wie ein Dolchstoß in den Magen. Stimmte etwas nicht mit mir?!

»Ah, wenn man vom Drachen spricht!«, begrüßte Gorlois den Neuankömmling herzlich. »Ja, das hier ist der junge Mann, der Elaine das Leben gerettet hat.«

Während der Herrscher sprach, drehte ich mich unauffällig um und blickte dem Diener des Königs in die hellgrünen Augen, der uns neugierig beobachtete.

Direkt bekam ich eine grüne Vision eines Bechers mit Gift.

Meine Kehle fühlte sich plötzlich an, als würde sie von innen heraus verbrennen.

Sofort riss ich den Blick von ihm los und schaute der jungen Frau wieder in die cyanfarbenen Tiefen, die immer näher kam.

Weiterhin nichts.

Länger starrte ich das Mädchen an.

Doch ich konnte nur ihre unglaublichen Augen sehen, mit der schwarzen Pupille, in denen ich beinahe mein erschrockenes Gesicht erkennen konnte, als sie fast bei uns war.

Es war faszinierend, endlich wieder ein Auge zu betrachten, ohne Schmerzen zu haben und gleichzeitig beängstigend.

Destino, was ist mit mir los?! Das ist noch nie passiert!

Der Drache gab keine Antwort.

Plötzlich fühlte ich mich ganz anders. So ... leer.

Erschrocken realisierte ich: Destino war fort.

Panik stieg in mir auf und ließ meinen Magen verkrampfen.

Etwas stimmt hier ganz und gar nicht!

Bevor meine Gefühle allerdings sichtbar werden konnten, fiel mir die Fremde kurzerhand um den Hals. »Vielen Dank!«

Überrascht taumelte ich einen Schritt zurück, während der König belustigt lachte.

Schockiert hob ich die Hände, um dem König keinen falschen Eindruck zu geben.

Doch die Frau umarmte mich weiter.

Es war das erste Mal seit vielen Jahren, dass mich jemand umarmte. Es war ... seltsam. Befremdlich. Es fühlte sich falsch an. Besonders, weil dieser jemand eine Hochgeborene war.

Sie sollte das nicht tun! Was ist mit dieser Familie nur los, dass sie ihre Diener so behandeln?!

Meine Klamotten waren immer noch nass.

Das schien ihr aber gar nichts auszumachen.

»Vielen Dank, dass du meine kleine Schwester gerettet hast! Wir sind dir auf ewig etwas schuldig!«

Die Frau löste sich schnell wieder von mir. Nun war ihr schönes Kleid an den Stellen etwas dunkler, an denen sie meine nassen Sachen berührt hatte.

»Oh, das tut mir so leid!«, entschuldigte ich mich sofort, in dem Glauben, ihr Kleid ruiniert zu haben. Schnell fiel ich unterwürfig vor ihr auf ein Knie, eine Strafe erwartend.

Doch die Frau lachte auf und griff mich an den Schultern, um mich auf die Füße zu hieven.

Diesmal ließ mich die Berührung zusammenzucken. Sie war eine Prinzessin. Sie sollte mich überhaupt nicht anfassen.

Insbesondere nicht sie.

»Ach, das ist doch nicht schlimm«, winkte sie belustigt ab, während ich mich zögerlich wieder aufrichtete und noch langsamer ihren freundlichen, cyanfarbenen Blick erwiderte.

Ich kann ihr in die Augen sehen! Das darf nicht sein!

»Du kannst ja nichts dafür. Ich habe mich dazu entschieden, dich zu umarmen, also muss ich auch die Konsequenzen davontragen. Es sind sogar erfrischende Konsequenzen«, fügte sie gut gelaunt hinzu. »Bei der Hitze ist mir jegliche Art von Abkühlung willkommen.«

Sie blieb mit einem breiten Lächeln, welches ihre vollen, rosa Lippen nicht dünner machte, vor mir stehen.

»Aber tut mir leid, dass ich dich so überfallen habe.«

Ihre einmaligen Augen leuchteten wunderschön und jetzt ein wenig entschuldigend. Sie hatte anscheinend schon verstanden, dass ich es seltsam fand, wenn sie mich anfasste.

Das ist doch unmöglich!

Mir wurde immer unbehaglicher zumute. Je länger Destino fort war, desto heftiger verknotete sich mein Magen.

Wo war er? Hatte er mich verlassen? Oder konnte er nicht zu mir?!

»Ich bin einfach so erleichtert!«, redete die Fremde eifrig weiter. »Und glücklich! Du hast dich dazu entschieden, sie zu retten!«

Nein. Ich musste es tun. Wäre es ihr Schicksal gewesen, wäre sie jetzt tot. Aber wieso sehe ich nicht ihren Schicksalstod?!

»Ähm ... ich ... na ja ... ähm ...« Ich wollte etwas stottern, aber ich bekam keinen vernünftigen Ton heraus.

Diese Frau machte mir Angst. Als würde sich ihr Schatten verselbstständigen und unter meine Haut kriechen, wie ein böser Geist. Solch eine Gänsehaut bekam ich.

Ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinunter.

Schwer schluckend versuchte ich, meine aufsteigende Panik zurückzudrängen. Plötzlich hatte ich das Gefühl, sie könnte mich jederzeit wie ein Raubtier anfallen, obwohl ihre Miene freundlicher war, als alle, die ich zuvor gesehen hatte.

Trotzdem reagierte mein Körper mit schwitzenden Händen auf ihre unfassbaren Augen.

Konzentriert atmete ich durch, um meine inneren Gefühle nicht preiszugeben. Eine Frage jagte mir im Kopf herum und machte mich verrückt.

Wieso unterschied sie sich von allen anderen Lebewesen, die ich in meinem Leben als Schicksalsbringer gesehen hatte?!

»Es ist für mich selbstverständlich, einer Lady in Not zu helfen«, meinte ich schließlich.

Einfach mal die größte Lüge erzählen, die es für mich gibt! Super Idee!

Am liebsten hätte ich mich in einen Drachen verwandelt und wäre weggeflogen, um dieser Situation zu entfliehen.

»Na, wie ich sehe, versteht ihr zwei euch bereits prächtig«, funkte ihr Vater zufrieden dazwischen, wofür ich ihm sehr dankbar war.

Noch etwas länger und mir wären wirklich Drachenschwingen gewachsen.

»Was meinst du damit, Vater?«, fragte seine Tochter neugierig und wandte ihre Aufmerksamkeit dem Mann zu.

Dadurch musste ich ihr nicht mehr unaufhörlich in die Augen schauen, was mich zugleich erleichterte und doch beunruhigte.

Was war bloß falsch?!

Der König schmunzelte sie liebevoll an. »Es ist wichtig, dass ihr euch gut versteht. Denn der junge Mann hier hat den Wunsch geäußert, mein Diener werden zu dürfen. Wie du weißt, geht das nicht, aber da Nia uns ja verlassen hat, dachte ich - «

Die Prinzessin wandte sich schneller wieder mir zu, als mir lieb gewesen wäre. »Natürlich wirst du mein persönlicher Diener! Es wäre mir eine Ehre!«

Sie kennt noch nicht mal meinen Namen. Trotzdem wollte sie mich als ihren Diener. Das verstand ich nicht.

Sie strahlte so eine Freundlichkeit und Wärme aus, dass ich eigentlich gar nicht anders konnte, als mich mit ihr zu freuen. Angst mischte sich allerdings in diese Freude. Angst vor ihr.

Etwas stimmt mit ihr nicht ... Wieso kann ich ihren Schicksalstod nicht sehen?! Destino, wo bist du?!

»Darf ich dir vorstellen, mein Schatz: Das ist Colin, aus ...«

Als er sich daran erinnerte, dass ich gar nicht erwähnt hatte, woher ich kam, schaute er mich fragend an.

Ich schritt behilflich ein, nachdem ich meine Furcht ein wenig zurückgedrängt hatte.

»Ich komme aus Camelot, Mylady.«

Tief verbeugte ich mich vor der Prinzessin und nahm meine vertraute Rolle als unterwürfiger Diener wieder ein.

»Ich verließ meine Heimatstadt, um ein neues Leben auf dieser wunderschönen Insel zu beginnen.«

Die Frau lächelte freundlich und knickste vor mir, was mich irritierte. Ich war nur ein Diener!

Was ist nur los mit ihr?!

»Ich freue mich wirklich sehr, dich kennenzulernen, Colin. Ich bin die älteste Tochter der Le Fays und Thronfolgerin dieses Sommerlandes. Mein Name ist Morgana Le Fay.«

2. Kapitel – Morgana

»Es war sein Schicksal, hierherzukommen!«, grinste Elaine entzückt, als wir an der schattigen Seite des Hügels hinuntergingen, auf dem Weg zum sonnenbeschienenen Markt.

»Habt ihr gesehen, wie süß er gelächelt hat?! Oder diese kurzen Locken? Seine Haarfarbe erinnert mich an den Sonnenaufgang! Oder an vertrocknete Tannennadeln! Und diese großen Augen! Wie ein Spaziergang im Wald! Hellbraunes Holz, hellgrüne Blätter und der hellblaue Himmel! Und ... und diese Stimme! So dunkel und rauchig, als wäre er ein leibhaftiger Drache!«

Elaines goldene Augen strahlten voller Lebensfreude und Energie, als wäre sie wieder ein Kind, für das jeder Tag ein neues Abenteuer bedeutete.

Ich lächelte über diese erfrischende Freude, doch Morgause verdrehte neben mir die Augen, während sie mit eleganten Schritten den Hügel herunter stolzierte, wie eine edle Dame.

»Elaine, er hat rotblonde, vielleicht kupferblonde Haare und blaugrüne Augen mit einer Spur Braun um die Pupille. Du musst nicht so poetisch sprechen. Wir haben sein Lächeln gesehen, aber ich finde es nicht sehr attraktiv. Außerdem ist er nur ein Diener. Ich bin einfach froh, dass sein Schicksal ihn im richtigen Moment zu uns geführt hat und er dich dadurch retten konnte.«

»Nicht sehr attraktiv?!«, wiederholte unsere kleine Schwester empört, währenddessen ich es diesmal war, die die Augen vor ihren Worten verdrehte.

Sein Schicksal hat ihn nicht zu uns geführt. Er hat sich dazu entschieden, Elaine zu retten. Er hätte auch zu verängstigt sein können, um etwas zu tun, oder auch nicht schwimmen können ...

»Er sieht total süß aus, mit diesem schmalen Gesicht und seiner dünnen Statur«, verteidigte Elaine ihren neuen Lieblingsdiener.

»Und, ist doch egal, ob er ein Diener ist, oder nicht! Das hat ihn nicht davon abgehalten, mir das Leben zu retten!«

Ich konnte nicht anders, als laut zu lachen.

Liebevoll legte ich einen Arm um meine kleinste Schwester und drückte sie fest.

Ich fand es total niedlich von ihr, wie sie über ihren Retter schwärmte.

»Glühwürmchen, du hast ja recht: Colin ist süß. Und er hat dir das Leben gerettet. Dafür bin ich ihm sehr dankbar, denn ansonsten hätte ich den Rest meines Lebens nur unsere förmliche Morgy hier als Schwester gehabt.«

Ich zwinkerte Morgause zu.

Die schnaubte allerdings genervt.

»Ihr solltet euch um wichtigere Dinge Gedanken machen, als um einen neuen Diener. Schließlich sind wir die Zukunft der Glücklichen Inseln.«

Schnell genervt entgegnete ich: »Das wissen wir, Morgy. Keine Sorge, wir werden es nicht vergessen. Besonder nicht, wenn du uns täglich daran erinnerst. Trotzdem darf auch die Zukunft der Glücklichen Inseln Spaß haben und rumalbern. Immerhin ist Hochsommer! Die beste Zeit im Jahr! Wir können uns freuen!«

Meine zwei Jahre jüngere Schwester riss ungläubig die Augen auf. »Morgana! Was ist, wenn ein Feuer ausbricht? Oder das Trinkwasser knapp wird? Das wird unser Ansehen bei den anderen Königreichen ruinieren! Es gibt so viele Gefahren, auf die wir vorbereitet sein müssen und du denkst nur an Spaß haben und rumalbern! Wer ist hier die Älteste von uns?!«

Kopfschüttelnd lächelte ich die weißblonde Prinzessin an, um ruhig zu bleiben.

»Morgy. Wir sind doch schon auf jegliche Gefahrensituation vorbereitet. Wie jedes Jahr. Vater hat alles in die Wege geleitet, um uns zu beschützen. Denk nicht so viel über das nach, was schief gehen könnte. Es wird nichts schief gehen. Und wenn doch: Dann sind wir darauf vorbereitet. Also, hab ein wenig Spaß und genieß die Sonne!«

Morgy sah mich enttäuscht an.

»Ja, Vater hat alles in die Wege geleitet. Du, als Thronfolgerin, solltest dich mit darum kümmern. Ich sorge mich um unseren Status und unsere Untertanen. Es ist ihr Schicksal, von uns beschützt zu werden und unseres, ein großes Königreich zu repräsentieren. Dann sollten wir dieser Bestimmung auch nachgehen.«

Da konnte ich mir ein genervtes Seufzen nicht verkneifen. »Bei allen Sommern. Wir sind in den Augen des Festlandes doch sowieso das seltsame Königreich! Und, bitte. Du weißt, ich denke nicht – «

»Hört auf, zu diskutieren«, bat Elaine da ruhig.

Wir beide richteten unsere Aufmerksamkeit auf unsere kleine Schwester, dessen honigfarbene Locken fast schon wieder trocken waren, nachdem sie in den See gefallen war.

Sie sah uns beruhigend an. »Wir werden das hinkriegen. So, wie wir es immer geschafft haben: zusammen. Egal, was vielleicht auf uns zukommen mag. Dank Vater sind wir so gut vorbereitet auf den Sommer, wie es nur geht. Also müssen wir uns keine Sorgen machen. Morgy, wir sollten die Zeit gemeinsam genießen. Heute hätte ich sterben können. Dank Colin bin ich noch am Leben, aber ich habe realisiert, dass ... keiner von uns sein Schicksal kennt. Wir könnten jeden Moment sterben. Also müssen wir jede Sekunde genießen, als wäre sie unsere Letzte.«

Ein stolzes Grinsen erschien auf meinen vollen Lippen und ich drückte Elaine noch einmal mit meinem Arm, der weiterhin um ihren Rücken lag.

»Weise Worte von unserer kleinen Schwester. Meinst du nicht auch, Morgy?«

Mein Blick sagte Morgause: Los, wir müssen uns zusammenreißen und sie unterstützen. Es ist alles gut.

Die weißblonde Frau zögerte einen Augenblick, bevor sie geschlagen die Luft ausstieß, und zugab: »Ja. Sie wird wirklich noch eine Poetin.«

Elaine kicherte daraufhin erneut erfreut, ehe sie sich mit einem amüsierten Grinsen bei mir beschwerte und uns somit wieder zu unserem ursprünglichen Thema zurückführte: »Aber es ist so unfair, dass du Colin als Diener bekommen hast. Immerhin hat er mir das Leben gerettet.«

Ich hob gespielt überrascht die schmalen Augenbrauen.

»Oh, ich sehe, da ist jemand eifersüchtig?«

Schmunzelnd zwinkerte ich ihr zu. »Ich war auch nicht seine erste Wahl, Glühwürmchen. Er wollte zuerst der Diener von Vater werden.«

»Das ist doch verständlich«, meinte Morgy, als Elaine mich ungläubig anblickte. »Vater ist der König. Alle wollen ihm dienen. Besonders Leute, die neu hierherkommen. Für sie ist er fast eine Legende. Mutter zu fragen, traut sich dagegen niemand, weil sie eine wahre Legende ist.«

Lächelnd erwiderte Glühwürmchen den besserwisserischen Blick ihrer älteren Schwester.

»Ich bin einfach froh, dass er jetzt hier ist. Frischer Wind tut uns immer gut. Gerade in dieser Hitze.«

»Da hast du vollkommen recht«, stimmte ich ihr zu.

Morgause lachte auf. »Wenn euch das Auftauchen eines Dieners schon so glücklich macht, wie reagiert ihr dann erst, wenn Hoheiten aus fernen Ländern uns besuchen kommen?«

»Wir werden aufgeregt sein!«, fiepte Elaine mit einem breiten Grinsen und strahlenden Goldaugen. »Ich kann es kaum erwarten, wenn endlich alle möglichen Prinzen und Prinzessinen zu meinem Geburtstag eintreffen! Das wird traumhaft werden!«

Morgy konnte sich ein belustigtes Lächeln nicht verkneifen, ehe sie am Torbogen, genau zwischen Schatten und Sonnenlicht stehen blieb.

Nun hatten wir den Fuß des Hügels erreicht.

Mit dem nächsten Schritt würden wir die schützenden Mauern, rund um den Hügel, verlassen.

Ein paar Meter vor uns, versteckt hinter einer Reihe von süß duftenden Apfelbäumen und wilden Büschen, fing der sonnenbeschienene Marktplatz an. Er war belebt, wie eh und je.

»Sag mal, ist dir nicht warm in diesem Ding?«, fragte Glühwürmchen und deutete auf Morgys dickes blaues Samtkleid.

»Nein«, antwortete ihre große Schwester schlicht. »Wenigstens eine von uns muss doch die Würde einer Prinzessin ausstrahlen.«

Das entlockte mir ein ermüdetes Seufzen.

»Wie dem auch sei ...«, meinte sie daraufhin höflich zu Glühwürmchen und richtete ihr Diadem, ohne das sie ihre Gemächer niemals verließ.

»Ich treffe jetzt Juna. Wir wollen uns neue Abendkleider kaufen. Auch eins, für das Mondfest und deine große Feier.«

Glühwürmchen strahlte sie aufgeregt an, doch da wandte sich meine Schwester bereits an mich.

»Morgana, was willst du heute auf dem Markt machen? Triffst du dich mit Symo und den anderen?«

Meine Augen fingen an, vor Vorfreude zu leuchten, als sie meine Freunde erwähnte.

»Später, ja. Heute Nachmittag wollen wir uns im Wald abkühlen. Das wird schön. Aber jetzt schlendere ich einfach mal über den Markt und schaue, welche neuen Sachen die Verkäufer anzubieten haben.«

Und dabei suche ich neue Kleidung für Colin. Er kam mit nichts hier an. Er hat sein altes Leben hinter sich gelassen, also braucht er jetzt ein Neues. Und ich werde dafür sorgen, dass es ein schönes, neues Leben wird!

»Dabei wünsche ich dir viel Freude«, meinte Morgause freundlich und knickste tief vor mir. »Ich verlasse euch nun.«

Liebevoll schmunzelte ich sie an. »Danke. Dir auch viel Spaß mit Juna. Richte ihr schöne Grüße von uns aus.«

Morgause nickte, lächelte Elaine zu, bevor sie sich umdrehte und an der äußeren Schlossmauer entlang ging, was den Berg eines Schlosses vom weiteren Königreich trennte.

»Was machst du heute noch Schönes, Glühwürmchen?«, fragte ich meine kleine Schwester und nahm ihre Hand. »Willst du dich nach diesem Schreck nicht ein wenig ausruhen?«

Elaine schüttelte allerdings schmunzelnd den schmalen Kopf und drückte meine Hand.

»Nein, Morgana. Von dem Schreck habe ich mich erholt, als ich mich umgezogen habe und mir klar geworden ist, wie gut es war, diesen Unfall gehabt zu haben. Denn nun weiß ich, dass wir unsere Zeit genießen müssen ... und, dass ich nie wieder zum Meer will.«

Mein Schmunzeln wurde breiter und ich nahm Elaine fest in den Arm. »Ohh, ich bin stolz auf dich, mein Glühwürmchen! Du bist so erwachsen geworden!«

Elaine lachte auf. »Ja, ich werde schließlich neunzehn. Nicht neun.«

»Das weiß ich doch. Aber es kommt mir vor, als wärst du gestern noch neun gewesen.«

»Du sprichst, als wärst du meine Mutter.«

»Nicht ganz«, grinste ich belustigt, als ich von ihr abließ. »Also, was machst du heute noch, wenn du dich nicht ausruhen willst?«

Glühwürmchen schmunzelte schüchtern und da wusste ich schon, was sie vor hatte.

Du schwärmendes, verrücktes Mädchen!, dachte ich amüsiert.

»Du kannst dich bei Colin bedanken gehen, aber ich würde ihn heute in Ruhe lassen. Ich habe ihm gesagt, er wird erst ab morgen früh gebraucht, damit er sich heute ein wenig ausruhen kann. Deshalb würde ich ihn noch nicht überfallen.«

Elaines Schmunzeln wurde breiter. »Dass du auch immer meine Gedanken lesen kannst.«

Ich kicherte. »Ich kenne halt meine verrückte, kleine Schwester. Wie wäre es, möchtest du mit mir auf den Markt kommen und einkaufen gehen?«

Elaines Antwort kannte ich bereits, versuchte es allerdings trotzdem.

»Nein«, antwortete sie fast sofort. »Du weißt, warum.«

Ich nickte verstehend. »Na schön. Dann kaufe ich dir etwas. Denn ich bin nicht geizig.«

Elaine kicherte. »Du bist das genaue Gegenteil!«

»Daran ist nichts Schlechtes«, verteidigte ich mich und Elaine nickte belustigt. »Ich gehe zu meinen Freunden. Ich muss ihnen sowieso unbedingt erzählen, was passiert ist!«

Noch einmal umarmte ich Glühwürmchen. »Viel, viel Spaß. Wir sehen uns zum Abendmahl.«

Elaine drückte mich. »Bis später! Dir auch viel Freude!«

Damit eilte sie voller Vorfreude auf einen Waldweg, der um den riesigen Markt herum, zu unserer Stadt führte.

Mit einem erfreuten Grinsen schlenderte ich hingegen über einen kleinen Pfad durch die wunderschönen Apfelbäume hindurch, auf den Marktplatz zu.

Auf der anderen Seite der Baumreihe war es wie in einer andersartigen Welt.

Im Schloss ging es ruhig und förmlich zu. Hier dagegen wurde stundenlang ein lautes, buntes Fest gefeiert.

Menschen aller Klassen, Formen und Farben tummelten sich auf diesem riesigen Platz, als wäre es der größte Bienenstock der Erde.

Gemurmel, Gerede, Gelächter und anpreisende Rufe hallten mir entgegen, als ich mich in die Menge schob.

Das Aroma von Ingwer, Pfeffer und Wacholderbeeren konnte ich leicht ausmachen, die an nahegelegenen Holzständen angeboten wurden.

Gebratenes und rohes Fleisch wurde ganz in der Nähe verkauft, genauso Heilkräuter, wie Ringelblumen und Löwenzahn.

Hier verkauften die Händler alle Nahrungsmittel, die ein Mensch sich wünschen konnte.

Ein zufriedenes Seufzen entschlüpfte meiner Kehle, während ich an den vielen verschiedenen Menschen vorbeischlenderte und stets ein Stück ihres Lebens mitbekam.

»Wir haben noch genug Fleisch Zuhause, mein Schatz«, erinnerte der braun gebrannte Schmied des Dorfes seine junge Tochter, die bei Heinz, dem Händler für frisches Fleisch, stehen geblieben war.

Ich lächelte die Kleine aufmunternd an, als sie sich zu ihrem Vater umdrehte und mich vorbeigehen sah.

Ihr Gesichtsausdruck erhellte sich augenblicklich.

»Katherina hat in ein paar Tagen Geburtstag«, freute sich ein dunkelblonder Junge, der mit seiner Mutter vor mir lief.

»Ich möchte ihr einen Armreif aus Silber schenken. Sie liebt Schmuck!«

Aufgrund der ärmlichen, grauen Kleidung der beiden, wunderte es mich nicht, als die Mutter mit den sandfarbenen Haaren entschuldigend sagte: »Mein Liebling, du weißt, dass wir nicht genügend Geld haben, um ihr einen Silberreif zu schenken. Wir müssen noch Brot vom Bäcker kaufen und das war es dann. Es tut mir leid, aber ... wie wäre es, wenn du ihr etwas Selbstgemachtes schenkst? Mädchen lieben das. Es zeigt, dass es von Herzen kommt.«

Der Knabe klang nicht überzeugt, als er enttäuscht den Kopf senkte, dennoch meinte: »Na gut, Mama.«

Der arme Kleine., dachte ich mitfühlend.

Ich überlegte schon, ob ich ihm meinen Armreif geben sollte, da rempelte mich ein farbiger junger Mann an, der mit seinen Freunden gelacht und nicht aufgepasst hatte.

Er schaute sich sofort zu mir um und als er mich erkannte, erschien ein breites Grinsen auf seinem Gesicht.

»Tinte, tut mir leid, ich habe dich gar nicht gesehen!«

»Hey, Symo!« Fröhlich umarmte ich meinen Freund zur Begrüßung.

»Ist doch nicht schlimm«, meinte ich dann abwinkend. »Nachher habe ich euch viel zu erzählen!«

»Hast du mal wieder was angestellt, was nicht deinem Schicksal entspricht?«, fragte er gespielt vorwurfsvoll und hob neugierig die dunklen Brauen.

»Bis jetzt noch nicht«, lachte ich auf. »Nein, wir haben einen Neuankömmling in der Stadt. Aber die Geschichte erzähle ich erst, wenn alle da sind.«

Der Zimmermannlehrling grinste verstehend.

»Alles klar. Aber ... was hast du mit deinem Gesicht gemacht? Du bist rot, wie eine Tomate!«

Wieder musste ich lachen. »Ja ... ich habe gestern Mittag einen Spatziergang in der Sonne gemacht und vergessen, mich einzucremen.«

Unschuldig zuckte ich mit den Schultern.

»Die Konsequenz daraus siehst du hier. Ich hoffe nur, es schält sich nicht wieder. Das wäre echt eklig.«

»Tira hat doch bestimmt kühlende Salben für dich«, schätzte Symo beruhigend.

Ich nickte schnell. »Oh ja. Heute Morgen hat sie mir eine aus verschiedenen Kräutern und Honig gemacht. Die war sehr empfehlenswert.«

Der große Junge lachte auf. »Ich merke es mir, falls ich irgendwann einmal Sonnenbrand bekommen sollte.«

Kichernd entgegnete ich: »Dafür bräuchten wir eine sehr große Sonne. Dich kriegt unsere nicht so schnell verbrannt.«

»Da hast du recht. Und ich bin stolz drauf!«

Ich nickte. »Das wäre ich auch. Ich beneide dich schon, Springer. Mit meiner schneeweißen Haut bekomme ich sogar noch im Winter Sonnenbrand! Aber ... ich muss noch etwas einkaufen.«

»Ja, klar. Dann sehen wir uns nachher.«

»Bis später!«, verabschiedete ich mich, ehe er mit seinen Freunden und ich allein weiterzog.

» – sollte noch nicht mit dem Schwerttraining in Wolfspfote beginnen«, hörte ich da Anna, die beste Schneiderin in der Stadt, über ihren sechsjährigen Sohn sprechen, als ich an ihnen vorbeischlenderte.

Sie stand mit ihrem Mann am Stand für Früchte und Gemüse.

Ihr Gatte schien von der Idee allerdings begeistert zu sein. »Aber Anna! Er wird ein großer Schwertkämpfer werden, wenn er früh anfängt und vielleicht sogar irgendwann ein Ritter von Gorlois!«

Als mein Schatten beim Vorbeischreiten auf den grasigen Boden genau unter ihren Füßen fiel, blickte Anna in meine Richtung.

Ihr Mann folgte ihrem Blick.

Als die beiden mich sahen, winkten sie mir erfreut zu.

Ich erwiderte die Handgeste und rief ihnen warnend zu: »Ich komme bald wieder mit einer Bestellung zu euch!«

Annas Blick veränderte sich in gespieltes Entsetzen, ehe sie mit mir lachte.

»Deine ausgefallenen Wünsche sind bei mir immer willkommen!«, antwortete sie, bevor ich von einer Menschenmenge erfasst und im Fluss aus Armen und Beinen sanft weitergetragen wurde.

»Sie hat endlich um ihre Hand angehalten!«, freute sich unsere rothaarige, junge Buchbinderin, die an mir vorbeiging.

»Und sie hat ja gesagt!«, rief sie nach einer kleinen, dramatischen Pause begeistert.

Ihre zwei besten Freunde schrien beinahe vor Entzückung.

Am Wegesrand, zwischen zwei Ständen, erhaschte ich einen Blick auf einen Bettler, der aber gerade von einem unserer Adligen angeheuert wurde.

»Ich bitte dich, bring diesen Brief nach Wolfspfote. Meine Tochter wird dort zur Ritterin ausgebildet und ich wüsste so gern, wie es ihr geht.«

Die Augen des Bettlers fingen an, zu strahlen, wie die, von so vielen anderen, die ich bereits gesehen hatte.

Die meisten Leute schickten Bettler oder andere ärmere Leute auf die Reise, Briefe für sie zu überbringen.

So hatten die Schreiber keine Arbeit und die Boten verdienten so viel, dass sie für ein ganzes Jahr ausgesorgt hatten.

Er wird reich zurückkehren, dachte ich mir zufrieden, als der Bettler sich überschwänglich bedankte. Er nahm den Brief entgegen und eilte zum Fliegenden Adler, wo ihm ein Pferd und genug Verpflegung für die Reise bereitgestellt werden würden.

Reich an Eindrücken, Abenteuern und Geld ...

Da erhaschte Nialls Stand meine Aufmerksamkeit.

Der etwas ältere Händler aus dem Osten verkaufte die besten Erdbeeren der ganzen Insel. Fand ich zumindest.

Immer, wenn ich den Markt besuchte, machte ich bei ihm halt, um meinen Anteil an frischen Erdbeeren zu bekommen.

Hey, vielleicht bringe ich Colin auch ein paar mit. Möglicherweise schmecken sie ihm ja ebenfalls und sein Tag wird ein wenig süßer. Außerdem weiß er dann sofort, was ich mag.

Und Glühwürmchen kaufe ich die Himbeeren von ihm. Die liebt sie doch.

Kurzerhand schlängelte ich mich zu meinem Lieblingsstand durch. Niall hatte bereits zwei Kunden, die er gerade bediente.

Zwei Männer, die Händchen hielten und sich verliebt ansahen. Ich freute mich für die beiden, auch, wenn ich sie nur vom Sehen kannte. Generell freute ich mich für jeden, der glücklich war.

Ich wartete in höflichem Abstand geduldig.

Dabei sah ich mich noch einmal um.

Obwohl mir der Ausblick auf den überfüllten Platz bereits so vertraut war, wie das Schloss, bereitete mir sein Anblick immer wieder Freude.

Ein stolzes Lächeln umspielte stets meine Lippen, als dünne, dicke, helle, dunkle, alte und junge, reiche und arme Menschen, Seite an Seite über den Platz schlenderten.

Die unzähligen Holzstände und anpreisenden Verkäufer waren über die Jahre zu meinen Freunden geworden.

Das andauernde, laute Summen der Vielzahl an verschiedenen Stimmlauten klang wie Musik in meinen Ohren und ich schloss für einen Moment die Augen, um das Gelächter, Gerede und Geschreie zu genießen.

Plötzlich spürte ich allerdings, wie mir mein Silberreif ruckartig vom Handgelenk gerissen wurde.

Erschrocken schlug ich die Augen auf und griff reflexartig nach meinem Arm, aber mein Armreif war bereits fort.

Der kleine, dunkelblonde Junge von eben flüchtete mit ihm zwischen dem Erdbeerstand und seinem Nachbarn hindurch.

»Hey! Hey, warte!« So schnell ich konnte, jagte ich ihm hinterher.

Im Augenwinkel bemerkte ich, wie zwei kleine Bauernjungen, wahrscheinlich ungefähr im gleichen Alter wie der Dieb, laut lachten, als ich an ihnen vorbeirannte.

Verflucht! Ich muss ihn vor den Wachen erwischen!

Versöhnlich rief ich dem Kleinen zu, der sich ein paar Meter vor mir einen Weg durch die Menge suchte: »Junge, bleib stehen! Ich will nur mit dir reden! Die Wachen werden dich kriegen und bestrafen!«

Da ich mein halbes Leben auf diesem Platz verbracht hatte, konnte ich mich geschickt durch die Menschenmenge schlängeln und dem kleinen Dieb immer näher kommen.

Er war jedoch noch weit vor mir und sein Abstand blieb stets gleich. Unsere Fähigkeiten, sich durch Ansammlungen an Menschen und Ständen zu schlängeln, waren anscheinend auf der gleichen Höhe.

»Junge, bleib´ stehen! Bitte! Ich will dir nichts tun!«

Aber der Knabe hörte nicht.

Zu meinem Schrecken kletterte er in Windeseile auf einen der Stände, da uns Wagen, Pferde und zu dichte Menschenmengen den Weg versperrten.

Auf keinen Fall!

Der Holzstand überragte mich nur ein wenig. Dennoch konnte ich meine wackeligen Beine bei diesem Anblick nicht dazu überreden, dem Kleinen hinter her zu klettern. Bei dem Gedanken dort oben stehen zu müssen, wurde mir schon übel.

Stattdessen drängte ich mich durch die Masse.

»Verflucht, Junge! Wenn du wegen meiner Höhenangst eine Hand verlierst - «

Der Bursche sprang auf den nächsten Stand, von wo aus er wieder hinunterkletterte.

Nass geschwitzt zwängte ich mich an den Pferden vorbei und kämpfte mich durch die Menge, bis sie sich endlich lichtete.

Ein paar Meter vor mir waren Wachen auf die Verfolgung aufmerksam geworden, mir zu Hilfe geeilt und hatten das Kind geschnappt.

»Hey! Was fällt dir ein, die Thronfolgerin zu bestehlen?!«, wollte Kenna, die weißhaarige Leutnantin wütend von dem kleinen Dieb wissen.

Der Junge mit den kurzen Haaren sah die Leutnantin mit der fast weißen Haut panisch an. »Ich ... ich ...«

»Weißt du nicht, was mit Dieben passiert? Besonders mit jenen, die unsere Anführer bestehlen?! Das grenzt an Hochverrat!«

Der Junge schrie ängstlich, bettelte um Gnade und wandt sich im eisernen Griff der Leutnantin, als diese seine Hand, mit der er meinen Armreif hielt, auf den Tisch von Milos Stand drückte und ihr Kurzschwert aus der Scheide holte.

»Nein!«, brüllte ich panisch, als sie das Schwert bereits zum Schlag auf sein Handgelenk ausgeholt hatte.

Verwundert hielt die Leutnantin inne und sah zu mir herüber.

Als ich nun auch endlich bei der Ansammlung an Wachen und neugierigen Blicken angelangt war, nahm ich die souveräne Haltung an, die man von einer Frau meines Titels erwartete.

Ich versuchte es zumindest. Heraus kam eine gerade Körperhaltung mit einem Gesicht, so offen wie ein Buch.

Mir war klar, dass alle meine Sorge um den Jungen sehen konnten.

»Danke, dass du ihn erwischt hast, Kenna«, sagte ich trotzdem mit halbwegs fester Stimme und räusperte mich. »Eine Belohnung wird heute Abend im Schloss auf dich warten.«

Ich nickte der Frau in der leichten grünen Lederrüstung gespielt dankbar zu. »Nun überlass ihn mir.«

Auffordernd streckte ich die Hand nach ihm aus und wartete, dass Kenna ihn mir aushändigte.

Die Kriegerin allerdings senkte bloß das Schwert. Ihr Blick blieb ernst. »Thronfolgerin Morgana, dieser Verbrecher hat deinen Schmuck gestohlen«, erinnerte sie mich, als wüsste ich das nicht selbst. »Er muss nach den Regeln der Inseln bestraft werden. Das ist sein Schicksal. Es hat ihn auf diesen Pfad geführt und jetzt muss er ihn zu Ende gehen.«

So sehr ich es versuchte, ich konnte ein entnervtes Stöhnen bei diesem Satz nicht unterdrücken und trat näher an sie heran.

Dabei erinnerte ich mich an die zwei Bengel, die laut gelacht hatten, als ich dem Jungen hinterhergelaufen war.

Ungeduldig widersprach ich ihr: »Es war nicht sein Schicksal, was ihn hierhergefügt hat. Sondern seine zwei Freunde, die ihn angestiftet haben und der Wille, seiner Freundin unbedingt einen Silberreif zu schenken. Sieh´ ihn dir doch an!«

Wir beide richteten unsere Aufmerksamkeit kurz dem kleinen Kerl zu, der uns wie festgefroren aus verängstigten, blaubeerfarbenen Augen beobachtete.

»Er ist höchstens neun Jahre alt. Ein kleiner, armer Junge. Kein Schwerverbrecher, weil er einen Fehler aus Zwang und Drang begangen hat. Lass mich mit ihm reden!«

Obwohl ich die Thronfolgerin war, protestierte Kenna weiterhin: »Aber, Morgana. Das ändert nichts an seiner Tat und den Regeln dieses Königreiches. Es tut mir leid. Ich kann nichts dagegen tun. Ich folge allein meiner Bestimmung.«

Nach diesen Worten hob sie erneut ihr Schwert.

»Na schön. Das reicht!«, rief ich erbost und zwängte mich zwischen die Leutnantin und den Jungen.

Kenna senkte sofort überrascht ihre Waffe.

Dieses ganze Gerede von Schicksal hatte ich sowas von satt!

Hitze stieg in mir auf und ich ballte die Hände zu Fäusten. »Es ist nicht deine Bestimmung und auch nicht sein Schicksal, verflucht! Ja, Schicksal ist ein wunderschönes Wort, aber eben nur ein verdammtes Wort! Wir haben unser Leben selbst in der Hand! Deshalb wirst du auf mich, deine zukünftige Königin, hören und ihm nichts antun, Kenna! Das ist ein Befehl deiner Thronfolgerin! Wenn du dich mir widersetzt, werde ich dafür sorgen, dass du deine Stellung verlierst!«

Überraschung breitete sich sofort auf meiner Miene aus.

Noch nie hatte ich jemandem gedroht ...

Verwundert und zugleich erschrocken blickte die Leutnantin mich an. Sie zögerte. Ihr Kopf rauchte beinahe, so angestrengt bedachte sie, was sie als Nächstes tun sollte.

Aber anscheinend funktioniert es ... also verschwinde, Schuldgefühl!

Nach ein paar totenstillen Sekunden, in denen ich sie allein streng angestarrt hatte, ließ Kenna den Jungen los.

Dieser blieb, wo er war. Er war vor Angst wie angewurzelt.

Auf meinen Zügen zeigte sich zurückhaltende Freude, weil ich es tatsächlich geschafft hatte.

Der Blick der Leutnantin glich allerdings dem einer giftigen Viper, als sie versprach: »Ich werde das Gorlois berichten, Morgana. Du darfst und kannst nicht jedes Schicksal verändern, meine Liebe. Lass dir das ein wohlgemeinter Rat sein.«

Damit verbeugte sie sich tief vor mir, bevor sie sich umdrehte und mit ihren Wachen in der Menge verschwand.

Die neugierigen Menschen, die sich angesammelt hatten, um mitzuerleben, was vor sich ging, verstreuten sich langsam wieder.

Ich wandte mich zu dem Jungen um.

Er stand immer noch mit panischer Miene da. Mein Armreif lag auf dem Holztisch, neben Eiern und Krügen von Milch.

»Hey, mein Kleiner«, begrüßte ich den Jungen freundlich und senkte mich auf ein Knie, um mit ihm auf Augenhöhe zu sein.

»Es tut mir so leid!«, fiepte der Dunkelblonde da.

Tränen stiegen ihm in die Augen. »Ich ... ich wollte das nicht! Es tut mir so leid! Meine Freunde haben gesagt, ich wäre feige, mir das perfekte Geschenk für Katherina entgehen zu lassen und haben mich gedrängt! Bitte ... bitte vergib mir, Morgana!«

Seine schmale Unterlippe begann zu zittern.

Ich schmunzelte ihn liebevoll an und streichelte kurz seinen Oberarm, um ihm ein wenig die Angst zu nehmen.

»Ich habe die beiden Bengel gesehen, als ich dir hinterhergelaufen bin. Sie haben sich halb tot gelacht. Wie heißt du?«

Der Junge sah traurig zu Boden, bevor er kleinlaut antwortete: »Peter.«

Ich nickte leicht. »Gut, Peter. Ich vergebe dir, wenn du mir ein paar Dinge versprichst.«

Peter blinzelte heftig, um seine Tränen zurückzuhalten, doch ein hoffnungsvolles Lächeln wuchs auf seiner Miene. »Alles!«

Langsam erhob ich mich und nahm meinen Armreif vom Tisch. Mit ihm in der Hand ging ich erneut auf ein Knie.

»Erstens versprichst du mir, dass du dir nie wieder von deinen Freunden etwas aufzwingen lässt. Mach keine Mutproben und lass´ dich nicht zu irgendetwas überreden, was du nicht willst. Du bist stark genug, um nein zu sagen. Außerdem ... wenn es echte Freunde wären, würden sie dich nicht zu etwas zwingen wollen. Also sei offen und freundlich und suche dir neue Freunde, wenn sich herausstellt, dass die Alten nichts aus diesem Zwischenfall hier gelernt haben. Du hattest nämlich Glück. Denn eins muss dir klar sein: Wäre ich nicht rechtzeitig hier gewesen und so, wie ich bin, hättest du deine Hand verloren. Und das nur, weil du dich von deinen Freunden zu etwas überreden lassen hast, was du nicht wolltest.«

Peter schluckte schwer. Sein Gesichtsausdruck wurde ängstlicher. »Ich will meine Hand nicht verlieren«, schluchzte er.

Streng sagte ich: »Dann mach´ so etwas niemals wieder.«

Ich wuschelte ihm durch die wilden Haare und er antwortete sofort: »Mach ich nie wieder, versprochen!«

»Sehr gut«, lobte ich ihn lächelnd. »Zweitens musst du mir versprechen, dass du das hier Katherina schenkst. Aber lass dir von einer Frau gesagt sein: Dinge, die du für sie kaufst, werden ihr niemals so wichtig sein, wie Dinge, die du für sie tust. Zeig ihr, dass du für sie da bist, ihr zuhörst, Zeit für sie hast und ihre Meinung schätzt. Das lieben Frauen.«

Ich reichte ihm schmunzelnd den Armreif, den er eben noch geklaut hatte.

Seine kleinen Blaubeeraugen wurden groß.

»Was? Nein! Er gehört doch dir! Ich will ihn dir nicht noch einmal wegnehmen!«

»Du nimmst ihn mir diesmal nicht weg. Diesmal schenke ich ihn dir. Hättest du mich vorhin einfach gefragt, hätte ich ihn dir auch schon an Nialls Stand gegeben. Rede immer mit den Leuten, wenn du etwas möchtest oder loswerden willst. Nimm es dir niemals einfach so. Und das hier«, ich drückte ihm den Silberreif in die Hand, »schenke deiner Freundin in dem Wissen, dass du heute sehr viel gelernt hast.«

Auf dem runden Gesicht des Jungen breitete sich ein Strahlen aus, als er realisiert hatte, dass ich es ernst meinte.

»Aber ... das habe ich doch gar nicht ... verdient«, stammelte er, als er es begriff.

Sanft lächelnd antwortete ich ihm: »Genau, weil du das sagst, hast du es verdient.«

Zögerlich nahm Peter den Reif in die Hand. »Oh ... danke, Morgana!« Erleichtert und begeistert fiel der Kleine mir um den Hals. »Danke, danke, danke!«

Kichernd erwiderte ich die Umarmung. »Kein Problem.«

Wir lösten uns voneinander und Peter strahlte mich mit leuchtenden Augen an.

»Ich werde mich nie wieder zu etwas zwingen lassen, immer mit Leuten reden, wenn mir etwas fehlt und Katherina zeigen, dass ich ein guter Freund bin! Versprochen! Vielen, vielen Dank!«

»Ich bin stolz auf dich. Aber ... bevor du gehst ...«

An meinem anderen Handgelenk trug ich einen weiteren silbernen Armreif.

Kurzerhand streifte ich ihn ab und reichte ihn Peter.

»Nimm diesen Silberreif und gebe ihn deiner Mutter. Sei so ehrlich und erzähle ihr, was passiert ist. Dann sag ihr, dass sie den Armreif im Goldhaus bei der Händlerin Helena verkaufen soll. Helena ist es schon gewöhnt, mein Hab und Gut von anderen anzunehmen, also wird sie ihr nicht vorwerfen, ihn geklaut zu haben. Mit dem Geld - und es wird viel Geld sein – geht ihr sparsam um und verbessert durch es euer Leben, verstanden?«

Sprachlos starrte Peter mich an. Sein Mund stand offen und seine Augen waren riesig.

Da brach er in Jubel aus und fiel mir erneut um den Hals. »Du bist die beste Thronfolgerin, die es gibt!«

»Aww«, machte ich gerührt und drückte ihn fest. »Das ist ein großes Kompliment, Peter. Vielen Dank.«

»Wir können dir gar nicht genug danken!«, quiekte er begeistert, ehe er sich von mir löste und vor Freude Luftsprünge vollführte. »Danke! Danke! Danke! Irgendwann werde ich es dir irgendwie zurückzahlen, das schwöre ich dir!«

Schmunzelnd erwiderte ich: »Du zahlst es mir zurück, indem du deine Versprechen einhältst.«

»Das werde ich! Danke!«