Spieglein, Spieglein, was soll ich tun? - Manuela Kusterer - E-Book

Spieglein, Spieglein, was soll ich tun? E-Book

Manuela Kusterer

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Beschreibung

Wenn plötzlich der Spiegel spricht... Eines Tages fängt der Badezimmerspiegel an mit Felicitas zu sprechen. Sie zweifelt an ihrem Verstand. Als er sie dann auch noch warnt, ihren Freund Markus zu heiraten, der ihr am Tag zuvor einen Heiratsantrag gemacht hat, ist sie vollkommen ratlos. Der Spiegel meldet sich immer häufiger zu Wort und warnt Felicitas sogar vor Gefahren. Weil sie meint verrückt zu sein, vereinbart sie einen Termin beim Psychiater. Zudem macht sie sich große Sorgen um ihre Freundin Rike, deren Gesundheitszustand sich verschlechtert und es völlig unklar ist, was ihr fehlt. Dann ist da noch Katharina, ihre beste Freundin, die sich seltsam verhält. Aber Felicitas verdrängt vorläufig diese Gedanken, weil Rike spurlos verschwindet...

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Seitenzahl: 208

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Manuela Kusterer, in Pforzheim geboren, Jahrgang 1964, lebt heute mit ihrem Mann und ihrem Hund in Remchingen.

Der Roman Spieglein, Spieglein... spielt in Pforzheim, dem Geburtsort der Autorin. Sie hat zwei erwachsene Söhne.

2016 veröffentlichte sie ihren Debütkriminalroman „Das Schweigen im Schwarzwald“ im Selfpublishing. Daraufhin folgten drei weitere Schwarzwaldkrimis, die zur Regionalkrimiserie gehören und im Kurort Schömberg im Nordschwarzwald angesiedelt ist. Außerdem gibt es von der Autorin eine Romanserie, die mit dem Buch „Die Liebe, das Leben und die täglichen Katastrophen“ beginnt.

„Wer nicht vergessen kann, muss töten“, „Gefährliche Entscheidung“ und „Gefährlicher Deal“ sind unabhängige Krimis, die in Berlin und in Pforzheim spielen.

Wenn die Autorin gerade nicht schreibt, lernt sie gerne Fremdsprachen oder malt Aquarelle.

Besuchen Sie die Autorin im Internet.

www.manuelakusterer.com

oder in Facebook:

AutorinManuelaKusterer

Handlungen und Personen in diesem Roman sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden und toten Personen sind nicht gewollt und rein zufällig.

Buch

Als eines Tages im Badezimmer der Spiegel mit ihr spricht, zweifelt Felicitas an ihrem Verstand. Er warnt sie, ihren Freund Markus zu heiraten. Sie nimmt das nicht ernst und beschließt, einen Psychiater aufzusuchen. Weil der Spiegel sie aber noch vor anderen Situationen warnt, die dann auch so eintreffen, glaubt sie an hellseherische Fähigkeiten und entscheidet, dass vorerst keine Hochzeit stattfinden wird.

Außerdem ist sie abgelenkt, weil es ihrer Freundin Rike immer schlechter geht. Als sie Rike helfen möchte, ist diese spurlos verschwunden.

Zusammen mit Markus und drei weiteren Freunden versucht sie die Freundin zu finden.

Bei Felicitas kommt der Verdacht auf, dass Markus sie mit ihrer besten Freundin Katharina betrügen könnte. Aber sich darum zu kümmern, fehlt es ihr an Zeit und Kraft. Dazu kommt, dass ihre Familie und Katharina ihr ständig einreden, dass nur ihr Jugendfreund Felix der Richtige für sie sei. Felicitas findet das lächerlich, da er wie ein Bruder für sie ist. Als sie endlich ihre wahren Gefühle erkennt, befürchtet sie, dass es zu spät sein könnte.

Dieses Buch widme ich meinem Mann Peter, der immer an mich glaubt und mich beim Schreiben unterstützt.

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Epilog

Prolog

Lara Ritter saß im Sprechzimmer bei einer Psychologin in Berlin und wartete, bis diese Zeit für sie hatte. Sie war nervös, hatte sie doch lange gebraucht, um sich zu diesem Schritt zu entschließen. Nachdem die vierzigjährige Frau ihre Krankenkassenkarte eingelesen und sich einige Notizen gemacht hatte, setzte sie sich ihrer Patientin gegenüber auf einen grün gepolsterten Stuhl. Lara starrte fasziniert auf die lange, blonde Lockenmähne der Therapeutin, die sie aus ihren Gedanken riss.

„Frau Ritter, was kann ich für Sie tun?“

„Nun ja, ich weiß nicht so recht, wie ich anfangen soll.“

Sabine Böhring bemerkte ihre Verunsicherung.

„Dann sagen Sie mir doch einfach mal, was Sie bewogen hat mich aufzusuchen und was Sie sich von einer Psychotherapie bei mir erhoffen.“

Lara atmete tief durch und erzählte. Dabei strich sie sich immer wieder eine rotblonde Locke ihrer ebenfalls langen Haare aus dem zierlichen Gesicht.

„Also, eigentlich geht es mir nicht schlecht. Ich habe keine Ängste oder Depressionen. Deshalb habe ich mir auch überlegt, ob ich überhaupt hierherkommen soll.

In mir ist nur eine totale Leere, die mit jedem Jahr mehr zunimmt.“

„Sie sagen nur. Ganz so harmlos kann das ja nicht sein, da Sie sich schließlich doch durchgerungen haben, zu mir zu kommen. In wieweit meinen Sie, schränkt diese Leere Ihre Lebensqualität ein?“

„In letzter Zeit zunehmend. Ich habe an fast nichts mehr Freude. Außerdem fühle ich mich des Öfteren antriebslos. Dadurch ist auch meine Beziehung in die Brüche gegangen. Ich habe außerdem Angst, an einer Depression zu erkranken und überhaupt nichts mehr auf die Reihe zu bekommen.“

„Ich finde es richtig, dass Sie sich zu einer Therapie entschlossen haben. Das sind ernstzunehmende Probleme.

Beschreiben Sie doch diese Leere etwas genauer.“

„Hm, ich habe immer das Gefühl, dass mir etwas oder besser gesagt jemand in meinem Leben fehlt. Diese Lücke konnte auch mein Freund nicht ausfüllen. Und als er das bemerkte, hat er sich von mir getrennt. Seitdem fühle ich mich noch ausgelaugter.“

„Haben Sie denn Familie oder einen Freundeskreis?“

„Ich habe liebe Eltern.“ Lara schluckte.

„Die beiden machen alles für mich und ich liebe sie sehr. Ich kann mir keine besseren Eltern vorstellen. Daran kann es also nicht liegen. Natürlich habe ich auch ein paar Freundinnen, aber keine richtig enge Freundschaft. Irgendwie haben die alle andere Interessen als ich.“

„Gut, dann kann ich mir schon einmal ein Bild machen. Unsere Zeit ist nun leider um. Können Sie sich denn vorstellen, eine Therapie bei mir zu machen? Oder möchten Sie vielleicht noch einen Kollegen oder eine Kollegin kontaktieren?“

„Nein, auf keinen Fall. Ich fühle mich hier sehr gut aufgehoben und würde das gerne bei Ihnen machen.“ Die Psychologin war ihr von Anfang an sympathisch gewesen.

„Gut, das freut mich. Ich gebe Ihnen hier noch ein Formular mit. Das füllen Sie mir bitte bis zum nächsten Termin aus. Wie wäre es mit nächsten Montag um 16:00 Uhr?“

„Perfekt. Normalerweise arbeite ich um diese Uhrzeit noch, aber ich kann auch mal etwas früher Feierabend machen. Ich bin Arzthelferin und die Praxis, in der ich seit Kurzem angestellt bin, befindet sich ganz in der Nähe.“

Kapitel 1

Fassungslos schaute ich mein Spiegelbild an und war der Meinung, dass es mit mir gesprochen hat. Wurde ich verrückt oder war ich nicht richtig wach?

Schließlich hatte ich eine schlaflose Nacht hinter mir. Mein Freund Markus war schuld daran. Ich ließ den gestrigen Abend Revue passieren.

Dabei hatte alles wie an jedem Freitagabend begonnen. Ich freute mich auf unser gemeinsames Pizzaessen.

Er stand wie immer mit zwei Kartons vor der Tür und es duftete verführerisch nach meiner Lieblingspizza mit Meeresfrüchten. Gutgelaunt begrüßte ich ihn mit einem Kuss und er strahlte mich freudig an. So kam es mir auf jeden Fall vor.

„Hey, gibt´s was zu feiern?“, hatte ich ihn gefragt.

„Aber sicher doch“, antwortete er.

„Na dann, komm erst einmal herein.“

Nachdem ich über mein Essen hergefallen war, als hätte ich drei Tage nichts mehr gegessen, schaute ich Markus an und fragte: „So, jetzt spann mich mal nicht länger auf die Folter und erzähle mir, was es Schönes zu feiern gibt.“

Langsam stand er auf, sah mich feierlich an und kniete sich vor mir nieder. Dabei wurde mir ganz flau im Magen, ahnte ich doch, was da kommen würde. Und so war es dann auch gewesen. Markus hatte mir einen Heiratsantrag gemacht, mit der Absicht, sich zu verloben. Sogar die Ringe waren in seiner Hosentasche. Was soll ich sagen? Es verlief nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte. Ich musste ihn ziemlich entsetzt angeschaut haben, denn er sprang auf und sein Lächeln war verschwunden. Schnell versuchte ich, dem Abend eine andere Wendung zu geben, aber es war zu spät.

Es endete im Streit. Mein Freund hatte mir an den Kopf geworfen, dass ich ihn nicht lieben würde. Und als ich dann nicht gleich antwortete, war er einfach davongestürmt. Mir wurde erst bewusst, was ich angerichtet hatte, als die Wohnungstür mit lautem Knall ins Schloss gefallen war.

Erneut schaute ich nun in den Spiegel. Ein blasses Gesicht, umrahmt von einer goldblonden, ungezähmten Lockenmähne, sah mir entgegen. Ich überlegte, ob ich dabei war, meinen Verstand zu verlieren, oder ob tatsächlich der Spiegel mit mir gesprochen hatte?

Feli, also mein Spiegelbild - eigentlich hieß ich ja auf Wunsch meiner Oma Felicitas - hatte gesagt: „Du darfst ihn auf keinen Fall heiraten.“

Verwirrt ließ ich mich auf dem kleinen Hocker nieder, der neben dem Waschbecken platziert war. Ich schlug die Hände vors Gesicht. Wut kam in mir auf. Wie hatte mich Markus nur so überrumpeln können? Sofort wurde mir klar, wie ungerecht ich war, weil mein Freund ein netter und einfühlsamer Mensch ist.

Vor meinem inneren Auge erschien das Bild dieses gutaussehenden Mannes mit seinen dunkelbraunen Haaren. So akkurat, wie sein Kurzhaarschnitt, hatte er sein ganzes Leben geplant. Er war als erfolgreicher Chirurg in einer kleinen Privatklinik tätig. Dass er Arzt war, ließ meinen Vater, der es als Anwalt zu etwas gebracht hatte, in volle Begeisterung ausbrechen. Dass ich in einer gewöhnlichen Buchhandlung im Verkauf arbeitete, anstatt „was Gescheites“, wie er sich ausdrückte, studiert zu haben, konnte er nie verstehen.

Das Klingeln an der Haustür riss mich aus meinen Gedanken. Wer konnte das jetzt sein?

So, wie ich gerade aussah, wollte ich eigentlich keinen Besuch empfangen. Nach kurzer Überlegung warf ich mir einen Bademantel über und eilte zur Tür. Nachdem ich mich mit einem Blick, aus dem Fenster vergewissert hatte, dass es sich bei dem Überraschungsgast um meine beste Freundin Katharina handelte, ließ ich sie herein.

Statt einer netten Begrüßung meinte Kathi, wie ich sie immer nannte: „Wie siehst du denn aus? Hast du durchgefeiert?“

„Wünsche dir auch einen guten Morgen. Komm doch herein“, rief ich ihr hinterher, da sie schon an mir vorbeigeschossen war und sich im Wohnzimmer auf dem riesengroßen Sofa aus rotem Stoff niedergelassen hatte. Ausgerechnet auf meiner Lieblingsseite, wo man die Füße hochlegen konnte. Resigniert setzte ich mich auf den anderen Teil.

„Du kommst mitten in der Nacht hierher und wunderst dich, wie ich aussehe?“, konnte ich mir nicht verkneifen zu sagen.

„Ha, mitten in der Nacht ist gut. Es ist 11:00 Uhr. Allerdings wurde ich heute Morgen um sieben geweckt. Und weißt du auch von wem?“

„Nein, aber du wirst es mir sicher gleich sagen.“

„Von Markus.“

„Von Markus?“

„Ja, von deinem Freund.“

„Und was wollte er?“, fragte ich verständnislos.

„Wissen, ob du einen anderen hast.“

„Das darf doch nicht wahr sein“, entfuhr es mir.

Meine Freundin lächelte mich an.

„Ich würde vorschlagen, du machst uns jetzt erst einmal einen Kaffee und dann erzählst du mir, was vorgefallen ist. Was meinst du dazu?“

„Gute Idee“, erwiderte ich zaghaft, erhob mich und stolzierte Richtung Küche, die sich gegenüber dem Wohnzimmer befand.

Katharina sprang ebenfalls auf, eilte zu mir, legte ihren Arm um meine Schultern und sagte: „Du wirst sehen, nach dem Frühstück sieht die Welt wieder ganz anders aus.“

Nachdem ich schweigend Kaffee aufgesetzt hatte und die Maschine vor sich hin blubberte, setzte ich mich in der kleinen Küche meiner Freundin gegenüber an den runden Tisch. Rechts und links von uns gab es nur Küchenzeilen, mehr hatte dort keinen Platz. Es war für mich das Schönste, mitten im Raum zu sitzen. Und alle Gäste fühlten sich hier ebenfalls wohl, wenn man sich auch kaum bewegen konnte.

„Was ist los?“, unterbrach Kathi die Stille.

„Puh, stell dir mal vor, Markus hat mir gestern einen Antrag gemacht.“

„Echt jetzt? Aber du scheinst dich nicht gerade darüber zu freuen.“

„Ach, ich weiß auch nicht. Das kam jetzt so plötzlich“, erwiderte ich ausweichend.

„Ich glaube ja immer noch nicht, dass er der Richtige für dich ist.“

„Jetzt fang bloß nicht wieder mit dieser Leier an, dass…“

„Doch genau damit. Meiner Meinung nach seid ihr, also Felix und du, füreinander geschaffen“, beharrte Kathi auf ihrem Lieblingsthema.

„Das ist absoluter Blödsinn“, empörte ich mich, wie jedes Mal, wenn die Sprache darauf kam.

„Wir kennen uns seit unserer Jugend. Felix ist mein bester Freund, so wie du meine beste Freundin bist.“

„Nun ja, lassen wir das Thema“, beschwichtigte Kathi mit Blick auf den inzwischen durchgelaufenen Kaffee.

„Ah, ich hab schon verstanden.“ Ich lächelte und erhob mich, um den Wachmacher, Brot, Butter und Marmelade aufzutischen.

Wir plauderten nach dem Frühstück eine Weile, aber meine Gedanken schweiften immer wieder ab.

Nachdem Kathi gegangen war, beschloss ich, meiner Mutter einen Besuch abzustatten. Manchmal war sie die beste Freundin für mich.

Als ich das Haus betrat, waren die ersten Worte meiner Mutter: „Hallo mein Schatz, du bist ja ganz blass. Ist was passiert?“

„Nein, es ist nichts, ich habe nur schlecht geschlafen.“ Leicht genervt befreite ich mich aus ihrer Umarmung.

„Ist Papa auch da?“

„Nein, der ist beim Golfen.“

Ich atmete auf, denn das Verhältnis zu meinem Vater war, nachdem ich nicht den von ihm gewünschten Beruf gewählt hatte, etwas angespannt.

„Gut“, erwiderte ich deshalb. „Möchtest du einen Tee mit mir trinken?“

„Natürlich, ich habe heute ausnahmsweise keine Pläne für den Tag.“

Das überraschte mich, denn das kam selten vor.

Nachdem ich in der Hightechküche meiner Eltern ihr gegenüber Platz genommen hatte und der dampfende Roibuschtee vor uns stand, entspannte ich mich etwas. Und plötzlich sprudelte alles aus mir heraus.

Dass Markus mir einen Antrag gemacht hatte und nach meinem Zögern beleidigt verschwunden ist.

Ich erzählte von Kathi, die der Meinung war, Felix und ich würden sowieso besser zusammenpassen. Dabei lächelte ich spöttisch.

Nachdenklich schaute sie mich an und meinte: „Nun ja, ihr macht eben einen sehr vertrauten Eindruck, aber…“

„Jetzt fang du nicht auch noch mit so einem Blödsinn an“, unterbrach ich sie empört.

„Du musst mich schon ausreden lassen“, entgegnete meine Mutter. „Ich wollte sagen, dass das kein Wunder ist, da ihr euch ja schon lange kennt. Aber wie auch immer, ich denke, wenn du dir mit Markus sicher wärst, dann würdest du überhaupt nicht zögern. Nimm dir einfach die Zeit, die du brauchst, und lass dich nicht drängen. Das muss er akzeptieren, wenn er dich liebt.“

Erschrocken fuhr ich herum, weil da ein Geräusch war. Ich saß mit dem Rücken zur Küchentür und hatte meinen Vater nicht kommen gehört.

„Huch, hast du mich erschreckt“, brach es aus mir heraus.

„Das tut mir leid.“ Dabei lächelte er so verschmitzt, dass ich mich freute, ihn zu sehen. Schließlich liebte ich ihn, wir schafften es nur nicht, längere Zeit ohne Streit zusammen zu sein. Wir waren einfach zu verschieden. Oder vielleicht doch zu gleich? Bevor ich mir weiterhin darüber Gedanken machen konnte, fragte er:

„Na, hast du mir nichts zu sagen?“

„Was meinst du?“ Ich schaute in sein strahlendes Gesicht. Da ahnte ich Böses.

„Du hast doch wohl nicht… Doch, du hast. Du hast tatsächlich mit Markus gesprochen. Vielleicht schon bevor er mir gestern einen Antrag gemacht hat.“

Das war mehr eine Feststellung als eine Frage.

„Nun ja, wir waren zusammen ein Bier trinken und da hat…“

Ich ließ ihn gar nicht weiterreden, sprang auf, verabschiedete mich und verließ fluchtartig das Haus. Mehr brauchte ich nicht zu hören. Das war zu viel. Meine Mutter versuchte, mir hinterherzulaufen, wurde allerdings von Papa aufgehalten. Ich hörte noch, wie er sagte: „Martina, lass sie! Das hat doch keinen Sinn. Du kennst doch deine Tochter.“

Mir tat meine Mama zwar leid, aber ich musste Vater recht geben, es wäre unschön geworden.

„Ein Grund mehr, Markus nicht zu heiraten“, murmelte ich vor mich hin.

Zuhause angekommen ließ ich mich erschöpft in den geliebten, uralten Ohrensessel fallen. Den hatte ich von meiner Oma erbettelt, weil diese sich einen elektrisch Verstellbaren gekauft hatte.

Ich war so außer mir gewesen, nachdem ich das Haus meiner Eltern in der Friedenstraße verlassen hatte, dass ich einfach losgelaufen war und das Auto stehen ließ. Ich hatte eine Dreiviertelstunde gebraucht, da ich die ganze Stadt durchqueren musste, um in die Erbprinzenstraße zu gelangen, in der sich meine kleine Wohnung befand. Obwohl die Oststadt, in der ich wohnte, nicht mit der noblen Wohngegend meiner Eltern zu vergleichen war, liebte ich mein kleines Reich und mochte die Gegend nahe am Bahnhof.

Warum ließ ich mich immer wieder von Vater provozieren? Er machte das sicher nicht mit Absicht und wollte bestimmt nur das Beste für mich. Aber das, was er als am besten empfand, war eben meistens nichts für mich. Ob eine Ehe mit Markus wirklich das Richtige für mich war, da war ich mir nicht so sicher. Klar, ich liebte ihn, aber bei diesem Gedanken kam ein bohrender Zweifel auf, den ich sogleich wieder verdrängte.

Erschrocken fuhr ich hoch, weil es klingelte. Das einzig Schreckliche an dieser Wohnung war dieser Klingelton der Haustür. Ich drückte, ohne nachzufragen, auf den Knopf des Türöffners. Überrascht schaute ich meinen Jugendfreund an, der mir wenige Sekunden später gegenüberstand.

„Felix, was machst du denn hier? Also jetzt, meine ich“, druckste ich herum.

„Das hört sich aber nicht nach Freude an“, antwortete er in dem Versuch, schmollend zu wirken.

„Blödsinn“, versuchte ich die Situation zu retten.

„Ich freue mich immer, wenn du kommst. Hast dich schließlich schon eine ganze Weile nicht blicken lassen.“

Irritiert sah er mich an. „Wir waren doch erst letzte Woche zusammen einen Kaffee trinken.“

„Stimmt“, mehr fiel mir dazu nicht ein. Nachdem wir uns auf der Couch niedergelassen hatten, meinte er:

„Du siehst angespannt aus. Ist was passiert?“

„Du bist nicht der Einzige, der mir das heute sagt“, seufzte ich, „nein, es ist nichts. Habe nur gerade einen langen Marsch hinter mir. Und ach ja, Markus möchte mich heiraten.“

Einen Moment schien es, als habe es Felix die Sprache verschlagen, dann äußerte er sich: „Ja, nun, gut, ich meine, das ist doch gut. Oder nicht?“

Verzweifelt schaute ich ihn an. Warum meinten denn nur alle, dass das gut für mich sei. Zu allem Überfluss klingelte es schon wieder. Ich drückte den Türöffner, ohne nachzufragen, und ließ die Tür angelehnt.

Plötzlich stand Markus im Zimmer. Mitten in den Begrüßungsworten stoppte er, als er Felix erblickte.

„Ach so ist das. Jetzt weiß ich auch, warum du mich nicht heiraten möchtest. Alles klar“, empörte er sich.

„Aber Markus, was redest du denn da?“, fragte ich vollkommen verblüfft. Felix war nie ein Thema zwischen uns gewesen. Schließlich hatte mein Freund ebenfalls eine Sandkastenliebe, mit der er sich regelmäßig traf. Bevor ich weiterreden konnte, stürmte Markus aus der Wohnung. Ich schaute Felix an, der inzwischen ganz blass geworden war und brach in Tränen aus. Stillschweigend nahm mein Jugendfreund mich in die Arme. Das liebte ich so an ihm. Wir verstanden uns und wussten immer, was zu tun war, um den anderen zu trösten.

Am nächsten Morgen näherte ich mich vorsichtig dem Spiegel im Badezimmer. Ob er mir etwas zu sagen hatte? Ich schüttelte über mich selbst den Kopf. Es war wohl doch an der Zeit, einen Psychiater aufzusuchen. Gleich am Montag würde ich die Sache in Angriff nehmen. Ich wusste nicht, wie lange ich mein Spiegelbild angestarrt hatte, aber dieses Mal kam keine Reaktion. Fast schon enttäuscht wandte ich mich ab und beschloss, erst einmal etwas zu essen.

Nachdem ich drei Marmeladenbrote verspeist und einen letzten Schluck Kaffee getrunken hatte, entschied ich mich, meine Freundin Rike zu besuchen. Vergessen war der Vorsatz mit dem Seelenklempner.

Draußen suchte ich das Auto. Es dauerte eine Weile, bis mir klar wurde, dass es in der Friedenstraße stand. Zähneknirschend machte ich mich auf den Weg durch die Stadt.

Dort angekommen, fuhr ich los, ohne bei meinen Eltern zu klingeln. Ich schaltete das Handy ein, stellte auf laut und legte es auf meinen Schoß. Freisprechanlage für Arme nannte das Katharina immer scherzhaft. Nach dem gefühlt zwanzigsten Tuten nahm sie das Gespräch an.

„Hey Kathi, meine Liebe, hast du vielleicht Lust, Rike zu besuchen?“, ließ ich sie gar nicht zu Wort kommen.

„Würde ich zwar gerne, aber ich habe keine Zeit“, antwortete meine beste Freundin.

„Wie, du hast keine Zeit?“, fragte ich verwundert, denn das gab es normalerweise bei ihr nicht.

„Ich hab halt was vor“, kam es ausweichend zurück.

Was war nur mit Kathi los? Hatte sie etwa Geheimnisse vor mir? Ich wartete, aber es kam keine weitere Erklärung. Überhaupt benahm sie sich seltsam und entschuldigte das damit, dass sie kaum geschlafen hatte.

Was hatte meine Freundin so aus der Ruhe gebracht, dass es ihr den Schlaf raubte? So kannte ich sie nicht. Da kein richtiges Gespräch mehr aufkommen wollte, verabschiedete ich mich recht schnell und wünschte ihr einen schönen Tag.

Enttäuscht fuhr ich durch die Pforzheimer Innenstadt, um in die Kaiser-Friedrich-Straße zu gelangen.

Kapitel 2

Rike erwartete mich schon und hatte den Tisch für ein zweites Frühstück gedeckt. Ihr Lebensgefährte Jürgen war nicht zuhause, worüber ich mich sehr freute. Irgendwie fühlte ich mich in seiner Gegenwart nicht wohl. Was ich nicht verstehen konnte, weil er eigentlich nett war. Er kümmerte sich immer aufopfernd um Rike, der es seit einigen Wochen nicht so gut ging. Heute sah sie wieder blass aus, mit dunklen Rändern unter den Augen. Ihre braunen krausen Haare standen in alle Richtungen und schienen störrischer als gewöhnlich zu sein.

„Hey Kleine, geht´s dir heute nicht so gut?“

„Doch, doch geht schon.“

Sie versuchte, mich zu beruhigen. Aber ihr Gesichtsausdruck strafte die Worte Lüge. „Ich freue mich riesig, dich zu sehen.“

„Ich auch“, entgegnete ich, nachdem ich sie umarmt hatte. „Wo ist denn dein Allerliebster?“

„Der ist bei seinem Stammtisch. Immer sonntags“, fügte sie hinzu.

„Dann haben wir ja sturmfrei“, versuchte ich sie aufzuheitern.

Rike lächelte, erwiderte aber nichts. Ich folgte ihr ins Wohnzimmer und bemerkte verwundert, dass es etwas unordentlich wirkte. Der Raum, der mit massiven Möbeln aus Kiefernholz ausgestattet war, sah sonst immer wie die Bilder aus einer Zeitschrift für ‚Schönes Wohnen‘ aus. Heute befanden sich sogar ein paar Brotkrümel auf dem neuen Parkettboden. Da muss es meiner Freundin schon sehr schlecht gehen, dachte ich bekümmert. Als mein Blick auf den Esstisch fiel, stachen mir zwei halb gefüllte Proseccogläser ins Auge. Zweifelnd schaute ich sie an und gab zu bedenken:

„Meinst du, dass das bei deiner momentanen Verfassung eine gute Idee ist? Ich nehme an, dass der Sekt nicht alkoholfrei ist?“

„Nein, natürlich nicht. Wo denkst du hin. Aber ich habe keine Lust mehr auf krank sein. Die Ärzte finden ja sowieso nichts. Vielleicht geht es mir nach dem Alkohol wieder besser.“ Sie zwinkerte mir zu. Da ich kein Spielverderber sein wollte, stieß ich mit ihr auf unsere Gesundheit und die Zukunft an, obwohl es mir gerade nicht nach Prosecco zumute war.

Eine Weile plauderten wir, als Rike sich plötzlich die Hand vor den Mund hielt und Richtung Toilette rannte. Daraufhin folgten Würgegeräusche, die sogar durch die geschlossene Tür zu hören waren. Dachte ich es mir doch.

Es dauerte ungefähr zehn Minuten, bis meine Freundin zurückkehrte und sich kleinlaut mir gegenüber niederließ. „Sag nichts.“ Sie sah müde aus.

Ich ließ ihr kurz Zeit und beobachtete sie genau.

„Jetzt reicht´s! Wir fahren ins Krankenhaus. Komm!“, forderte ich sie auf und erhob mich von meinem Stuhl.

„Nein, jetzt beruhige dich mal. Ich komm schon klar. Ich hätte auf dich hören und keinen Alkohol trinken dürfen. Ich verspreche dir, morgen noch einmal zum Hausarzt zu gehen. Ganz bestimmt“, fügte sie hinzu, als sie meinen zweifelnden Blick sah.

Ich ließ mich überreden, sie nicht länger zu bedrängen, und ging nach Hause, nachdem ich Rike persönlich ins Bett gebracht hatte. Es beruhigte mich zu wissen, dass Jürgen in spätestens einer Stunde wieder bei ihr wäre. Ich nahm mir vor, sie am Abend anzurufen, um zu sehen, ob es ihr besser ginge.

Kaum hatte ich die Wohnungstür hinter mir zugemacht, klingelte das Telefon. „Hat man denn nie seine Ruhe“, murmelte ich. Genervt nahm ich das Gespräch entgegen.

„Hallo Schatz“, ertönte die Stimme von Markus.

„Bist du nicht mehr sauer?“, getraute ich mich zu fragen.

„Was bringt es mir“, antwortete er leise.

Ich seufzte. „Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht verärgern. Aber…“

Markus ließ mich nicht ausreden. „Das weiß ich, aber es zeigt mir auch, dass du dir mit deiner Liebe zu mir nicht sicher bist.“

„Blödsinn… das ist doch…“

„Nein, das ist kein Blödsinn“, unterbrach er mich erneut. „Ich möchte dir einen Vorschlag machen.“

„Ja?“

„Lass uns eine Auszeit nehmen.“

Ich war baff. Damit hatte ich nicht gerechnet, aber der Gedanke gefiel mir.

„Hm ja, vielleicht wäre das gar nicht so schlecht.“

Seine Enttäuschung, dass ich darauf einging, war sogar durchs Telefon spürbar. Das Gespräch war dann recht schnell beendet. Ich ließ mich auf mein Sofa fallen und fühlte mich mies. Warum war ich denn so erleichtert? Wir sahen uns sowieso kaum, weil er ständig in der Klinik festsaß, wenn es dort einen Notfall gab. Schließlich liebte ich ihn. Oder etwa nicht? Ich glaubte doch wohl nicht dem dämlichen Spiegel, dass er nicht der Richtige für mich sei. Stöhnend bedeckte ich mein Gesicht mit den Händen. Ich hatte ihm weh getan. Das war das Letzte, was ich wollte.

Ich zuckte zusammen, weil das Telefon schon wieder klingelte. Ohne auf das Display zu schauen, nahm ich das Gespräch entgegen, da ich mir sicher war, dass Markus noch etwas sagen wollte. Aber ich hatte mich geirrt. Es war Felix.

„Hi Feli, wie geht es dir?“

„Geht so“, erwiderte ich nicht gerade redefreudig. Mir war im Moment einfach alles zu viel.

„Soll ich vorbeikommen?“ Man hörte die Sorge aus seinen Worten heraus.

Entsetzt lehnte ich ab. Das fehlte noch.

„Du Felix, hör mal, ich glaube im Moment ist nicht gerade meine beste Zeit. Ich brauch mal ne Pause.“

„Eine Pause?“, fragte er erstaunt nach. „Von mir?“

„Nein, natürlich nicht von dir. Eher so im Allgemeinen“, erwiderte ich lahm.

„Okay, kein Problem. Das kann ich verstehen.“

„Wirklich?“

„Na klar. Was hast du vor?“