Wer nicht vergessen kann, muss töten - Manuela Kusterer - E-Book

Wer nicht vergessen kann, muss töten E-Book

Manuela Kusterer

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Beschreibung

Es ist nicht das erste Mal, dass Privatermittler Andreas Stahl einen Drohbrief bekommt. Aber dieses Mal spürt er die Gefahr greifbar nahe. Der Verfasser des Briefes droht, sein Leben zu zerstören. Acht Wochen danach verschwindet seine Frau spurlos. Die Polizei unternimmt nichts, weil es keine Anzeichen für ein Verbrechen gibt. In Pforzheim wird eine Frau auf entsetzliche Weise ermordet. Für die Ermittlungen ist das Polizeirevier Pforzheim zuständig. Das Team befürchtet, dass das erst der Anfang ist. Nachdem Stahl von seiner totgeglaubten Frau einen verzweifelten Anruf bekommt, beginnt er die Suche nach ihr. Die Spur führt ins Ausland. Im Zuge der Ermittlungen kreuzen sich die Wege des Detektivs aus Karlsruhe und der im Mordfall ermittelnden Polizeibeamten. Hat das Verschwinden von Margarete etwas mit dem Fall zu tun?

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Autorin

Manuela Kusterer, in Pforzheim geboren, Jahrgang 1964, lebt heute mit ihrem Mann und ihren zwei erwachsenen Söhnen in der Nähe von Karlsruhe. Ihr Krimi spielt in Karlsruhe und Pforzheim. Außerdem hat sie die Krimiserie „Lea und ihr Team“ geschrieben. Die vier Regionalkrimis spielen im Nordschwarzwald.

Ihr Roman „Die Liebe, das Leben und die täglichen Katastrophen“ und die Fortsetzung davon, spielen in Pforzheim.

Besuchen Sie die Autorin im Internet

www.manuelakusterer.com

oder in Facebook:

@autorinmanuelakusterer

Handlungen und Personen in diesem Krimi sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden und toten Personen sind nicht gewollt und rein zufällig.

Buch

Privatermittler Andreas Stahl bekommt einen Drohbrief. Acht Wochen danach verschwindet seine Frau spurlos. Die Polizei unternimmt nichts, da keine Anzeichen auf ein Verbrechen vorliegen. Wegen ihrer Ehekrise denkt Andreas zunächst, dass sie ihn verlassen hat. Als ihm dann der Brief wieder einfällt, ist er fest davon überzeugt, dass sie nicht mehr am Leben ist. Hat das Verschwinden von ihr mit der Drohung zu tun, dass er alles verlieren wird, was ihm lieb ist?

In Pforzheim wird eine Frau tot in ihrem Schlafzimmer aufgefunden. Es dauert nicht allzu lange, da gibt es das nächste Opfer. Auch diese Frau wurde auf grausame Art und Weise ermordet. Das Pforzheimer Polizeiteam ermittelt in den Mordfällen. Wird es noch weitere Morde geben?

Als Stahl einen verzweifelten Anruf seiner totgeglaubten Frau bekommt und sie ihn um Hilfe bittet, beginnt Andreas die Suche nach ihr. Die Spur führt ins Ausland.

Im Zuge der Ermittlungen kreuzen sich die Wege des Detektivs aus Karlsruhe und der in den Mordfällen ermittelnden Polizeibeamten. Hat das Verschwinden von Margarete etwas mit dem Fall zu tun? Wird Andreas seine Frau rechtzeitig finden?

Dieses Buch widme ich meinem Sohn

Nico

Inhaltsverzeichnis

August 2018

Der Anruf

Sechs Monate früher

Die Verabredung

Juli 2018

Polizeirevier Pforzheim

Februar 2018

Schlechte Laune

Feierabend

Spiel mit dem Feuer

Juli 2018

Polizeirevier

August 2018

Juli 2018

Pforzheim

Lea

Acht Wochen vor Margaretes Verschwinden

August 2018

Peter

Die Lüge

Polizeirevier

Schreck am Morgen

Angela

Die einsame Frau

Der Schock

Pforzheim

Spanien

Matthias

Überaschende Entdeckung

Der Brief

Risiko

Polizeirevier

Karlsruhe

Margarete

Überraschung

Die Adoptivmutter

Der Entschluss

Der Flug

In Isabels Haus

Thorsten

Andreas

Pforzheim

Spanien

Zugriff

Missglückte Rettung

Festnahme

Die Rettung in letzter Sekunde

Krankenhaus

Polizeirevier

Wieder zu Hause

Isabel

Epilog

August 2018

Der Anruf

Andreas Stahl schreckte auf, als das Telefon klingelte. War er doch tatsächlich auf dem Sofa eingeschlafen, nachdem er doch gerade erst gefrühstückt hatte. Das lag wohl daran, dass er zurzeit zu viel Alkohol konsumierte. Es verging kein Abend, an dem er nicht mindestens eine Flasche Wein zu sich nahm. Fluchend sprang er auf. Fast wäre er wieder zurück aufs Sofa gefallen, weil ihm dabei schwindelig geworden war. Wo zum Teufel war das Telefon? Schließlich fand er es, bedeckt mit einem Sofakissen, auf dem anderen Teil der Sitzgarnitur. Andreas drückte auf die entsprechende Taste, um das Gespräch anzunehmen.

Da er nichts hörte, dachte er schon, dass der Anrufer aufgelegt haben könnte, als er ein Flüstern vernahm.

»Andi, bitte hilf mir.«

Sofort war er hellwach. Wie ein Blitzschlag durchfuhr es ihn. Das war doch die Stimme seiner Frau, die seit vier Monaten vermisst wurde. Andreas hatte die Hoffnung, dass sie noch leben könnte, schon aufgegeben. Als er sich wieder gefangen hatte, schrie er ins Telefon: »Um Himmels willen, Margarete. Du lebst? Wo bist du denn um alles in der Welt?«

Aber anstelle einer Antwort hörte er plötzlich nur ein klatschendes Geräusch, das sich wie eine Ohrfeige anhörte, dann den schmerzerfüllten Schrei von Margarete und schließlich einen Knall, als ob das Telefon auf einem harten Boden aufgeschlagen wäre. Dann war alles tot. Kein Laut war mehr zu hören. Entsetzt schrie er ins Telefon: »Was ist los? Was ist passiert? Wer war das? Wo bist du?« Bis er schließlich merkte, wie sinnlos sein Verhalten war, weil die Verbindung getrennt worden war. Verzweifelt starrte er das Telefon in seiner Hand an. Er brauchte ein paar Sekunden, um sich zu fangen, dann tippte er panisch auf der Tastatur herum, um zu sehen, ob es eine Nummer des anderen Teilnehmers anzeigte. Aber da stand nur „private Nummer“. Was sollte er tun? Zur Polizei gehen? Von denen hielt er sowieso nicht allzu viel. Und wozu war er schließlich Privatermittler. Das wäre ja nochmal schöner. Gut, seine Ehe war so gut wie am Ende gewesen, sonst hätte er nichts mit der Freundin seiner Frau angefangen. Aber nachdem Margarete dann spurlos verschwunden war, kam zu der Sorge, dass sie einem Verbrechen zum Opfer gefallen sein könnte, noch die Tatsache, dass er sie mit jedem Tag mehr vermisste.

Zwanzig Jahre Ehe waren nicht so einfach aus dem Gedächtnis zu streichen. Da konnte ihm auch Angela, seine Geliebte, nicht helfen. Sie ging ihm sogar in letzter Zeit immer mehr auf die Nerven. Wollte die sich doch tatsächlich hier bei ihm einnisten. Er war nicht wohlhabend, also, das konnte nicht der Grund dafür sein. Seine Frau und er hatten eine schöne Eigentumswohnung, sehr komfortabel eingerichtet, aber im Moment war doch alles eher schmuddelig und unaufgeräumt. Doch das interessierte Angela überhaupt nicht. Tatsache war, dass sie schon immer scharf auf ihn gewesen war. Sie war die Freundin seiner Frau und hatte in den letzten zehn Jahren immer wieder versucht, ihn zu verführen. Schließlich war ihr das dann auch vor ungefähr einem Jahr gelungen, als er und Margarete gerade eine Ehekrise durchmachten. Seitdem hatten die beiden ein lockeres Verhältnis miteinander, von dem seine Frau nichts wusste. Für ihn war das so ganz bequem und er war sehr zufrieden mit der Situation gewesen, aber Angela drängte immer mehr, dass er sich von Margarete trennen solle.

Ihn durchfuhr ein schrecklicher Gedanke, ob seine Freundin womöglich etwas mit dem Verschwinden seiner Frau zu tun haben könnte? Sogleich schalt er sich aber, dass das Blödsinn sei. Er würde noch verrückt werden. Er musste sich jetzt ganz schnell zusammenreißen, wenn er ihr helfen wollte. Schließlich war es sein Beruf, Leute zu finden. Nur war er nun leider selbst emotional betroffen und konnte keinen klaren Gedanken fassen. Aber die Polizei würde er zumindest vorerst aus dem Spiel lassen.

Also, was konnte vor vier Monaten passiert sein? Wurde sie womöglich entführt? Aber es kam nie eine Lösegeldforderung. Wozu auch? Bei ihm war nichts zu holen. In letzter Zeit war er immer mehr zu der Ansicht gelangt, dass seine Frau ihn wohl einfach nur verlassen hatte. Davon war auch die Polizei ausgegangen, nachdem er ihnen damals von ihren Eheproblemen erzählt hatte. Rein gar nichts hatte die unternommen, weil kein Hinweis auf ein Verbrechen vorlag. Er selbst war mit seinen Nachforschungen auch nicht weitergekommen. Schließlich hatte er aufgegeben und sich mit der Situation abgefunden.

So nach und nach hatte sich Angela in den letzten Wochen immer mehr in sein Leben eingeschlichen. Seit zwei Wochen verbrachte sie jede Nacht bei ihm, obwohl sie ihre eigene Wohnung hatte, die sich ebenfalls in Karlsruhe befand.

Plötzlich ging ein Ruck durch Andis Körper. Ihm war gerade eingefallen, dass er vor einem halben Jahr, genaugenommen acht Wochen vor dem Verschwinden seiner Frau, einen anonymen Drohbrief bekommen hatte. Dem er allerdings nicht allzu viel Bedeutung beigemessen hatte, weil so etwas schon des Öfteren vorgekommen war. Aber jetzt fiel es Andreas wie Schuppen von den Augen. Da musste ein Zusammenhang bestehen. Ihm wurde auf einmal ganz elend zumute, spürte er doch, dass sich Margarete in großer Gefahr befand. Er musste sie finden, bevor es zu spät war.

Sechs Monate früher

Andreas saß in seinem Arbeitszimmer, an einem massiven Schreibtisch aus Rotbuche, um seine Post durchzusehen. Er hatte es sich mit einem Kaffee bequem gemacht, eingehüllt in einen dicken Morgenmantel. Er hörte, wie sich seine Frau in der Küche zu schaffen machte und murmelte vor sich hin: »Die hätte jetzt aber auch einfach noch eine Weile im Bett bleiben können.«

Am Abend zuvor war ein heftiger Streit zwischen ihnen entstanden und sie hatten sich auch nicht mehr ausgesprochen, bevor sie schlafen gegangen waren.

Als ihm ein Brief besonders ins Auge stach, weil dieser nicht frankiert war, griff er danach, öffnete ihn mit einem vergoldeten Brieföffner und erstarrte. Das war eindeutig ein Drohbrief.

Betroffen las Andreas die Zeilen. Die Buchstaben begannen vor seinen Augen zu tanzen. Der Schweiß brach ihm aus allen Poren. Warum versetzte dieses Schreiben ihn so in Panik? Er bekam schließlich mindestens einmal im Monat so etwas und das war noch nie ein Grund für ihn gewesen, seine Nerven zu verlieren. Aber dieses Mal spürte er instinktiv, dass der Verfasser dieses Briefes kein harmloser Spinner war. Beklommen wischte er sich mit der Hand über das Gesicht und überlegte fieberhaft. Für welche Verhaftungen war er in letzter Zeit verantwortlich gewesen? Meistens wurde er nur von Ehepartnern engagiert, die Angst hatten, dass ihre Partner sie betrügen könnten. Doch in letzter Zeit waren da auch einige Fälle dabei gewesen, bei denen mindestens eine Person durch seine Ermittlungen im Gefängnis gelandet war. Seufzend erhob er sich von seinem Stuhl, seine noch volle Kaffeetasse in der Hand, als die Tür des Arbeitszimmers plötzlich aufgerissen wurde. Vor lauter Schreck schwappte ihm die braune Brühe aus der Tasse und auf dem hellen, flauschigen Teppich zeichnete sich ein hässlicher Fleck ab. Margarete, die frisch gestylt und ausgehfertig im Türrahmen stand, keifte hysterisch los: »Bist du wahnsinnig? Was machst du denn da?

Pass doch auf.« Sie sah dabei reizend aus, mit ihren halblangen, lockigen blonden Haaren und ihrem schmalen, ebenmäßigen Gesicht. Nur bemerkte Andreas das schon lange nicht mehr. Jetzt hatten sich allerdings ein paar hektische rote Flecken auf ihrer normalerweise gleichmäßigen schönen, reinen Haut abgezeichnet.

Wütend starrte ihr Mann sie an. Im Gegensatz zu Margarete war er ungewaschen und sein Haarschnitt etwas verwachsen. Durch die dunklen Locken, die ihm wirr ins Gesicht fielen, sah er etwas ungepflegt aus. Aber er hatte sich gut gehalten, man sah ihm seine 45 Jahre nicht an. »Weißt du was? Du kannst mich mal gerne haben.« Mit diesen Worten drückte er sich an seiner Frau vorbei und verschwand wortlos im Bad, das sich direkt gegenüber seinem Arbeitszimmer befand. Zuvor hatte er noch den Drohbrief zerknüllt und in den Papierkorb geworfen.

Fassungslos starrte seine Frau ihm nach. So hatte sie ihren Ehemann noch nie erlebt. Meistens ignorierte er sie in letzter Zeit. Wenn sie ihm etwas erzählte, hörte er nicht richtig zu und auch sonst ereignete sich momentan nicht allzu viel Positives in ihrem gemeinsamen Leben. Aber er war bisher nie ausfällig geworden. Nachdenklich verließ Margarete das Haus, um sich in der Innenstadt in einem Café mit ihren Freundinnen zu treffen. Sie hatte sich eine Woche frei genommen, da sie Urlaub abbauen musste. Die Werbeagentur, in der sie arbeitete, befand sich ganz in der Nähe ihrer Wohnung.

Die Hoffnung, dass ihr Mann und sie ein paar Tage wegfahren würden, hatte sie inzwischen schon aufgegeben, denn die halbe Woche war schon vergangen. Das war auch gestern der Anlass zum Streit gewesen.

Um wieder klar denken zu können, schüttete Andreas sich erstmal eine Handvoll Wasser ins Gesicht. So konnte es nicht weitergehen.

Vor einem halben Jahr hatte er eine Beziehung mit der angeblich besten Freundin von Margarete angefangen. Sie steckten damals schon in einer Ehekrise, als Angela dieses schamlos ausgenutzt und ihn verführt hatte. Es war auf einer Geburtstagsparty geschehen. Margarete hatte sich früh verabschiedet und war ohne ihn nach Hause gefahren. Er hatte aber noch keine Lust verspürt, zu gehen und ihr gesagt, dass er sich später ein Taxi nehmen würde. Dann aber hatte er sich mit mehreren Schnäpsen volllaufen lassen und war am nächsten Morgen bei Angela im Schlafzimmer aufgewacht. Erinnern, was in dieser Nacht passiert und wie er in ihre Wohnung gekommen war, konnte er sich nur ganz dunkel. Margarete fragte nicht nach, wo er die Nacht verbracht hatte, da sie davon ausging, dass er bei ihren Freunden Heinz und Bettina, bei denen auch die Party stattgefunden hatte, geblieben war. Und Angela schwieg ebenfalls.

Kurzentschlossen ging Andreas unter die Dusche und entschloss sich, wie schon des Öfteren, die Affäre mit seiner Geliebten zu beenden. Aber so einfach war das nicht, weil sie ihm schon mehrfach zu verstehen gegeben hatte, in diesem Falle alles auffliegen zu lassen. Er ließ kaltes Wasser über seinen Körper laufen und stöhnte auf. Wieso war er damals nur so blöde gewesen.

Immerhin war er nach der Abkühlung so klar im Kopf, dass er wieder denken konnte und nachdem der Schock über den Brief verwunden war, entschloss er sich, diesen zu ignorieren. So machte er es schon seit Jahren, wenn er solche Post bekam. Bestimmt war es auch dieses Mal nicht von Bedeutung. Wahrscheinlich hatte mal wieder jemand Langeweile gehabt. Er musste sich nun erst einmal um seinen Beruf kümmern und einen Ehemann beschatten. Seine Klientin wurde schon ungeduldig. Das war auch der Grund, weshalb er mit Margarete im Moment nicht in den Urlaub fahren konnte. Nur hatte diese leider gar kein Verständnis dafür. Und schon war Andreas gedanklich wieder bei seinen Eheproblemen gelandet.

Als es an der Haustür klingelte, schaute Andreas irritiert auf seine Armbanduhr. Er hatte gerade das Bad geputzt, damit er nicht noch mehr Ärger mit seiner Frau bekommen würde und wollte sich nun eigentlich einen zweiten Kaffee gönnen. Heute war sein erster Termin erst für 11 Uhr geplant und jetzt war es gerade mal zehn. Er ging zur Sprechanlage und fragte unwirsch: »Hallo?«

»Ich muss mit Ihnen sprechen.«

»Wer sind Sie? Sie haben keinen Termin.« Fieberhaft überlegte Andreas, ob er vielleicht etwas vergessen hatte, als die Antwort des Fremden ertönte: »Nein, habe ich nicht, aber ich habe einen Auftrag für Sie. Lassen Sie mich jetzt herein oder soll ich mir jemand anderes suchen?«

Nach kurzer Überlegung - schließlich war noch eine Stunde Zeit -, antwortete er: »Also gut. Gehen Sie bitte die Treppe hinunter ins Untergeschoss. Dort befindet sich mein Büro. Ich komme gleich«, und drückte auf den Türöffner. Der Raum, der ihm als Büro diente, war gemietet. Eigentlich gehörte dieses ausgebaute Zimmer, das sich neben den üblichen Kellerräumen befand, zur unteren Wohnung, aber der Besitzer hatte nicht die Absicht es zu nutzen und hatte Andreas vor ein paar Jahren angesprochen, ob er es haben wolle. Dieser hatte begeistert zugestimmt. weil sich in seiner Wohnung nur ein kleines Büro befand. Dort hatte er in den ersten drei Jahren, nachdem das Ehepaar in die Eigentumswohnung gezogen war, seine Klienten empfangen.

Fünf Minuten später war auch Andreas unten angekommen und betrachtete den Mann, der sich auf dem Besucherstuhl vor der Bürotür niedergelassen hatte und stellte fest, dass ihm dieser Fremde sehr unsympathisch war. Er war groß, hatte eine eher hagere Figur und wirkte ziemlich ungepflegt mit seinen lichten, braunen Haaren. Nun sprang er auf und streckte Andreas seine Hand entgegen mit den Worten: »Ich bin Thorsten Gruber und ich bin auf der Suche nach meinen leiblichen Eltern. Können Sie mir da behilflich sein?«

»Jetzt kommen Sie erst einmal in mein Büro. Das müssen wir ja nicht hier im Gang besprechen«, entgegnete Andreas, ganz entgegen seiner Gewohnheit, etwas mürrisch. Zu seinen Klienten war er normalerweise immer höflich und zuvorkommend. Schließlich war er darauf angewiesen, Geld zu verdienen, damit sie sich die komfortable, teure Eigentumswohnung leisten und auch noch regelmäßig in den Urlaub fliegen konnten.

Nachdem er die Tür aufgeschlossen und Herr Gruber gegenüber seinem Schreibtisch Platz genommen hatte, bot er ihm dennoch etwas zu trinken an. Thorsten Gruber lehnte dankend ab, während er sich in dem kleinen Büro umschaute. Außer dem Arbeitsplatz und dem Stuhl davor gab es nur noch ein kleines, braunes Sofa in der Ecke und auf der anderen Seite befand sich eine Kiste mit Mineralwasser, neben einem kleinen, runden Beistelltisch mit drei Gläsern darauf. Andreas, der seinen Blick bemerkte, räusperte sich: »Ich wohne oben. Hier unten befindet sich nur das Büro.« Gleichzeitig ärgerte er sich darüber, dass er sich vor dem Mann auch noch für sein kleines Reich entschuldigte. Deshalb begann er das Gespräch auch etwas ungehalten: »Dann schießen Sie mal los? Was kann ich für Sie tun?«

»Das habe ich Ihnen doch schon gesagt«, erwiderte Gruber nicht weniger ruppig.

Andreas lehnte sich auf seinem Schreibtischstuhl, auf dem er inzwischen Platz genommen hatte, zurück, schaute Herrn Gruber nachdenklich an und meinte: »Sie suchen also Ihre leiblichen Eltern. Dann gehe ich davon aus, dass Sie adoptiert sind?«

»Ja, klar. Trauen Sie sich das zu?«

»Ich werde auf jeden Fall mein Bestes geben. Bis jetzt habe ich so ziemlich alle Aufträge erledigen können. Aber zunächst benötige ich einige Angaben von Ihnen.« Dabei verschwieg Andreas, dass es sich in der Regel meistens um Aufträge handelte, in denen er untreue Ehepartner ausfindig machen sollte.

»Was möchten Sie wissen?«

»Alles. Wo Sie geboren sind, wer Ihre Adoptiveltern sind und warum Sie jetzt erst Ihre leiblichen Eltern suchen.« Dabei schaute er den ungefähr dreißigjährigen Mann, der ihm gegenübersaß, fragend an.

»Also, ich bin in Pforzheim geboren und noch als Säugling zu meinen Adoptiveltern gekommen, die damals ebenfalls dort gewohnt haben. Als ich dann fünf Jahre alt war, sind wir hierher nach Karlsruhe umgezogen. Ich suche meine leiblichen Eltern erst jetzt, weil meine Adoptivmutter vor Kurzem gestorben ist. Angeblich wusste sie nichts von meiner Herkunft. Mein Vater ist schon vor längerer Zeit nach einer schweren Krankheit gestorben.« Man sah Thorsten bei diesen Worten an, wie sehr er immer noch um ihn trauerte.

»Okay, dann füllen Sie bitte dieses Formular aus. In welchem Krankenhaus Sie geboren wurden und Ihre aktuelle Adresse. Und natürlich alles, was Sie noch wissen, was mir die Suche erleichtern könnte. Und das hier lesen Sie sich bitte ebenfalls durch und wenn Sie mit meinem Honorar einverstanden sind, müssten Sie dieses Blatt ebenfalls unterschreiben. Dann werde ich mit den Ermittlungen beginnen.« Andreas legte zwei Formulare vor Thorsten Gruber hin und wartete, bis dieser sich alles durchgelesen hatte. Schließlich hob Thorsten den Kopf und meinte zögernd: »Beeilen Sie sich, meine Eltern zu finden, denn ich kann Sie mir nicht allzu lange leisten«, unterschrieb dann aber kurzentschlossen den Vertrag.

»Das mache ich immer«, antwortete Andreas kühl.

Nachdem der Mann gegangen war, blieb Andreas noch eine Weile grübelnd in seinem Arbeitszimmer sitzen. Warum war ihm dieser Mann nur so unsympathisch? Er hatte doch normalerweise nicht solche Vorurteile. Dazu kam noch, dass er wusste, dass es nicht einfach, wenn nicht sogar unmöglich werden würde, die leiblichen Eltern von Herrn Gruber zu finden. Aber er hatte es auch nicht fertiggebracht, den Auftrag abzulehnen. Er hatte zwar genug Klienten, so war es nicht, aber um den Lebensstandard, den Margarete und er hatten, halten zu können, reichte es nicht ganz. Allerdings spürte Andreas eine gewisse Bedrohung, die von dem Fremden auszugehen schien. Aber wahrscheinlich litt er schon unter Verfolgungswahn, wegen des Vorfalls von heute Morgen. Entschlossen erhob er sich, um endlich seinen wohlverdienten zweiten Kaffee zu genießen, bevor gleich sein nächster Klient käme.

Die Verabredung