Das verborgene Leben der Füchse - Andreas Tjernshaugen - E-Book

Das verborgene Leben der Füchse E-Book

Andreas Tjernshaugen

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Beschreibung

Ein Jahr lang hat sich Andreas Tjernshaugen auf die Pirsch begeben und hat in einem nahegelegenen Wald am Oslofjord Füchse beobachtet. Manchmal war er mit seinem Hund Topsy unterwegs, meistens aber allein, oft in den frühen Morgenstunden, ausgerüstet mit Thermoskanne und Proviant für lange Sitzungen. Immer wieder ließ er eine Wildkamera mit Bewegungsmelder zurück, um die Filme später zu Hause auszuwerten. Zu Hause vertiefte er sich auch in die wissenschaftliche und kulturgeschichtliche Literatur über Füchse. In 25 Kapiteln beschreibt er, was er gesehen, gelesen und gelernt hat. Erzählt vom ausgeprägten Familiensinn der Füchse, aber dass sie auch fremdgehen. Erzählt vom Fuchs, der unsere Städte erobert und dort seinen unbändigen Spieltrieb auslebt. Erzählt von den Mythen, die sich um ihn gebildet haben, von der Tradition der Fuchsjagd, von der Pelztierzucht …

Andreas Tjernshaugens Buch ist eine faktenreiche, unterhaltsame und muntere Liebeserklärung an ein Tier, das, von Mythen umwoben, oft missverstanden wird, und doch viel mehr ist als der listige Reineke Fuchs, wie er in der Literatur meist beschrieben wurde.

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Seitenzahl: 216

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Cover

Titel

Andreas Tjernshaugen

Das verborgene Leben der Füchse

Eine Spurensuche

Aus dem Norwegischen von Ulrich Sonnenberg

Mit vielen Abbildungen

Insel Verlag

Impressum

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Die Wiedergabe von Gestaltungselementen, Farbigkeit sowie von Trennungen und Seitenumbrüchen ist abhängig vom jeweiligen Lesegerät und kann vom Verlag nicht beeinflusst werden.

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Titel der Originalausgabe : Reven. Portrett av et villdyr. First published by Kagge Forlag AS, Oslo, 2021. Der Verlag dankt NORLA – Norwegian Literature Abroad für die großzügige Förderung der Übersetzung

eBook Insel Verlag Berlin 2023

© Insel Verlag AG, Berlin, 2023

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Umschlaggestaltung: Designbüro Lübbeke, Naumann, Thoben, Köln

Umschlagabbildungen: Isselee / Dreamstime

eISBN 978-3-458-77641-3

www.suhrkamp.de

Motto

»… es ist ganz großer Wahnsinn zu glauben, der Fuchs hätte sein wildes Wesen und seine wilde Natur abgelegt und stünde in der Kirche und sänge wie eine Nonne …«

Herman Weigere, En Ræffue Bog, 1555

Übersicht

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Informationen zum Buch

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Motto

Inhalt

Der Bau

Auf der Spur

Wie Hund und Katze

»Auch die Füchse schlafen schon«

Schabracke

Mäuse

Warum Rehe den Fuchs fürchten

Im Spätsommer

Fuchsjagd

Mit Kopfhörern auf der Dänemark-Fähre

Das Mysterium Reineke

Der Fuchs hält die Predigt

Winter, die dunkle Jahreszeit

Fütterung im Tierpark

Der Mann mit den Füchsen

Eine erfolgreiche Art

Der Vetter auf dem Berg

Quarantäne

Ein natürliches Experiment

Unter der Erde

Ein Räubernest

Stadtfüchse

Pelztiere

Kuschelfüchse

Verspielt wie Füchse

Quellen und Anmerkungen

Danksagung

Bildnachweis

Fußnoten

Informationen zum Buch

Der Bau

Der Fuchsbau liegt nur einen Steinwurf vom Waldweg entfernt, doch die wenigsten Menschen, die hier in Wanderstiefeln oder Laufschuhen vorbeikommen, wissen davon. Um den Bau zu finden, muss man einen Abhang drei, vier Meter hinunterklettern und dann einen Bach überqueren. Ist der Bach ausgetrocknet, springe ich einfach drüber oder hüpfe von Stein zu Stein, aber wenn er Wasser führt, balanciere ich über einen umgestürzten Baumstamm. Der Fuchs macht es genauso. Ich habe seine Spuren im Neuschnee gesehen.

Der Abhang neben dem Waldweg führt in eine kleine Senke, auf der anderen Seite liegt das Ende eines Kornfeldes. Zwischen dem Wald und dem Feld kommt mir die Senke vor wie ein geheimer Raum, mit einem dunklen, farnbewachsenen Boden, den der Bach ebnet, wenn er über seine Ufer tritt und die Erde ablagert, die er weiter oben in seinem Bett abgetragen hat. Oder besser gesagt, die Bäche. Denn dort unten in der Senke verschmelzen zwei Bäche. Zwischen den beiden Bachläufen türmt sich der Erdhügel auf, den der Fuchs besetzt und durchlöchert hat. Rund um den oberen Teil des Hügels hat er mehr als zehn Ausgänge gegraben, die jeweils bis zu einem halben Meter breit sind. Möglicherweise sind sie alle durch ein und dasselbe Tunnelsystem miteinander verbunden.

In alten Erzählungen wird der unterirdische Unterschlupf des Fuchses zu einer Burg, die der schlaue Adlige Reineke Fuchs mit vielen Ausgängen und Fluchtwegen gesichert hat, um jederzeit entkommen zu können, sollte ein Feind eindringen. In Wahrheit ist das Tunnelsystem eines Fuchsbaus hauptsächlich das Werk der Fähe. Generationen von Fuchsmüttern haben in dem Erdhügel Gänge und Wurfhöhlen gegraben, während sie trächtig waren. Seit mehr als einem halben Jahrhundert haben sie hier in einigen Metern Tiefe im Frühjahr ihre Nachkommen in völliger Dunkelheit geboren und gesäugt.

Im Winter sind an den Ausgängen hin und wieder Fuchsspuren und Urinmarkierungen im Schnee zu erkennen. Im Frühjahr, wenn die Welpen klein sind, verhält sich die Fähe diszipliniert und vermeidet es, Nahrungsabfälle und allzu kräftige Geruchsmarkierungen rund um den Bau zu hinterlassen, um nicht zu verraten, wo der Wurf versteckt ist. Im Laufe des Frühsommers, wenn die Welpen anfangen, die Schnauzen aus dem Bau zu stecken, nimmt sie es damit nicht mehr so genau: Reste von Nahrungsmitteln und Spielzeug, das die Eltern den Kleinen bringen, sammeln sich um den Bau herum an. In einem Sommer habe ich hier Federn, Knochen und Plastikverpackungen gefunden. »Weißbrot« und »Ökologische Feigen« stand auf den Tüten.

Doch auch wenn man solch einen prächtigen Fuchsbau mit einer beachtlichen Geschichte entdeckt hat, ist noch nicht geklärt, ob der Fuchs sich tatsächlich darin aufhält. Denn die Fähe schläft eigentlich nur während der Wochen der Aufzucht bei ihrem Nachwuchs. Kurz vor der Geburt sucht sie sich eine Wurfhöhle, vielleicht nutzt sie noch einmal den großen, alten Bau, möglicherweise gräbt sie sich aber auch eine ganz neue Höhle. An mehreren Stellen des Erdhügels sind Hinweise zu finden, dass die Füchsin gegraben und ihren Unterschlupf instand gesetzt hat – entweder wollte sie etwas ausprobieren oder ganz einfach denjenigen verwirren, der nach ihr sucht. Strenger Geruch von frischem Fuchsurin an der Öffnung eines Baus weist zumindest darauf hin, dass hier kein Wurf von Welpen zu erwarten ist. So ist das mit den Füchsen, man weiß nie, woran man bei ihnen ist.

Auf der Spur

Wir klettern durch die Blaubeerheide einen Hügel hinauf. Topsy hat eine Fährte aufgenommen, sie liegt flach auf dem Boden und zerrt an der Leine, und ich protestiere nicht, solange sie mir den Hügel hinaufhilft. Es ist erstaunlich, welche Kraft in einem nur zehn Kilo schweren Hund schlummert. An einer Kiefernwurzel kann ich mich hochziehen und mit dem Fuß abstützen, dann habe ich den Hügel erklommen. Vor uns liegt ein unbekannter Pfad, und Topsy will ihm unbedingt nach links folgen. Ich lasse mich von ihr führen, habe aber keine Ahnung, was für einer Spur sie folgt. Ein Fuchs, ein Marder? Oder ein Hund, der an der Leine mit seinem Herrchen unterwegs ist? Doch im Gegensatz zu mir kann Topsy sofort erkennen, wo ein Tier über den Waldboden gelaufen ist, also folge ich ihr.

Topsy ist eine dänisch-schwedische Farmhündin. Die Ohren können sich nicht wirklich entscheiden, ob sie hängen oder stehen sollen, und viele halten sie für einen glatthaarigen, langbeinigen Jack Russell Terrier. Farmhunde waren auf den Höfen in Schonen und Dänemark traditionell nützliche Mäuse- und Rattenjäger, und auch Topsy jagt meiner Erfahrung nach so gut wie allen Tieren hinterher. Soweit ich weiß, hat sie allerdings bisher nur einen ausgesprochen unvorsichtigen Dompfaff auf dem Gewissen. Als Topsy zum ersten Mal Gänse sah, kauerte sie sich auf den Boden und fing an, sich anzuschleichen. Daher bleibt sie angeleint, wenn wir im Wald bei Nesodden spazieren gehen, zumal sie uns schon ein paar Mal davongelaufen ist und einmal sogar ein Reh über den Waldweg getrieben hat, was nicht nur uns verblüffte, sondern auch einige andere Familien, die ihren Sonntagsspaziergang unternahmen.

1Neugieriger Fuchs, der seinen Winterpelz verliert, bei Nesodden im Mai

Nur ein einziges Mal ist Topsy in die Nähe eines Fuchses geraten. Er lief uns zufällig bei unserem Abendspaziergang über den Weg. Topsy geriet völlig außer Rand und Band – als hätte sie eine Katze gesehen. Sie bellte und winselte, legte sich flach auf den Boden und zerrte an der Leine. Auch ich fand die Begegnung mit dem Fuchs interessant, denn Rotfüchse hatte ich bisher noch nicht so oft zu Gesicht bekommen. Obwohl ich in meiner Kindheit viel Zeit damit verbracht habe, wilde Tiere zu beobachten, erinnere ich mich nur an eine einzige Begegnung mit einem Fuchs. Damals tauchte mitten am Tag ein krankes Tier in unserer Nachbarschaft auf. Ein räudiger Fuchs mit großen kahlen Flecken. Er blieb wenige Meter von mir entfernt stehen und sah mich mit zusammengekniffenen Augen an, bevor er zum Straßenrand schlich und zwischen den Bäumen verschwand. Die Räude war im Übrigen auch der Grund, warum man so wenig Füchse sah. Die Fuchsräude-Epidemie in den 1970er und 1980er Jahren hatte den Bestand an Rotfüchsen weitgehend dezimiert. Mein neu erwachtes Interesse an Füchsen hat vielleicht mit einem Versuch zu tun, sich an etwas Verlorenes aus der Kindheit zu erinnern.

Seit ich mich mit dem Fuchs beschäftige, beobachte ich unsere Hündin besonders interessiert. Vermutlich nimmt Topsy die Welt ähnlich wahr wie ihr rothaariger Verwandter mit der weißen Schwanzspitze, auf jeden Fall erlebt sie die Welt auf eine vollkommen andere Art und Weise als ich. Wenn wir dort spazieren gehen, wo viele Hundebesitzer mit ihren Hunden Gassi gehen, bleibt sie hin und wieder eine Minute schnüffelnd stehen und folgt jedem Grashalm und jedem Zweig mit der Nase – ich nehme an, sie will so viel wie möglich über den Hund herausfinden, der dort uriniert hat. Bisweilen gerät Topsy außer sich vor Aufregung über etwas, das sich meinen Augen verbirgt; aber oft sehe ich auch nur wenige Meter von uns entfernt eine Katze oder ein Reh, das Topsy nicht wahrnimmt, weil der Wind aus der falschen Richtung kommt. Ich bilde mir ein, dass es beim Fuchs so ähnlich sein muss.

Der Waldweg, den Topsy gefunden hat, erweist sich als ein Wildwechsel, der einfach aufhört und verschwindet, aber sie läuft mit der Nase am Boden weiter. Wir gehen über eine Hügelkuppe. Das Terrain fällt langsam ab. Der offene Kiefernwald wird von Haselnussbäumen abgelöst, die Bäume haben viele dünne Stämme, die sich in alle Richtungen neigen; im Frühjahr werden die Blätter dieser Holzfontänen die Sonne abschirmen, sodass darunter kaum noch etwas wachsen kann. Der Waldboden ist übersät mit braunen Blättern. Diese Böschung könnte ein guter Ort für einen Fuchsbau sein, denke ich noch, und als Topsy mich auf eine kleine Lichtung zwischen einem Kiefernbaum und einem Felsen zieht, entdecke ich den Bau. Die Hündin steckt die Nase in ein Loch, das offenbar in den Hang gegraben wurde. Etwas weiter entfernt bemerke ich ein weiteres Loch. Topsy ist jetzt aufgeregt, es sieht aus, als wollte sie in die Gänge kriechen, um den Bau von innen zu untersuchen, aber ich halte sie fest an der Leine, weil ich nicht riskieren will, dass sie unter der Erde stecken bleibt oder dort auf einen Fuchs oder ein anderes wildes Tier trifft.

Ein Fuchsbau liegt häufig in der Nähe eines Baches oder einer anderen Trinkwasserquelle. Es hat allerdings wenig Sinn, direkt am Bachlauf nach einem Bau zu suchen, denn dort könnte er leicht von Wasser überschwemmt werden. Der Fuchs braucht lockere und trockene Erde, damit er bequem darin graben und einige Meter tief ins Erdreich vordringen kann. Geeignet sind Hänge und Böschungen. Es heißt, der Fuchs bevorzuge Südhänge. Auch Felsspalten, Hohlräume unter Baumstümpfen und Baumwurzeln, Geröllhalden aus großen Steinen und Löcher unter Gebäuden können für einen Bau genutzt werden; an solchen Stellen ist es bisweilen schwierig, den Eingang eines Baus von einem gewöhnlichen Loch zu unterscheiden. Dort, wo ich lebe, möchte der Fuchs am liebsten nicht gesehen werden. Daher zieht er es vor, seinen Bau an einem unzugänglichen oder abgeschirmten Ort anzulegen, der allerdings erstaunlich nah an Häusern, Feldern oder Wegen liegen kann.

Hin und wieder zieht der Fuchs in alte Dachsbauten ein und nutzt das vorhandene Gangsystem, und in großen, alten Anlagen kommt es bisweilen sogar vor, dass sich Dachs und Fuchs arrangieren und jeder in seinem Teil des Baus lebt. Ein Höhlenbewohner ist der Fuchs allerdings lediglich, wenn das Wetter schlecht ist oder er von Feinden verfolgt wird und Zuflucht suchen muss. Normalerweise schläft er am liebsten unter freiem Himmel. Der Dachs hingegen lebt das ganze Jahr über in seinem Bau, daher sind die Wege, die aus seinem Bau herausführen, stärker zertrampelt als die vor einem Fuchsbau. Auch häuft der Dachs durch sein ewiges Graben weitaus größere Erdhaufen an als der Fuchs. Außerdem richtet sich der Dachs gern mit einer weichen Unterlage aus Blättern und Moos ein, die er regelmäßig erneuert. Häufig sieht man, dass der Dachs gerade altes Material aus dem Bau transportiert hat und den Bau mit neuen Blättern ausstattet. Einen Dachsbau erkennt man auch an dem gut sichtbaren Graben, der vom Bau wegführt und durch das ständige Graben entstanden ist. Ein Fuchs hinterlässt keine solche Gräben. Einen bewohnten Fuchsbau erkennt man außerdem an dem charakteristischen Geruch seiner Bewohner, beziehungsweise an den Futterresten rund um die Öffnung, die bei einem Dachsbau nicht vorkommen.

Bekommt man den Fuchs nicht zu Gesicht, muss man nach seinen Spuren suchen. Da er gern Vögel jagt, finden sich häufig viele Federschäfte am Boden, die er mit seinen scharfen Schneidezähnen einfach durchgebissen hat. Sind die abgebissenen Federn weiträumig verteilt, hat sich vermutlich ein Wurf Welpen anschließend über den Vogelkadaver hergemacht. Ein Habicht geht, ebenso wie ein Falke oder eine Eule, ganz anders vor. Er hinterlässt einen Haufen Federn, die er alle sorgfältig aus der Beute gerupft hat.

Seinen Kot verteilt der Fuchs häufig demonstrativ, zum Beispiel auf Baumstümpfe oder umgestürzte Baumstämme. Die Würste sind etwa anderthalb Zentimeter dick und fünf bis zehn Zentimeter lang. Sie können aus mehreren Teilen bestehen, die von den Haaren der Beutetiere zusammengehalten werden. Häufig ist der Kot spiralförmig und an einem Ende zu einer Spitze zusammengedrückt. Außer Haaren enthält der Kot oft kleine Mäuseknochen. Alter Fuchskot wird weißlich, der frische Kot ist schwarz oder grau. Da der Kot häufig Krankheitserreger enthält, fasst man ihn besser nicht an, allerdings lässt sich Fuchskot und Urin am typischen Geruch gut erkennen. Der beste Vergleich, den ich kenne, ist vielleicht der Duft einer frisch geöffneten Packung mit Pulverkaffee, allerdings ist es ein eher tierischer Geruch, mit dem man sich ganz einfach vertraut machen muss. Es stinkt nicht wie die Hinterlassenschaften von Hunden, Katzen oder anderen Haustieren.

Der »Fußabdruck« des Fuchses ähnelt dem eines kleinen bis mittelgroßen Hundes. Man sieht die Abdrücke des hinteren Ballens und der vier Vorderzehen mit den Kerben der Klauen. Von Katzen- und Dachsspuren sind diese Abdrücke leicht zu unterscheiden, da sich bei Katzenspuren die Krallen nicht abzeichnen und Dachse fünf statt vier Zehen haben. Die Unterscheidung von Hunde- und Fuchsspuren ist etwas schwieriger. Die Pfotenabdrücke eines Fuchses sind langgezogener als die eines Hundes, fünf bis sieben Zentimeter lang und gut vier Zentimeter breit. Gut zu unterscheiden sind die verschiedenen Abdrücke im Schnee oder in nassem Sand. Zieht man da einen geraden Strich direkt hinter den beiden mittleren und den vorderen Zehen vom Pfotenabdruck eines Fuchses, liegen die beiden äußeren Zehen vollständig hinter dem Strich. Bei dem Abdruck einer Hunde- oder Wolfspfote überlappen die beiden äußeren Zehen den Strich.

Die Sonne glitzert im frischen Schnee, als wir auf eine Fuchsspur stoßen. Topsy und ich nehmen die Fährte auf. Sie schnüffelt, ich schaue. Wenn der Hund Stiefel- oder Hundespuren folgen will, sage ich nur: »Aufpassen!« Dann hebt Topsy den Kopf und schaut mich an. Zeige ich in die Richtung, in die der Fuchs gelaufen ist, weiß sie genau, was ich will, und läuft mit gesenktem Kopf weiter die Fuchsspur entlang. Sie liebt dieses Spiel. Ich auch.

Die Spur verläuft zunächst am Waldrand, dann verschwindet sie in einem undurchdringlichen Gehölz aus jungen Fichten. Wir verlieren die Fährte, aber glücklicherweise taucht sie ein paar Meter weiter wieder auf. Es sieht nicht so aus, als hätte der Fuchs etwas erbeutet. Hin und wieder ist er schneller gelaufen und auch mal ein paar Meter gesprungen, aber wie es scheint, ist er anschließend einfach weiter in die gleiche Richtung getrabt. Ich halte Topsy zurück, damit sich ihre Spur nicht mit der des Fuchses vermischt, und gehe in die Knie, um mir die Abdrücke im Schnee genau anzusehen. Die Sonne hat den Schnee zum Schmelzen gebracht und die Abdrücke sind nicht mehr gut zu erkennen. Dennoch bin ich beinahe sicher, dass es sich um eine Fuchsspur handelt und nicht um die Abdrücke eines munteren freilaufenden Hundes. Schon bald finden wir eine neue Spur auf einer Lichtung, auf der im Sommer Kühe grasen. Die Spur zieht sich über die Weide und führt mich zu einer Stelle, an der sich der Bach leicht überqueren lässt. Ich kannte sie bisher nicht. Hier finde ich auch erstklassiges Beweismaterial: Urin im Schnee. Ich schaue mich um, bevor ich mich in den Schnee lege und die Nase über den gelbbraunen Flecken halte, ungefähr so, wie Topsy es macht. Ich schnüffele. Es riecht nach Fuchs.

Wie Hund und Katze

Blickt man in die bernsteingelben Augen eines Fuchses, fällt sofort auf, dass es sich bei den Pupillen um senkrechte Schlitze handelt – wie bei einer Katze. Es ist ein Hinweis auf das Tier, mit dem wir es zu tun haben: ein Tier mit Katzenaugen in einem schlanken Hundekörper. Der Rotfuchs ist mit dem Hund und dem Wolf verwandt, doch seine Lebensweise gleicht eher der von Katzen, denn wie Haus- und Wildkatzen ist der Fuchs ein einsamer Jäger. Er sucht sich eine möglichst kleine Beute, die er allein erwischen kann.

2Die Pupillen des Fuchses sind senkrecht geformt. Das Foto wurde im Februar im Tierpark Bjørneparken in Flå aufgenommen

Daher geht der Fuchs besonders gern auf Mäusejagd. Ein Rascheln und Knistern und der Fuchs weiß, wo sich eine Maus aufhält, sogar im hohen Gras. Damit die Beute nicht zu früh gewarnt wird, schleicht sich der Fuchs lautlos an. Das letzte Stück fliegt er sogar. Er krümmt sich zusammen und springt hoch in die Luft. Normalerweise springt er bis zu zwei Meter weit, wenn es notwendig ist, gelingt ihm allerdings sogar ein Sprung von bis zu fünf Metern, wobei er den Kurs mit seinem langen Schwanz justiert. Er landet direkt auf dem kleinen Nager und fängt ihn entweder mit der Schnauze oder einer Pfote. Der Rotfuchs ist ein talentierter Jäger, doch es fehlen jegliche Anlagen zu einem koordinierten Vorgehen als Gruppe, wie es bei einem Wolfsrudel zu beobachten ist, das gemeinsam einen stattlichen Elch erlegt, den keiner der Wölfe allein bezwingen könnte. Nach erfolgreicher Jagd macht sich der Fuchs auch allein über seine Beute her. Viel zu teilen gibt es bei einer Maus ja ohnehin nicht.

Der Körperbau des Fuchses ist ideal für die luftigen Sprünge: Ein Fuchs ist leicht, denn die Knochen seines Skeletts sind dünner, als man es bei einem so großen Säugetier erwarten würde. In seinem dichten Winterpelz, mit dem sich der Fuchs hier im Norden warm hält, sieht er recht wohlgenährt und rund aus, im Sommer ist der schlanke Körperbau jedoch deutlich zu erkennen. Dem Fuchs fehlt auch die breite Brustpartie, die bei Hunden ähnlicher Größe häufig zu sehen ist. Die Eingeweide sind leichter, denn zu den »Einsparungen«, die den Fuchs so leichtgewichtig werden lassen, gehört, dass er nur wenig Platz im Magen hat. Während ein Wolf oft zwanzig Prozent seines eigenen Körpergewichts auf einmal an Nahrung zu sich nimmt, schafft ein Fuchs kaum mehr als zehn Prozent; und während ein Wolf lange von einer Mahlzeit zehren kann, muss der Fuchs häufig und regelmäßig fressen. Statt wie der Wolf die Beute auf einmal zu fressen, vergräbt der Fuchs Vorräte – etwa eine einzelne Maus –, wenn etwas von ihr übrig bleibt.

Die Schulterhöhe eines typischen norwegischen Fuchses beträgt rund vierzig Zentimeter. Ohne den langen, buschigen Schwanz ist der Körper des Fuchses sechzig bis fünfundachtzig Zentimeter lang und wiegt normalerweise nur vier bis acht Kilo. Wenn ich das Maßband bei Topsy anlege und sie auf die Badezimmerwaage stelle – normalerweise reagiert sie dabei ausgesprochen skeptisch und muss reichlich mit Leckerbissen belohnt werden –, stelle ich fest, dass sie schwerer als die allermeisten Füchse ist. Ihre Rückenlänge entspricht der eines ausgewachsenen Fuches, mit ihrer Schulterhöhe kommt sie aber nicht an ihn heran … Auch wenn Topsys Vorfahren seit Jahrtausenden mit Menschen zusammengelebt und seit Generationen auf dänischen und schwedischen Bauernhöfen Mäuse gefangen haben, hat sich ihr Körperbau durch das enge Zusammenleben mit den Menschen nicht verändert. Es ist der Körper eines Wildtiers geblieben, er ist das Erbe des Wolfs. Ihr Spielzeug nimmt sie zwischen die Zähne und schüttelt es mit aller Kraft. Nicht anders als ein Wolf seine Beute. Ein Fuchs macht so etwas nicht. Er schlägt die langen, spitzen Eckzähne in die Beute und beißt – wenn nötig mehrfach – fest zu, bis der Tod eintritt, ungefähr so wie eine Katze.

Der Fuchs hat noch einige weitere katzenähnliche Züge. Zum Beispiel zeigt er sich gern von der Seite und macht einen Buckel, wenn es zu einem Konflikt kommt. Und dann sind da, wie gesagt, die Augen. Die senkrecht geformten Pupillen kommen eigentlich nur bei Raubtieren vor, die nach Einbruch der Dunkelheit jagen. Vermutlich ist diese Augenkonstruktion hilfreich, um bei schlechten Lichtverhältnissen den genauen Abstand zum Beutetier einschätzen zu können; solche Pupillen haben Raubtiere, die wie Katzen und Füchse ihre Beute überrumpeln und sie nicht wie Wölfe über große Distanzen offen verfolgen. Der Blick verrät den Fuchs als einen schleichenden Jäger und Nachtwanderer.

Obwohl das Jagdverhalten des Fuchses an Katzen erinnert, ist die Nahrung grundverschieden. Katzen sind weitgehend Fleischfresser. Der Fuchs hingegen frisst nahezu alles. Ihm schmecken zum Beispiel auch Früchte und Beeren – genau wie Topsy, die mit großem Vergnügen am Blaubeerenpflücken teilnimmt. Sie bedient sich direkt an den Sträuchern, und bei der Erdbeer- und Himbeerernte vollführt sie bereitwillig Kunststücke, um hin und wieder eine Beere als Belohnung zu bekommen. Der Fuchs frisst auch gern Regenwürmer, Vogeleier und größere Insekten; vielerorts versorgt er sich mit dem Abfall der Menschen und bedient sich bekanntlich mit Vorliebe in schlecht gesicherten Hühnerställen. Im Winter können die Kadaver größerer Säugetiere seine Rettung sein. Der Fuchs ist vielseitig und anpassungsfähig, ein echter Opportunist.

Der Stammbaum des Fuchses beginnt wie der von uns Menschen sehr weit in der Vergangenheit. Wir Säugetiere leben seit mehr als zweihundert Millionen Jahren auf der Erde, und die Vorfahren der Raubsäugetiere – also des Zweigs, zu dem Füchse, Hunde und Katzen gehören – trennten sich von den übrigen Säugetieren lange bevor eine Katastrophe vor vielen Millionen Jahren die großen Dinosaurier und viele andere Tierarten ausrottete, vermutlich als Folge eines Meteoriteneinschlags. Kurz danach teilten sich die Raubsäugetiere in mehrere Zweige, unter anderem in die Katzenartigen und die Hundeartigen. Diese beiden Zweige waren in ihrer Verbreitung auf Nordamerika beschränkt, solange diesem Teil der Welt die Landverbindung zu den übrigen Kontinenten fehlte.

Topsy, der Rotfuchs und alle anderen heute existierenden Hundeartigen stammen von der Gattung Leptocyon ab, die sich in Nordamerika vor vielleicht vierunddreißig Millionen Jahren entwickelte. Die Gattung Leptocyon war klein und langgestreckt, wog weniger als zwei Kilo und hatte eine spitze Schnauze mit spitzen Zähnen, die wohl am besten geeignet waren, um kleine Tiere zu fangen. Vermutlich ernährten sie sich nicht nur von Fleisch, sondern zum Beispiel auch von Früchten. Vor circa sechzehn Millionen Jahren trennten sich die Vorfahren des Wolfes unter den Leptocyon-Hundeartigen von den Vorfahren des Rotfuchses. Die Vorfahren des Wolfes entwickelten mit der Zeit massive Körper mit einer kräftigen Nackenmuskulatur, Kiefern und Zähnen, die geeignet waren, größere Tiere zu packen, zu töten und in Stücke zu reißen. Außerdem verfügten sie über genügend Ausdauer, um ihre Beute bis zur Erschöpfung vor sich her zu treiben, und über die mentalen Eigenschaften, die notwendig sind, um effektiv im Rudel zu jagen.

Die Vorfahren des Fuchses hingegen hielten sich an eine Lebensweise, die eher an den Leptocyon erinnerte: kleine Beutetiere, individuelle Pirsch und vielseitige Kost. Im Laufe der Zeit wurde der Fuchs deutlich größer als seine Vorfahren und entwickelte sich zu einem flexiblen Allesfresser mit einer Vorliebe für Mäuse.

Heute teilt die Wissenschaft die Hundefamilie (Canidae) in die beiden Hauptzweige Fuchs und Wolf. Die Familie des Fuchses (lateinisch Vulpini) umfasst rund sechzehn noch existierende, verhältnismäßig kleinwüchsige Arten. Zu den größten unter ihnen zählt der Rotfuchs, der auch am zahlreichsten ist und die größte Verbreitung hat. Hier in Skandinavien haben wir noch einen weiteren Fuchs, den Eisfuchs, der in der Arktis auch Schneefuchs genannt wird. Der wölfische Zweig der Familie, die Canini, umfasst heute weltweit rund zweiundzwanzig größere und kleinere Arten. Durch seine Partnerschaft mit dem Menschen hat der Hund sich als Nachfahre des Wolfs in einer Weise verbreitet, die jede andere Raubsäugetierart übertrifft. Es dürfte rund eine Milliarde Hunde auf der Erde geben. Die meisten von ihnen sind wild und leben auf der Straße, auf Mülldeponien oder anderen Orten in der Nähe von Menschen.

Der Rotfuchs wird häufig einfach nur als Fuchs bezeichnet. Der lateinische Name Vulpes vulpes bedeutet schlicht »Fuchs Fuchs«. Der eigentliche Fuchs. Er entwickelte sich zu einer eigenständigen Gattung, nachdem die Hundeartigen vor einigen Millionen Jahren den Weg aus Nordamerika in andere Erdteile fanden. Der Rotfuchs könnte sich im Nahen Osten entwickelt haben, jedenfalls verbreitete er sich über große Teile Asiens, Europas und Nordafrikas, eroberte mit der Zeit Nordamerika, den Kontinent seiner Vorfahren, und wurde von Menschen nach Australien gebracht. Er hat sich beinahe sämtliche Lebensräume zu eigen gemacht: von Bergregionen oberhalb der Baumgrenze bis zur Küste, von Großstädten bis zur Wildnis, von der Wüste in Saudi-Arabien bis hin zur arktischen Tundra-Landschaft. Aussehen und Größe variieren je nach Klima. In südlichen Wüstenregionen hat der Rotfuchs ein helles Fell, große Ohren und wiegt weniger als die Hälfte seiner Artgenossen hier in den skandinavischen Ländern, aber auch dort sind es Rotfüchse. Der Rotfuchs kann sich den allermeisten Milieus anpassen und ist ganz einfach ein gewaltiger Erfolg der Evolution. Denn kein anderes Raubsäugetier ist derart verbreitet, sieht man einmal von den zahmen Hunden und Hauskatzen ab.

Obwohl der Fuchs allein jagt, ist er im Vergleich zur Katze ein soziales Tier. Der Fuchs hat Familie. Ein ausgewachsenes Elternpaar kann mehrere Jahre zusammenbleiben, vorausgesetzt, sie leben so lange. Das Paar hält sich überwiegend in einem gemeinsamen Heimatgebiet auf, das sie vor allem im Frühjahr gegen eindringende andere Füchse verteidigen.