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Hauptkommissarin Lea Sonntag und ihr Team ermitteln in einem Mordfall. Ausgerechnet in dem idyllischen Kurort Schömberg, an der Pforte zum Schwarzwald, wird eine Leiche gefunden. Lea, die geplant hat, mit ihrem Freund in den Urlaub zu fliegen, muss sich entscheiden. Wird sie ihren Urlaub abbrechen und ihre Kollegen Alex, Rudi und Katja unterstützen? Da ihre Beziehung auf wackeligen Beinen steht, fällt ihr diese Entscheidung schwer. Als dann aber auch noch eine Frau spurlos verschwindet, gibt es nicht mehr viel zu überlegen. Vielleicht zählt jede Stunde, um das Leben der Vermissten zu retten. Das Polizeiteam stößt an seine Grenzen. Hängen diese beiden Fälle überhaupt zusammen? Außerdem machen die kleinen Meinungsverschiedenheiten mit ihrem Kollegen Alex Lea das Leben nicht gerade leichter.
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Seitenzahl: 187
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Manuela Kusterer, in Pforzheim geboren, Jahrgang 1964, lebt heute mit ihrem Mann und ihren zwei erwachsenen Söhnen in der Nähe von Karlsruhe.
Dieser Regionalkrimi spielt in Schömberg, an der Pforte zum Schwarzwald und Umgebung. Daraufhin folgten drei weitere Schwarzwaldkrimis, die zur Regionalkrimiserie gehören und im Kurort Schömberg im Nordschwarzwald angesiedelt sind. Außerdem gibt es von der Autorin eine Romanserie, die mit dem Buch „Die Liebe, das Leben und die täglichen Katastrophen“ beginnt. „Wer nicht vergessen kann, muss töten“, „Gefährliche Entscheidung“ und „Gefährlicher Deal“ sind unabhängige Krimis, die in Berlin und in Pforzheim spielen. Ihr neuer Roman „Spieglein, Spieglein, was soll ich tun?“ wurde 2022 veröffentlicht. Wenn die Autorin gerade nicht schreibt, lernt sie gerne Fremdsprachen oder malt Aquarelle.
Dieses Buch ist ein Kriminalroman.
Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden und toten Personen sind nicht gewollt und rein zufällig.
Buch:
Hauptkommissarin Lea Sonntag, frisch befördert zur Inspektionsleiterin im Schömberger Polizeirevier plant eine Woche Urlaub mit ihrem Freund dem Gerichtsmediziner Hans-Peter Balbach. Aber dann reißt ein Anruf sie aus der Urlaubsstimmung. Eine Leiche wird am Waldrand gefunden. Noch ist Lea nicht bereit, ihren Urlaub abzubrechen, schließlich hat sie ein kompetentes Team, bestehend aus Alex, Rudi und Katja.
Als dann aber eine Frau spurlos verschwindet, spielt sie mit dem Gedanken, ihren Urlaub zu beenden, um ihre Kollegen bei der Aufklärung der Fälle zu unterstützen.
Hans-Peter droht damit, alleine in den Urlaub zu fliegen. Wird es das Ende der Beziehung sein? Außerdem machen die kleinen Meinungsverschiedenheiten mit ihrem Kollegen Alexander Wandhoff ihr das Leben zusätzlich schwer.
Wie wird Lea sich entscheiden? Wurde die vermisste Frau entführt und haben die beiden Fälle überhaupt etwas miteinander zu tun?
Dieses Buch widme ich meinem Mann Peter und meinen Söhnen Nico und Marvin. Ich danke ihnen, dass sie die ganze Zeit an mich geglaubt haben.
Montag
Dienstag
Mittwoch
Donnerstag
Freitag
Samstag
Montag
Es war früh am Morgen, als Andrea mit Antje und ihren Hunden am Waldrand entlang lief. Überall gab es entsprechend der Jahreszeit Raureif auf den Wiesen und Bäumen. Der Februar war in diesem Jahr recht mild. Eigentlich war Antje die Freundin von Andreas Schwester, aber durch das tägliche Ausführen der Hunde freundeten auch sie sich an. Seit zwei Jahren trafen sie sich regelmäßig morgens um 6:30 Uhr am Anfang des Feldweges nahe ihrer Häuser.
»Andrea, warum lässt du deinen Hund nicht auch mal ohne Leine laufen? Das arme Tier weiß ja gar nicht was Freiheit ist«, meinte Antje kopfschüttelnd.
Andrea verdrehte genervt die Augen. Sie war es leid, jedem immer wieder erklären zu müssen, dass man Beagles nicht erziehen konnte, zumindest nicht, was das Hören auf Ruf oder Pfiff anging. Deshalb sagte sie nichts und machte aus einer Laune heraus die Leine ab. Es dauerte keine zwei Sekunden und der Hund, der auf den Namen Tommy hören sollte, war im Wald verschwunden.
Das gab Andrea, die sowieso schlechte Laune hatte den Rest, weil sie über ihr Leben - zumindest wie es im Moment verlief - nicht glücklich war.
»So, bist du jetzt zufrieden?«
»Das war ja nur eine Frage, du musstest ihn ja nicht gleich loslassen, dafür kannst du mich nun wirklich nicht verantwortlich machen.«
»Jetzt rede nicht soviel, hilf mir lieber bei der Suche.«
Die beiden Frauen rannten in Begleitung des dreijährigen Jack Russels los, der sich ohne Erlaubnis nie weit von seinem Frauchen entfernte.
Sie liefen in den Wald hinein und vernahmen lautes Bellen. Antje war erleichtert, als sie die bekannte Schwanzspitze von Tommy sah.
»Da ist er ja.«
Andrea eilte schnell zu ihrem Hund und entgegen jeder Gewohnheit lief er nicht spielerisch bellend davon.
Keine zwei Minuten später, Antje hatte sich gerade eine Zigarette angezündet, kam die Freundin aus dem Wald. Sie war leichenblass.
»Was ist passiert? Ist was mit dem Hund?«
»Da da ist ist eine Leiche«, stotterte sie vor sich hin.
Antje starrte Andrea sprachlos an. Als sie etwas erwidern wollte, beugte sich diese nach vorne, um sich zu übergeben.
Alexander Wandhoff wurde vom schrillen Klingeln des Telefons geweckt.
Er brauchte ein paar Sekunden, um sich zu orientieren. Er hatte gestern mit seinem besten Freund Marc, der nach Frankfurt ziehen wollte, Abschied gefeiert. Dieser hatte dort, nachdem er schon lange damit geliebäugelt hatte wegzuziehen, eine neue Stelle bekommen. In Schömberg, dem kleinen, idyllischen Kurort an der Pforte zum Schwarzwald, war ihm schon immer alles zu kleinstadtmäßig gewesen.
Sie waren seit der Grundschule miteinander befreundet und diese Freundschaft hielt mit ihren inzwischen neununddreißig Jahren immer noch an. Auf jeden Fall war es ein feuchtfröhlicher Abend gewesen und Alex hatte das Gefühl, nicht eine Stunde geschlafen zu haben. Während er das Telefon vom Nachttisch nahm, schaute er auf die leuchtenden Ziffern seines Weckers und stellte fest, dass es schon 7:00 Uhr war.
»Wandhoff«, murmelte er schlecht gelaunt.
»Alex, schläfst du noch? Schwing dich schnellstens aus den Federn! Wir haben eine Leiche am Waldrand von Schömberg. Am Ortseingang, wenn man von Pforzheim kommt.«
Seine Kollegin Katja Augenstein hörte sich unverschämt ausgeschlafen an. Er erhob sich stöhnend aus dem Bett, schleppte sich in die Küche und drückte mit halb geöffneten Augen auf den Knopf seines Kaffeevollautomaten.
Da hatte er nun den Salat. Eigentlich hätte er heute frei, aber die Hauptkommissarin Lea Sonntag machte Urlaub auf Teneriffa und er konnte jetzt ihre Aufgaben erledigen und das, obwohl sie ihm den Job vor der Nase weggeschnappt hatte.
Nachdem er seine Arbeit fünf Jahre lang gewissenhaft ausgeführt hatte und alles danach aussah, dass er zum Inspektionsleiter befördert würde, kam die wunderschöne Eisprinzessin, wie er Lea insgeheim nannte, hereingeschneit.
Kriminaldirektor Karl-Heinz Rauschmayer hatte sie ihm einfach vor die Nase gesetzt. Er musste zugeben, dass sie bildhübsch war, mit ihren blonden langen Locken und dem ebenmäßigen Gesicht, aber sie war ein Eisblock und deshalb nannte er sie die Eisprinzessin. Am besten waren ihre zwei Grübchen… »Mist!« Er hatte doch Besseres zu tun, als über das Aussehen seiner Chefin nachzudenken. Er ärgerte sich über sich selbst, trank, während er sich anzog, schnell den schwarzen Kaffee und schon war er in seinem heißgeliebten BMW. Keine zehn Minuten später kam Alex am Tatort an. Er wohnte in Engelsbrand, da musste er nur durch Salmbach und Langenbrand fahren.
Es war schon alles mit Trassierbändern abgesperrt und zum Glück hatte der Gerichtsmediziner seine Arbeit fast erledigt, denn sonst gab es meistens Ärger mit Dr. Balbach, der immer Angst hatte, dass Spuren verwischt werden könnten und seinen Missmut des Öfteren lautstark zum Ausdruck brachte.
Aber dieses Mal lächelte er trotz Leiche milde vor sich hin und Alex meinte im falschen Film zu sein. Was war da passiert? Nachdenklich starrte er seinen medizinischen Kollegen an. So hatte er Hans-Peter Balbach noch nie erlebt.
Der Gerichtsmediziner räusperte sich und unterbrach die Gedankengänge des Kommissars.
»Die Todesursache war nicht der Sturz mit dem Hinterkopf auf den Stein, auf den der viezigjährige Mann gefallen war, sondern da hat jemand noch mal kräftig zugeschlagen, wahrscheinlich ebenfalls mit einem Stein, der aber nicht am Tatort aufzufinden ist. Der Tod ist zwischen 22:00 und 2:00 Uhr eingetreten. Bei dem Toten handelt es sich um Dr. Jochen Berang aus Offenbach, wie wir dem Ausweis, den er bei sich trug, entnehmen konnten. So, wir sind hier fertig, Sie können jetzt weitermachen.«
Und somit stapfte er, man konnte es schon als unanständig an einem Tatort bezeichnen, leise vor sich hin pfeifend, mit seinem Team davon.
Balbach hielt auf dem Heimweg bei seinem Lieblingsbäcker. Dort kaufte er frische Brötchen, eine Butter, anstelle der Margarine, die er üblicherweise konsumierte, und 500g sündhaft teure Kaffeebohnen. Es sollte ein perfektes Frühstück werden. Er fuhr weiter Richtung Karlsruhe, wo er wohnte. Zum Arbeiten musste er nach Heidelberg fahren, denn dort befand sich die Gerichtsmedizin.
Zu Hause angekommen, schloss er leise rufend die Tür auf.
»Mein Engel, bist du wach?«
Er ging in Richtung Schlafzimmer und da sprang ihm der Engel in Form von Lea Sonntag schon entgegen.
»Was ist passiert? Habe ich heute Morgen richtig gehört, als du telefoniert hast? Wir haben eine Leiche? Das gab es in unserem kleinen Dorf noch nie.«
»Ja, aber…«
»Ich muss sofort zu meiner Dienststelle.«
»Das kannst du nicht, du bist doch eigentlich auf Teneriffa.«
Aber sie winkte nur ab und verschwand eilig im Bad. Hans-Peter hörte die Dusche plätschern und zehn Minuten später rauschte Lea, einen Kuss auf seine Wange drückend, an ihm vorbei und weg war sie.
Nun saß er da mit seinen Brötchen und den teuren Kaffeebohnen.
Auf dem Weg nach Schömberg hatte Lea genug Zeit, ihren Gedanken nachzuhängen.
Auf der Autobahn war ein Stau, deshalb dauerte es anderthalb Stunden, bis sie im Polizeirevier ankam.
Als Lea vor vier Jahren ihre langjährige, belastende Beziehung zu Michael beendete, stand für sie fest, dass sie sich nicht mehr binden würde.
Er hatte ihr mit seiner krankhaften Eifersucht und seiner pedantischen Art das Leben zur Hölle gemacht.
Aus einer Eingebung heraus nahm Lea vor einem dreiviertel Jahr, nach einer gerichtsmedizinischen Untersuchung, die Einladung von Hans-Peter Balbach auf einen Drink an.
Sie landeten danach in seinem Bett. Das geschah völlig überraschend und eigentlich sollte nicht mehr als ein Abenteuer daraus werden. Sie wohnte damals noch in Karlsruhe. Kurz danach wurde sie zur Inspektionsleiterin befördert und nach Schömberg versetzt.
Aber wider Erwarten verabredeten sie sich immer häufiger, obwohl sie inzwischen nicht mehr dort wohnte. Sie fühlte sich wohl in der Gesellschaft von Hans-Peter.
Vielleicht lag es an dem Altersunterschied. Er war immerhin sechzehn Jahre älter und strahlte mit seinen fünfzig Jahren eine gewisse Ruhe und Sicherheit auf sie aus. Wer ihn nicht genau kannte, dem erschien er oft schlechtgelaunt und unfreundlich, aber sie bemerkte schnell, dass er so nicht wirklich war. Sie dachte, dass für ihn ebenfalls eine feste Beziehung nicht in Frage käme, aber in letzter Zeit sprach er immer öfter von einer gemeinsamen Wohnung und das bereitete ihr seltsamerweise Unbehagen. Sie wollte nicht, dass ihre Kollegen von der Beziehung erfuhren.
Warum eigentlich nicht? Liebte sie ihn nicht? Was war das Problem? Wenn sie sich allerdings die sarkastischen Bemerkungen ihres Kollegen Alex vorstellte, dann beschloss sie, das Ganze noch etwas zu verschieben. Sie kannte ihn schon von der Polizeischule, sie waren aber nicht wirklich befreundet und hatten keinerlei Gemeinsamkeiten. Sie konnte ihn nicht einmal besonders gut leiden. Im Grunde sollte es ihr egal sein, wie er darüber dachte.
Hans-Peter und Lea hatten beschlossen, einen vierzehntägigen Urlaub gemeinsam zu verbringen und ein paar Tage wegzufahren. Aber dann kam heute Morgen, am zweiten Tag, dieser Anruf.
„Schluss jetzt mit der Grübelei“, schimpfte Lea vor sich hin. Sie war am Ziel angekommen und ausnahmsweise gab es freie Parkplätze vor dem Revier, was höchst selten vorkam.
Sie stürmte durch den Flur, an ihrem Büro vorbei, in den Gemeinschaftsraum des Polizeireviers.
»Guten Morgen, wie schön, dass ich euch hier alle versammelt vorfinde. In zehn Minuten findet in meinem Büro eine Besprechung statt.«
Und schon war sie wieder draußen. Alex sah aus, als ob er ein Gespenst gesehen hätte.
»Ich denke, die hat Urlaub und ist auf Teneriffa?«
»Das habe ich auch gedacht.« Katja schüttelte fassungslos den Kopf.
Nur Rudolf Engel, den alle Rudi nannten, schien die Ruhe in Person.
Ist ja klar, dass Frau Sonntag hier auftaucht, wenn es interessant wird, dachte er sich.
Zehn Minuten später saßen sie alle um den Besprechungstisch in Leas Büro. Sie hatte die kurze Zeit genutzt, um sich einen Kaffee aus dem Automaten zu holen, denn schließlich hatte sie ja sogar ihr Frühstück verpasst. Ohne diesen Wachmacher lief bei Lea normalerweise gar nichts.
»Hast du dich mal kurz von Teneriffa hierher gebeamt?« Diese Frage konnte sich Alex doch nicht verkneifen.
Aber Lea ging nicht darauf ein. »Ich habe nicht die Absicht meinen Urlaub abzubrechen. Nach unserer Besprechung, gehe ich wieder nach Hause und möchte aber auf dem Laufenden gehalten werden, was die Ermittlungen in diesem Mordfall angehen.«
Alex berichtete alles, was er von dem Gerichtsmediziner erfahren hatte, aber er war nicht ganz bei der Sache. Er grübelte, von wem Lea Sonntag so schnell die Information über den Mord bekommen hatte.
»Okay.« Lea räusperte sich. »Herr Engel, Sie finden heraus, ob der Tote verheiratet war oder alleine gelebt hat und ob die Adresse noch stimmt. Alex, du hörst dich mit Unterstützung von Katja im Ort um, ob irgendjemand etwas gesehen oder bemerkt hat.
Außerdem leitet Alex weiterhin die Ermittlungen und wird mir morgen Bericht erstatten.«
Rudi Engel schlurfte in sein Büro, das er sich mit Katja und Alex teilte. Die beiden machten sich auf den Weg ins Dorf, um etwas über den Toten in Erfahrung zu bringen.
Alex war noch immer tief in Gedanken versunken.
Sie beschlossen zuerst einmal einen Kaffee im Café Talblick zu trinken, weil, wenn ihnen jemand weiterhelfen konnte, dann doch dort, wo die meisten Menschen verkehrten, nämlich in einem Café.
Und Lea fuhr wieder zurück nach Karlsruhe, denn wenn es schon nicht mehr zum Frühstück reichte, wollte sie doch mit Hans-Peter wenigstens gemeinsam Mittag essen.
Erika Bott bemühte sich, den Haushalt in den Griff zu bekommen. Mit ihrer Laune stand es nicht zum Besten. Es war nicht einfach mit ihren vier Kindern, die überall alles stehen und liegen ließen.
Vor allem Ben war das Wort „aufräumen“ mit seinen vier Jahren völlig unbekannt.
Erika lernte mit vierundzwanzig Jahren ihren jetzigen Mann Johannes kennen und verliebte sich sofort Hals über Kopf in ihn. Das beruhte auf Gegenseitigkeit, deshalb verloren sie keine Zeit und zogen in eine gemeinsame Wohnung.
Als Erika ein Jahr später schwanger wurde, stand für die beiden fest, dass sie ein Haus bauen und noch mindestens ein weiteres Kind bekommen würden. Eigentlich hatte Erika sich vorgenommen, ihr Medizinstudium nur zu unterbrechen, aber nachdem zwei Jahre nach der Geburt von Leonie, Anna auf die Welt kam, gefolgt von Lisa drei Jahre später und zu guter Letzt noch der kleine Ben, gelang es ihr nicht mehr den Anschluss an ihr Studium zu finden. Sie liebte ihre Kinder und ihr jetziges Leben über alles, beneidete aber trotzdem manchmal die Unabhängigkeit ihrer Freundin Antje. Das Klingeln an der Haustür riss sie aus ihren Überlegungen. Wer konnte das jetzt sein? So würde sie ja nie fertig werden.
Nachdem Erika die Tür geöffnet hatte, sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen ihre Schwester an. Diese machte einen vollkommen aufgelösten Eindruck. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Sie hatten kein besonders gutes Verhältnis. Andrea war drei Jahre jünger als sie und jammerte ständig, weil sie alleinerziehend und auf einen langweiligen Job angewiesen war, keine Aussicht auf einen Partner hatte und vor allem, weil ihr Sohn, der kleine Janis sehr anstrengend war. Außerdem gab es in der Schule nur Probleme mit ihm. Er besuchte die vierte Grundschulklasse in Schömberg und Andrea wurde in der Regel einmal pro Woche zur Klassenlehrerin beordert. Auf jeden Fall war Erika es leid, sich das Gejammer immer wieder anzuhören.
Sie musste allerdings zugeben, dass Andrea heute extrem angeschlagen aussah. Deshalb sagte sie nichts, als ihre Schwester sich in die Küche begab und kraftlos auf einen der vier Hocker, die sich um den kleinen halbovalen Tisch, der an der Wand befestigt war, fallen ließ.
»Was ist los? Arbeitest du heute nicht? Ist was passiert? Mit Janis?«
Andrea arbeitete in einer kleinen Pforzheimer Schmuckfirma in der Endkontrolle. Das bereitete ihr keine Freude, aber der Verdienst war nicht schlecht und sie konnte es sich nicht leisten, eine weniger gut bezahlte Stelle anzunehmen, die ihr mehr Freude bereitet hätte.
Nachdem Andrea ihrer Schwester die ganze Geschichte vom Leichenfund erzählt hatte, herrschte erstmal Stille. Normalerweise schüttete
sie Erika selten ihr Herz aus, aber sie hatte sonst niemanden, mit dem sie so richtig befreundet war. Ihre Eltern waren schon vor Jahren gestorben. Der Vater nach langer Krankheit und die Mutter kam bei einem Verkehrsunfall ums Leben.
Andrea unterbrach das Schweigen: »Irgendwie kam mir der Tote bekannt vor.«
»So ein Quatsch, du liest zu viele Schundromane.« Das konnte Erika sich nicht verkneifen zu sagen.
»Ich koche dir jetzt erst einmal einen Kaffee oder möchtest du einen Tee oder vielleicht lieber einen Schnaps?«
Sie tranken das genauso in der Reihenfolge und Andrea hatte seit langem zum ersten Mal das Gefühl bei ihrer Schwester willkommen zu sein.
Anschließend begab sie sich nach Hause.
An arbeiten war heute nicht mehr zu denken, sie hatte bei ihrer Arbeitsstelle angerufen und sich für krank gemeldet.
Es war fast Mittag und Janis kam bald nach Hause. Sie musste ihm etwas zum Essen vorsetzen. Da Andrea nur halbtags arbeitete, kochte sie jeden Mittag. Nun stand sie unschlüssig in ihrer Küche. Es war schon 13.00 Uhr und sie hatte noch nicht einmal angefangen und auch keine Ahnung, was sie heute essen sollten.
Sie konnte sich einfach nicht konzentrieren. Wer war der Tote? Wo hatte sie ihn nur schon mal gesehen? Außerdem drängelte der Hund, weil er dringend mal raus musste. Tief seufzend griff sie zum Telefon und bestellte eine Familienpizza beim neuen Pizzaservice im Ort.
Dann konnten sie heute Abend den Rest essen und der Tag war, zumindest was das leibliche Wohl anging, gerettet.
Sie schnappte sich die Leine und rief Tommy, der sowieso die meiste Zeit um sie herumhüpfte, ging kurz mit ihm auf die Wiese um die Ecke und hastete gleich wieder nach Hause.
Ein Nachmittag, wie jeden Tag stand ihr bevor. An dem sie mit Janis lernen musste, damit er überhaupt auf einer weiterführenden Schule aufgenommen würde.
Katja und Alex machten resigniert Anstalten, das Café zu verlassen.
Die Besitzer und die Angestellten hatten ausgesagt, den Toten noch nie gesehen zu haben. Alex, der schon die Hand ausgestreckt hatte um die Tür zu öffen, ließ den Arm wieder fallen und drehte sich um, weil er bemerkte, dass ein Mann ihnen hinterhergeeilt war und Katja ansprach.
»Sind Sie von der Polizei? Ich habe gerade das Bild gesehen, dass Sie der Bedienung gezeigt haben. Ich habe diesen Herrn vor ungefähr drei Tagen gesehen, zusammen mit einem anderen Mann. Die beiden sind mir aufgefallen, weil sie heftig miteinander gestritten haben.«
»Und wo genau war das?«
»Ich weiß nicht, wie die Straße heißt, ich mache hier nur Urlaub, aber es ist das letzte Haus, bevor der Feldweg zum Wald führt.«
»Kennen Sie einen der Männer?«
»Nein, aber der Eine ist nach dem Streit in diesem Haus verschwunden.«
»Gut, Sie haben uns sehr geholfen. Wie lange werden Sie noch hier sein?«
»Noch fünf Tage.«
»Wo können wir Sie erreichen, wenn wir noch Fragen haben?«
»Ich kann Ihnen meine Handynummer geben.«
Nachdem sich Katja die Nummer notiert hatte, bedankten sie sich und verließen mit weitaus besserer Laune das Café. Das war doch schon mal was.
Als Alex und Katja im Polizeirevier ankamen, beendete Rudi gerade ein Telefongespräch.
Er hatte die Lebensgefährtin des Toten ausfindig gemacht. Dr. Jochen Berang wohnte mit seiner Freundin Marlene Markwart in Offenbach bei Frankfurt und hatte dort ebenfalls seine Zahnarztpraxis.
Sie setzten sich um den runden Tisch im Büro, um ihre Neuigkeiten auszutauschen.
Katja schaute dabei leicht verstohlen zu Alex.
Wie gut er doch aussah, mit seinem dunklen, sportlichen Kurzhaarschnitt, etwas Gel darin verteilt und die leichte Urlaubsbräune, die er meistens hatte, weil er jede Gelegenheit nutzte, mal kurz auf die Kanarischen Inseln zu fliegen.
Alex unterbrach die Gedankengänge seiner Kollegin.
»Also, ich übernehme die unliebsame Aufgabe und fahre nach Offenbach, um die Lebensgefährtin zu befragen. Die Offenbacher Kollegen haben ihr schon den Tod ihres Partners mitgeteilt, aber ich muss mir einen Überblick verschaffen und selbst mit ihr sprechen. Und ihr beide fahrt bitte zum letzten Haus, vor dem Feldweg, ich weiß die Hausnummer nicht genau und erkundigt euch, ob der Besitzer unser Mann ist, der Streit mit dem Toten hatte.«
Er wartete keine Antwort ab, stand auf, griff nach seiner Jacke, die er zuvor achtlos über die Stuhllehne geworfen hatte, und eilte davon.
Katja und Rudi klingelten an dem besagten Haus. Auf dem Schild an der Haustür waren die Namen Antje Berger und Eric Sebastian zu lesen.
Als die beiden das Revier verlassen hatten, war Katja ihrem Kollegen nur zögerlich gefolgt. Es war ihr allerdings klar, dass es keinen Sinn machte, die Anweisung von Alex Wandhoff in Frage zu stellen. Lieber wäre sie mit ihm nach Offenbach gefahren.
Rudi, der das sehr wohl bemerkte, dachte sich, dass seine Kollegin ja nur Augen für den Alex habe und der Vollidiot das nicht mal bemerke. Er würde sonst was dafür geben, wenn sie ihn nur einmal so anschauen würde. Ja, er gab es vor sich selbst zu, dass er unsterblich in Katja verliebt war. Er konnte sich nicht sattsehen an ihr, mit dem dunklen Pagenschnitt und ihren großen braunen Rehaugen. Außerdem liebte er ihre schüchterne Art. Obwohl Rudi erst seit Kurzem geschieden war, konnte er sich eine feste Beziehung mit Katja Augenstein gut vorstellen.
Er hatte schon mehrfach versucht, sich außerhalb der Arbeitszeit mit ihr zu verabreden, aber sie erfand immer andere Ausreden.
Nach einer gefühlten Ewigkeit wurde die Haustür von Antje Berger geöffnet. Rudi stellte sich vor:
»Guten Tag, wir sind von der Kriminalpolizei, mein Name ist Rudolf Engel. Sind Sie Frau Berger?« Er hielt ihr seinen Ausweis hin.
»Wir hätten ein paar Fragen an ihren Mann. Dürfen wir eintreten?«
»Katja Augenstein«, wies sich Katja ebenfalls aus. Antje trat völlig überrumpelt einige Schritte zurück. »Ja, mein Mann ist hier. Eric, kommst du bitte, da ist jemand von der Polizei«, rief sie nach oben, nachdem sie sich wieder etwas gefasst hatte.
Eric kam die Treppe hinunter, begrüßte freundlich die Polizeibeamten und bat sie ins Wohnzimmer. »Darf ich Ihnen etwas zum Trinken anbieten?«
»Nein, danke«, beeilte Katja sich zu sagen.
»Was kann ich für Sie tun?«
»Es handelt sich um den Tod von Jochen Berang. Sie kannten ihn?«
»Ist das der Mann, der tot aufgefunden wurde?« Eric wurde kreidebleich.
»Ja, er wurde ermordet.«
Eric musste sich an der Kommode, vor der er stand, festhalten und setzte sich dann langsam auf das Sofa, das sich daneben befand.
»Nehmen Sie doch bitte Platz.«
Rudi setzte sich, aber Katja blieb stehen.
Antje Berger war noch blasser als ihr Mann und nahm ihm gegenüber mit weichen Knien auf dem anderen Sofa Platz.
Alex wandte sich an Eric: »Ein Zeuge hat ausgesagt, dass Sie sich direkt vor ihrem Haus mit ihm gestritten haben. Stimmt das?«
Eric hatte sich inzwischen wieder gefasst.
»Ja, ich kenne, ich meine, ich kannte Jochen flüchtig, aber wir haben nicht gestritten, es war nur eine kleine Meinungsverschiedenheit.«
»Um was ging es in diesem Streit?«
»Das hatte etwas mit früher zu tun. Muss ich da jetzt drauf eingehen?«
»Es würde das Ganze vereinfachen.«