Gefährlicher Deal - Manuela Kusterer - E-Book

Gefährlicher Deal E-Book

Manuela Kusterer

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Beschreibung

Gefahr, Geld und Liebe... Nach einem Treffen mit den Eltern ihres Verlobten verschwindet Gabriele spurlos. Auf der Suche nach ihr hat Raphael einen schweren Verkehrsunfall und liegt im Koma. Als er sich etwas erholt hat, erfährt er, dass seine Freundin wie vom Erdboden verschluckt ist. Verzweifelt versucht er sie zu finden. Dabei hilft ihm Sophie, die er erst vor Kurzem kennengelernt hat. In einem unbedachten Moment begibt sich diese in große Gefahr und bleibt ebenfalls verschwunden. Nun muss sich Raphael um beide Frauen sorgen. Zeitgleich ermitteln Hauptkommissarin Maren Westphal und ihr Kollege in einem heiklen Fall. Eine junge Frau, die niemand vermisst, wird tot aufgefunden. Hängt das Verschwinden von Gabriele und Sophie damit zusammen? Wird Raphael und das Berliner Polizeiteam sie rechtzeitig finden? Oder droht ihnen das gleiche Schicksal wie der Unbekannten?

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Seitenzahl: 171

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Manuela Kusterer, in Pforzheim geboren, Jahrgang 1964, lebt heute mit ihrem Mann und ihren zwei erwachsenen Söhnen in der Nähe von Karlsruhe.

Der Kriminalroman „Gefährlicher Deal“ spielt in Berlin.

Ihre Krimiserie „Lea und ihr Team“ spielt in Schömberg, an der Pforte zum Schwarzwald und Umgebung.

Außerdem hat die Autorin die Krimis „Wer nicht vergessen kann, muss töten“ und „Gefährliche Entscheidung“ geschrieben.

Dann gibt es noch eine Romanserie, die mit dem ersten Teil „Die Liebe, das Leben und die täglichen Katastrophen“ beginnt.

Besuchen Sie die Autorin im Internet

www.manuelakusterer.com

oder in Facebook:

AutorinManuelaKusterer

Handlungen und Personen in diesem Kriminalroman sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden und toten Personen sind nicht gewollt und rein zufällig.

Zum Buch:

Gabriele soll die Eltern ihres Verlobten kennenlernen. Raphaels Mutter möchte sie allerdings nicht als Schwiegertochter akzeptieren. Als es beim gemeinsamen Abendessen eskaliert, rennt Gabriele empört aus dem Haus. Raphael begibt sich mit dem Auto auf die Suche, aber er findet seine Freundin nicht. Nach einem schweren Verkehrsunfall wird er ins Krankenhaus eingeliefert. Nachdem er aus dem Koma erwacht, stellt er fest, dass Gabriele spurlos verschwunden ist. Verzweifelt begibt er sich auf die Suche nach ihr. Dabei hilft ihm Sophie, eine junge Frau, die sich hoffnungslos in ihn verliebt hat. Sie begibt sich dadurch in große Gefahr, so dass Raphael sich nun um beide Frauen sorgen muss.

Dann ist da noch Mike, bei dem es unklar ist, ob er auf der richtigen Seite steht. Geht von ihm eine Gefahr aus oder möchte er tatsächlich nur helfen?

Für Peter

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Gabriele

Raphael

Günther

Gabriele

Sophie

Gabriele

Karin

Gabriele

Raphael

Drei Wochen später

Karin

Raphael

Sophie

Hauptkommissarin Maren Westphal

Hauptkommissar und Inspektionsleiter Andreas Gerloff

Mike

Gabriele

Günther

Raphael

Maren

Sophie

Gabriele

Raphael

Mike

Sophie

Maren

Gabriele

Karin

Mike

Inspektionsleiter Andreas Gerloff

Raphael

Sophie

Gabriele

Mike

Günther

Andreas Gerloff

Gabriele

Maren

Gabriele

Raphael

Kai

Raphael

Andreas

Maren

Gabriele

Kai

Sophie

Epilog

Prolog

Vier Männer und eine Frau saßen in der Wohnung von Robert, der sich selbst als Chef bezeichnete, zusammen. Mike, der an dem Türrahmen lehnte, blickte angewidert auf ungefähr zehn Pizzakartons, die sich auf dem schmierigen PVC-Boden stapelten. Zum Teil klebten noch alte Essensreste daran. Auch sonst erschien ihm diese Bruchbude ziemlich schmuddelig. Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, weil Detlef ihn ansprach: »Hey du Neuankömmling, was meinst du dazu?«

Eigentlich sah dieser eher wie ein Chef aus. Mit seiner imposanten Größe und den dunklen Locken zog er automatisch alle Blicke auf sich, wenn er einen Raum betrat.

Mike war heute erst zum zweiten Mal dabei und machte keinen allzu glücklichen Eindruck. Er schien sich nicht ganz wohl in seiner Haut zu fühlen.

»Sorry, ich hab gerade nicht zugehört«, erwiderte er betont lässig.

»Ich habe gefragt, was du zu der Gegend meinst, in der wir in Zukunft arbeiten werden?«

»Äh, ja, das Gebäude und die Umgebung sind sehr gut geeignet für unsere Zwecke. Da kommt kein Mensch drauf.«

Zufrieden sahen Robert und Detlef ihn an.

Das war genau das, was sie hören wollten. Max, wie er sich gerade nannte, sagte nichts dazu. Er wechselte ständig seinen Namen und wurde nur benötigt, um rechtzeitig die Ware zu liefern. Und Marina war nur so eine Art Sekretärin und Mädchen für alles. Manchmal musste sie allerdings auch Krankenschwester sein. Sie hielt meistens ihren Mund und antwortete nur, wenn sie gefragt wurde. Sie hatte schnell begriffen, dass das in diesen Kreisen so gewünscht war.

Nun wandte sich der Boss an Max: »Und dass es klar ist, keine Angehörigen oder Freunde sollten vorhanden sein. Am besten du bändelst nur mit Frauen an, die sich hier illegal aufhalten und schnelles Geld verdienen wollen.«

»Das versteht sich von selbst«, antwortete er grinsend.

Nach ungefähr einer Stunde war die Besprechung beendet. Robert stellte einige Bierflaschen auf die Holzkiste, die als Tisch diente, und meinte: »Bedient euch.«

Mike und Marina verabschiedeten sich allerdings schnell, indem sie behaupteten noch etwas vorzuhaben. Sie wurden keines Blickes gewürdigt, als sie den Raum verließen. Nur Detlef nickte gleichgültig in ihre Richtung um ihnen damit mitzuteilen, dass es in Ordnung sei.

Gabriele

Wie wird es wohl werden? Wie wird die Nachricht unserer Verlobung bei seinen Eltern ankommen? Werden Karin und Günther mich endlich akzeptieren? Diese Fragen gingen mir durch den Kopf, während ich mühsam versuchte, mein Auto, das eigentlich nicht groß war, in eine viel zu kleine Parklücke einzuparken. Fluchend gab ich auf und fuhr diese belebte Straße mitten in Berlin entlang, um nach einer neuen Parkmöglichkeit Ausschau zu halten. Ich musste noch mehrere Straßen entlang fahren bis mir ein freier Platz ins Auge sprang. Nun war ich allerdings weit entfernt von unserem Treffpunkt. Raphael war der Ansicht gewesen, es wäre besser sich nicht direkt vor dem Haus seiner Eltern zu treffen, sondern gemeinsam mit einem Gefährt dort anzukommen. Genauso hatte er sich ausgedrückt. Er hätte auch gleich sagen können, dass ich meinen alten Renault lieber nicht in Sichtweite seiner Eltern abstellen sollte. Sie wohnten in Grunewald. Dort gab es zahlreiche noble Villen, aber ich glaubte sagen zu können, dass das Gebäude und das dazugehörige Gelände der Lehmanns mit Abstand das größte war.

Mir entfuhr ein Seufzer, als ich mich schnellen Schrittes in Richtung des Cafés begab, wo sich mein Verlobter mit mir treffen wollte.

Seine Eltern waren sehr reich und wünschten sich für ihren einzigen Sohn eine gute Partie. Soviel hatte ich bei den beiden kurzen Treffen, die wir in den drei Monaten unserer Beziehung mit ihnen gehabt hatten, festgestellt. Raphael hatte mich, als ich ihn darauf hinwies, immer lächelnd in den Arm genommen und gemeint, dass das doch Blödsinn sei. So ganz überzeugt sah er dabei allerdings nicht aus.

Ich erblickte ihn schon von weitem vor unserem Lieblingscafé und mein Herz schlug schneller. Wie gut er doch aussah, mit hochgeschlagenem Mantelkragen und fröstelnd die Schultern hochgezogen. Es wehte ein eisiger herbstlicher Wind. Immerhin war es schon November. Seine etwas längeren dunklen Locken wurden kräftig durcheinandergewirbelt. Ja, ich liebte ihn über alles, sonst hätte ich die Situation mit seinen Eltern so nicht ertragen.

Als er mich sah, breitete er lächelnd seine Arme aus, ich rannte auf ihn zu und fiel ihm um den Hals. Als ich aufblickte, sah ich, wie uns ein etwas älterer Herr spöttisch anschaute, aber das war mir egal. Ich freute mich so, dass Raphael mich ebenso liebte und wir bald heiraten würden. Nachdem wir in dem Café in einer gemütlichen Ecke an einem kleinen runden Tisch saßen und zwei Milchkaffees bestellt hatten, schaute mich mein Verlobter lange an und meinte schließlich: »Du siehst blass aus mein Schatz. Hast du Angst vor meinen Eltern?« Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr er fort: »Das brauchst du nicht, ich bin doch bei dir. Deshalb dachte ich mir, dass es besser ist, hier noch einen Kaffee zu trinken, damit du dich ein bisschen entspannen kannst.«

Lächelnd erhob ich mich, küsste ihn auf die Wange und entfernte mich mit den Worten: »Ich muss mal für kleine Mädchen.« Ich wollte zu den Toiletten, um mein Aussehen zu prüfen, ob ich tatsächlich so blass aussah. Mein Spiegelbild ließ mich erschrecken. Nicht nur mein Gesicht war etwas fahl, nein, auch meine frisch gefärbten Haare hingen heute strähnig herunter. Sie hingen mir wirr bis weit über die Schultern, der Wind hatte sein Übriges dazu getan. Meine Blässe wurde durch die schwarze Farbe noch betont. Nun bereute ich doch, keinen Friseur aufgesucht zu haben. Ich schnitt mir die Haare immer selbst, indem ich mir einen großen Zopf senkrecht nach oben gezwirbelt hielt und einen Teil davon abschnitt. Immerhin sparte ich so einiges an Geld. In meinem Beruf als Krankenschwester verdiente ich nicht sehr viel. Dazu kam noch, dass ich Schulden abzuzahlen hatte, da ich mich beim Kauf eines gebrauchten Autos, das schon kurze Zeit später kaputtgegangen war, übernommen hatte. Das war aber kein Grund mich minderwertig zu fühlen. Was bildeten die Lehmanns sich eigentlich ein. Trotzig schaute ich mein Spiegelbild an und verließ die Toiletten, um mich in den Kampf zu stürzen.

Raphael

Wo bleibt sie denn? Habe ich was Falsches gesagt? Nachdem Gabriele hinter der Toilettentür verschwunden war, bemerkte ich, wie mir der Schweiß ausbrach. Vater wird sich nicht mit meiner Wahl zufriedengeben. Mehrfach hatte er mir zu verstehen gegeben, dass er sich eine gute Partie für seinen Sohn wünsche. Dabei war es für Günther wichtig, dass meine Zukünftige aus gutem Hause stammen und eine gute Bildung besitzen sollte. Meiner Mutter dagegen kam es nur darauf an, dass meine Zukünftige reiche Eltern hätte und es nicht auf ihr Geld abgesehen haben könnte. Günther war Professor und als Leiter in einer chirurgischen Privatklinik in Gatow tätig, einem Ortsteil, der im Süden des Bezirks Spandau liegt. Es war schon schlimm genug für ihn, dass sein Sohn nicht in seine Fußstapfen getreten war, sondern im Marketingbereich einer größeren Firma arbeitete. Aber immerhin hatte ich studiert und es zu etwas gebracht. Die große Hoffnung meines Vaters war, mich zumindest mit einer Ärztin zu verheiraten und er hatte auch schon zweimal eine der Oberärztinnen seiner Klinik zum Essen zu uns nach Hause eingeladen. Ich hatte mich zwar immer höflich verhalten und auch angenehme Unterhaltungen geführt, das war es dann aber auch gewesen. Solche Enttäuschungen konnte ich meinen Eltern nicht ersparen, schließlich wollte ich mit meinen dreißig Jahren selbst entscheiden, wen ich heiraten würde. Aus reiner Bequemlichkeit noch bei ihnen zu wohnen, hätte ich schon lange ändern müssen, dachte ich reuevoll.

Erleichtert sah ich, dass Gabriele zurückkam. Nach einem Blick auf die Uhr sprang ich auf und sagte: »Schatz, wir müssen los. Es ist schon spät, meine Eltern warten nicht gerne. Meine Mutter möchte um 18 Uhr das Essen servieren.«

»Aber ich habe doch meinen Kaffee noch nicht einmal angefangen zu trinken«, entgegnete meine Verlobte.

Etwas ratlos schaute ich von Gabriele zum Tisch, wo noch die vollen Tassen standen, bis sie schließlich meinte: »Also gut, dann eben nicht. Lass uns gehen, damit Karin keine schlechte Laune bekommt.«

Ich tat so, als ob ich den ironischen Unterton nicht hören würde. Natürlich war Gabi mit meinen Eltern nicht per du, so redete sie nur in deren Abwesenheit. Es war mir klar, dass die drei nie Freunde werden würden. Aber ich hoffte, dass sie meine Entscheidung zu heiraten wenigstens akzeptieren würden. Karin und Günther wussten nicht, was heute auf sie zukam. Ich hatte einfach nur um ein Gespräch gebeten, gesagt, dass meine Freundin dabei sein würde, und mich nicht einmal getraut, von meiner Verlobten zu sprechen. Während ich Gabriele nach draußen folgte, bezahlte ich kurz an der Theke unsere Getränke.

Als wir die lange Einfahrt, die zum Haus meiner Eltern führte, entlang gingen, schaute ich Gabriele von der Seite an. Sie wirkte vollkommen entspannt und gelassen. Das konnte man von mir nicht behaupten. Ich wurde immer nervöser, je näher das Treffen rückte. Auf was hatte ich mich da eingelassen, das musste ja schiefgehen. Schließlich hatten sich meine Eltern nicht über Nacht geändert.

Nachdem der melodische Glockenton der Klingel ertönt war, dauerte es einen Moment, bis ich die Schritte meines Vaters vernahm. Dieser öffnete die Tür, nickte kurz und bat uns herein. Nachdem ich Gabriele den Vortritt gelassen hatte, begrüßte Günther zuerst meine Verlobte und dann mich mit Handschlag und rang sich sogar ein Lächeln ab. Erleichtert atmete ich auf, bis mir gleich darauf bewusst wurde, dass mein Vater das kleinere Problem war. Er wusste sich zu benehmen, bei meiner Mutter war ich mir da nicht so sicher. Da kam sie auch schon und streckte uns ebenfalls, aber etwas zögernd, die Hand entgegen.

Dann sagte sie zuckersüß an Gabriele gewandt: »Freut mich, dass Sie uns besuchen, dann können wir uns etwas besser kennenlernen.

Oder gibt es einen konkreten Anlass für das Abendessen?«, fragte sie nun mich.

»Mutter, jetzt lass uns doch erst mal richtig ankommen.«

»Na gut. Auf jeden Fall habe ich eine Kleinigkeit zum Essen vorbereitet.«

Mir war schon klar, dass sie nicht selbst gekocht hatte. Dazu müsste sie sich ja die Finger schmutzig machen. Ich war dann aber sogleich wieder versöhnt, denn das Büfett, das meine Eltern sich hatten liefern lassen, sah wirklich vorzüglich aus. Verlockend duftete das Roastbeef. Dazu gab es Kartoffelgratin und verschiedene Salate. Nicht zu vergessen eine kleine Vorspeisenplatte, bestehend aus Honigmelone und rohem Schinken. Gabriele hingegen sah ratlos vom Büfetttisch zu meinen Eltern und dann mich an. »Kommen noch mehr Leute?«, wollte sie wissen.

»Nein, natürlich nicht«, erwiderte meine Mutter schnippisch.

Nachdem wir an dem übergroßen Tisch aus Glas Platz genommen und uns schweigend der Vorspeise gewidmet hatten, fragte Karin plötzlich: »Und Sie, meine Liebe, ist es nicht ein bisschen viel, neben dem Studium noch so einen anstrengenden Beruf wie Krankenschwester auszuüben?«

Kurz schien es meiner Verlobten die Sprache verschlagen zu haben, aber dann fasste sie sich wieder und antwortete: »Das würde ich mir auch anstrengend vorstellen, aber ich studiere ja schließlich nicht. Ich bin und bleibe Krankenschwester. Hat Ihnen das Raphael nicht gesagt? Ich liebe meinen Beruf.«

»Nein, so genau haben wir darüber nicht gesprochen. Ist ja auch nicht so wichtig. Ich meine nur, von dem, was man da verdient, kann man ja nicht leben. Und Sie werden sich wohl nicht dem nächstbesten Mann an den Hals werfen wollen. Oder?«

Ich blickte meine Mutter zornig an und sagte gefährlich ruhig: »Und da wir schon beim Thema sind. Genau das werden wir tun. Heiraten nämlich!«

Günther hatte die ganze Zeit geschwiegen. Man sah ihm an, dass er sich ziemlich unbehaglich fühlte.

Karins Worte waren zuviel für Gabriele. Bevor ich weiterreden konnte, sprang sie von ihrem Stuhl auf, warf ihre Serviette, die sie auf den Schoß gelegt hatte, auf den Tisch, sah meine Mutter mit vor Zorn blitzenden Augen an und zischte: »Was bilden Sie sich eigentlich ein? Denken Sie, dass Sie was Besseres sind, nur weil sie einen Haufen Geld besitzen? Wissen Sie was, es gibt einen guten Grund Raphael nicht zu heiraten, nämlich, dass ich Sie dann nicht als Schwiegermutter ertragen muss.« Und schon war sie verschwunden. Erst als ich die Haustür zuknallen hörte, wurde mir bewusst, was da gerade geschehen war. Ich rannte ihr hinterher, konnte sie aber nirgends mehr entdecken, deshalb kehrte ich noch einmal zurück ins Haus, um meiner Mutter die Meinung zu sagen. Da saß sie nun und schaute mir trotzig entgegen. Es hatten sich ein paar hektische rote Flecken auf ihren Wangen gebildet, welche einen starken Kontrast zu ihren hellblond gefärbten Haaren ergab. Normalerweise war ihr Kurzhaarschnitt immer wie aus dem Ei gepellt, aber nun standen ein paar Strähnen kerzengerade nach oben. Wahrscheinlich war sie sich mit den Händen durch die Haare gefahren.

»Was hast du dir dabei gedacht?«, fuhr ich sie an. »Das würde ich auch gerne wissen«, war das erste, was mein Vater dazu sagte.

Aber ich würdigte ihn keines Blickes und fuhr fort: »So treibst du mich aus dem Haus. Ich suche mir nun endlich eine eigene Wohnung. Und die Hochzeit wird stattfinden, aber ohne dich.«

Jetzt war Karin leichenblass geworden. Ohne mich um sie zu kümmern - meinem Vater nickte ich noch kurz zu -, verließ ich nun endgültig das Haus.

Draußen angekommen, überlegte ich kurz, wohin Gabriele wohl gegangen war. Wahrscheinlich zur nächsten Bushaltestelle, um nach Spandau zu ihrer Wohnung zu fahren. Allerdings war dies ein Fußweg von ungefähr 15 Minuten. Eigentlich müsste ich sie noch rechtzeitig auf der Strecke einsammeln können, bevor sie dort in den nächsten Bus einsteigen würde.

Aber ich konnte sie nicht finden.

Günther

Was hat sie sich nur dabei gedacht? Jetzt ist der ganze Abend zerstört und das Essen unberührt. Dabei habe ich mich auf einen gemütlichen Abend gefreut. So schlimm finde ich Gabriele gar nicht. Ich habe schon begonnen, mich an den Gedanken zu gewöhnen, dass sie bald zur Familie gehören wird, da ich bemerkt habe, wie glücklich unser Sohn in letzter Zeit war. Mit Karin allerdings bin ich überhaupt nicht mehr gern zusammen. Was habe ich nur an dieser Frau geliebt? Klar, wir hatten wunderbare Jahre, aber sie hat sich doch sehr verändert. Und das nicht zu ihrem Vorteil. Was bildete sie sich eigentlich ein? Schließlich hat sie überhaupt keinen Beruf erlernt. Das einzige, was Karin vorzuweisen hatte, war, dass sie aus einem reichen Elternhaus stammte. Aber, wenn ich sie nicht geheiratet hätte, wer weiß, was dann aus ihr geworden wäre. Natürlich wäre es mir lieber, wenn unser Sohn eine Ärztin heiraten würde, wenn er selbst schon nicht Medizin studieren mag, aber man kann doch da nichts erzwingen. Gedankenverloren öffnete ich die Tür, um nach meiner Frau zu sehen. Ich hatte mich nach diesem unschönen Zwischenfall in mein Büro, das sich direkt neben dem Wohnzimmer befand, zurückgezogen. Da saß Karin in ihrem Sessel und die Tränen liefen ihr übers Gesicht.

»Na, zergehst du wieder in Selbstmitleid?«, konnte ich mir nicht verkneifen zu sagen.

Da fuhr sie wie eine Furie hoch und schrie mich an: »Wie kannst du nur so gelassen sein? Schließlich geht es um die Zukunft unseres einzigen Kindes. Aber dir ist ja alles egal. Hauptsache, das Essen ist gut und deine Bedürfnisse sind gestillt«, fuhr sie gehässig fort.

»Du hast sie doch nicht mehr alle.« Jetzt bemerkte auch ich, wie mein Blutdruck stieg. In diesem Moment konnte ich nur noch Verachtung für sie empfinden.

»Was soll denn schon passieren. Hast du Angst, dass die Freundin deines Sohnes, wenn er sie heiratet, dir dein Geld wegnimmt? Was hast du denn in deinem Leben zu unserem Lebensunterhalt beigesteuert? Was hast du überhaupt geleistet?«

Karin hatte nun ebenfalls ein knallrotes Gesicht und schrie hysterisch: »Schließlich habe ich unser Kind großgezogen und dir den Rücken freigehalten. Ist das nichts?«

Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte und ließ sie einfach wortlos stehen.

Nachdem ich das Haus verlassen hatte, entschloss ich mich, doch noch zu Larissa zu gehen. Sie war meine Geliebte. Mehr sollte daraus auch nie werden. Sie arbeitete bei mir in der Klinik als Krankenschwester und eines Tages, als wir beide Nachtschicht hatten, ist es dann schließlich passiert. Ich konnte dieser jungen Frau mit ihrer Wahnsinnsfigur einfach nicht länger widerstehen. Die Dreißigjährige hatte mir schon seit Längerem zu verstehen gegeben, dass sie scharf auf mich war. An diesem Abend dachte ich mir „Was soll´s?“.

Es war extrem ruhig in dieser Nacht gewesen. Die Patienten schliefen alle tief und fest. Bis jetzt habe ich das auch nie bereut. Das Ganze ging nun schon über ein Jahr so. Das Problem war nur, je mehr ich meine Frau verachtete, umso mehr fühlte ich mich zu Larissa hingezogen. Immer öfter trafen wir uns privat und führten gute Gespräche. Ich würde mich doch wohl nicht verlieben? Nein, das durfte nicht passieren. Der Schweiß brach mir aus allen Poren, als ich vor dem Mehrfamilienhaus, in dem meine Freundin wohnte, anhielt. Aber ich spürte, dass ich nicht die Kraft haben würde, diese Beziehung zu beenden. Zumindest nicht jetzt in dieser blöden Situation zu Hause. »Das kann ich auch noch in ein paar Wochen machen«, murmelte ich beruhigend vor mich hin.

Gabriele

Vollkommen erschöpft kam ich in eine etwas belebtere Gegend. Hier kannte ich mich allerdings nicht besonders gut aus.

Weit gekommen war ich noch nicht, als ich Raphaels Auto hörte. Er war also losgezogen, um mich zu suchen. Na gut, aber ich hatte nicht die geringste Lust, mit ihm über das soeben Geschehene zu diskutieren. Ich hatte die Nase gestrichen voll. Nicht von ihm, aber von seinen Eltern, insbesondere von Karin. Deshalb hatte ich mich hinter einem Baum versteckt. Tatsächlich war es mir gelungen, mich so zu positionieren, dass er mich nicht sehen konnte und vorbeifuhr.

Fröstelnd schaute ich mich um. Es begann gerade zu regnen und ich konnte mir Angenehmeres vorstellen, als hier im Freien herumzustehen. Den Bus hatte ich auch gerade wegfahren sehen. Der nächste würde wahrscheinlich frühestens in einer Stunde fahren. Zögernd schaute ich mich um und entdeckte ein kleines Café, man konnte es eher als Bar oder Bistro bezeichnen. Wahrscheinlich war es so eine Mischung aus allem. Kurz entschlossen ging ich auf die Tür zu und drückte die Klinke hinunter. Als ich eintrat, schlug mir eine angenehme Wärme entgegen. Das kleine Lokal war nur zur Hälfte gefüllt.