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Die Preisgestaltung ist eine der wichtigsten Säulen eines jeden Start-ups. Eine effektive Preisstrategie steigert nicht nur die Gewinne des Start-ups, sie erzeugt auch eine höhere Kund:innenzufriedenheit und -bindung. Klaus Wächter stellt das von ihm entwickelte Start-up Pricing Canvas® vor – ein Tool, das es Gründer:innen ermöglicht, eine erfolgversprechende Preisstrategie zu entwickeln. Es besteht aus elf Bausteinen und endet mit einem zwölften: der fertigen Strategie. Fast 50 verschiedene Preismodelle und zehn Methoden helfen, step by step den besten Preis zu ermitteln. Mit zahlreichen Beispielen aus der Praxis: vom Leasing von Kontaktlinsen bis zur Nutzungsgebühr von Matratzen. Inhalte: - Die Relevanz der Preisstrategie - Die 12 Irrtümer und 12 Gebote bei der Preisgestaltung - Die 12 Bausteine des Start-up Pricing Canvas®: von der Preispositionierung über die Zielsetzung bis zur fertigen Strategie - Fast 50 verschiedene Preismodelle - 10 Methoden zur richtigen Preisfindung - Dynamic Pricing und Repricing - Preiskommunikation und -controllingDigitale Extras: - Start-up-Pricing-Canvas als Poster - Checklisten
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[6]Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern in diesem Buch das generische Maskulinum verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat nur redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wert.
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Klaus Wächter
Das Start-up Pricing Canvas®
1. Auflage, Juli 2022
© 2022 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Freiburg
www.haufe.de
Bildnachweis (Cover): © Skellen, Adobe Stock
Produktmanagement: Kerstin Erlich
Lektorat: Juliane Sowah
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Vor wenigen Tagen hat das Statistische Bundesamt die Inflationsrate für März 2022 mit 7,3 Prozent angegeben – dem höchsten Stand seit 1982. Damit kommt auch eine Anforderung auf Start-ups zu, mit denen die heutigen Gründerinnen und Gründer in der Form noch gar nicht konfrontiert waren. Der »richtige« Preis für die einzelnen Produkte und Dienstleistungen rückt immer mehr in den Mittelpunkt.
Ich bin Klaus Wächter, 1. Vorsitzender der Business Angels Rheinland-Pfalz, sehr dankbar, dass er sich des Themas »Preisstrategien für Start-ups« angenommen hat – nach seinem ersten Buch »Sales Canvas für Start-ups®« eine durchaus logische Weiterentwicklung.
Man muss kein Prophet sein, um zu erkennen, dass uns Fragestellungen rund um den Preis – im Übrigen nicht nur für Gründerinnen und Gründer – in der nächsten Zeit verstärkt beschäftigen werden. Für Start-ups ein Buch geschrieben zu haben, in dem diesbezügliche Aspekte, zum Beispiel Preismodelle, Preisstrategien und Preiskommunikation, erläutert werden, ist eine wichtige Unterstützung zum Aufbau und der Adjustierung von Geschäftsmodellen.
Aus diesem Grund gehe ich davon aus, dass sich Investorinnen und Investoren Aspekte rund um den Preis zukünftig genauer erläutern lassen. Der Investorenfokus auf Herstellungskosten, insbesondere bei Produktunternehmen im B2C-Bereich wie Start-ups aus der Food-Industrie, wird sich weiter verstärken. Viele Gründerunternehmen haben in den letzten Jahren wertige und nachhaltige Produkte auf den Markt gebracht und dadurch mehr auf Qualitäts- und weniger auf Preisführerschaft gesetzt. Wahrscheinlich wird auch dadurch die richtige Preiskommunikation in Zukunft wichtiger denn je.
Aber auch im B2B-Bereich kommt dem Thema höhere Aufmerksamkeit zu. In wirtschaftlich schwierigeren Zeiten, die mutmaßlich vor uns stehen, wird die Macht der Controller oder der Einkaufsabteilungen in Unternehmen steigen. Hierauf müssen sich Start-ups einstellen und entsprechend vorbereiten. Von daher dürfte zukünftig in Strategiemeetings von Gründerinnen und Gründern mit ihren Investorinnen und Investoren häufiger über das Thema »Preis« gesprochen werden.
In meinem Literaturschrank befindet sich noch kein vergleichbares Buch. Ich werde als Investor gerade bei Start-ups in den frühen Phasen diesem Thema zukünftig mehr Aufmerksamkeit schenken.
Matthias Helfrich
Business Angel 2021
Auch ich bin Klaus Wächter sehr dankbar, dass er dieses meiner Meinung nach zu wenig beachtete Thema der Preisgestaltung bei Start-ups aufgreift. Aus Perspektive der Gründer:innen stimme ich Matthias Helfrich zu und würde noch einen ganz grundlegenden Ansatz ergänzen.
In ihrer Formulierung zur Strategie sollten sich Start-ups regelmäßig mit ihrer Positionierung auseinandersetzen, auch wenn sie schon am Markt agieren. Die grundlegenden Fragestellungen, so banal sie auch klingen mögen, heißen: Wer kauft was bei mir und warum?
Die detaillierte Beantwortung führt zu den jeweiligen Treibern der einzeln Ws und kumuliert sich in einer Umsatzformel, die wiederum messbar die Strategie ausdrückt. Dadurch wird die Strategie transparent und greifbar für Mitarbeitende und andere Stakeholder wie zum Beispiel Investoren. Ziele können so leichter formuliert und verfolgt werden. Dabei kann die Preisgestaltung ein wichtiger Treiber sein, der entsprechenden Einfluss auf die Umsatzformel hat. Gerade überwiegend technologiegetriebene Start-ups und Ausgründungen aus der Wissenschaft tun sich oft schwer damit, ihre Lösung eines Problems richtig zu positionieren. Es macht aber einen gewaltigen Unterschied für mein Geschäftsmodell und dessen operative Umsetzung und die Preisgestaltung, ob ich beispielsweise mit meiner KI- gestützten HR-Lösung den Bewerber mit einem Freemium-Modell adressiere oder die HR-Abteilung beim Enterprise-Kunden mit einer Lizenzgebühr.
Für die CEOs, mit denen wir zusammenarbeiten, gehört diese Übung zur Positionierung zur Basis der gemeinsamen Reise. Stimmt die Positionierung, kann ich im Folgenden jederzeit die Preisgestaltung in meiner Zielgruppe verproben und gegebenenfalls anpassen. Und welcher Start-up-CEO freut sich nicht über nachvollziehbare, vorhersehbare Umsätze?
Stephanie Renda
Co-Founder Moinland | Landessprecherin Hessen im Startup Verband
(www.startupverband.de)
Es ist nicht entscheidend, das beste Produkt zu haben.
Entscheidend ist es, den besten Vertrieb zu haben.
Klaus Wächter
In meinen Workshops muss ich immer wieder feststellen, dass viele Gründer sich mit dem Thema Pricing nicht beschäftigen. Und immer noch wundere ich mich sehr, denn im Rahmen der Vertriebsstrategie ist das der zentrale Aspekt. Die Märkte haben sich grundlegend geändert. Inzwischen ist in vielen Branchen der Teufel los: hoher Wettbewerbsdruck, aggressive Preiskämpfe, Kunden auf Schnäppchenjagd, völlige Preistransparenz durch das Internet und eine Vielzahl von Preismodellen. Dazu kommt, dass im Preis der größte Hebel für den Gewinn liegt. Wenn wir über Pricing sprechen, dann sind viele Gründer der Meinung, dass es nur um den richtigen Preis geht. Aber es geht um viel mehr. Pricing ist kontinuierliche Preisgestaltung.
In meinen beruflichen Anfangsjahren fragte ich einen älteren Unternehmer, wie er auf den richtigen Preis kommt. Seine Antwort war kurz, prägnant und blieb mir immer im Kopf: »Du weißt, dass du den richtigen Preis hast, wenn der Kunde sich beschwert und trotzdem kauft!«
Für viele Unternehmer ist die Preisgestaltung so kompliziert wie höhere Mathematik. Aber anders als in der Mathematik gibt es nicht nur eine richtige Antwort auf eine Frage. Vielmehr handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die jeder Unternehmer immer wieder treffen und bewerten muss, basierend auf Kundenverhalten, Marktverständnis und wirtschaftlichen Fakten und Annahmen.
Was Unternehmen also brauchen, ist eine durchdachte Strategie. Denn die Preisgestaltung ist eine der wichtigsten Säulen eines jeden Start-ups. Eine zu niedrige, zu hohe oder gar keine Preisgestaltung, selbst wenn die Kunden bereit sind zu zahlen, kann zu geringeren Einnahmen, verlorenen Kunden oder sogar zum Scheitern des Start-ups führen. Eine effektive Preisstrategie wird nicht nur die Gewinne eures Startups steigern, sondern auch eine höhere Kundenzufriedenheit und Kundenbindung erzeugen.
Dies ist kein Fachbuch für Studenten der Betriebswirtschaftslehre. Wer es trotzdem liest – es wird auf keinen Fall schaden. Dies Buch ist gedacht und geschrieben für Gründer, Entscheider in jungen Unternehmen und Menschen, die gründen wollen. Wenig Theorie, viel Erfahrung und zahlreiche Beispiele aus der Praxis: vom Leasing von Kontaktlinsen bis zur Nutzungsgebühr von Matratzen. Bevor wir zur Preisgestaltung, [16]den Preismodellen und ihren Bausteinen kommen, liegt noch etwas (Lese-)Arbeit vor euch. Ich verspreche aber auch, dass in diesem Buch für jeden Gründer etwas dabei sein wird.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern in diesem Buch das generische Maskulinum verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat rein redaktionelle Gründe und beinhaltet keinerlei Wertung.
Vallendar, Juni 2022
Klaus Wächter
Pricing ist ein Spiel, bei dem es auf Information und Intelligenz ankommt!
Prof. Dr. Hermann Simon
Dieses Zitat von Professor Dr. Hermann Simon hat es in sich. Aber es fasst alles zusammen, worum es beim Pricing geht – dem vielleicht schwierigsten, aber auch wichtigsten Thema in der Gründungsphase. Leider kenne ich weiterhin nur wenige Start-ups, die sich in einer frühen Phase damit beschäftigen, geschweige denn eine Preisstrategie haben.
Vor einiger Zeit habe ich das Start-up Sales Canvas® entwickelt – ein Tool, das es Gründern ermöglicht, eine Vertriebsstrategie zu entwickeln. Das Sales Canvas besteht aus elf Bausteinen und endet mit einem zwölften: der fertigen Strategie. Dieses Werkzeug nutze ich in all meinen Vorträgen und Workshops. Viele Gründer konnten damit schon erfolgreich ihre PS auf die Straße bringen. Doch bei zwei Bausteinen gibt es immer wieder lange Diskussionen und viele Fragen. Bei dem einen handelt es sich um die Zielgruppe. Hier muss ich meine Teilnehmer immer wieder auf Fehler hinweisen. Oft wird zu schnell eine vermeintliche Lösung gefunden – denn nicht selten ist die erstbeste eben nicht die richtige.
Bei dem anderen hingegen, dem Preis, haben Gründer viele Fragen und keine Antworten. Was ist der richtige Preis? Gibt es den einen oder gibt es mehrere richtige? Welches Preismodell soll ich nutzen, welches passt zu mir und meinen Kunden? Wenn es keinen Wettbewerber gibt: Wie soll ich den Preis zu meinem Produkt oder meiner Dienstleistung festlegen?
All diese Fragen mit ihren interessanten Aspekten und vielfältigen Antworten motivierten mich, dieses Buch zu schreiben. Eines ist dieses Buch allerdings auf keinem Fall: ein BWL-Werk mit Formeln und theoretischem Wissen. Das hier werdet ihr also nicht finden:
Ebenso werdet ihr nichts lesen über Preisoptimierung bei multiplikativer oder linearer Preisabsatzfunktion, nichts zu Preiselastizität im Monopol und auch nichts über das Gutenberg-Modell in doppelt geknickter und kontinuierlicher Form. Wer also dieses Buch für sein Studium nutzen will, wird wahrscheinlich nicht viel mit dem Stoff anfangen können. Dafür gibt es ausreichend Fachliteratur, die ihr im Anhang findet.
Wer aber ein Unternehmen gründen will oder bereits gegründet hat und ein Handbuch für die (Preis-)Praxis mit vielen Beispielen sucht, liegt mit dieser Lektüre richtig: Es ist [18]ein Arbeitsbuch, das konkrete Anleitung und Hilfe bietet, die richtige Preisstrategie zu erarbeiten.
Wieso ist dieses Buch gerade jetzt so wichtig? Weil sich die Situation bezüglich der Preise, ihrer Gestaltung und Transparenz in den letzten Jahren geändert hat. Früher, vor allem in den Zeiten vor dem Internet, war der Markt intransparent. Es wurden Kataloge gedruckt, der Quelle-Katalog beispielsweise hatte in den besten Zeiten eine Auflage von 7,6 Millionen Exemplaren und umfasste 1977 nicht weniger als 980 (!) Seiten (https://www.retropie.de/quelle-von-konsumgeschichte-versandkatalogenund-techniklaeden/). Die Preise im Katalog waren festgeschrieben, bis der nächste erschien. Das gleiche galt für Preislisten.
Die Kunden hatten weniger Möglichkeiten, sich zu informieren. Preise hatten länger Bestand, Erhöhungen gab es seltener. Inzwischen sind alle Wettbewerber online. Der Kunde kann sich sehr schnell informieren – oder besser gesagt: Der Mitbewerber ist nur einen Klick entfernt.
Es kommen aber noch weitere Probleme auf den Vertrieb zu. Wir sprechen von Marktplätzen und Preisvergleichsplattformen. Es gibt um die 180 Marktplätze (Stand Mitte 2021), auf denen Unternehmen sich mit ihren Mitbewerbern vergleichen lassen müssen. Hinzu kommen Preisvergleichsplattformen wie Google Shopping, Check24, Idealo und billiger.de. Nur einmal die Zahlen von Idealo: Mit mehr als 350 Millionen Angeboten von rund 50.000 Händlern, darunter auch MediaMarkt oder Marktplätze wie Amazon und eBay, ist die deutsche Plattform ein absolutes Muss für jeden Onlinehändler (https://www.shopify.de/blog/preisvergleichsportale).
Weiter geht es mit den Onlineservices Preisalarm und Preiswecker – der Kunde vermerkt einen (Wunsch-)Preis, bei dessen Erreichen oder Überschreitung er alarmiert werden möchte und wird per E-Mail oder Handy benachrichtigt – sowie Merkzettel, bei denen die Mitbewerber kontinuierlich aufrüsten. Und wie? Oft wird sogenannte Preismonitoring-Software eingesetzt. Gerade Start-ups und junge Unternehmen müssen daher sehr schnell die richtigen Weichen stellen.
Dass ihr also auf informierte Kunden trefft, ist sehr wahrscheinlich. Und wenn die Kunden ihre Informationsquellen ebenfalls anreichern, dann müsst ihr reagieren. Dieses Buch ist speziell für Start-ups geschrieben, denn die Preisstrategie für Neugründer unterscheidet sich deutlich von etablierten Unternehmen in einigen Punkten. Warum?
Bestehende Unternehmen
sind bereits länger oder lange mit Produkten und Dienstleistungen auf dem Markt,sind im Markt positioniert,haben ein bestehendes Preismodell,[19] haben Preise und Zahlungsbedingungen, die die Kunden akzeptieren undhaben vor allem bereits (zahlreiche) Kunden.Dagegen, und das sehe ich als großen Vorteil an, agieren Start-ups auf der grünen Wiese. Sie können alles neu machen. Als junges Unternehmen ist es deutlich einfacher, ein neues Preismodell zu etablieren, das gleichzeitig ein Alleinstellungsmerkmal sein kann. In diesem Buch stelle ich eine Vielzahl von Modellen vor.
Aber Start-ups haben auch ein Problem. Oft werden ein oder mehrere Investoren gesucht. Und die Geldgeber schauen sich alles sehr genau an – besonders die Vertriebs- und Preisstrategie. Das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Ich bin selbst an mehreren Start-ups beteiligt und als 1. Vorsitzender der Business Angels Rheinland-Pfalz ständig mit Neugründern und Investoren in intensivem Austausch.
Für den vielleicht bekanntesten Investor Waren Buffet ist die Preismacht die wichtigste Grundlage für eine Unternehmensbewertung.
The single most important business decision in evaluating a business is pricing power.
Waren Buffett, US-amerikanische Investorenlegende
In diesem Buch werden wir nicht nur über den Preis oder Preismodelle sprechen. Es geht um das gesamte Thema Pricing, eine umfängliche Preisgestaltung und eine ganzheitliche Strategie.
Pricing
»Pricing-Strategien sind ganzheitliche, allgemeine und langfristige Ziel- und Handlungskonzepte der Preispolitik, welche unter Nutzung preisstrategischer Effekte auf die Erschließung und Sicherung preispolitischer Erfolgspotenziale für das Unternehmen abzielen.« (Diller/Köhler, 2021, S. 213)
Wir werden betrachten, wie ihr vorgeht, um eine, um eure richtige Preisstrategie zu entwickeln. Vielen Gründern schwirren die Begriffe bzw. Themen Kunden und Wettbewerber, Fixkosten und variable Kosten, Positionierung und Preismodelle, Marktanteile, Zahlungsbereitschaft und Verkaufspreis im Kopf herum. Zugegeben: Das sind sehr viele Aspekte, zumal die meisten Gründer kein BWL-Studium hinter sich haben.
Gehen wir kurz einen Gedankenschritt zurück: Was ist der Grund, dass sich Gründer nicht oder wenig mit dem Preis, dem Pricing, beschäftigen? Häufig liegt es daran, dass ihnen die Relevanz nicht bewusst ist. Das Ziel von Start-ups ist es, erst einmal in den Markt zu kommen, Fuß zu fassen und nach und nach Marktanteile zu gewinnen. Das ist auch verständlich und ökonomisch richtig. Entscheidend für einen erfolgreichen Ein[20]tritt in den Markt kann aber auch das richtige Preismodell sein, zu dem unter anderem der Preis gehört. Um es vorwegzunehmen: Den richtigen Preis gibt es nicht. Wieso erfahrt ihr in Kapitel 10. Lasst euch überraschen, das Thema ist überaus spannend und es steckt viel Power darin.
In großen Unternehmen sind Pricing Manager mit diesen Aufgaben betraut, in kleineren und mittleren ist dies meist im Marketing oder Vertrieb verankert. Bei Start-ups gehört das Pricing aber fast immer erst einmal zum Job der Gründer. Wir werden in diesem Buch über nutzungsorientierte, individualisierte und leistungsgerechte Pricing-Modelle sprechen. Das wird euch zeigen, dass es um mehr geht als nur um einen Eurobetrag.
Bevor wir in die konkreten Themen einsteigen, möchte ich in Kapitel 2 mit einigen Preismythen aufräumen. In Kapitel 3 folgen die neuen Gebote zum Pricing. Anschließend geht es ab Kapitel 4 praktisch weiter mit dem Start-up Pricing Canvas® und seinen zwölf Bausteinen. Den einen oder anderen habt ihr voraussichtlich bereits bei der Erstellung eures Businessplans verwendet. In jedem Fall werden euch alle Elemente zum (erneuten) Nachdenken anregen und hilfreiche Impulse setzen. Sinnvoll ist es in jeder Phase, sich auch andere Branchen anzusehen und Ideen aufzunehmen – dazu findet in allen Kapiteln Beispiele aus unterschiedlichen Geschäftszweigen.
Eines möchte ich jedem von euch, liebe Leserinnen und Leser, versprechen: Wenn du dieses Buch gelesen und die Themen für deine individuelle Situation sorgfältig betrachtet, abgewogen und bearbeitet hast, liegt eine, liegt deine Preisstrategie vor dir!
Über den Wert eines Angebotes entscheidet der Kunde, nicht der Verkäufer.
unbekannt
Im letzten Kapitel haben wir besprochen, weshalb das Pricing so wichtig ist. Leider treffe ich immer wieder junge Unternehmer mit vorgefertigten Meinungen – die aber häufig falsch sind. Ich werde in diesem Buch erläutern, warum. Es ist also wichtig, dass ihr falsche Thesen aus euren Köpfen streicht.
Irrtum #1: Eine Preisstrategie ist nur etwas für Großkonzerne
Die Grundlage für die Wettbewerbsfähigkeit und den Unternehmenserfolg ist eine fundierte, ganzheitliche Strategie und Planung. Das gilt für Großkonzerne, für den Mittelständler und es gilt für jedes Start-up. Auf unseren Kontext heruntergebrochen benötigt ihr im Rahmen eurer Vertriebsstrategie selbstverständlich auch eine solide Preisstrategie. Denn sie bildet die Grundlage für eure Umsatzplanung, die wiederum ein wichtiger Teil eueres Finanzplans ist. Nur so könnt ihr seriös Umsätze für die nächsten Jahre planen. Gerade wenn ihr Investoren ansprechen wollt, ist die richtige Vertriebs- und Preisstrategie ein Muss.
Irrtum #2: Die Preisstrategie ist Aufgabe des Vertriebs
Nein, die Preisstrategie gehört in die Chefetage. Der Preis hat eine wichtige Bedeutung für das gesamte Betriebsergebnis und ist Teil der gesamtunternehmerischen Vertriebsstrategie. Egal wie groß oder wie alt das Unternehmen ist, diese Aufgabe ist immer ganz oben in der Geschäftsführung bzw. bei den Gründern angesiedelt.
Irrtum #3: Die Kosten sind die Basis für die Preise
Auch das ist nicht richtig. Die Kosten haben mit den Preisen nichts zu tun. Richtig ist, dass die Preise die Kosten decken sollen. Aber die alte Regel, eigene Kosten plus Gewinnaufschlag ergeben den Preis, gilt schon lange nicht mehr. Heute gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, den (oder die) optimalen Preis zu ermitteln. Dazu mehr in Kapitel 9 (Preismodelle) und 10 (Preis).
Irrtum #4: Der Markt bestimmt unsere Preise
Das ist wahrscheinlich der am meisten verbreitete Irrtum. Der Markt, also Angebot und Nachfrage, bestimmt nicht die Preise. Ein Beispiel: Mineralwasser kommt aus der Erde und wird dann, vereinfacht gesagt, schlicht abgefüllt. Wenn ihr aber in den Getränkemarkt geht, werdet ihr gewaltige Unterschiede feststellen, die schon mal bei einigen hundert Prozent liegen – geschweige denn, was das gleiche Wasser in einem Restaurant oder in der Nobelgastronomie kostet. Der Preis wird vielmehr über die Positionierung, das Alleinstellungsmerkmal oder das Preismodell bestimmt.
[22]Irrtum #5: Der Preis ist der kaufentscheidende Faktor
Das stimmt schon lange nicht mehr. Inzwischen beeinflussen viele Faktoren den Kauf. Das können das Produkt (Image), der Kundennutzen, die Beratung, der Service, die Lieferfähigkeit, die Reaktionszeit und, immer wichtiger, eine vertrauensvolle Kundenbeziehung sein.
Irrtum #6: Unser Vertrieb kennt die Kunden und weiß, welche Preise am Markt möglich sind
Richtig, der Vertrieb kennt die Kunden. Ich habe lange im Vertrieb bei Start-ups gearbeitet und eines möchtest du auch als Vertriebler nicht haben: unnötigen Stress. Nehmen wir das Beispiel Preiserhöhung, das einen in jedem Fall beansprucht. Mit welcher Motivation soll ein Vertriebsmitarbeiter also eine Preiserhöhung wollen? Indem ihr gemeinsam überlegt und du als Verantwortlicher aufklärst, worin die konkreten Vorteile liegen, damit ihr an einem Strang zieht. Wichtig: Die Entscheidung über die Höhe, den Zeitpunkt und die Vorgehensweise der Preiserhöhung muss bei dir bleiben.
Irrtum #7: Preiserhöhungen lassen sich nur mit neuen Produkten oder Produktverbesserungen erzielen
Auch Kunden wissen, dass Kosten steigen. Preiserhöhungen müssen aber dennoch transparent und zielgruppenorientiert kommuniziert werden. Oder das Unternehmen verändert die Regeln, indem es zum Beispiel ein neues Preismodell einführt. Wichtig gerade für junge Unternehmen: der Preis, mit dem ihr startet. Mit diesem Eurobetrag wird euer Unternehmen wahrgenommen und auch positioniert.
Irrtum #8: Durch Preiserhöhungen gefährden wir unseren Umsatz und verlieren Kunden
Der Preis wird als Entscheidungskriterium häufig überschätzt. In der Realität bestimmen immer mehr andere Kriterien wie Produktgestaltung, vorangegangene Erfahrungen, Nachhaltigkeit, Image oder Servicequalität den Kauf. Selbst leichte Umsatzeinbußen können und sollten von euch jedoch akzeptiert werden, wenn die Profitabilität des Unternehmens dadurch gesteigert werden kann. Wichtig sind bei Preiserhöhungen Regeln wie Transparenz, Vorlaufzeiten und stichhaltige Argumente. Es sind keine Preiserhöhungen geplant oder erwünscht? Dann dürfen sich die Verantwortlichen im Unternehmen nicht wundern, dass der Gewinn Jahr für Jahr sinkt. Steigende Kosten und gleichbleibende Preise, das kann nicht gut gehen. Preise unter gewissen Umständen nicht zu erhöhen ist Unwissenheit gepaart mit meines Erachtens unberechtigter Angst vor dem Kunden bzw. seiner fehlenden Loyalität.
Irrtum #9: Menschen entscheiden rational
Der Kunde kauft im Discounter Sonderangebote (rational wäre: kein Kauf, da nicht nachhaltig), fährt an die Tankstelle und beim Bezahlen greift er noch zu einem Schokoriegel (rational: kein Kauf, da gerade erst gefrühstückt). Doch kein Kunde entschei[23]det rein rational, sonst dürften viele Produkte niemals verkauft und schon gar nicht gekauft werden. Dabei helfen die Neurowissenschaften und Experten wie Hans-Georg Häusel (»Das Gehirn ist eine faule Sau«, https://www.ruv-maklerblog.de/2021/04/26/trendthema-neuromarketing-kaufentscheidungen/) mit Erkenntnissen der Hirnforschung zu verstehen, welche Prozesse im Gehirn des Konsumenten Kaufentscheidungen beeinflussen. Und die sind eben zum großen Teil emotional. Das gilt für den Privatkunden ebenso wie für den Einkäufer in einem Großkonzern.
Irrtum #10: Die Kunden kennen unsere Preise und die der Konkurrenz
Ja, das widerspricht meiner Aussage bezüglich Preistransparenz am Anfang, allerdings nur in Teilen. In einigen Bereichen informieren sich Kunden gründlich, zum Beispiel beim Kauf von Elektronikartikeln. Die Möglichkeiten sind durch das Internet einfach gegeben. In anderen Bereichen, gerade im B2B-Umfeld, ist eine Übersicht über die Preise wiederum viel schwerer. Denkt dabei nur an Branchensoftware oder spezielle Maschinen. Aber auch im Privatkundenbereich gibt es den Nachweis, dass Kunden nicht unbedingt die Preise kennen. Eine Studie der PFH Private Hochschule Göttingen von 2015 hat eine interessante Erkenntnis zutage gebracht (Reckendorf, 2015). In einem Supermarkt hat das Team der PFH die Kunden nach dem Bezahlen abgefangen. Auf einem Tisch sollten sie ihre Waren ausbreiten und dazu die entsprechenden Preise nennen. Als Belohnung für ihre Mühen erhielten die Kunden einen Warengutschein. Die Überraschung war, dass die Kunden die Preise im Schnitt um sieben Prozent niedriger einschätzten – und zwar über alle Warengruppen von Obst und Gemüse (-7,4 %) über Non-Food-Artikel (-6,8 %) bis zu Drogerieprodukten (-7,4 %). Noch bemerkenswerter empfand ich folgende Statistik aus der gleichen Studie:
Abb. 1: Studienergebnis – Abfrage der Preiskenntnis von Kunden nach einem Kauf (PFH Göttingen, 2015)
Aus dieser Studie können Unternehmen einige Erkenntnisse ziehen. So zum Beispiel, dass gerade Stammkunden anscheinend die Preise nicht genau kennen. Nicht-Stamm[24]kunden schauen sich die Preise hingegen genauer an. Auch gibt es einen Unterschied zwischen Schnelldrehern – Produkte eher des täglichen Bedarfs werden um 6,1 Prozent günstiger eingeschätzt – und Langsamdrehern – Produkte, die seltener im Warenkorb landen, werden um 9,3 Prozent günstiger geschätzt. Die Schnelldreher haben die Kunden also eher im Auge und sind für das Preisimage des Unternehmens relevant. Seitdem ich meiner Frau die Statistik gezeigt habe, darf ich am Wochenende übrigens nicht mehr allein einkaufen.
Irrtum #11: Je mehr mein Produkt bei gleichem Preis bietet, desto besser
Auch dieser Punkt ist einfach falsch. Entscheidend ist der Nutzen! Es gibt viele Beispiele, wo Entwickler und Ingenieure sich ausgetobt und dem Produkt weitere Features hinzugefügt haben. Nur: Die Kunden haben es nicht gebraucht und somit auch nicht genutzt. Und wenn sie es nicht für nötig halten, hat es für sie auch keinen Wert.
Irrtum #12: Den Preis kann ich kurz vor Markteintritt festlegen
Ein fataler Fehler von Gründern: Zunächst wird das Produkt entwickelt und produziert und erst dann, kurz bevor es am Markt erscheint oder an die Kunden geht, machen sie sich Gedanken um das Pricing. Doch das richtige Preismodell und der Preis müssen frühestmöglich festgelegt werden! Idealerweise entwickelt ihr die Preisstrategie parallel zu eurem Produkt oder eurer Dienstleistung, zumal für manche Preismodelle die technischen Voraussetzungen geschaffen sein müssen. In Kapitel 9 (Preismodelle) werdet ihr dies an vielen Beispielen sehen.
Es stimmt nicht, dass alles teurer wird; man muss nur einmal versuchen, etwas zu verkaufen.
Robert Lembke (†1989), deutscher Moderator und Showmaster
Obwohl ich gerade die zwölf Irrtümer vorgestellt habe, müssen sie alle direkt wieder aus euren Köpfen verschwinden. Stattdessen gebe ich euch die zwölf Gebote des Pricing an die Hand – nur sie müsst ihr verinnerlichen.
Gebot #1: Der Preis ist der größte Ertragshebel im Unternehmen
Die Nummer 1 der zwölf Gebote und gleichzeitig das wichtigste: Der Preis ist für das Unternehmen der größte Hebel, nicht die variablen oder fixen Kosten und auch nicht die Absatzmenge. Der Preis hat entscheidende Bedeutung für den Unternehmensgewinn – ein Aspekt, den kaum ein Unternehmer und erst recht kein Gründer im Auge hat. Wir kennen es alle aus der Presse: Ein Unternehmen gerät in die Krise. Was ist sein automatischer Reflex? Wir müssen Kosten einsparen! Ich habe noch nie gelesen oder von einem Geschäftsführer gehört, dass man sich mit dem Pricing beschäftigt.
Gehen wir die Bedeutung des Preises durch. Welche Bestandteile wollen wir in unserer künftigen Betrachtung bzw. Strategie verändern?
Variable Kosten, also die Kosten, die in Bezug auf das Produkt anfallen wie Material, Waren, Fremdleistungen und Provisionen,Fixkosten, die nicht oder nur schwer veränderbar sind wie Mieten, Gehälter und so weiter,Absatzmenge, also die verkaufte Menge eures Produkts und natürlich derPreis an sich.Stellen wir uns ein Start-up vor und nennen es High5 GmbH. Das Unternehmen stellt Fahrradhelme aus Meeresplastik her. High5 hat, damit für uns die Betrachtung einfacher ist, nur ein Produkt. Der Verkaufspreis beträgt 80 Euro. Alle folgenden Preise verstehen sich netto, also ohne Umsatzsteuer.
Folgende Werte nehmen wir als Berechnungsgrundlage:
Verkaufspreis80 EUR Variable Kosten25 EUR Fixe Kosten300.000 EUR Absatzmenge (pro Jahr)10.000 Stück[26]Nun verbessern wir jeweils einen einzelnen Wert um fünf Prozent. Wir nehmen weiter an, dass alle anderen Werte gleich bleiben. Beispiel: Wir senken die fixen Kosten um fünf Prozent (von 300.000 EUR auf 285.000 EUR), alle anderen Zahlen bleiben unverändert und sehen, welche Auswirkungen das auf den Preis hat.
Verkaufspreis/€80,0084,0080,0080,0080,00Variable Kosten/€25,0025,0025,0023,7525,00Fixkosten/€300.000300.000285.000300.000300.000Verkaufszahl10.00010.00010.00010.00010.500NormalVerkaufs- preisFixkostenVariableAbsatzmengeUmsatz/€800.000840.000800.000800.000840.000Variable Kosten/€250.000250.000250.000237.500262.500Fixkosten/€300.000300.000285.000300.000300.000Gewinn/€250.000290.000265.000262.500277.500Gewinnverände- rung/€40.00015.00012.50027.500Gewinn in %16 %6 %5 %11 %Abb. 2: Beispiel – Kostensenkung und ihre Auswirkung auf den Preis
[27]Bei diesem Beispiel sehen wir deutlich, dass eine fünfprozentige Veränderung des Verkaufspreises die größte Auswirkung auf den Unternehmensgewinn hat.
Natürlich war diese Berechnung sehr vereinfacht. Sie zeigt aber eindrücklich, welchen Hebel der Preis hat. Dazu kommt, dass es sehr großer Anstrengungen bedarf, Werte wie Fixkosten um ein paar Prozent zu reduzieren oder die Absatzmenge um fünf Prozent zu erhöhen. Beim Preis sind Anpassungen deutlich schneller möglich.
Gebot #2: Jedes Unternehmen benötigt eine Preisstrategie
»Wer seinen Hafen nicht kennt, dem ist kein Wind günstig.« Diese Weisheit Senecas ist schon über 2.000 Jahre alt – und sie stimmt noch immer. Jedes Unternehmen benötigt eine übergreifende Strategie: Wofür stehen wir? Was bieten wir? Wo wollen wir hin? Ein wichtiger Teil des großen Ganzen ist eure Preisstrategie, für die euch das Start-up Pricing Canvas® (Kapitel 4 ff.) als starker Begleiter zur Seite steht.
Gebot #3: Das Preismodell kann ein Alleinstellungsmerkmal sein
Der große Vorteil eines jungen Unternehmens ist, dass es in der Wahl des Preismodells noch frei ist. Für Unternehmen, die bereits länger auf dem Markt sind, ist es schon schwerer, ein etabliertes Preismodell umzustellen: Kommen die Kunden damit zurecht oder verursacht eine Veränderung deutliche Umsatzeinbußen? Hier können sich Start-ups kreativ und in Form eines Preis-USPs von Mitbewerbern unterscheiden (Kapitel 10). Dazu ein Beispiel: Stellt euch vor, ihr produziert und verkauft Matratzen. Da es eine große Anzahl von Mitbewerbern gibt, entscheidet ihr, dass der B2B-Markt viel spannender ist, weil ihr verstanden habt: Gewinne ich einen Kunden, beispielsweise ein Hotel oder gar eine Hotelkette, kann ich auf einen Streich eine große Anzahl an Matratzen verkaufen. Selbstverständlich werdet ihr auch hier Mitbewerber haben, aber eure Chance bzw. euer Alleinstellungsmerkmal liegt darin, euch mit einem innovativen Preismodell von den Konkurrenten abzuheben. Denn ihr baut einen Sensor in die Matratze ein und der Hotelbesitzer zahlt nur, wenn ein Gast übernachtet hat (Pay-per-Use).
Gebot #4: Die Kosten haben mit dem Preis nichts zu tun
Wie bitte, Kosten haben keinen Einfluss auf den Preis? Es ist tatsächlich so! Viele Unternehmen haben häufig noch eine Art Cost-plus-Rechnung im Kopf. Bei dieser Methode, auch Zuschlagskalkulation genannt, wird der Preis auf Basis aller anfallenden variablen Stückkosten sowie eines festgelegten Gewinnaufschlags kalkuliert. Oder anders gesagt: 400 Prozent und mehr Aufschlag? Das ist doch unanständig. Das ist aber schlicht Blödsinn. Es gibt viele Preise, die einen deutlich höheren Aufschlag haben. Schauen wir uns das am Beispiel Autokauf und BMW einmal an. Angenommen, eure Geschäfte laufen gut und ihr wollt euch einen Firmenwagen zulegen. Ihr entschei[28]det euch für einen 3er BMW. Ihr habt das Auto online konfiguriert, Motor, Navigationsgerät, Innenausstattung, nur die Farbe fehlt noch. Ihr schaut euch die entsprechende Preisliste an – und staunt nicht schlecht: Es gibt 14 Farben zur Auswahl. Und nur eine, Schwarz uni, ist ohne Aufpreis erhältlich. Alpinweiß uni kostet bereits 300 Euro mehr. Dann kommen die Metallic-Farben zur Auswahl: acht Farben (Metallic) gibt es zu je 920 Euro mehr, die Farbe BMW Individual Dravitgrau metallic für stolze 1.450 Euro und drei Farben (Transanitblau II metallic, Oxidgrau II metallic und Aventurinrot metallic) für sage und schreibe 1.950 Euro. Und wem das noch nicht reicht und wer etwas mehr ausgeben möchte, der kann seinen 3er auch in BMW Individual Brilliantweiß metallic oder BMW Individual Frozen Dark Grey metallic für schlappe 3.300 Euro lackieren lassen (Stand Juli 2021). Nun wird mir hoffentlich keiner erklären wollen, dass die Farben so unterschiedlich teuer sind und das Auftragen so aufwendig ist, dass es eine Preisdifferenz bis weit über 3.300 Euro rechtfertigt – konkret bis sage und schreibe 7.798 Euro für die teuerste Farbe (Pure Metal Silber metallic) für einen 7er BMW. Ganz einfach: Weil die Zahlungsbereitschaft der Kunden da ist. Es hat also nichts mit Kalkulation zu tun, sondern mit der emotionalen Aufladung, dem Wert für den Käufer und mit der Dicke des Geldbeutels.
In der Modebranche zeigt es sich ebenfalls sehr deutlich. Wer eine Brand, eine Marke aufgebaut hat, kann höhere Preise erzielen als No-Name-Produkte. Es ist auch für die Käufer immer noch entscheidend, welches Logo auf dem Kleidungsstück angebracht ist. Also geht es bei der Preisgestaltung nicht ausschließlich oder primär um die Kosten der Herstellung. Die meisten Textilien werden weiterhin in Billiglohnländern wie China, Kambodscha und Bangladesch produziert.
Gebot #5: Preise unterliegen der Gravitation
Ich zitiere Wikipedia: »Auf der Erde bewirkt die Gravitation, dass alle Körper nach ›unten‹, d. h. in Richtung Erdmittelpunkt fallen, sofern sie nicht durch andere Kräfte daran gehindert werden.« (https://de.wikipedia.org/wiki/Gravitation ) Wir sprechen also von der Schwerkraft. Bei den Preisen ist es ähnlich, sie unterliegen ihr ebenfalls. Was meine ich damit? Wenn der Preis unten ist, ist es sehr schwer, ihn wieder nach oben zu bringen. Den Markt aber mit einem niedrigen Preis zu betreten und zu testen, ist nicht empfehlenswert, denn dann haben die Kunden immer den niedrigen Preis im Kopf.
Gebot #6: Angst darf nicht den Preis bestimmen
Häufig bestimmt auch die Befürchtung, dass das Produkt von potenziellen Käufern als zu teuer wahrgenommen wird, den Preis. So hat ein Gründer, der hochwertige Kleidung mit einem besonderen Merkmal auf den Markt bringen möchte, mir seinen geplanten Verkaufspreis genannt, der mich überraschte. Ich empfand ihn als sehr [29]niedrig. Als ich nach dem Grund fragte, verwies er mich auf die große Anzahl an Mitbewerbern. Nun wollte ich natürlich seine Kosten wissen. Ja, ich scheine mir zu widersprechen, denn die Kosten haben grundsätzlich nichts mit dem Preis zu tun – aber nach einem kurzen Blick auf die Kalkulation war schnell klar: Mit jedem Kleidungsstück, das verkauft wird, würde das Unternehmen draufzahlen. Der Preis war schlicht zu gering kalkuliert (wenn man in diesem Fall überhaupt von Kalkulation sprechen sollte)! Diesen Fehler, dass ihr bei jedem Verkauf Verlust macht, müsst ihr vermeiden! Lasst euch also nicht von euren Ängsten verleiten, zu teuer zu sein.
Gebot #7: Der Vertrieb muss mit den richtigen Kennzahlen versorgt sein
In den meisten Unternehmen ist der Vertrieb nur auf Umsatzzahlen getrimmt, es geht um Stückzahlen oder Umsätze in Euro. Mit Zielzahlen, die jedes Jahr erhöht werden, wird Druck auf den Vertrieb ausgeübt. Und was macht dieser? Er versucht, die Zielzahlen zu erreichen, allerdings ohne Rücksicht auf die Marge des Unternehmens. Dann werden zwar Umsätze erzielt, aber oftmals unter schlechten Bedingungen. Es werden Rabatte ohne Not vergeben oder Zusatzleistungen, die sogenannten versteckten Rabatte, nicht berechnet. Wichtig ist also, dem Vertrieb die richtigen Ziele zu geben. Da gehören selbstverständlich Umsatzzahlen dazu, aber auch andere Faktoren wie Deckungsbeiträge, durchschnittlicher Warenkorb, Bestellhäufigkeit und Abweichung von der Preisliste. Kleine Start-ups, die aus personellen Gründen noch keinen Vertrieb aufgebaut haben, sollten die Kennzahlen ebenso kennen und verfolgen.
Gebot #8: Ein Preis kommt selten allein
In der BWL wird immer noch die Theorie der Preis-Absatz-Funktion gelehrt. Sie drückt aus, wie sich der Absatz bzw. die nachgefragte Menge in Abhängigkeit vom Preis verhält bzw. entwickelt. Oder vereinfacht gesagt: Steigt der Preis, sinkt der Absatz, also der Verkauf. Sinkt der Preis, wird mehr verkauft. Dies ist allerdings ein theoretisches Modell und passt nicht mehr in die heutige, dynamische Welt des Pricing. Es gibt Unternehmen, die die Preise erhöhen und der Umsatz steigt. Das hat etwas mit der Positionierung (Kapitel 4) zu tun. Auch berücksichtigt die Preis-Absatz-Funktion nicht die neuen Preismodelle (Kapitel 10). Lange Rede kurz zusammengefasst: Es gibt nicht mehr den einen Preis. Er kann variieren je nach Kundengruppen, Tagesoder Uhrzeiten, Regionen, Branchen, Nutzung, Zahlungsbereitschaft und so weiter. Ziel des Pricing ist es also nicht, den einen richtigen Preis zu finden, sondern die optimalen Preise.
Gebot #9: Preise müssen verständlich kommuniziert werden
Für jedes Unternehmen sind Marketingunterlagen eine Selbstverständlichkeit. Damit werden dem Kunden die Vorteile und der Nutzen des Produktes oder der Dienstleis[30]tung vermittelt. Aber auch der Preis und das Preismodell müssen verständlich und eindeutig kommuniziert werden. Das beginnt beim Wording, geht über Preislisten und Angebote und endet bei der Auftragsbestätigung. Hier zählt tatsächlich auch der letzte Eindruck. Der Interessent oder Kunde soll am Ende das Geschäft oder den Kauf mit einem guten Gefühl abschließen.
Gebot #10: Der Preis wird transparent
Das Internet ist sicherlich Fluch und Segen zugleich. Für Unternehmen erschließt es neue, zusätzliche, manchmal ausschließliche Märkte. Allerdings ergeben sich auch neue Herausforderungen. Gerade durch Preisvergleichsportale, Marktplätze oder Angebote wie Preiswecker (Produkt eingeben, Preisverlauf prüfen, Wunschpreis eingeben und Wecker aktivieren) wird es für Unternehmen, gerade im Vertrieb mit Privatkunden, nicht einfacher. Durch geschicktes Pricing, und in diesem Buch werdet ihr viele Anregungen und Beispiele finden, können Unternehmen darauf allerdings adäquate Antworten finden. Gerade Start-ups profitieren von einem weiteren Vorteil, weil sie starten und noch keine Preismodelle beim Kunden etabliert sind. Aber Achtung: Regelmäßig werden Branchen mit neuen Preismodellen aufgemischt. Oft sind diese aus anderen Bereichen übernommen, werden entsprechend angepasst oder auch kombiniert. So bietet das US-amerikanische Unternehmen Peloton ein High-Tech-Indoor-Bike ab 1.745 Euro an. Zusätzlich fällt für Kurse eine monatliche Gebühr von 39 Euro an. Neben einem Einmalerlös hat Peloton durch die Mitgliedschaft somit laufende Einnahmen – ein cleveres System, zumal der Kunde das Bike ohne Mitgliedschaft nicht nutzen kann.
Gebot #11: Unterschätzt die Gefahren von Preissenkungen nicht
Ihr müsst davon ausgehen, dass ihr beobachtet werdet. Nicht nur von bestehenden oder potenziellen Kunden, auch eure Mitbewerber haben ein Auge auf euch. Jede Aktion, besonders im Pricing, wird aufmerksam verfolgt. Für die meisten Branchen gilt eine Regel: Sobald ein Anbieter die Preise senkt, werden alle anderen hektisch. Häufig folgen dann sehr schnell eigene Preissenkungen, da man Angst hat, Marktanteile zu verlieren. Das kann zu richtigen Preiskriegen führen. Meist gibt es aber nur einen Gewinner: den Kunden. Ein bekanntes Beispiel kommt aus der Bierbranche (im Einzelhandel) aus dem Jahr 2012. Damals entfielen 70 Prozent des Bierumsatzes auf Sonderangebote mit Rabatten von bis zu 50 Prozent, was natürlich für die Brauereien eine Katastrophe war (Quelle: »Brauereien beklagen Rabattschlachten im Handel«, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20. April 2013, S. 12). Das Beispiel aus der Getränkebranche zeigt die Gefahr von Rabattschlachten. Das bedeutet für euch, dass ihr Preissenkun[31]