Das selbstbestimmte Unternehmen - Jan Reuter - E-Book

Das selbstbestimmte Unternehmen E-Book

Jan Reuter

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Beschreibung

Erinnern Sie sich noch daran, warum Sie Unternehmer geworden sind? Sie wollten gestalten, etwas bewegen, für Ihre Produkte oder Ihre Dienstleistung auch mit Ihrem Namen einstehen. Sie hatten ein ganz persönliches Warum. Und Sie wollten selbstbestimmt sein und unternehmerisch handeln. Das war Ihr innerer Antrieb, aus dem Sie täglich Ideen, Motivation und Tatkraft schöpften. Der Alltag sieht jedoch oft anders aus. Wer heute ein kleines oder mittleres Unternehmen leitet, der kennt zumeist schlaflose Nächte und Sorgen um Konkurrenzkampf, Verdrängungswettbewerb und Preisdruck. Und wer sich auf den ungleichen Kampf zwischen David und Goliath um die Kunden einlässt, der sieht in Rabattschlachten oft den letzten Ausweg. Doch diesen Kampf kann man nur verlieren, denn Produktqualität und Service lassen sich auf diese Weise nicht bieten. Kundenbegeisterung geht anders. Wie Sie als David trotz der Herausforderungen des Marktes Ihre Kunden langfristig für sich gewinnen können, zeigt Jan Reuter in diesem Buch. Anhand zahlreicher Beispiele aus der Unternehmenspraxis gibt er Ihnen fünf Strategien an die Hand, wie Sie sich als Unternehmer richtig positionieren, um selbstbestimmt und unabhängig zu agieren. Sie gewinnen nicht nur eine sichere Marktposition, sondern begegnen den täglichen Herausforderungen auch mit mehr Gelassenheit und Zufriedenheit. Voraussetzung dafür ist, dass Sie Ihr Warum, Ihre unternehmerischen Ideen und Prinzipien, mit denen Sie einmal an den Start gegangen sind, wieder neu entdecken und sie mit der richtigen Strategie in die Unternehmenspraxis umsetzen.

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Jan Reuter

Das selbstbestimmte Unternehmen

Fünf Strategien für konsequenten

(Unternehmer-)Erfolg

Für meine Eltern Ute und Hermann Reuter

Externe Links wurden bis zum Zeitpunkt der Drucklegung des Buches geprüft. Auf etwaige Änderungen zu einem späteren Zeitpunkt hat der Verlag keinen Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-95623-709-6

Redaktionelle Textbetreuung: Dr. Sonja Ulrike Klug | www.buchbetreuung-klug.com

Umschlaggestaltung: Martin Zech Design, Bremen | www.martinzech.de

Titelfoto: Jacob Lund | Fotolia

Illustrationen: Petra Graf | www.petragraf.com

Autorenfoto: James C. Walker | www.shyboyfotography.com

Satz und Layout: Lohse Design, Heppenheim | www.lohse-design.de

© 2018 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.

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Inhalt

Vorwort von Benjamin Wessinger

Einführung: Life is short, play more

1 Warum – die wichtigste Frage in einem gesunden und selbstbestimmten Unternehmen

Gefährliche Diagnosen: Austauschbarkeit und Preiskampf

Ihre unternehmerische Hausapotheke

Der Bleistift: Symbol für eine erfolgreiche Positionierung und ein glückliches Leben

Die zentrale Bedeutung Ihres ganz persönlichen Warum

Starker Auftritt mit einem starken Warum: Interview mit Siegfried Fink

2 Werden Sie zum Menschen-Magneten!

Der Weg zum Kundenparadies

Kundenbegeisterung beginnt bei den Mitarbeitern

Vom Kunden her denken

Der Mensch als Dreh- und Angelpunkt: Interview mit Gero Altmann

3 „Humbition“ – die Mischung aus Ehrgeiz und Bescheidenheit macht erfolgreich

Warum zu viel Ehrgeiz gefährlich werden kann

Wie das „Lego-Prinzip“ Sie weiterbringt

Der selbstbestimmte Unternehmer als Schlüsselfigur

Vorbeugen statt heilen: Ihre Hausapotheke gegen Übermut und Größenwahn

Mehr sein als scheinen

4 Strategische Positionierung – eine pfeilspitze Angelegenheit

Wenn der Durchschnitt das Maß aller Dinge ist

Die beste Strategie ist auf den Engpass konzentriert

In sieben Schritten zum Unternehmenserfolg

Produkt-Ökosysteme statt Produkt- Sammelsurium

Anders als andere Hotels: Interview mit Ulrich Brandl

5 Wie Sie als David gegen Goliath gewinnen

Warum wir die Großen und Mächtigen meist überschätzen

Davids Erfolgstaktik, die Erste: weglassen, minimieren, steigern und kreieren

Davids Erfolgstaktik, die Zweite: die Kraft Ihrer emotionalen Positionierung

David in Topp-Form

Literatur- und Quellenverzeichnis

Danksagung

Über den Autor

Vorwort von Benjamin Wessinger

Eigentlich lese ich keine Management-Bücher mehr. Zu oft hatten sie zu wenig mit meinem eigenen Berufsleben und meinen Erfahrungen zu tun, so dass ich den Autoren ihre Ratschläge nicht abgekauft habe.

Dass ich bei diesem Buch eine Ausnahme gemacht und es nicht nur gelesen habe, sondern auch empfehle, liegt daran, dass „Das selbstbestimmte Unternehmen“ einen Unterschied zur üblichen Management-Literatur macht: Es basiert auf den eigenen unternehmerischen Erfahrungen des Autors. Jan Reuter weiß, worüber er schreibt, denn er selbst ist mit seinem eigenen Unternehmen sehr gut aufgestellt.

Obwohl er unter den gleichen (schwierigen) Rahmenbedingungen wie alle anderen Apotheken in Deutschland in einem harten Konkurrenzumfeld arbeitet, führt er nicht nur außer-ordentlich erfolgreich seine inzwischen recht große Apotheke in einer kleinen Stadt, sondern es gelingt ihm auch, sich selbst und seine beruflichen Tätigkeiten gut zu organisieren. Nebenher hält er noch Vorträge, dreht Videos und schreibt Bücher – und trotzdem ist noch genügend Zeit für seine Familie, für sich selbst und für seine Hobbys. Daher können Sie, liebe Leserin, lieber Leser, davon ausgehen, dass an seinen Ratschlägen etwas dran ist.

Vielleicht gehören Sie zu den vielen kleinen und mittelständischen Unternehmern und Selbstständigen, die nachts schlecht schlafen und tagsüber mit Bauchschmerzen herumlaufen, weil ihr Geschäft ihnen mehr als nötig Probleme bereitet und sie das Gefühl haben, wie fremdbestimmt in einem Hamsterrad zu laufen, aus dem es keinen Ausstieg zu geben scheint: Konkurrenzkampf hier, Preisdruck da, sinkende Kundentreue dort, dazu noch viel zu viele Vorschriften und Bestimmungen, die eingehalten werden müssen … All das ist ja heutzutage nicht nur in der Apothekenbranche, sondern in allen Branchen zu beobachten und bestimmt den Alltag vieler Unternehmer und Selbstständiger.

Ich empfehle Ihnen nachdrücklich dieses Buch, um Ihr Unternehmen (und sich selbst) wieder dorthin zu führen, wofür Sie einst angetreten sind: in die Selbstbestimmung – in die Freude und den Elan, den Unternehmertum tatsächlich bedeuten kann und den Jan Reuter selbst lebt und vorlebt.

Lassen Sie sich inspirieren, beraten und beglücken, lachen Sie mit dem Autor und seinem Bär Bruno über seine köstlichen Unternehmensdiagnosen und Beispiele – und nehmen Sie so viel „Medizin“ wie möglich für Ihr eigenes Unternehmen mit, um sich optimal am Markt aufzustellen und vor allem selbst zufrieden und glücklich zu werden!

Apotheker Dr. Benjamin Wessinger

Chefredakteur der Deutschen Apotheker Zeitung und Verlagsleiter

beim Deutschen Apotheker Verlag in Stuttgart

Einführung:

Life is short, play more

Hat der Titel meines Buches Sie angesprochen? Das freut mich, denn das Leben ist zu kurz, um es fremdbestimmt zu verbringen. Ihr Leben ist zu kurz, um es fremdbestimmt zu verbringen! Und obwohl mein Buch „Das selbstbestimmte Unternehmen“ heißt, nehme ich damit nicht nur Bezug auf Ihr Unternehmertum und Ihr berufliches Leben, sondern auch auf Sie als Mensch.

Kennen Sie diesen irrwitzigen Film auf Youtube (Youtube (1), 2009), der unseren „Flug durchs Leben“ schön überspitzt und doch punktgenau in bewegten Bildern herüberbringt? Dieser Flug findet quasi in Überschallgeschwindigkeit statt: Eine Mutter presst und presst bei der Entbindung, und der Säugling kommt auf einmal aus ihrem Körper herausgeschossen. Wie eine Kanonenkugel fliegt er weiter und immer weiter durch die Luft und die Wolken. Dabei scheint alles nur grauenerregend zu sein: die Geschwindigkeit, die Flughöhe, das Leben an sich. Während des Fluges altert das Baby, wird zum Kind, zum Jugendlichen, zum Mann, zum Greis – und schreit und schreit ohne Unterlass. Kommt der Mensch überhaupt einmal dazu, den Blick in die Wolken zu genießen? Die Kälte des Gegenwindes oder die Sonnenstrahlen auf seiner Haut zu spüren? Sieht er, was unter ihm alles vorgeht? Er schafft es vor lauter Geschrei noch nicht einmal, irgendjemanden kennen zu lernen, geschweige denn eine Beziehung zu einem Mitmenschen aufzubauen. Warum schreit er überhaupt so laut? Will er die Scheuklappen dicht machen, sich abschotten und am Spielfeldrand sitzen bleiben?

Vor lauter Schreien bemerkt er rein gar nichts von dem eigentlichen Abenteuer, von der unendlich spannenden Reise durchs Leben. Und dann kommt die Punktlandung: Friedhof in Sicht, offenes Grab, Sargdeckel auf, weißhaariger Greis rein und Klappe zu. Das war’s – aus die Maus. Soll das etwa alles gewesen sein? Eines ist klar: Dieser Mensch hat nichts von der Musik gehört, bevor das Lied vorbei war.

Mit Vollgas ins Nirwana

Das Schlimme ist, dass viele von uns im Leben genau so oder ganz ähnlich unterwegs sind. Solch ein Leben hat leider rein gar nichts mit Selbstbestimmung zu tun. Der Mensch im Film fliegt einfach mit Vollgas durchs Leben, mit dem Momentum, das er bei seiner Geburt mitbekommen hat – wie ein einmal abgeschossenes, aber ungesteuertes Projektil. Und so, wie das im Film aussieht, merkt er gar nichts davon, dass dies sein ganz ureigenes Leben ist – und verpasst die große Chance, etwas ganz Bestimmtes und sehr Individuelles daraus zu machen. Dieser Mensch wird zwar alt und ist ein Greis, als er im Grab „landet“, aber vom Leben hat er trotzdem nichts gehabt. Oft ist es leider genau so: Wir sterben gar nicht zu früh. Wir leben einfach nur zu wenig.

Ich glaube fest daran, dass wir nicht nur das Recht haben, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, sondern sogar die Pflicht dazu. Wir sind hier, um unsere einzigartige und unverwechselbare Individualität zum Ausdruck zu bringen, und die Welt durch sie zu bereichern – sie zu einem Ort zu machen, der jeden Tag ein kleines Bisschen besser wird. Ob das immer gelingt, steht sicher auf einem anderen Blatt. Aber es ist auf jeden Fall den Versuch wert.

Wenn wir unser Leben einfach so wegwerfen, dass wir fremdbestimmt agieren und nicht den Michelangelo aus uns herausholen, ist das so wie Miles Davis ohne Trompete, London ohne U-Bahn, Mercedes ohne Stern, Oktoberfest ohne Bier und verliebt sein ohne Schmetterlinge. Ich habe mir seit einigen Jahren folgende Aufgabe in den Kalender eingetragen: Jeden Mittwoch und jeden Samstag, pünktlich zur Ziehung der Lottozahlen, klingelt mein Handy und erinnert mich an meinen allergrößten Lottogewinn: mich selbst! Kein Scherz – ich lasse mich zweimal in der Woche von meinem Handy auf den Sechser mit Zusatzzahl hinweisen: die Tatsache, dass ich existiere.

Warum ich weiß, wovon ich spreche

Vielleicht schütteln Sie den Kopf und denken: „Michelangelo hin, Abenteuer des Lebens her – ich bin als Selbstständiger, Einzelhändler oder Unternehmer voll engagiert. Weiß der Autor überhaupt, wie eng es im Geschäft inzwischen geworden ist? Wettbewerb, Preisdruck, wählerische und untreue Kunden, die Branche ein Haifischbecken, zunehmende Austauschbarkeit von Produkten und Dienstleistungen. Jeder Tag ist ein einziger Kampf ums Überleben. Außerdem zu viel Stress, der mir als Unternehmer zu schaffen macht. Ich werde nicht jünger, und ich fühle mich, als ob ich langsam, aber sicher am Limit laufe ...“

Dazu kann ich Ihnen versichern: Ja, „er“ weiß es! Ja, ich weiß, wie Sie sich fühlen. Denn ich bin einer von Ihnen. Als Apotheker und mittelständischer Unternehmer schwimme ich selbst im Haifischbecken. Ich habe mir Konzepte ausgedacht und Fortbildungen besucht – immer mit dem Ziel, mich besser zu positionieren, mich zeitlich zu entlasten und dabei womöglich noch eine bessere Rendite zu erwirtschaften. Und ich habe dabei gelernt: Ja, es geht – ja, es ist möglich, aber nicht nach Schema F. Sondern nur mithilfe ganz individueller Stärken, eines ganz persönlichen inneren Antriebs und des unbedingten Willens zur Selbstbestimmung. Deswegen gibt es in diesem Buch (obwohl ich Apotheker bin) auch nicht das eine Rezept oder das eine Allheilmittel, mit dem Sie erfolgreich werden. Aber es gibt die „Wirkstoffe“, aus denen Sie Ihr ganz eigenes Erfolgsrezept herstellen können. Und es gibt viele wirksame einzelne „Medikamente“ für die zahlreichen kleinen und großen „unternehmerischen Leiden“, mit denen Sie und ich uns tagtäglich herumschlagen.

Zur Einstimmung gebe ich Ihnen nun einen kleinen Einblick darin, wie meine Situation als Apotheker zu Beginn war. Die meisten unbedarften Menschen, die meine Branche nicht kennen, glauben noch immer, dass es den Apotheke(r)n besonders gut gehe, dass sie auf Rosen gebettet seien. Das war einmal – vor langer Zeit, als ich noch nicht Apotheker war. Einen engeren und stärker reglementierten Markt als Apotheken gibt es heute kaum. Aber es ist auch dort möglich, selbstbestimmt erfolgreich zu sein. Heute habe ich mich so positioniert, dass ich mit einem sehr guten Gefühl rentabel, nah am Kunden und soweit wie möglich unabhängig von allen möglichen „Pharma-Kraken“ arbeiten kann. Ich liebe meinen Beruf, und ich liebe es, morgens aufzustehen und zu denken, dass wieder ein Tag vor mir liegt, an dem ich Menschen helfen kann, gesünder zu werden. Das ist nämlich mein ganz persönliches Warum. Aber ich greife vor, dazu kommen wir ausführlich im nächsten Kapitel. Jetzt erst einmal eine kleine Reise in die unternehmerische Welt der Apotheken in Deutschland. Vielleicht erkennen Sie schon erste Parallelen zu Ihrer eigenen Branche, Ihrem eigenen Geschäft.

Apotheken gibt’s wie Sand am Meer

Nicht einmal die Finanzbranche ist in Deutschland so stark reguliert wie das Apothekenwesen. Der Markt ist „abgegrast“, der Kuchen aufgeteilt. Es gibt mittlerweile weniger als 20.000 Apotheken in Deutschland, und die Zahl derer, die profitabel arbeiten, sinkt von Jahr zu Jahr. Das liegt zum einen am starken Wettbewerb: In den großen Städten gibt es für fast alle Kunden mehrere Apotheken zur Auswahl, die auf Laufabstand liegen. Make your choice – welche ist bunter, hat die netteren Mitarbeiter oder die besseren Angebote? Demgegenüber ist auf dem Land das entgegengesetzte Extrem zu beobachten: Die Versorgung ist so dünn, dass sie kaum noch aufrechterhalten werden kann. Zudem scheint der Gesetzgeber vergessen zu haben, dass auch eine Apotheke ein Unternehmen ist, das Gewinne erwirtschaften muss, um am Markt bestehen zu können, denn es gibt extrem viele Auflagen und Vorschriften in unserer Branche zu beachten.

Eine überregulierte Branche

Da gibt es etwa den „Versorgungsauftrag“: Wir Apotheker können grundsätzlich keinen Kunden ablehnen oder nach „A-, B-, C- oder D-Kunden“ variieren. Wir müssen eine ganze Liste von Medikamenten immer vorrätig halten, damit wir dem Ver-sorgungsauftrag stets nachkommen können. Im Extremfall kann das bedeuten: Ich muss ein Medikament vorhalten, das 50.000 Euro kostet. Wir sprechen hier nicht von Kommissionsware; ich bin verpflichtet, das Medikament regulär einzukaufen.

Auf meinen Einkaufspreis darf ich lediglich einen Zuschlag von 3 Prozent berechnen. Das wäre meine Gewinnmarge im Verkauf, wenn davon nicht der gesetzliche Apothekenabschlag wieder abgezogen würde – ein wahrhaft schlechter Deal, insbesondere, wenn die Rückerstattung durch Krankenkassen erst sechs bis acht Wochen später erfolgt. Wenn ich das Medikament aber nicht verkaufe und das Verfallsdatum zuschlägt, kann ich fast 50.000 Euro Verlust abschreiben. Geht’s noch? Gigantische Umsätze bei sehr niedrigen Renditen sind in Apotheken die Regel, auch weil die Gewinnspannen von den Kassen so stark gedeckelt, andererseits aber von den Pharmariesen so hoch wie möglich getrieben werden.

Zusätzlich noch das Thema „Sicherheit“: Auch da gibt es unzählige und gleichzeitig wichtige Vorschriften hinsichtlich Arzneimittel- und Patientensicherheit. Alle muss ich beachten, sonst riskiere ich meine Zulassung. Bestimmte Medikamente müssen in Schränken verschlossen, mit Aufklebern versehen und in Räumen bestimmter Größe mit Sicherheitstüren gelagert werden. Bei Missachtung können mir die Behörden den Laden sofort schließen. Und trotz all dieser Sicherheitsvorkehrungen ist auch bei mir, wie in so vielen anderen Apotheken, schon eingebrochen worden: Drogen, starke Schmerz- oder Rauschmittel sowie andere sehr teure Medikamente stehen auf dem Schwarzmarkt schließlich hoch im Kurs. Sie sehen: Als Apotheker bin ich in der „Zange“ zwischen Pharmaherstellern, Krankenkassen und dem Gesetzgeber „eingeklemmt“.

Rechtliche Risiken und Nebenwirkungen

Aber das ist noch nicht alles: Die EU mischt sich ebenfalls ganz direkt in unser Business ein. Sie hat in einem Urteil ihres Obersten Gerichtshofes im November 2016 beschlossen, das ausländische Versandapotheken „zum Nutzen der Verbraucher“ einen erheblichen Rabatt auf rezeptpflichtige Arzneien gewähren dürfen, während deutschen Apotheken das nicht erlaubt ist. Das ist wirtschaftlich gesehen eine Katastrophe und gefährdet langfristig die Existenz der ohnehin bedrohten deutschen Apotheken insgesamt.

Verstehen Sie mich richtig: Versandapotheken haben einen Sinn, wenn sie mithelfen, die Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten zu gewährleisten. Das ist etwa abseits der Ballungsräume und großen Städte in ländlichen Gebieten wichtig, wo die Apotheken nicht fußläufig erreichbar sind, und Menschen, die nicht mobil sind, Schwierigkeiten haben, an ihre Medizin zu kommen. Aber grundsätzlich: Warum die hohen Rabatte und der ungeheure Wettbewerbsvorteil für die Onliner? Versandapotheken stehen sowieso gut da und müssen weder ein Ladenlokal unterhalten, noch einen Notdienst anbieten.

Und zum guten Schluss gibt es noch ein weiteres Damoklesschwert, das über den deutschen Apotheken schwebt: Die Pharma-Konzerne könnten selbst auf die Idee kommen, Apotheken zu eröffnen, um die Wertschöpfungskette komplett in ihre Hand zu bekommen. Das ist im Ausland (z. B. bei Wallgreens Boots Alliance) bereits gang und gäbe. Noch geht das in Deutschland nicht, weil wir hier ein Gesetz haben, das vorschreibt, dass maximal vier Apotheken in der Hand eines Unternehmers sein dürfen. Das ist auch der Grund, warum Apotheken noch immer zu 99 Prozent Familienbetriebe sind. Würde die Pharmaindustrie ins Apothekengeschäft einsteigen – das wäre über eine Änderung der Gesetzgebung jederzeit möglich, wenn deutsches Recht mit EU-Recht „harmonisiert“ würde –, dann könnte die Industrie die inhaber- und familiengeführten deutschen Apotheken komplett ausbremsen und uns alle langsam, aber sicher in den Ruin treiben.

Ich schätze, dass ein Drittel aller deutschen Apotheken heute im Grunde schon zahlungsunfähig ist. Praktisch jede Woche schließt eine mit Herzblut geführte Apotheke in Deutschland, und mir wird im Umkreis von 150 Kilometern alle 14 Tage eine Apotheke zum Kauf angeboten. Doch die Investitionskosten sind so hoch, dass ich trotz meiner gut gehenden Apotheke solche Angebote stets ablehne.

Nachwuchs gibt es im deutschen Apothekenwesen kaum: Wer sich heute als Apotheker selbstständig machen will, braucht zum Start allein schon ein Warenlager im Wert von ca. 150.000 EUR, ganz zu schweigen von den übrigen Investitionskosten – das ist ein extrem hohes Existenzgründer-Risiko, das kein junger Mensch heute nach dem Studium in Anbetracht der schwierigen und wackligen Markt- und Gesetzeslage eingehen möchte.

Den Weg der Gesundheit gehen

Sie sehen, unsere Branche kränkelt stark. Aber darauf zu viel Gewicht zu legen, ist einer der Fehler, den wir Unternehmer häufig machen. Wir sprechen viel zu viel von unseren Schwierigkeiten, von unseren „Krankheiten“ (im unternehmerischen und im streng körperlichen Sinne) und fragen uns, wie wir sie wohl am besten „behandeln“ können. So kennen wir es, so machen wir es generell in unserer westlichen Welt: Wir gehen von unseren Schmerzen, dem „kranken“ Unternehmen, aus und begeben uns auf die Suche nach den passenden Heilmitteln. Nach diesem Prinzip funktioniert auch unsere Medizin: Der Fachausdruck dafür lautet „Pathogenese“: Wir fragen uns, wie Krankheiten entstehen und wie wir sie kurieren können. Es gibt aber auch das entgegengesetzte Konzept, und das funktioniert viel besser – abgesehen davon, dass es einen auch gleich viel positiver stimmt: die Salutogenese. Das ist die Frage danach, wie Gesundheit eigentlich entsteht und wie sie sich erhalten lässt. Und mit Salutogenese für Ihr Unternehmen befassen wir uns in diesem Buch.

Wussten Sie, dass die Ärzte in China früher nur Geld bekamen, solange ihre „Patienten“ gesund waren? An Kranken konnten sie nichts verdienen. Wenn ein „Patient“ erkrankte, hatte der Arzt keinen guten Job gemacht und bekam kein Geld mehr. Was für eine gute Idee: Der Auftrag lautet, die Patienten gesund zu erhalten, statt Krankheiten zu behandeln. Das bringt nämlich auch automatisch mit sich, mit wachen Augen darauf zu blicken, was den Patienten denn gesund hält, welche Umstände dem förderlich sind und was sich alles präventiv und systemisch tun lässt, um den Idealzustand zu erreichen oder zu erhalten. Übertragen auf Ihr Unternehmen bedeutet das, Sie müssen die Analogie nur zu Ende denken: Statt „Heilmittel“ aller Art zu konsumieren, stellen Sie sich lieber gleich gesund auf und holen Sie sich alles an Bord, was Sie gesund erhält.

Marktführer werden

Also nicht vergessen: Yes, you can! Mit meiner Central-Apotheke bin ich in meinem Heimatort Walldürn und im weiteren lokalen Umfeld Marktführer, obwohl wir nicht die einzige Apotheke am Ort sind. Die Apotheke habe ich zwar von meinen Eltern übernommen, aber ich habe erkannt, dass ich sie nicht mehr so führen kann, wie das etwa vor 50 Jahren noch möglich gewesen wäre: einfach morgens aufschließen und auf Kunden warten. Mit dem, was ich anders mache, habe ich unsere Apotheke innerhalb von ein paar Jahren über die Stadt hinaus bekannt gemacht sowie den Umsatz und die Anzahl der Mitarbeiter verdoppelt. Unser Einzugsgebiet liegt bei ungefähr 150 km, während „normale“ Apotheken ein Einzugsgebiet von wenigen Kilometern haben. Gefühlt sehe ich uns unter den „Top 10 Prozent“ der Apotheken in Deutschland.

Da ich stolz darauf bin, dass mir das alles so (mehr oder weniger gut, aber in jedem Fall gut genug) gelingt, werde ich in jedem der fünf Kapitel an passender Stelle erzählen, was ich dafür tue, dass es funktioniert mit unserer Apotheke. Das wird jeweils mein „Alter Ego“, der Bär „Bruno“ aus meinen Videos auf Youtube, für mich tun und in seiner kleinen Kolumne „Bruno berichtet“ erzählen, „wie Jan Reuter das für sich geregelt hat“. Bruno wird Ihnen darüber hinaus zu Beginn eines jeden Kapitels in einem „Beipackzettel“ eine kleine Einführung zum Inhalt geben, um Sie einzustimmen.

Haben Sie das Gefühl, dass die folgende Beschreibung auf Sie zutrifft?

Sie sind Freiberufler oder Inhaber eines kleinen oder mittleren Unternehmens mit maximal 50 Mitarbeitern.Mit Ihrem Geschäft kommen Sie nicht so recht voran. Es läuft zwar, aber Sie fürchten mehr und mehr, im Haifischbecken unterzugehen, und sitzen vielleicht sogar in der Austauschbarkeitsfalle. Sie haben das Gefühl, von den Kunden nicht so wahrgenommen zu werden, wie Sie möchten, weil Sie nicht an die Wunschkunden herankommen.Der Ertrag pro Kunde ist nicht optimal, Sie sind zeitlich und arbeitstechnisch (vielleicht auch gesundheitlich) am Limit.Sie müssen sich gegen große Unternehmen am Markt „zur Wehr“ setzen und kämpfen gegen eine übermächtige Konkurrenz.Um Ihr Unternehmen besser aufzustellen, wollen Sie keine rechtlichen Grauzonen betreten und auch kein „saublödes Aufdringlichkeitsmarketing“ machen. Sie fragen sich, wie Sie den Nutzen Ihres Geschäfts besser herüberbringen können. Sie haben zwar Ihrer Ansicht nach einen Porsche, aber fahren damit meist nur im ersten, höchstens im zweiten Gang.Sie haben es schon mit IHK-Konzepten der Geschäftsoptimierung probiert, aber die halten nicht, was sie versprechen. Sie sind auf der Suche danach, wie Sie sich besser positionieren, dabei zugleich zeitlich entlasten und mehr Rendite erwirtschaften können.

Genau für diese Problemfelder finden Sie in meinem Buch die richtige „Medizin“. Wenn Sie weiterlesen, erfahren Sie,

wie Sie auch als kleines Unternehmen in einem Haifischbecken nicht nur überleben, sondern dabei sogar noch Sinn stiften und Spaß haben können (Kapitel 1), wie Sie für Kunden und Mitarbeiter zum Magneten werden und dadurch an Anziehungskraft gewinnen (Kapitel 2),warum Sie als Unternehmer, als Person, für Ihr Unternehmen eine zentrale Bedeutung haben und welche Rolle Ihre innere Einstellung dabei spielt (Kapitel 3),wie Sie sich „spitz“ am Markt positionieren und ein Alleinstellungsmerkmal aufbauen, das Sie zum Marktführer werden lässt (Kapitel 4) undwie Sie den Kampf „David gegen Goliath“ für sich entscheiden (Kapitel 5).

Keinesfalls will ich mich hier als Guru aufspielen. Da ich selbst auch schon die eine oder andere grandios inszenierte Bauchlandung hinbekommen habe und weiß, was Lektionen in Demut und Bescheidenheit sind, ist es mir ein großes Anliegen, Ihnen nicht nur meine Erfolgsrezepte zu vermitteln, sondern vor allem Ihre Sinne zu schärfen. Damit Ihnen nicht die gleichen Fehler unterlaufen wie mir. Muss doch nicht sein.

1 Warum – die wichtigste Frage in einem gesunden und selbstbestimmten Unternehmen

Brunos Beipackzettel: Das Kapitel auf einen Blick

Warum das Leben als Unternehmer im Mittelstand ein echter Kampf sein kann und wie Sie als „erste Hilfe“ dagegen ein paar kleine Dosen eines oder mehrerer probater Gegenmittel einnehmen können. Und dann mit einem Paukenschlag direkt das erste ganz große Gegengift bei Mittelmäßigkeit, tobendem Preiskampf und Austauschbarkeitsfalle: Ihr ganz persönliches Warum und wie Sie ihm auf die Spur kommen.

Gefährliche Diagnosen: Austauschbarkeit und Preiskampf

Schön, dass Sie jetzt am Ball bleiben – das zeigt mir, dass ich wahrscheinlich Ihren Nerv getroffen habe und dass Sie mit mir „fühlen“, der ich als Apotheker quasi den Prototyp eines austauschbaren Unternehmens mit austauschbaren Produkten und austauschbaren Dienstleistungen führe, die Sie in der nächsten und übernächsten Apotheke genau so angeboten bekommen. Es zeigt mir auch, dass Ihnen Ihr geschäftliches Problem bekannt ist und dass Sie etwas unternehmen wollen.

Schnäppchenkunden

Wenn Sie das machen, was alle in Ihrer Branche tun, finden Sie sich schnell auf dem Schlachtfeld des Preiskampfes wieder. Dann sind Sie austauschbar und sprechen die Kunden an, die vor allem eines wollen: billig einkaufen. Wollen Sie diese Kunden? Das sollten Sie sich während der Lektüre immer wieder fragen. Sie sind nicht treu, nicht loyal und das einzige, was sie interessiert, ist ihr Preis-Leistungs-Verhältnis und wie bzw. wo sie das eine oder andere Produkt bzw. die eine oder andere Dienstleistung noch günstiger bekommen – Schnäppchenjäger eben. Fremdbestimmter kann ein Unternehmen kaum sein, als wenn es auf solche Kunden setzt. Unternehmerisch sind Sie dann quasi wie in Narkose. Dazu kommt: Wenn sie diese Schnäppchen-Mentalität bedienen, bleibt der Wettbewerb Ihnen auf den Fersen, und Sie werden Ihren eigentlich schon längst gesättigten Markt niemals verlassen können. Fühlt sich Ihr Geschäft so an? Dann lesen Sie weiter – es kann gut sein, dass Sie hier genau die passende „Medizin“ finden.

Zu Beginn ein kurzer, aber intensiver Blick darauf, was passiert, wenn Sie weiter konventionell agieren, mit Preiskampf-Methoden, die es „immer schon“ gab und die „immer schon“ geholfen haben. Zwei Lösungen bekommen Sie als Unternehmer nämlich immer wieder serviert, wenn es eng wird, wenn Sie Kunden gewinnen müssen, um weiterhin am Markt bestehen zu können.

Lösung 1: Kosten herunter

Die Kosten zu senken, klingt erst einmal logisch, ist aber extrem unsexy. Kein Kunde findet es prickelnd, wenn er merkt, dass an ihm und seinem Einkaufserlebnis gespart wird. Generell gibt es drei Dinge, zu denen Ihnen beim Thema „Kostenpolitik“ immer wieder geraten wird (die Sie aber nicht tun sollten):

1. Straffen: das Sortiment reduzieren

Stellen sie sich vor, Sie hätten eine Bäckerei. Der Laden läuft leider nur mäßig. Was Ihnen auffällt: Am Ende des Tages haben Sie immer relativ viel Ware übrig. „Das ist ja Verschwendung“, denken Sie. Also verkleinern Sie das Sortiment. Aber nach einer gewissen Zeit merken Sie, dass sich das Problem nur verlagert hat: Das Einkaufserlebnis für Ihre Kunden hat massiv gelitten. Vormittags gibt es nun schon wenig zu kaufen, aber nachmittags gibt es nur noch den „Reste-Trester“. Wie langweilig! Die Kunden schlagen erwartungsgemäß zurück, bleiben mehr und mehr weg, und der Umsatz schwenkt in eine noch steilere Abwärtskurve ein.

2. Kürzen: Service braucht sowieso niemand

Telekom-Anbieter agieren traditionell in einem sehr engen Segment mit einem enormen Kosten- und Verdrängungsdruck. Viele sind ständig dabei zu scannen, wo man wieder und weiter Kosten sparen könnte. Meist fällt der Blick dann auf den immer noch zu kostenintensiven Service. Was zur Folge hat, dass Kunden heute grundsätzlich in langen Warteschleifen bei Call-Centern hängen. Wenn die Beschwerde aufgenommen wird, passiert meist tagelang nichts. Entsprechend wechselwillig reagieren die Kunden beim nächsten Anruf des nächsten Telekom-Anbieters.

3. Sparen: billig statt Premium

Wer vor 25 Jahren eine Segelyacht beim damaligen Premium-Hersteller der Branche kaufte, hatte ein Werk aus edelsten Materialien erworben. Ein Ruf eilte diesen Booten voraus, und viele der damals gebauten Yachten werden heute noch zum ursprünglichen Preis gehandelt. Doch der Bootsbauer hat Probleme mit den neuen Wettbewerbern aus Osteuropa, die einfach billiger produzieren. Seine Lösung: sparen! Hier ein etwas billigeres Teil einbauen, dort etwas weglassen. Die einst so hohe Qualität der Boote ist beim Teufel – und der gute Ruf des Bootsbauers dito. Der früher so komfortable Qualitätsabstand zur Konkurrenz schrumpft und Teufelkreis sowie Austauschbarkeitsfalle setzen ein: Immer weniger Kunden kaufen, also wird noch billiger hergestellt, um noch mehr zu sparen (Kreuz, 2016).

Tun Sie nichts von diesen drei Dingen – Sie können sich nicht zum Erfolg schrumpfen!

Lösung 2: Preise herunter!

Die Preise zu senken, ist die zweite „Lösung“ und hat ähnlich fatale Folgen wie die erste. Preisdumping ist ein Ausdruck von Ideenlosigkeit und mangelhafter Beschäftigung mit dem, was Kunden sich wirklich wünschen. Wer Tiefstpreise, Sonderposten und Rabatte sät, erntet Rosinenpicker und Schnäppchenjäger, aber keine treuen und loyalen Stammkunden, die für eine gesicherte Umsatzbasis sorgen. Rabatte sind zudem trügerisch: Wenn man auf 10 Prozent des Umsatzes verzichtet, muss man dafür unter Umständen 40 bis 50 Prozent mehr verkaufen, um auf eine schwarze Null zu kommen. Denn man verkauft nicht doppelt so viel, nur weil man die Preise senkt, das ist eine trügerische Illusion. Rabatte sind Placebos.

Als Apotheker vergleiche ich die allgegenwärtige und so moderne Schnäppchenjagd der Kunden und das Preisdumping der Unternehmen gerne mit Drogensucht. Diese Entwicklung hört nie auf, und wenn doch, nimmt sie kein gutes Ende. Es ist wie eine Abwärtsspirale, in der sich die Preise immer weiter nach unten drehen. Es geht nur billiger, billiger und noch billiger. Die „Schnäppchen-Kunden“ wollen nicht aus dieser Abwärtsspirale aussteigen, und die Unternehmen können es irgendwann nicht mehr – ein „kalter Entzug“ würde ihre Pleite bedeuten.

Unternehmen, die permanent die Kosten oder die Preise senken, sind für mich botox-vergiftet. Botox ist ein Nervengift, das gespritzt wird, um Falten zu beseitigen. Doch nach vier bis sechs Monaten baut es sich ab, so dass wieder neu gespritzt werden muss. Menschen, die jahrelang mit Botox behandelt wurden, haben ein eingefrorenes, unlebendiges, starres Gesicht – fast möchte ich sagen: eine Fratze. Und botox-vergiftete Unternehmen, die sich ständig die Preisspritze setzen, sind genauso starr und unlebendig; sie haben für den Kunden kein erkennbares Gesicht, sind nicht authentisch, zeigen keine Gefühle.

Das Schnäppchen-Zentrum sitzt im Gehirn

Das Schnäppchen-Zentrum ist nicht der Discounter nebenan, sondern es sitzt im Gehirn (Schüller 2017 (2)). Und eben darum funktioniert Preisdumping wie Drogensucht: Erfolgreiche Schnäppchenjäger sind kurzzeitig high auf Glückshormonen, wenn sie wieder „zuschlagen“ konnten. Umgekehrt gilt: Wenn Kunden sich von Geld trennen müssen, wird im Gehirn das Schmerzzentrum aktiviert. Schnäppchen hingegen sind wie „Beute“, und wenn der Jagdtrieb der Kunden befriedigt worden ist, singen alle Synapsen vor Freude. Deswegen versagt die Vernunft bei Schnäppchen oft komplett, und der Suchtfaktor für Kunden ist hoch. Doch für Unternehmen ist er genauso hoch.

Das erlebe ich in meiner Apotheke: Es gibt Firmen, die mir mit fast erpresserischen Methoden als Lieferanten Produkte aufzwingen wollen. Da heißt es: „Produkt A bekommen Sie nur, wenn Sie auch die Produkte B, C, D, E, F usw. abnehmen.“ Auch Sätze wie den folgenden musste ich mir schon von einem Außendienstler beim Besuch in meiner Apotheke anhören: „Ach, ich sehe gerade, dass Sie unser Produkt XY nicht mehr sichtbar im Kundenbereich stehen haben. Daher muss ich Ihnen jetzt nachträglich 3 Prozent vom Rabatt abziehen.“ Botox hat gewirkt. In den letzten Jahren ist es immer schlimmer geworden, es wird mehr Gift verspritzt – die Methoden, mit denen die Firmen ihre Produkte in den Handel zu drücken versuchen, werden immer rabiater. Der Gipfel war erreicht, als der Vertriebsleiter eines Pharma-Konzerns mir den Vorschlag machte, sich seinen rassistischen Äußerungen bei Facebook anzuschließen, da wir ja „Freunde“ seien und ich seine Produkte vertreiben „darf“.

Mein Prinzip: Ich lasse mir nichts aufschwatzen, weil ich meine Kunden kenne, weiß, was bei mir nachgefragt wird, und weil ich prinzipiell nur solche Produkte verkaufe, hinter denen ich als Unternehmer stehe. Dazu gehört auch, dass die Qualität der Produkte einwandfrei sein muss. Doch sogar hier hat sich Botox schon ausgebreitet. Mir ist bekannt, dass einige Hersteller „Heil-Produkte“ in die Apotheken drücken, die im Prinzip null Wirkung haben und nur aus „Abfällen“ der Produktion von Medikamenten bestehen. Mit einer hübschen Verpackung versehen und dazu noch in „Apotheken“ präsentiert, lassen sich viele Kunden täuschen. Ich bin es meinen Kunden schuldig, ihnen solche „Schrott-Produkte“ gar nicht erst anzubieten. Ins Sortiment nehme ich nichts auf, nur weil es mir als Apotheker angeblich hohe Gewinnmargen verspricht. Denn Geld ist das dümmste Warum, das man haben kann. Geld ist zwar wichtig, aber nur als Nebenprodukt einer guten Dienstleistung.

Preisfalle, nein danke! Umparken im Kopf

Machen Sie sich klar: Wenn Sie sich nur über den Preis vom Wettbewerb abgrenzen können, sind Sie in der Austauschbarkeitsfalle. Machen Sie sich die Mühe herauszufinden, was Ihre Kunden wirklich wollen, dann entkommen Sie dem Rabatt- und Preiskrieg.Überprüfen Sie Ihre Glaubenssätze. Halten Sie Ihre Kunden für Rosinenpicker, dann bekommen Sie am Ende genau solche Kunden.Rosinenpicker sind Kaufnomaden und notorisch untreu. Sie kennen nur eine Loyalität: die zum Schnäppchen. Die Kundenbindung an Ihr Unternehmen bleibt deshalb komplett aus.Mit Preisdumping und Rabatten lügen Sie sich selbst in die Tasche. Selbst, wenn Sie den Umsatz immer wieder wie ein Strohfeuer anheizen, fehlt jede Nachhaltigkeit. Und am Ende sprechen die Zahlen doch wieder eine klare Sprache: Absolut gesehen sinken nämlich auch die Umsätze (Schüller, 2017 (2))>

Wohin es führt, wenn man einerseits versucht, an den Kosten herumzuschrauben, und andererseits Preisdumping betreibt, lässt sich gerade in aller Deutlichkeit (aber alles andere als „schön“) an der aktuellen Situation der deutschen Luftfahrt beobachten.

Die Luft ist raus: Deutsche Airlines in der Krise

Beispiel

Die deutsche Luftfahrt hat sich in genau die beschriebene Art von Preiskampf begeben: Kosten und Preise senken – und manch eine Airline droht nun darin umzukommen, weil sie diesen Kampf nicht gewinnen kann. Air Berlin ist eine davon. Die Fluggesellschaft arbeitete nicht mehr rentabel und war gezwungen, teilweise mit der TUIfly zu fusionieren. Ein anderer Teil der „Hauptstadt-Airline“ wird darüber hinaus zukünftig für die Lufthansa-Billigtochter Eurowings fliegen. In der Summe gesehen der bisherigen Nummer zwei im deutschen Markt – das macht sie zum Spielball der Konkurrenz. TUIfly seinerseits reagiert mit Turbulenzen anderer Art auf die Teilfusion: Mitarbeiter melden sich massenhaft krank, weil sie Lohndumping und schlechtere Arbeitsbedingungen fürchten. Denn mittelfristig, so die Ängste, könnten alle Ferienflieger bei der österreichischen Air-Berlin-Tochter FlyNiki zusammengefasst werden – wo deutlich schlechtere Löhne gezahlt werden. Dies wäre eine ähnliche Entwicklung wie bei der Lufthansa, deren Piloten die Verlagerung von Jobs zur deutlich schlechter zahlenden Eurowings droht.