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Das 'Tao Te King' von Laotse ist das am häufigsten in westliche Sprachen übersetzte Weisheitsbuch der chinesischen Tradition. Oft sind diese Übersetzungen geprägt von moralischen und gar politischen Vorstellungen. Doch das 'Tao Te King' beinhaltet keine spekulative Philosophie, sondern dessen 81 Verse sind Unterweisungen für die Verwirklichung des wahren Menschen, die hin zur Befreiung aus den menschlichen Unfreiheiten führt. Heinz Klein übersetzte das 'Tao Te King' neu aus dem chinesischen Urtext und erläutert zusammen mit Aude Klein jeden der 81 Verse. Die Erklärungen und Deutungen sind tiefgründig sowie frei von Mystizismus und poetischen Metaphern, sie offenbaren den Weg, der im 'Tao Te King' verborgen liegt: Wahre Befreiung geschieht im Menschen selbst, dadurch, dass er in seinem Innern die Welt der Polarität aus den Angeln hebt. Dies ist der Weg der 81 Stufen zur höchsten Stufe der Freiheit.
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Seitenzahl: 239
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Impressum
Über die Autoren
Vers 1
Vers 2
Vers 3
Vers 4
Vers 5
Vers 6
Vers 7
Vers 8
Vers 9
Vers 10
Vers 11
Vers 12
Vers 13
Vers 14
Vers 15
Vers 16
Vers 17
Vers 18
Vers 19
Vers 20
Vers 21
Vers 22
Vers 23
Vers 24
Vers 25
Vers 26
Vers 27
Vers 28
Vers 29
Vers 30
Vers 31
Vers 32
Vers 33
Vers 34
Vers 35
Vers 36
Vers 37
Vers 38
Vers 39
Vers 40
Vers 41
Vers 42
Vers 43
Vers 44
Vers 45
Vers 46
Vers 47
Vers 48
Vers 49
Vers 50
Vers 51
Vers 52
Vers 53
Vers 54
Vers 55
Vers 56
Vers 57
Vers 58
Vers 59
Vers 60
Vers 61
Vers 62
Vers 63
Vers 64
Vers 65
Vers 66
Vers 67
Vers 68
Vers 69
Vers 70
Vers 71
Vers 72
Vers 73
Vers 74
Vers 75
Vers 76
Vers 77
Vers 78
Vers 79
Vers 80
Vers 81
Buchempfehlungen
Laotse / Heinz & Aude Klein: Das TAO TE KING und der Weg zu wahrhafter Freiheit© 2016 Verlag ZeitenwendeKöttewitz 7301809 [email protected]
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen und multimedialen Wiedergabe sowie der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten.
Covergestaltung: Verlag ZeitenwendeErstellung E-Book: Verlag Zeitenwende
ISBN 978-3-945701-05-8
Als der Schöpfer des TAO TE KING gilt Laotse, ein legendärer chinesischer Philosoph, der im 6. Jahrhundert v. Chr. gelebt haben soll. Als er Chaos und den Verfall des Reiches vorhersah, soll er das Land verlassen haben. Nach einer Legende soll er von Yin Xi aufgefordert worden sein, sein Wissen und seine Lehren niederzuschreiben. So soll das TAO TE KING entstanden und Laotse nach dessen Vollendung im Westen verschwunden sein.
Dr. Heinz Klein, Jg. 1943, absolvierte ein Kunststudium an der Akademie in Brüssel. Er war vier Jahre Dozent an der Hochschule für chinesische Kunst in Taipei/Taiwan und studierte die chinesische Sprache. Bei verschiedenen Aufenthalten in Japan wurde er in den Zen-Buddhismus eingeführt. Beim Studium der Sinologie war sein Fachgebiet die chinesische Medizin, worüber er promovierte. Er beschäftigte sich Jahrzehnte mit dem taoistischen Klassiker »Tao Te King« und übersetzte diesen neu aus dem chinesischen Urtext ins Deutsche.
Von Heinz Klein erschienen beim Verlag Zeitenwende u.a. folgende Bücher:
- Neuübersetzung des »TAO TE KING« (978-3-934291-71-3)- »Die Magie vom Wenigerwerden. Die Transformation zum wahren Menschen« (ISBN 978-3-934291-33-1)- »Sein eigener Meister und Schüler. Der einfache, direkte Weg« (ISBN 978-3-934291-47-8)- »Ihr seid Götter. Die Suche nach Unsterblichkeit« (ISBN 978-3-934291-95-9, E-Book-ISBN: 978-3-945701-00-3)- »Das wahre Erbe der Katharer. Zeitzeugnisse« (ISBN 978-3-934291-94-2, E-Book-ISBN: 978-3-934291-99-7)
Aude Klein wurde in einem Vorort von Paris geboren; ihre künstlerische Ausbildung führte sie neben Paris nach Brüssel und Taipei/Taiwan. Sie ist eine international bekannte Künstlerin mit Ausstellungen in Brüssel, Tokio, Hamburg, Kassel, Köln und Bonn. Seit Jahrzehnten beschäftigt sie sich, zusammen mit ihrem Mann Heinz Klein, mit dem wahrhaften Sein des Menschen.
Von Aude Klein erschienen zusammen mit ihrem Mann Heinz Klein beim Verlag Zeitenwende folgende Bücher:
- »Ihr seid Götter. Die Suche nach Unsterblichkeit« (ISBN 978-3-934291-95-9, E-Book-ISBN: 978-3-945701-00-3)- »Das wahre Erbe der Katharer. Zeitzeugnisse« (ISBN 978-3-934291-94-2, E-Book-ISBN: 978-3-934291-99-7)
Vers 1
Das TAO, das man begreifen und lehren kann, ist nicht das ewig unveränderliche TAO.
Das Wort, das man aussprechen kann, ist nicht das ewig unveränderliche Wort.
Himmel und Erde sind aus dem Unaussprechbaren, dem Nicht-Sein, hervorgegangen. Alle Geschöpfe wurden durch das Aussprechbare, das Sein, geschaffen.
Darum ist es so: Lange im Nicht-werden-Wollen verharren, führt zur Schau der Mysterien des Nicht-Seins.
Lange im Werden-Wollen verharren, führt zur Erkenntnis der Grenzen des Seins.
Sein und Nicht-Sein sind eins im Ursprung und unterscheiden sich nur im Namen.
Jedes für sich ist ein unfassbares Geheimnis.
Doch das noch tiefere Geheimnis: Der gemeinsame Urgrund aller Mysterien, des Seins und des Nicht-Seins: die eine Wirklichkeit.
* * *
Brief zu Vers 1
Lieber junger Freund,
der Inhalt jener Verse, die unter dem Titel Tao Te King veröffentlicht wurden und welche zufällig in Deine Hände gerieten, weckte viele Fragen in Dir, so dass Du mit dem Herausgeber und uns, den Übersetzern, Kontakt aufnahmst. So entstand ein Briefwechsel, der Dich und auch uns beflügelte.
Wenn die Verse von der wirklichen Befreiung des Menschen handeln, so war Deine erste Bemerkung: Warum sind sie so kurz? Stehen diese Aussagen nicht beziehungslos nebeneinander? Du kamst Dir vor wie jemand, der von Stein zu Stein hüpfend einen größeren Gartenteich überquert, ohne zu erfahren, welche Tiefen und Untiefen sich im Wasser verbergen.
Alle Texte metaphysischen Inhaltes sind als Leitfaden gedacht, der den Sucher befähigt, mit seinem ganzen Wesen, wenn er sein Bewusstsein stufenweise verändert, in den verborgenen Inhalt vorzudringen. Chinesische Zeichen, dem Wesen nach Ideogramme, richten sich nicht an das intellektuelle und diskursive Denken, sondern sprechen den Menschen als Drei-Einheit von Haupt, Herz und Becken an.
Die Verse von Laotse kann man nicht verstehen, weil man es will. Die Inhalte der Verse müssen vielmehr eine Resonanz im Leser auslösen, so dass er das Gefühl hat, nichts Neues zu erfahren, sondern sich wieder an längst Vergessenes zu erinnern. Das in der Metaphysik überlieferte Wissen hat nie einem Volk gehört, geschweige den einer einzelnen Person. Metaphysische Wahrheiten stellen keine persönlichen Meinungen dar, die man ablehnen oder bejahen kann. Die Metaphysik enthält das universelle Wissen von den kosmischen Gesetzmäßigkeiten. Jede Zeile des Tao Te King beinhaltet mehr als die Zeichen ausdrücken. Die Universalität der chinesischen Zeichen gibt dem Bewusstsein in jeder Zeile die Möglichkeit, von der Welt des äußeren Scheins zum unveränderlichen Sein vorzustoßen, insofern das innere Wesen danach verlangt.
Mit dem ersten Vers stehen wir gleich mitten in der chinesischen Kosmologie, und diese lässt sich ohne Kenntnis des kosmischen Dreierprinzips nicht verstehen. Betrachte hierzu mit den Augen Deines Herzens das folgende Diagramm:
Leben, auf welcher Ebene auch immer, wird sich gemäß dem universellen Prinzip als Drei-Einheit manifestieren. Doch das, was die eigentliche Ursache für alle Lebenserscheinungen ist, offenbart sich selbst nicht. Man kann ihm keinen Namen geben. Und so sagt Laotse in Vers 25:
»Ich weiß ihm keinen Namen und nenne es TAO.«
Zwischen diesem nicht weiter nennbaren, ja gar nicht fassbaren Etwas und dem ersten von ihm ausgehenden Schöpfungsimpuls gibt es keine Trennung.
Laotse trennt nicht zwischen dem unfassbaren Urgrund und dem ersten Schöpfungsimpuls. Er nennt den ersten Schöpfungsimpuls TAO, es ist das aussprechbare, sich manifestierende TAO, welches aus dem Unnennbaren, sich nicht manifestierenden Urgrund hervorgeht.
Ebenso trennt Laotse begrifflich nicht zwischen dem Mysterium der kosmischen Urmater, aus der Himmel und Erde hervorgehen, und der sich manifestierenden kosmischen Mutterkraft der Erde, die, selbst ein Geschaffenes, zur Mutter von allen ins Leben tretenden Wesen wird. Alle Aspekte der kosmischen Mutterkräfte werden mit TE bezeichnet.
Die in der christlich-abendländischen Kultur postulierte Unvereinbarkeit zwischen Geist und Materie (hier gut – da böse) war den alten Chinesen fremd. Für sie gibt es nur ein Geschaffenes, das einmal rein energetisch, immateriell, ohne greifbare Form bleibt und andererseits überwechselt in eine sich manifestierende, greifbare Form. Zwischen beiden Seinsformen gibt es nur einen äußeren Unterschied, aber keinen Wesensunterschied. Dem Wesen nach sind sie eins und kommen aus derselben Quelle, die wir weder benennen noch erklären können.
Beide geschaffenen Seinsebenen bilden jede für sich ein Mysterium. Denn selbst die sichtbare und erforschbare Schöpfung versetzt den Menschen immer wieder in Erstaunen und Verwunderung. Und die Geschichte der Wissenschaften legt Zeugnis dafür ab, wie hartnäckig die Menschen um Erkenntnis im Bereich der fassbaren Natur kämpfen müssen. Selbst wenn wir die sichtbare Seinsebene und auch die unsichtbare Seinsebene vollkommen erkannt hätten, so wären wir immer noch nicht zur Quelle vorgestoßen. Die Erkenntnisse aller Naturgesetze und aller Hierarchien unsichtbarer Himmel und Geister führen uns nicht in das Ungeschaffene, den wahren Urgrund allen Seins und Nicht-Seins. Das Tor dorthin stößt der Mensch erst dann auf, wenn er den Weg der inneren Transformation beschreitet. Transformierend wächst er wieder hinein in die Position des »wahren Menschen«. Die Wirklichkeit dieses ganz anderen Seins ist das noch tiefere Geheimnis. Und der Mensch ist berufen, in diese ihm jetzt kaum vorstellbare Wirklichkeit der absoluten Freiheit transformierend hineinzuwachsen, eine Freiheit, die ihm die Götter bisher verwehrten.
Lieber Freund, wenn Du den Mut hast, die nachfolgenden Verse mit uns gemeinsam zu lesen, so gelangst Du immer mehr dahin, dass Du die Schöpfung als eine unzertrennbare Einheit und Dich selbst als ein ihr wesensgleicher Mikrokosmos erlebst. In Dir findest Du alles wieder, was geschaffen wurde, und selbst das Ungeschaffene ist in Dir zugegen. Du erinnerst Dich vielleicht daran, dass wir Deiner Fixierung auf die Gesetzmäßigkeit der zwölf, die Du stets betontest, die Wirklichkeit des 13. Feldes entgegenstellten. In unserer Mitte, nahe am physischen Herzen, befindet sich jener Entsprechungspunkt, der schwingungsmäßig der Urschöpfung, also dem ersten Schöpfungswillen, entspricht. Dieser Lotos im Herzen, von Pascal als »vacuité« (Leerraum) bezeichnet, ist frei von polarer Schwingung, und, so paradox es klingen mag, diese Leere ist die vollkommene Fülle. Über diesen Punkt sind wir mit der unbekannten Schöpfungskraft und allem aus ihr hervorgegangenem Geschaffenen verbunden. Hier ist die Pforte zum letzten Geheimnis. Nur allein zu wissen, dass das Unfassbare, nicht Sichtbare, das Ungeschaffene sowohl in Dir als auch um Dich vorhanden ist, führt zu Vertrauen und Gelassenheit. Alles vom Menschen Geschaffene kann Dir entrissen werden, dieses Eine jedoch nicht.
Im ersten Vers wurde der Grundstein gelegt für das, was in den nachfolgenden Versen unter einem anderen Aspekt dargestellt wird: die eine wahnfreie Wirklichkeit.
Vers 2
Weil die Wesen in der geschaffenen Welt das Schöne als schön bezeichnen, schaffen sie so das Hässliche.
Weil die Wesen in der geschaffenen Welt das Gute als gut bezeichnen, schaffen sie so das Nicht-Gute.
Aber:Sein und Nicht-Sein erzeugen einander, schwer und leicht ergänzen sich gegenseitig, lang und kurz vollenden sich gegenseitig, hoch und tief bedingen einander, Stimme und Ton harmonisieren zusammen, vor und nach folgen einander.
Dies wissend, vollbringt der Erwachte sein Tun im Nicht-Tun und zeugt von dem Weg ohne Worte.
Um ihn herum entsteht alles Geschaffene, und er wendet sich nicht verweigernd ab.
Das Geschaffene entsteht, aber er nimmt nicht Besitz davon. Er wirkt in der Schöpfung, aber macht sie sich nicht zunutze. Er führt zur Vollendung, aber verweilt nicht darin. Und weil er an nichts haftet, wird er nicht vergehen.
* * *
Brief zu Vers 2
Lieber Freund,
im ersten Brief hast Du das Dreierprinzip des Kosmos kennengelernt. Dieses Prinzip ist eines der wichtigsten Erkenntnisse der Metaphysik. Wenn Du Dir die Mühe machst, die Kulturen im Vorderen Orient und im Fernen Osten auf ihre grundlegenden Aussagen im Bereich der Metaphysik zu untersuchen, so entdeckst Du, dass sie eine Einheit bilden, weil diesen Kulturen die gleichen geistigen Prinzipien zugrunde liegen.
Im Vers 2 erinnert Laotse an die Dualität unseres Lebensfeldes, eine Dualität, die wir Menschen selbst aufrechterhalten, indem wir mit unserem Wesen einem der beiden Pole angehören und bewusstseinsmäßig die Einheit alles Geschaffenen verloren haben.
Der kosmische Mensch, bei den Taoisten in China auch genannt der königliche Mensch, stellt die dritte kosmische Macht dar und steht vermittelnd zwischen Himmel und Erde. Durch seine freie Mitte fließen alle Kräfte ungehindert von oben nach unten und von unten nach oben. Der königliche Mensch trägt in seiner Brust das leuchtende Kleinod, das Überbleibsel aus der Urschöpfung. In diesem 13. Feld, welches dem Menschen die Transformation ermöglicht, ist das Schwingungsfeld des ersten Schöpfungsimpulses ungebrochen vorhanden. So kann der zum »wahren Menschen« Erwachte in die ursprüngliche Harmonie zurückkehren. Zwischen ihm und der Schöpfung gibt es keine Grenzen und Abgrenzungen mehr. Er und die Schöpfung sind wieder eins. Diesen Seinszustand gibt das chinesische Zeichen »king« wieder. Daher wiederholen wir hier noch einmal die einzelnen Komponenten, aus denen dieses Zeichen gebildet ist:
Die Bedeutungen der einzelnen Komponenten lassen es nicht länger zu, den Erwachten zu den Untätigen in der Schöpfung zu zählen. Er begeht keine Weltflucht, um zu verhindern, dass er in unangenehme Arbeiten verwickelt werde. Er steht vielmehr in ununterbrochenem Einsatz, doch sein Tun kennt keine Hektik. Die Kräfte fließen ungehindert durch ihn durch, weil die Überwucherung der Mitte ein Ende genommen hat. Die unpersönlichen Schöpfungsimpulse werden nicht mehr von einem Ich-Bewusstsein gefärbt und polarisiert. Der Erwachte verfolgt keine eigenen Ziele mehr.
Seine Handlungen sind eingebettet in den Fluss der Schöpfung, und sie werden nicht mehr bestimmt von verdeckten Eigeninteressen. Von allen Hintergedanken, den eigentlichen Motivträgern unserer Aktivitäten, hat sich der Erwachte befreit. Von ihm heißt es:
»Das Geschaffene entsteht, aber er nimmt nicht Besitz davon. Er wirkt in der Schöpfung, aber macht sie sich nicht zunutze.«
Eine Zeile höher heißt es:
»Um ihn herum entsteht alles Geschaffene, und er wendet sich nicht verweigernd ab.«
Sich von einem Geschöpf abwenden bedeutet nichts anderes als – einem Impuls von Antipathie folgend –, ein Urteil fällen und entsprechend handeln. So bleibt der Mensch an die Polarität gekettet.
»Weil die Wesen in der geschaffenen Welt das Schöne als schön bezeichnen, schaffen sie so das Hässliche.
Weil die Wesen in der geschaffenen Welt das Gute als gut bezeichnen, schaffen sie so das Nicht-Gute.«
Aber wie im Vers ausdrücklich mit vielen Beispielen belegt wird, bedingen und ergänzen sich die beiden Gegensätze, die der Mensch als unvereinbar erlebt. Warum einen Pol aus Sympathie lieben und schätzen und den Gegenpol aus Antipathie nicht mögen und ablehnen? Immer, wenn wir einem spontanen Gefühl der Sympathie oder der Antipathie erliegen und uns für oder wider einen Pol aussprechen, halten wir die Spannung und Spaltung in uns aufrecht.
Für das Tun aus dem Zustand der überwucherten Mitte in unserem Lebensfeld steht im Chinesischen das Zeichen »wei«. Hier die Bedeutungen der einzelnen Komponenten:
Wer die Einheit mit der Schöpfung verloren hat, der fühlt sich, wie es die Existenzialisten ausdrücken, in die Schöpfung hinausgeworfen, isoliert und zum Überlebenskampf aufgerufen. Der Spiegel unseres Herzens, in dem sich die Urschöpfung reflektiert, wird überwuchert von unseren Gefühlen, Emotionen und von der vom Verstand ausgestrahlten Wissensangst. Unser Verstand sammelt endlos Wissen an und weiß doch das Eine nicht. Das Wissen, das nicht zum eigentlichen Wissen führt, schürt in uns die Überlebensangst.
Bevor der Schritt der Rückkehr getan werden kann, muss im Menschen die Einsicht zunehmen, dass jeder sogenannte Fortschritt ihn weiter vom Ursprung entfernt und dass er sich innerlich umwenden muss. Möge dieser Schritt der Bewusstwerdung, lieber Sucher, Dir gelingen.
Vers 3
Die Tüchtigen und Erfolgreichen nicht besonders herausstellen bewahrt das Volk vor Konkurrenzverhalten.
Schwer zu erlangende Kostbarkeiten nicht hochschätzen verhindert, dass das Volk zu Dieben wird.
Begehrenswertes nicht zur Schau stellen bewahrt das Herz des Volkes vor Unruhe und Strebertum.
Der Erwachte lenkt das Volk also so: Er leert die Herzen (die besetzte Mitte), füllt indessen die Leiber. Er schwächt die Sehnsüchte, stärkt indessen die Lebenskraft.
Er sorgt, dass das Volk auf Dauer ohne Anspruchsdenken und ohne Begehren lebt, damit diejenigen, die um die Zusammenhänge wissen, nicht aus Eigennutz eingreifen.
Wenn Tun im Nicht-Tun ausgeführt wird, dann gibt es nichts, was aus der Ordnung herausfällt.
* * *
Brief zu Vers 3
Lieber Sucher, lieber Freund,
solange das Zusammenleben der Menschen von den reinen ungetrübten kosmischen Energien geprägt wurde, lebten sie in Freiheit und hatten die Position der dritten kosmischen Kraft inne. Mit der Abkehr vom höchsten Prinzip musste der Mensch sich eigene Prinzipien schaffen. Diese entsprechen dem jeweiligen Bewusstseinszustand des Menschen, und ein Studium der Geschichte zeigt, wie unbeständig und leicht wandelbar das menschliche Bewusstsein ist. Wenn nicht mehr das Wissen von den unabänderlichen metaphysischen Gesetzen dem menschlichen Bewusstsein eine Richtschnur gibt, dann verdichten sich astrale Einflüsse, die sich als Zeitgeist manifestieren und das menschliche Denken, Fühlen und Handeln bestimmen. Die vom Zeitgeist gelenkten Menschen glauben indessen, dass jede Veränderung der Verhältnisse einen Fortschritt darstellt. In der uns heute bekannten Demokratie werden die geltenden Prinzipien vom Volk bestimmt. In naher Zukunft wird sich die wirtschaftliche Globalisierung mit Gewalt durchsetzen, und keine Gesellschaft wird sich ihr entziehen können, da die wirtschaftlichen Interessen der führenden Nationen dies verbieten. Der Wert der geleisteten Arbeit an sich geht verloren. Nicht mehr die Einbindung in den Arbeitsprozess zählt, sondern der materielle Erlös aus dem vermarktbaren Endprodukt. Im Kollegen sieht man nicht mehr den Weggefährten, sondern den Konkurrenten. Er stellt eine potentielle Gefahr für unser eigenes Glück dar. Und jene Güter, welche die oberen Zehntausend als wertvoll erachten, werden für alle begehrenswert. Diese Güter nicht zu besitzen, lässt das Herz keine Ruhe finden. So leben die Menschen in einer selbst verursachten, andauernden Unzufriedenheit. Einige greifen mit Gewalt nach diesen begehrenswerten Gütern. Die meisten jedoch leben in ewiger Anspannung. Das Bewusstsein bleibt fixiert auf die Erfüllung dieser geheimen Wünsche. Unser Herz kommt dabei nie zur Ruhe, zumal die Werbung über die Medien immer wieder neue, begehrenswerte, wenn auch oft sinnlose Dinge zur angeblichen Steigerung des Lebensgefühls anbietet.
In unserer Zeit der Medienvielfalt ist es sehr leicht, den unreflektierten Volkstypus zu beeinflussen. Es ist bekannt, welche suggestive Wirkung die Fernsehbilder auf die Zuschauer ausüben. Das Begehren wird pausenlos angeregt. Die Emotionen werden in Aufregung versetzt, und Tausende Informationsfetzen nisten sich in den Gedächtniszellen ein. Die ihnen zur Verfügung stehende Lebenskraft wird von Fremdwesen verbraucht. Dies ist in unserer Zeit der Normalzustand. Da es sich um unsichtbare Kräfte handelt, bleiben die vielen Mitbewohner eines Mikrokosmos ungesehen. Daher bewahrt der erwachte Herrscher das Volk vor den plündernden Horden astraler und inkarnierter Wesenheiten.
Des Volkes Zugang zum inneren Reich liegt in der Reinheit und Unverdorbenheit des Lebens. Des Herrschers Mandat besteht daher darin, den Lebensraum des Volkes zu schützen vor den Wissenden, die sich auf dem Wege zum wahren Wissen umgekehrt haben und ihre Erkenntnisse über energetische Zusammenhänge zum eigenen Vorteil und zum Nachteil der anderen anwenden.
Übt der Herrscher selbst das Nicht-Tun aus, so bedeutet dies, dass er sich frei von absichtsvollem Tun hält. Auf diese Weise schafft er einen Freiraum, in dem das Volk durch ein einfaches Leben die Erfüllung seines Schicksals erleben kann. Die Erfüllung besteht in der selbstlosen Verwaltung der in menschliche Obhut gegebenen Materie. Wenn die Oberen und das Volk ihr Tun im Nicht-Tun ausführen, dann gibt es nichts, was aus der kosmischen Ordnung herausfällt.
Wollen wir uns aus dem Zustand der vorprogrammierten und überwachten Automaten befreien, so müssen wir uns stufenweise von Freiheit zu Freiheit durchringen. Das ist der unbequeme Befreiungsweg. Andernfalls machen wir so weiter wie bisher.
Möge diese Entscheidung, lieber Sucher, Dir nicht schwer fallen.
Vers 4
TAO ist wie ein leeres Gefäß; benutzt man es, so ist sein Vorrat doch unerschöpflich.
Unergründbarer Abgrund, es ist der Urquell aller geschaffenen Wesen.
Es bricht die Kälte des scharfsinnigen Intellekts, es löst das emotionale Chaos, es harmonisiert das Willensfeuer, es vereinigt den Stoff mit sich selbst.
Ruhig, unbewegt wie stehende Gewässer, gleichsam allezeit schon daseiend.
Ich weiß nicht, wessen Nachkomme es ist; war es doch vor aller Offenbarung der Götter.
* * *
Brief zu Vers 4
Lieber junger Freund,
Vers vier des Tao Te King spricht ausschließlich vom Urgrund allen Seins. Laotse nennt ihn ersatzweise TAO, weil unser Denken ihn nicht begreifen kann und so kein Begriff für dieses nicht weiter erklärbare Etwas gefunden werden kann.
TAO war vor dem Sein und dem Nicht-Sein. TAO ist der Urquell alles Geschaffenen, und doch ist TAO wiederum nicht die Summe aller geschaffenen Wesen. Nichts kann außerhalb von TAO existieren. Im Geschaffenen können wir es erahnen, aber nicht fassen. Sprachlich lässt sich nur mit Hilfe von Paradoxa darüber etwas sagen, so zum Beispiel TAO ist wie ein leeres Gefäß, benutzt man aber dieses Gefäß, so ist sein Vorrat unerschöpflich. TAO tritt selbst nie in Erscheinung. Wenn aber Schöpfungsimpulse zur Offenbarung drängen und Energien sich zu Formen und Wesen bündeln, dann sprechen die Chinesen von der Ur-Mutter-Kraft. TAO materialisiert sich in TE. Lebensenergien kristallisieren, bilden Formen, und Wesen entstehen.
Zwischen TAO und der Ur-Materkraft TE steht der kosmische Mensch, geschaffen von TAO, bekleidet von TE. Die kosmischen Energien, die ihm zufließen, sind ungetrübt. Seit der Abkehr vom höchsten Prinzip werden sie mit Eigenwillen belegt und denaturiert. So stellt der heutige Mensch auf den vier Ebenen der Inkarnation, das sind die mentale Ebene, die emotionale Ebene, die Willensebene und die physische Ebene, nur noch ein Zerrbild des ehemals kosmischen Menschen dar.
Wenn es jedoch dahin kommt, dass die Vibration aus dem Feld des TAO die feste Burg des Natur-Ichs ins Wanken bringt, beginnt die Suche des Menschen nach einem anderen Lebensfeld. Das Eis beginnt zu schmelzen. Die starren Denk- und Gefühlsmuster öffnen sich neuen Impulsen. Die Vibrationen der ursprünglichen Schöpfungskraft können im Mikrokosmos wirksam werden. Und jedes Loslassen hat auf den vier Ebenen der Inkarnation eine Wirkung.
Auf der Verstandesebene wird die Kälte des messerscharfen Intellektes gebrochen. Der Verstand ist nicht länger Selbstzweck eines isolierten Ego, sondern Werkzeug des ursprünglichen Wesens, welches gezeugt wurde vom Himmel, dem Vater, und geschaffen wurde von der Erde, der Mutter.
Auf der emotionalen Ebene, die bisher wie in andauerndem Kurzschluss zwischen negativer und positiver Energie stand und daher chaotisch und unberechenbar war, tritt eine Beruhigung ein. Der Zwang zu fortwährenden Antipathie- und Sympathiebekundungen wird aufgehoben.
Auf der Ebene des Willensfeuers, dem Solarplexus und dem angeschlossenen Leber-Milz-Chakra, stellt sich unser Eigenwille freiwillig unter die Autorität des viel größeren Willens, der auch als Schöpferwille, Schöpfungsimpuls bezeichnet werden kann. Die Revolte der Eigenwelt gegen die Schöpfung verblasst.
Auf der physischen Ebene lösen sich die Krallen des eigensinnigen Natur-Ichs. Der physische Körper entkrampft sich. Er darf sein, was er ist, nämlich koagulierte Materie der ursprünglichen Mutterkraft TE. So ist er wieder das ausführende, sichtbare Werkzeug, das aus der Vermählung von Himmel und Erde hervorging.
Alle geschaffenen Wesen, die sichtbaren und unsichtbaren, gehen aus TAO hervor und werden von TE bekleidet. Was aber war vor TAO? Wiederum TAO, denn es hat weder Anfang noch Ende.
Die Schöpfungsmythen vieler Völker beginnen mit einem Schöpfergott. Diese Götter leben in den geschaffenen Energiewelten, die für uns nicht sichtbar sind. Diese Welten und Götter sind geschaffen und haben somit ein Ende. TAO, so sagt Laotse, war vor aller Offenbarung der Götter. Und so endet auch der Rückweg zu TAO nicht in den astralen Sphären. Auf dem Rückweg durchquert das Wesen die Felder von Engeln, Dämonen und Göttern, insofern das ursprüngliche Wesen, das vor unserer Persönlichkeit existierte, in uns erwacht ist. Dann ist unser Weg ein Weg zurück zum Ursprung.
Hüte Dich davor, lieber Freund, das Wort TAO mit Deinen Vorstellungen zu füllen. TAO ist und bleibt ein Ersatzwort für das Nicht-Nennbare, Nicht-Fassbare, Nicht-Geoffenbarte und doch alles Offenbarende.
Vers 5
Himmel und Erde kennen keine Menschlichkeit, alle Geschöpfe sind vor ihnen stroherne Ersatzhülsen.
Der Erwachte lebt nicht nach menschlichen Maßstäben, alle Menschen sind vor ihm stroherne Ersatzhülsen.
Der Zwischenraum zwischen Himmel und Erde ist vergleichbar einem Blasebalg, der, wenn er still ist, nicht einstürzt, wenn er jedoch in Bewegung kommt, umso mehr hervorbringt.
Vieles Reden erschöpft die Kräfte bis ans Ende; besser ist es, seine Mitte intakt zu bewahren.
* * *
Brief zu Vers 5
Lieber Sucher,
Himmel und Erde vollbringen ihr Werk nicht nach menschlichen Maßstäben. Sie folgen vielmehr ohne Wanken den ersten Schöpfungsimpulsen. Himmel und Erde haftet keine Menschlichkeit an. Ohne Vorlieben und Abneigungen wirken sie in der sichtbaren Schöpfung und legen so Zeugnis ab für die Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit der kosmischen Schöpferkräfte.
Alles sichtbar Geschaffene ist letztlich nur ein sinnbildhaftes Zeichen einer anderen Wirklichkeit. Und so sind für denjenigen, der im TAO erwacht ist, die Menschen Ersatzhülsen für den »wahren Menschen«. Der Mensch dieser Natur ist nur ein potentieller Verwirklicher der dritten kosmischen Macht. Auf diese eigentliche Bestimmung des Menschen ist unser Bewusstsein so gut wie nie ausgerichtet. Wir identifizieren uns lieber mit der Ersatzrolle und gehen ganz in deren Problemen auf. Das Wort Problem, aus dem Griechischen von pro-blêma, bezeichnet etwas, das sich vor uns aufgebaut hat, etwas, das uns die Sicht verstellt, und wir das eigentliche Ziel aus den Augen verlieren. Unser Bewusstsein bleibt in den Alltagsproblemen verstrickt. Wir halten es fixiert auf die Probleme der Ersatzhülse, die im chinesischen Text mit Strohhund bezeichnet wird. Für die eine Wirklichkeit haben wir weder Augen noch Ohren. Eine übertriebene, hektische Aktivität, verbunden mit einem überbetonten Verantwortungsgefühl, sind Indiz dafür, dass das Bewusstsein eines »Strohhundes« mehr leisten will, als er gemäß den kosmischen Gegebenheiten leisten kann.
Der Zwischenraum zwischen Himmel und Erde ist vergleichbar einem Blasebalg, der, wenn er still ist, nicht einstürzt. Wenn aber Schöpfungsimpulse von TAO ihn in Bewegung setzen, so bringt er unablässig hervor. In der Leere ist die Fülle vorhanden.
Die Urschöpfung vollzieht sich zeitlos in der Gegenwart, kann aber von uns Menschen nur in den Begrenzungen der Dimensionen Raum und Zeit erlebt werden. Die sichtbare, formvollendete Schöpfung vollzieht sich ohne unser Zutun. Viel Reden, ein Ausdruck unseres unruhigen Intellektes, erschöpft sowohl den Sprecher wie den Zuhörer. Ein Redefluss ohne Ende erschöpft den Intellekt und braucht die Lebenskräfte auf.
Die Entwicklung unserer Welt, die sich mehr und mehr von den ursprünglichen Schöpfungsimpulsen entfernt, läuft auf ein Szenarium zu, das für einen Horrorfilm gelten könnte.
In der Ausweglosigkeit einer von Ersatzmenschen geschaffenen Welt bleibt dem Sucher nichts anderes übrig, als sich auf den Entsprechungspunkt zum TAO in sich selbst zu besinnen. Wenn er dort wieder seine Wurzeln einsenkt, kann der Mensch sein eigenes mikrokosmisches System umstürzen, so dass der »wahre Mensch« wieder werden kann. So wird ein neues Haus gebaut, Stein auf Stein.
Vers 6
Der Geist im Unten des Offenbarungsfeldes ist unvergänglich.
Das ist das dunkle Mysterium der kosmischen Urmater.
Die Pforte vom Geheimnis der kosmischen Urmater ist die Ursprungsquelle von Himmel und Erde.
Unscheinbar und doch ununterbrochen anwesend. Ist diese Pforte erschlossen, dann quillt sie über ohne Mangel.
* * *
Brief zu Vers 6
Lieber Freund und Sucher,
die Religionen dieser Welt geben auf die Frage nach dem Sinn unseres Lebens verschiedene Antworten. Diese Antworten sind aber an ein geheimnisvolles, mit dem Verstand nicht ergründbares Geschehen gebunden, und wir finden den Zugang zu diesen Aussagen erst über die Metaphysik mit dem Betreten des inneren Wandlungsweges. So spricht auch Laotse vom dunklen Mysterium der kosmischen Ur-Mater. Und solange unser Bewusstsein in der Dualität gefangen ist, finden wir keinen Zugang zu diesem Mysterium. In Vers 1 wurde das Verständnis dafür gelegt, dass sich das Mysterium von dem Urgrund dieser Schöpfung erhellt und offenlegt, wenn wir dem Zwang des Werden-Wollens entwachsen sind und die unablässigen Impulse zur Selbstverwirklichung aus dem Ich-Bewusstsein von den ursprünglichen Schöpfungsimpulsen abgelöst werden. Wir kommen dann dem Dunkel des Mysteriums näher, wenn wir uns nicht mehr durch den Schöpfungsakt des Lichtes blenden lassen.
Was jedoch war vor dem Licht? Sicher ist Dir noch der Bibelsatz bekannt, in dem es heißt: »Am Anfang war die Erde wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe.« Dieses dunkle Mysterium nennt Laotse die kosmische Urmasse. Es ist der Geist im Unten des Offenbarungsfeldes. Aus dieser Urmater gehen sowohl der Himmel als auch die Erde hervor.
Das Unaussprechbare, von Laotse ersatzweise genannt TAO, manifestiert sich, bevor Himmel und Erde waren, in der Ur-Mater. Die Ur-Mater ist nicht TAO und doch steht sie ihm am nächsten. So sagt Laotse:
»Der Geist im Unten des Offenbarungsfeldes ist unvergänglich.«
Die Ur-Mater, die Matrix alles Geschaffenen, sowohl der für uns sichtbaren als auch der für uns unsichtbaren Sphären, ist die Pforte, aus welcher Sein hervorkommt. Diese Pforte war vor dem Himmel und vor der Erde und vor dem Licht. Sie ist das Chaos, die gestaltlose Urmasse, die zu allem Werden bereit ist.
Die Ur-Mater, unvergänglich wie TAO, lässt sich mit menschlichen Begriffen nicht beschreiben. Die Ur-Mater ist nicht das Licht. Sie hat noch keine bestimmbare Form. Sie bleibt für den geschaffenen Menschen, der zudem in der Polarität lebt und die Einheit mit der Schöpfung verloren hat, unbegreiflich wie TAO selbst. Treffend sagte der Mystiker Angelus Silesius (1624-1677): »...ich werfe mich allein ins ungeschaffene Meer der bloßen Gottheit ein.« Silesius spricht somit von jenen Urwassern, die vor der Erschaffung des Lichtes waren. Für Laotse ist die Ur-Mater das dunkle Mysterium des Offenbarungsprozesses. Weil die Ur-Mater ist, kann alles werden. Wer dieser Mutter auf dem Weg zurück zu TAO wieder begegnet, ist in die erste Kindschaft zurückgekehrt und weiß, dass er unvergänglich geworden ist. Wenn der Weg uns durch das Wissen die Mysterien entsiegelt hat und wir der Wahrheit gegenüberstehen, dann gelangen wir zum Leben. Ist diese Pforte einmal erreicht, dann kennt das Sein keine Grenzen mehr.
Vers 7
Der Himmel ist immerwährend,und die Erde ist unvergänglich.
Der Grund, warum Himmel und Erde immerwährend und unvergänglich sind, liegt darin, dass sie nicht sich selbst leben.