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Verlagsort: Regensburg | Erscheinungsjahr: 1866 | Verlag: Manz
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Seitenzahl: 211
Aus den Schriften des gottseligen
Johann von Bernieres Louvigni
gesammelt für innige und stille Seelen.
Neuste, rechtmäßige Ausgabe.
Regensburg, 1886.
Druck und Verlag von Georg Joseph Manz.
Vorwort.
Das vorliegende Erbauungsbuch, ein asketisches Meisterwerk, entstand ursprünglich auf französischem Boden und hat einen der bewährtesten Geistesmänner des 17. Jahrhunderts zum Verfasser. (Sieh dessen Lebensgeschichte in der ersten Ansprache). Beim ersten Erscheinen des französischen Originals fand es von Seite des gläubigen Volkes die begeistertste Aufnahme und verbreitete sich in kurzer Zeit über ganz Frankreich. Nicht lange - und es ward in verschiedenen Sprachen übersetzt und so einem noch weitern Leserkreis zugänglich gemacht. In deutscher Ausgabe nun erschien es zum ersten Male in Regensburg 1810, bearbeitet von einem seeleneifrigen und für Regensburgs Bewohner unvergesslichen Priester. Später wurde es in mehreren Auflagen in Luzern gedruckt und auch fortan mit allgemeinem Beifall aufgenommen. Da nun diese deutsche Ausgabe, welche seither dem gläubigen Volke viel Nutzen gebracht hat, seit langer Zeit nicht mehr zu haben war, so wurde die G(eorg) J(oseph) Manz’sche Buchhandlung in Regensburg, an welche sowohl der Regensburger als auch der Luzerner Verlag übergegangen ist, veranlasst, eine neue rechtmäßige Auflage dieses kostbaren und nützlichen Buches, wobei die Ausgabe von Sintzel (R. 1837) mit zu Grunde gelegt ist, zu veranstalten.
Möge Gott dem Werke auch in dieser neuen deutschen Ausgabe seinen göttlichen Segen verleihen, dass es so zahlreiche heilsbegierige Leser, wie bei seinem ersten Erscheinen, finde und in selben die nämlichen Früchte des Heiles wirke, die es schon in so vielen Tausenden hervorgebracht hat.
D. b. P.
J. K.
Such, die ihr euch Gott und dem inwendigen Leben in Gott gewidmet habt, euch wird dieses Büchlein vom verborgenen Leben vorzüglich gewidmet. Diese gesammelten, schönen, wohlriechenden Blumen möchte ich gern in euern Schoß schütten, mit einem hoffnungsvollen Wunsche: dass sie Gott in euer und mein Herz pflanze, damit sie dort zu einem Garten Gottes erwachsen. - Eine fleißige Biene kann den reinsten, besten Honig darin finden. Ihr, meine Liebsten! werdet leicht erkennen, dass diese Lehre aus Gott sei, und auch wieder zu Gott führe. So entfernt sie ist von irdischer menschlicher Weisheit und Weltklugheit, desto reichlicher wird sie sich mit Geist und Kraft an heilsbegierigen Herzen erweisen.
Der Verfasser der Schrift, aus welcher diese Auszüge gesammelt sind, war Johann von Bernieres Louvigni, ein Edelmann aus der Provinz Normandie in Frankreich. Sein Adel, seine guten Eigenschaften, Geschicklichkeit und Vernunft öffneten ihm schon in seinem jugendlichen Alter die Türe zu großen Ehren und Ansehen in der Welt. Er wurde ein Rat des Königs, und königlicher Rentmeister am Zollhause zu Caen. Allein, da er eben mit großen Schritten der Ehre der Welt nachlief, wurde er von Gott eingeholt, und durch seine Gnade kräftig überzeugt und bewogen, das unbeständige Weltglück zu verleugnen, und sich völlig und ganz Gott zu ergeben. Er folgte dieser göttlichen Überzeugung getreu und ohne Vorbehalt, und führte ein abgeschiedenes heiliges Leben bis in’s 57. Jahr seines Alters. Von seinem inwendigen Leben vor Gott, und von seinem gründlichen Lichte und Erfahrung in den Wegen des inwendigen Christentums zeugen seine nachgelassenen Schriften. Sein Leben hat er selbst beschrieben; es ist aber nicht zum Druck gekommen. Von seinem äußern Wandel weiß man nur, dass er mit seinen zeitlichen Gütern den dürftigen Nebenmenschen an Leib und Seele reichlich zu helfen und zu dienen trachtete. Gott hat ihn als ein Werkzeug zur Belehrung, zur Leitung und Führung vieler Seelen in dem inwendigen Leben gebraucht. Übrigens liebte er die Einsamkeit, und hatte keinen Umgang mit Menschen, besonders mit Gottvergessenen, wenn er nicht dazu gezwungen wurde. Man sagte von ihm, er sei nie aus dem Kabinett seines Herzens herausgegangen, auch in dem Umgang mit andern nicht, wenn er gleich äußerlich wichtige Sachen, die große Anstrengung seines Verstandes forderten, mit ihnen zu verrichten hatte.
Der gelehrte Bischof Huetius gibt ihm, als ein Augenzeuge und als sein Nachbar in der Stadt Caen, dieses Zeugnis: „Er hatte die Würde eines französischen Schatzmeisters niedergelegt, und sich mitten in der Stadt eine einsame und vom Getümmel der Menschen entlegene Wohnung verschafft, und einige wenige gleichgesinnte zur Gesellschaft zu sich genommen. Er legte sich ganz auf den Dienst Gottes, auf die Verpflegung der Armen, und suchte auf mancherlei Weise das Heil der Menschen zu befördern. Es ist unaussprechlich, wie sehr er das Reich Gottes ausgebreitet hat durch das Beispiel seiner guten Werke, und durch die unverrückte Beständigkeit seines gottseligen Lebens. Wie ich dieses alles so vor meinen Augen sah, (denn ich wohnte in seiner Nachbarschaft) wurde ich wunderbarlich entzündet, diesem Vorbilde nachzufolgen; aber die Hitze meiner Jugend, der Betrug der Welt, und der Kitzel der eitlen Ruhmsucht machte mich Gott ungehorsam, der mich so glücklich zu sich lockte. Mehrere andere gottselige Gelehrte haben ihn sehr gerühmt, und seine Schriften empfohlen; unter andern nennt ihn der Abt Beaudran in seinen geistlichen Schriften 5. Teile Seite 188 einen großen und in den innerlichen Wegen sehr erleuchteten Diener Gottes.
Er starb zu einer Zeit, wo er keinen Augenblick vom Gebet abgesondert war, obwohl er sich zugleich in der Arbeit, und sehr schweren Kreuz und Leiden befand. Der selige und angenehme Tod dieses Gerechten erfolgte den 3. Mai im Jahre 1659, im 57. Jahre seines Alters. Seine Seele schied sich nur vom Leibe, um sich mit Gott, seinem wahren Leben, vollkommen zu vereinigen. Dies geschah eben, da er mit Gott im Abendgebet beschäftiget war. Sein Tod war nicht von einer Krankheit oder Gebrechlichkeit verursacht. Er hatte den ganzen Tag kein Übel empfunden; er fühlte auch noch nichts, da er sein Gebet anfing. Sein Bedienter kam diesen Abend zu ihm, vermutlich weil er etwas länger ausblieb, und sagte zu ihm: es sei nun Zeit, dass er sich zur Ruhe begebe, und seine gewöhnliche Zeit, die er sonst zu dieser Übung anwendete, sei schon verflossen. Der liebe Mann aber bat mit seiner gewohnten Freundlichkeit, er möchte ihm nur noch einen Augenblick vergönnen. Der gute Diener kam bald wieder, und fand seinen Herrn auf den Knien in der Gestalt eines Betenden liegen. - Er wollte ihm zureden, sah aber bald, dass seine Seele heimgegangen, und der Leib von ihr verlassen sei. So hat er in diesem seligen Augenblicke aufgehört zu sterben, und angefangen zu leben, ohne Zweifel, weil die Bande, die ihn noch länger hätten hindern können, zum Herrn heimzugehen, durch die Lieblichkeiten der göttlichen Umarmungen gebrochen sind, um so in dem Schoße seines Herrn Jesu Christi sanft einzuschlafen, und als eine reife Frucht für die Ewigkeit ohne Gewalt in Gottes Hände zu fallen.
So heilig und erbaulich sein Leben war, so sehr hat die Hölle und der Satan in den Feinden der Kirche Christi wider ihn gerast und gewütet. Es fehlte ihm nicht an Schmach, Verachtung und Lästerung.
Seine Schriften sind erst nach seinem Tode meistens aus seinen Briefen gesammelt worden. Der kurze Inhalt und Zweck derselben ist die innere und äußerliche Gleichförmigkeit mit Jesu Christo, besonders in seiner Liebe zur Armut, Verachtung und Leiden, welche durch die innige Gemeinschaft mit ihm, durch das unablässige Geistesgebet, und durch einen kindlichen Wandel in der Gegenwart Gottes erlangt wird. Er schrieb aus dem Herzen, und aus Erfahrung. Es wird auch wieder in das Herz des Lesers eindringen. Seine Bücher wurden in Frankreich so geliebt und gesucht, dass ein Band in einem Jahre zwölfmal aufgelegt, und über 30,000 Exemplare verkauft wurden. Ein anderer zählte zu seiner Zeit schon 20 Ausgaben. - Ich hoffe, dass es auch zu unserer Zeit noch Seelen gebe, die Geschmack daran finden werden. Wem sie aber nicht gefallen, der lasse sie doch denen liegen, die sie lieben, und sich daraus erbauen; er hüte sich, dass er nicht lästere, was er nicht versteht.
Damit ihr aber, o teure, durch das Blut Jesu erkaufte Seelen! wissen möget, was eigentlich der Titel dieses Büchelchens: Das verborgene Leben mit Christoin Gott - sagen wolle, so will ich euch vorläufig anzeigen, wie es mit einer Seele zuzugehen pflegt, welche zu diesem verborgenen Leben gelangt. Man gelangt gewöhnlich durch mehrere Stufen dazu, so wie es dem Herrn gefällt, die Seele zu führen; und je nach dem die Seele sich führen lässt.
Erste Stufe.
Der Seele, welche Gott zu seinem verborgenen Leben führen will, werden alle äußeren und inneren Beschäftigungen und eigenen Wirkungen, auf denen bisher, ohne dass sie es selbst wusste, meist ihr Christentum beruht hatte, verleidet und benommen. Mit ihrem Lesen, Betrachten, Hören, Reden, mündlichem Beten u. dgl. will es nicht mehr recht fort. Der vorhin so geschäftigte Verstand scheint unvermögend, wie vormals zu wirken, nachzusinnen und zu überlegen. - Das Gedächtnis kann die vorigen Gedanken nicht mehr so wiedergeben, noch die alten Vorstellungen behalten. Und der Wille findet keine Freude noch Lust mehr an den ehemaligen Hebungen; sondern statt des vorigen Vergnügens, des Geschmacks, und der Süßigkeit an geistlichen Dingen, wird der Seele alles dürr, saftlos, und wohl gar verdrüßlich und unlustig.
Zweite Stufe.
Hingegen fühlt die Seele eine mehr als gewöhnliche Neigung zur Einsamkeit und Stille in sich, und zwar so wohl zur äußerlichen, als auch vorzüglich zur inwendigen Stille ihrer Seelenkräfte, bei welchen sie allen übrigen irdischen Dingen in aller Einfalt abgeneigt zu werden anfängt, und sie zu vergessen scheint, während sie mit einer sanften und liebevollen Zuneigung zu Gott hingezogen wird.
Dritte Stufe.
Da wird sie denn die Gegenwart Gottes in ihr gewahr, die sie mit kindlichem Glauben umfängt. Und wenn sie sich nun der Führung des in ihr gegenwärtigen Gottes überlässt, und seinem innigen Zuge still sich hingibt, so wird ihr durch ein solches Stillsein geholfen (Jes. 30,15); indem sie von der vorigen Zerstreuung ihres eigenen Wirkens abgewöhnt wird, um in ihrem Innern in demütiger Stille auf die geheime Zucht der ewigen Weisheit, und auf ihre Anweisung im Grunde des Herzens zu merken. Dadurch wird sie denn auf das verborgene Leben mit Christo in Gott hingewiesen, welches nicht anders als Stufenweise durch das beständige Sterben mit Christo, an sich selbst, und allen Kreaturen erlangt wird.
Vierte Stufe.
Nun fällt alles bloß in der Vernunft haftende, schwülstige und äußerliche Scheinwesen im Christentum, wobei man vor der Welt, oder doch in seinen eigenen Augen noch ziemlich bei Ehren bleiben konnte, nach und nach hin, und die Seele fängt an, in einen kindlichen Sinn einzugehen, und das einfältige, arme, verachtete und verborgene Kreuzleben Jesu Christi anzutreten, da ihr dann gar andere Lektionen als vorhin vorgelegt werden. Die Leiden, die Armut und die Schmach Christi muss sie liebgewinnen lernen: und hingegen die Gemächlichkeiten der Sinne und des Fleisches, die Reichtümer und Schätze der Erde, samt aller weltlichen Ehre und Hoheit, als gar verdächtige Sachen fliehen.
Fünfte Stufe.
Jetzt muss das Herz gründlich und in Wahrheit von aller, auch geringster Anklebung an den Geschöpfen losgemacht, und alle, auch die verborgenste Lust, Freude und Liebe von allem, was nicht Gott ist, abgewendet werden. Da wird die Seele nicht nur über böse Taten bestraft; sondern auch über jede nicht lautere Absicht, selbst bei sehr guten Handlungen. Ja, ein einziges, unnötiges oder unbedachtsames Wörtchen, wäre es auch in guten und geistlichen Dingen, und eine kurze, freiwillige Ausschweifung ihrer Gedanken, eine Sorge, oder Bekümmerung wird nicht übersehen.
Sechste Stufe.
Die Seele darf nicht mehr hören und sehen, gehen und stehen, tun und und lassen, was sie selbst will, und wie es ihr in den Sinn kommt: nein, sie erkennet nun, dass sie Einen über sich und insich habe, dem sie nach dem Auge sehen muss, und dem ihr Wille in völliger Gelassenheit unterworfen sein muss. Ein subtiler Eigensinn, eine unordentliche Gemütsbewegung, eine Selbstgefälligkeit, eine Anmassung des Guten, das sie etwa redet oder tut, kann diesen zarten Gast und Bräutigam schon kränken. Daher, wo sie sich immer in ihrer Eigenheit selbst findet, da geht sie aus sich aus, in wahrer Verleugnung und Absterbung ihrer selbst, um der Liebe Gottes willen.
Siebente Stufe.
In Summe: es heißt bei solchen Seelen: Ich sterbe täglich, stündlich, und augenblicklich, indem nach Gottes weiser Führung meist durch Kreuz und Leiden, von außen und von innen das eigene Leben vollends indenTod gebracht wird.
Und das ist das verborgene Leben, bei welchem es in lebendiger Erfahrung wahr befunden wird, dass Gott nicht ferne von einem jeglichen unter uns sei; denn in Ihm leben, schweben und sind wir. (Apg. 17,27.) Und so leben solche Seelen in ihrem Innern in Gott und seiner Gegenwart, wie der Fisch im Wasser und wie der Vogel in der Luft.
Nämlich nicht in bloßer Einbildung und Vorstellung, sondern wirklich und wesentlich schöpfet ihr Geist durch immerwährendes Gebet oder Glaubenshungern und Nahen zu Gott göttliches Leben und Stärke aus ihm, so dass Gottes Leben in sie eingeflößt wird, und sie mit einem sanften und stillen Geiste, wie der Geist Christi war, in einem einfältigen, unschuldigen und kindlichen Wesen vor den Augen ihres Gottes wandeln, und gleichwie sie mit Christo allem sterben (Kol. 2,20.), sie auch mit Christo in Gott verborgen leben.
Ja wohl verborgen! so, dass die kluge Vernunft über dieses Leben hinsieht! - Die Sinne kennen es nicht, fleischliche Augen nehmen nichts wahr davon. Armut, Verachtung und Leiden sind drei Decken, welche es von außen vor der Welt verbergen, welche, nicht glaubt noch denkt, dass eine Braut und Königstochter mit unaussprechlicher Herrlichkeit darunter verborgen sei. - Denn ihr Bestes wird nicht gesehen, ihre Gemeinschaft mit Christo ist verborgen; ihr vertraulicher Wandel mit Gott, und ihr Leben in Gott ist verborgen. Kurz: ihr Leben ist ein Leben im Geiste: und ihre ganze Herrlichkeit, Hoheit und Vortrefflichkeit ist innerlich verborgen in Gott.
Dieses ist das verborgene Leben mit Christo in Gott, wovon in diesem Büchelchen die Rede ist.
Zu dir wende ich mich nun, gebenedeiter (gepriesener) Heiland, Jesus! der du durch deinen Tod und Auferstehung dies göttliche verborgene Leben ans Licht gebracht hast. Zu deinen hohenpriesterlichen Füßen werfe ich mich mit diesen wenigen Blättern in Demut nieder; lass dir gefallen dies kleine Opfer, das dir der geringste in Israel zur Auferbauung deines geistlichen Tempels darbringt. Du wollest deine göttliche segnende Hand darüber ausstrecken, und dein Leben und deinen Sinn, der hier ausgedrückt ist, durch deinen lebendigmachenden Geist in die Herzen der Leser eindrücken. Ach! lass bald die lang ersehnte selige Zeit wiederkehren, wo anstatt aller Menschensatzungen, Grübeleien und Zänkereien dieses rechtschaffene, inwendige Christenleben wieder in seiner ersten Hochachtung und in seinem Flor (seiner Blüte) erscheint unter allen Völkern, indem sie ihre Herzen deiner Liebesherrschaft willig unterwerfen. Siehe, da ist das meine, liebenswürdigster Jesus! heilige auch mich in dieser deiner Wahrheit. Verbirg mich immer dieser in das Verborgene deines Angesichtes, verdecke mich, mein Hohepriester! bei dir, in der Hütte vor allen Gefahren. Erhalte dein Gnadenwerk in mir, dass alles eigene Leben in mir sterbe, bis ich nicht mehr lebe, nichts mehr wolle und wirke, als was von dir und deinem reinen Geiste herrührt, zur ewigen Herrlichkeit deines Vaters! Amen.
Gott - jeden Morgen dein erster Gedanke. „In Ihm leben wir und bewegen uns und sind wir.“ Wir leben und sind in Gottes Schoß, und doch denke ich fast nicht an Gott. Welche Blindheit! welche Finsternisse! Aus einem Schlummer falle ich in den andern, indem meine Seele am Tage fast ebenso wenig, als bei der Nacht erwacht, und wie die äußern Sinne des Nachts, gerade so auch meine innern Sinne den Tag über Schlafen. Zu Nachts vergessen wir Gott, weil wir schlafen, und wenn wir erwachen, denken wir auch nicht an Ihn, sondern fahren in dieser Vergessenheit fort. Es ist Zeit, aufzustehen vom Schlaf, und die Augen zu öffnen. So lange wir nicht wachen mit Jesu Christo, so lange Schlafen wir mit der Welt. Mit Jesu wachen heißt - sein Leben leben, - so gesinnt sein und handeln, wie er gesinnt war und gehandelt hat. - Ehre, Glück und Wohlergehen machen uns Gott vergessen, schläfern uns ein; darum müssen wir sie für verdächtige Dinge ansehen und vielmehr mit Jesu das Gegenteil lieben - die Schmerzen, die Leiden und Verschmähungen. Wer Gott besitzt, entbehrt Alles leicht. Gott ist in mir und ich ihm; und nichts kann mich von Ihm scheiden, weil Er unermesslich, - und also unaufhörlich in mir gegenwärtig ist. In Ihm und in der unzertrennlichen Vereinigung mit Ihm fühlt sich mein Herz so vergnügt und ganz befriedigt, dass ich aller Geschöpfe, auch der liebsten, beraubt sein könnte, ohne es zu empfinden; vielmehr - je entfernter Alles von mir, desto näher ist mir Gott, und je gleichgültiger ich mich über Alles erhebe, wie es auch immer sein und genannt werden mag, desto mehr fühle ich mein Herz mit Gott vereinigt und mit Freude erfüllt. Welcher Reichtum - Gott gefunden zu haben! - Gott kann man aber nicht finden ohne Darangebung und Verlust alles Übrigen. Welche Seele sich beklagt über den Mangel oder die Abwesenheit eines Geschöpfes, die hat Gott noch nicht recht gefunden. Zwar können die Geschöpfe dienen, um zu Gott zu kommen; allein, wenn man Ihn gefunden hat, sucht man sie nicht mehr. (Hohel. 3,4.) Wer Gott gefunden hat, findet keinen Geschmack mehr an den Geschöpfen. Weil ich dich gefunden habe, o mein Gott, will ich dich nimmermehr lassen! Wie viele Heilige beiderlei Geschlechtes haben sich in die Einsamkeit begeben und den Umgang aller Geschöpfe geflohen, um sich mit nichts, als mit der Gegenwart Gottes zu beschäftigen. Die Maria aus Ägypten ging und verbarg sich 47 Jahre in einer ungeheueren Wüste, um alle Geschöpfe aus ihrem Auge und Andenken zu verlieren und nur allein ihren Schöpfer zu finden. Sie war allein mit dem alleinigen Gott in äußerster Beraubung aller Geschöpfe. Aber um dahin zu gelangen, muss man von sich und Andern Vieles leiden. Gott selbst, welcher unser Alles ist und sein will, entreißt uns manchmal alle andern Geschöpfe durch mancherlei Leiden. Daher ist das Leben der Diener Gottes oft voll von sonderbaren Abwechslungen, wo das Untere zu Oberst gekehrt, Leib und Seele nie in einerlei Zustand, sondern bald wohl, bald übel sind - damit sie sich an nichts anhängen, nichts mit besonderer Neigung begehren, als nur allein das unwandelbare höchste Gut. Wahr ist es, die Diener Christi und Gottes, mit denen wir Gemeinschaft haben, sind so viele Kanäle, wodurch uns der Herr seine Gnade und Erkenntnis mitteilt; allein sind sie Kanäle, so ist Jesus Christus, als Gott und Mensch, die wahre Urquelle, woraus alles Gute herfließt, was uns durch jene mitgeteilt wird. Die Gegenwart der heiligsten Geschöpfe zu verlieren, um der Gegenwart des Schöpfers zu genießen, ist Gewinn und kein Verlust. Die durchstochene Seite Jesu Christi ist ein anbetungswürdiger Mund, wodurch sein Herz göttlicher zu uns redet, als ein Mensch und ein Heiliger es vermag. O mein Gott! wie verborgen bist du im Grunde unserer Seele. Du offenbarst dich auch nicht recht, außer nur in der völligen Stille und Einsamkeit, wenn du allein bist mit der Seele und sie allein mit dir ist. O mein Gott! entferne, entblöße mich von allen Geschöpfen, und gib mir diese Armut an allen Dingen, welche ich mir im Gemüt wohl vorstellen, aber nicht ausdrücken kann. Die Einsamkeit - und Gott ist, - wo du sie haben willst. Die lebendige Empfindung der Größe und Nähe Gottes, der Alles in Allem ist, können wir überall haben, wenn wir sie überall bewahren; und daher mitten in völkerreichen Städten oder wo immer, beim größten Zusammenfluss von Menschen so abgeschieden von den Geschöpfen - mit Gott allein vertraut leben, als wie in der verlassensten Wüste. Wer keine Anhänglichkeit an die Geschöpfe hat, der verlangt nach Nichts, als nach dem Schöpfer, von dem er weiß, dass Er Alles ist, und dass man Ihn überall haben kann. Jeder Ort ist Ihm gleichgültig. Wen die Abwesenheit eines Freundes betrübt, der erkennt nicht, der hat das Licht nicht, dass der große Freund beständig bei uns sei. Es ist eben so viel, als wenn er zu Gott sagte: Du allein bist mir nicht genug. Damit wir also der Gegenwart Gottes in uns nicht Unrecht tun, wollen wir uns losmachen von aller Kreatur, - gerne ihre Gegenwart, ja selbst ihr Andenken verlieren. Wir können Gott nicht völlig besitzen und genießen als in der Verlierung aller Geschöpfe. Gott macht uns oft selbst alle Geschöpfe bitter durch allerlei Verlust, Krankheiten, durch schlechten Fortgang unserer Sachen, durch Verlassenheit der Freunde in der Not, durch Entziehung der empfindlichen Gnade usw. Wir verstehen Ihn gewöhnlich nicht, und erkennen seine liebenswürdigen Ab sichten nicht, wir setzen uns aus allen Kräften dagegen, als gegen das größte Elend, da es doch Mittel und Wege sind, Gott wahrhaft zu finden, der allezeit denen am nächsten, am gegenwärtigsten sich beweiset, die von allen Geschöpfen die verlassensten und entferntesten sind. Eine Seele, die sich mit keinem Geschöpf befasst, in kein Geschäft sich ein lässt, als wozu sie der Wille und die Ordnung Gottes treibt, verliert an der innerlichen Aufmerksamkeit nichts. Sie kann leicht wieder zu Gott zurückkehren, den sie nie verlässt. Eben das Licht, in welchem sie Gott in ihr gegenwärtig sieht, lässt sie auch den Willen Gottes in Hinsicht ihrer äußern Geschäfte sehen, dem sie ruhig gehorsamt, weil sie nur will, was Gott will, und sollte sie auch die Ruhe und den Genuss Gottes darüber verlieren. - Sie verlässt den Schöpfer, um zu dem Geschöpfe zu gehen; - lässt sich von Ihm treiben, wohin es Ihm gefällt, entweder Seiner zu genießen, oder dem Nächsten zu dienen; das ist ihr gleichgültig, weil sie Nichts sucht, als nur Gott zu gefallen, und seinen Willen zu tun. Sie liebt Gott mehr, als die Ruhe in Ihm. Dennoch, weil eine solche Seele von dem süßen Frieden im Genuss der Gegenwart Gottes ganz eingenommen ist, tut sie Nichts mit Eigenwillen und sinnlicher Lust. Nichts Äußeres kann sie reizen oder einnehmen; sie redet, hört und isst nur mit Mühe, weil sie die unendliche Liebenswürdigkeit bei sich fühlt und von Außen nur Dinge sieht, deren Gestalt vergeht, die betrüglich, vergänglich, also ihrer Achtung und Liebe unwert sind. Inwendig, wo ihr Schatz ist, dahin gehen auch alle ihre Gedanken und Neigungen. Es ist in mir bisweilen der Wunsch rege geworden, blind, taub und stumm zu sein, damit ich ganz abgeschieden von Allem, desto inniger und Ehrfurchtsvoller mit Gott in mir umgehen könnte, weil ich leider erfahre, dass meine Seele Gottes Gegenwart oft vergisst, weil sie durch die Fenster ihrer Sinne ausgeht, und in den Geschöpfen herumirrt. - Mach die Fenster zu, damit die Seele in sich verschlossen, sich nur mit Gott beschäftigen möge. Je reiner dein Inneres, desto klarer und herrlicher spiegelt sich Gott in dir. Wie sich die Sonne in einer klaren Wasserquelle spiegelt, so lässt sich Gott im Grunde unserer Seele, wie in einem Spiegel sehen. - - (Es spiegelt sich uns des Herrn Klarheit mit aufgedecktem Angesicht; und wir werden verklärt durch des Herrn Geist in sein Ebenbild von Klarheit zu Klarheit. (2.Kor. 3,18.) Es muss aber dein Inneres sehr rein, und der Friede sehr groß sein. (Matth. 5,8. Habak. 2,20.) Wie der Atem den Spiegel verdunkelt, so verdunkelt jede freiwillige Unvollkommenheit die Reinheit der Seele. Wie jede Bewegung das Wasser trübt und das Bild der Sonne auswischt, so macht jede Zerstreuung oder Anhänglichkeit an die Geschöpfe, dass das Angesicht der göttlichen Gegenwart verloren wird. Wenn Gott so in der Seele leuchtet und sich gegenwärtig offenbart, so muss sie nur Ihn ansehen, sonst verliert sie ihre Glückseligkeit. Man kann nicht zugleich die sich im Wasser spiegelnde Sonne und die am Wege Vorübergehenden betrachten. Lass sie vorbei gehen, ohne deine Augen abzuwenden, wenn sie auch die besten Freunde sind, sonst könntest du erfahren müssen, dass der Geliebteste, von dem du dein Auge wandtest, dir sein Angesicht verdeckt habe. Reden hat seine Zeit und Schweigen hat seine Zeit. - Schweig in einem so glücklichen Augenblicke allen Geschöpfen, und gib Gottes Gegenwart in dir allein die Ehre: - wende dich nicht von Ihr ab. Um Gott, der dir im Grunde deiner Seele nahe ist, zu finden, musst du dich mit Ihm allda verbergen, dich Einsammeln und dich inwendig in dich selbst einwenden oder einkehren. Dazu dient dir die Nacht am besten, wo alles um dich herum gleichsam tot ist, und keinen Eindruck auf dich und deine Sinne macht. O wie oft lassen wir Ihn allein, und wenden unsere Augen von Ihm ab, wenn wir gleich fühlen, dass er unserer Seele nahe ist und uns freundlich anblickt - gleich denen, die im Kabinett des Königs stehen, und während er herablassend mit ihnen redet, sich wegwenden und durch die Fenster auf die Vorübergehenden schauen. Einen solchen Leichtsinn, eine solche Unehrerbietigkeit, die aus Mangel an Andacht vor Gottes Gegenwart herrührt, fürchtet eine Seele, die Gott recht nahe fühlt, mehr als den Tod. Das geringste Wort, welches nicht auf Gott zielt, ist ihr unerträglich, weil sie weiß, dass ein Augenblick des Genusses Gottes mehr wert sei, als die ganze Welt. Die Seele ist völlig überzeugt, dass in allen Geschöpfen nichts sei, das dem Schöpfer gleich käme; - darum ruft sie mit David: Gott! wer ist dir gleich? - Auch in der Finsternis, wenn sie von Gottes Angesicht entfernt zu sein scheint, wenn es um sie kalt und dunkel ist, verehrt sie seine Gerechtigkeit, die sie dazu verurteilte. Mein Wandel muss künftig im Himmel sein, das ist, in Gott; denn Gott ist unser Himmel. In ihm muss ich wohnen; Ihn zu beschauen bin ich geschaffen. Ach, mein Gott! gib mir die Gnade, dass ich in der Welt tot sei, dass ich nur für dich allein lebe, mich nur mit dir allein beschäftige. Gottes Gegenwart fordert Treue, und ordnet dann den ganzen Wandel. Eine Seele, der sich Gott offenbart, den Genuss seiner Inwohnung, seiner Gegenwart mitteilt, und die Vereinigung mit Ihm empfinden lässt, ist hoch verbunden, sich dem gegenwärtigen Gott treu zu bezeigen und streng auf diese Treue zu halten. 1. Sie darf sich in kein Geschäft einlassen, wozu sie keinen Beruf hat, und welches nicht höchst nötig ist. 2. Sie muss ihre Geschäfte verrichten, ohne über den Fortgang bekümmert zu sein, - sondern gleichgültig, nur mit der Absicht, Gottes Willen zu erfüllen, der im Üblen Fortgang oft eben so, wie im guten gefunden wird. 3. Sie muss sich mehr mit Gott, als mit den Geschäften beschäftigt halten und glauben, dass es kein wichtigeres und vortrefflicheres Geschäft gebe, als die Vereinigung mit dem gegenwärtigen Gott zu bewahren. 4. Sie muss sich durch Menschengefälligkeit nicht von Gott abziehen lassen, und die Gefälligkeit, mit Menschen im Umgang und Gespräche sich einzulassen, der Gefälligkeit mit Gott umzugehen, nicht vorziehen. Sie muss sich der Ordnung der Vorsehung unterwerfen und mit willigem Herzen annehmen, was da kommt: Armut, Elend, Verlassung, Leiden aller Art. Sie muss wie Paulus (2.Kor. 12,10.) ein Wohlgefallen in ihren Schwachheiten haben, ohne aus natürlichem Triebe zu suchen, davon frei zu werden. Sie muss völlig in die Hände Gottes übergeben und gelassen bleiben, und sich von ihm behandeln lassen, um wie weiches Wachs die Form anzunehmen, die Er ihr geben will. Und wenn Er ihr Nichts gibt und sie ohne Barmherzigkeit von Allem abschneidet, was sie von Natur am meisten liebt, - wenn Er sie von den unschuldigsten Ergötzlichkeiten abzieht, so muss sie in Demut so entblößt bleiben, so lang Er will und Allem absterben, was nicht Gott oder von Gott ist. O’ welch eine Gott angenehme Wohnung ist eine so entblößte Seele! Welch’ eine Lust hat er, immer bei ihr zu bleiben! - Aber auch welch’ eine Qual für die Seele, wenn sie Ihn, den sie mitten in ihr gegenwärtig verkostet hat, verlassen muss.