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Der Chaosbringer - der Erlöser vom Schicksal?
An der Akademie kommt es für Priesterin Aphila zu einer wunderlichen Entdeckung, als sie die Einzige ist, die sich nicht an ihre – vermeintlich neue – Mitschülerin Mary erinnern kann. Mit dem Auftauchen von Marys Herrn und Meister, wird schnell klar, dass die Bewohner der Himmelsinsel einen ganz besonderen Draht zum Schicksal haben.
Ein Sonderband der Vermächtnis E-Book-Serie.
Es ist empfohlen die Hauptbände bis einschließlich „Das Vermächtnis des Engels Nekro – Gottes Krieg II: Akt II: Aufstieg des Sterns (Kap 20-65)“ zum besseren Verständnis gelesen zu haben.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Dieser Sonderband ereignet sich außerhalb der Hauptgeschichte. Man kann die Erzählung als eine Art Spin-Off betrachten. Die Geschehnisse haben keinerlei Auswirkungen auf die Vermächtnis-Serie als solches.
ES FOLGEN MASSIVE SPOILER FÜR ALLE BÄNDE BIS EINSCHLIEßLICH
„Gottes Krieg Akt II“
Zeitlich befinden wir uns kurz nach Vaiths Triumph über Lord Duales und seiner eigenen Ernennung zum Lord. Aphila und Varivinia gehen zur Akademie und Aphila ist noch dabei, im Spezialunterricht mit Rudra ihre Gottes Gnade vollständig freizusetzen. Sie hat sich bereits mit dem Runenschlüssel synchronisiert. Im Verlauf dieser Geschichte findet aber noch eine weitere Unterrichtsstunde statt, die es in der originalen Abfolge der Geschehnisse nicht gab.
Abgesehen davon, kann man sich am Stand von „Das Vermächtnis des Engels Nekro – Gottes Krieg (2) Akt II: Aufstieg des Sterns“ ab Kapitel 47/48 orientieren.
Es reicht im groben Verständnis aber aus, dass Vaith seinen Lordstitel hat und Aphila zur Akademie geht.
Neben den weitreichenden Forschungen unter Meister Methos, wagten sich über die Jahrhunderte auch unabhängige Wissenschaftler an Experimenten. Meist fand man diese in zwielichtigen Hinterhöfen, verborgen vom Blick der restlichen Welt.
Auch in diesem Fall, in dem der Drang zu forschen die Vernunft übertrumpft hatte, spielten sich die Experimente in der hintersten Ecke eines grauen Industriegebiets ab.
Von Schmutz bedeckte Fenster hüteten ihr geheimes Treiben in einem provisorischen Labor, das wie ein Hybrid aus ehemaliger Schmiede und Alchemiestube wirkte.
Sie waren eine Gruppe voller Tatendrang, Ideen und Wünschen. Ihre Ideale machten sie unvorsichtig. Der Ehrgeiz trieb sie an, auch unübersehbare Risiken in Kauf zu nehmen.
Eines Nachts resultierte daraus eine gewaltige Explosion in der Stube. Der entstandene Brand vernichtete alle nachvollziehbaren Dokumente, alle Beweisstücke, die Aufschluss über ihre Experimente hätten geben können. Selbst die beteiligten Forscher waren spurlos verschwunden.
Alles was blieb, waren vier Untersuchungstische – von denen drei mit humanoid aussehenden schwarzen Formen besetzt waren.
Das Geschehen war so mysteriös, dass Meister Methos Untersuchungen an den Formen durchführen ließ. Das Ergebnis war beunruhigend; Sie bestanden aus keinem weltlich bekannten Kristall, generell Erz oder zuordnungsbaren Substanzen. Sie trotzten jeder Beschreibung.
Eine Vermutung, die auch nicht mehr als das – eine Vermutung – war, dass sie die materialisierte Kraft einer ihnen unbekannten Magie waren.
Was man sagen konnte war, dass sie eine tiefe Schwärze an der glatten Oberfläche hatten, ihr Inneres aber verschiedenfarbige Spiegelungen besaß und ihre innere Struktur sehr komplex aufgeteilt war.
Über den Verbleib der vierten Form fehlte jede Erkenntnis.
Jahre gingen ins Land
Der Vorfall wurde archiviert und vergessen
Bis zu jenem Tag...
Ein neuer Tag an der Aphila Akademie begann für die Priesterin und ihre Freunde.
Sie war vor wenigen Minuten mit Varivinia zusammen über ihr Tattoo dorthin teleportiert.
Noch ein wenig verschlafen, hob sie die Hand zum Gruß.
Kendria, Vellié und weitere, ihr bekannte Gesichter erwiderten ihre Geste. Allerdings auch ein Mädchen, das sie überhaupt nicht zuordnen konnte. Sie trug ein violettes Rüschenkleid, blass-blonde, wellige Haare über den Schultern liegend. Ihr Kopf reichte Aphila knapp auf Brusthöhe.
Verdutzt, aber mit einem Lächeln auf den Lippen, trat Aphila an sie heran.
Sie stellte sich vor: „Du bist wohl neu hier? Ich habe dich noch nie an der Akademie gesehen. Erfreut, dich kennenzulernen. Ich bin Priesterin Aphila und wie heißt du?“
Zu ihrer Verwunderung prusteten die Mädels amüsiert los. Sogar Vari nahm die Hand vor den Mund um über ihre geliebte Priesterin zu kichern.
Aphila drehte sich irritiert zu Vari um, die ihr zuflüsterte: „Was hat dir Methos denn heute Morgen in den Tee gekippt, dass du unsere gute Freundin nicht erkennst?“
Noch viel verwirrter, wandte sie sich nochmals dem Mädchen zu, dass sich wirklich in selbstverständlicher Vertrautheit in ihre Clique einfügte.
Die Kleine sprach sie an: „Aber Priesterin, erinnert Ihr Euch etwa wirklich nicht an mich? Ich bin es doch, Mary!“
Beim Nennen ihres Namens sah Mary ihr tiefgehend, bohrend in die Augen.
Ein Stich ging durch Aphilas Herz – aber natürlich! Wie konnte sie Mary bloß vergessen?
Sie war schließlich die erste, liebe Seele, die sie an der Akademie herzlich empfangen hatte.
Die gefalteten Hände im Schreck vor den Mund gehalten, beugte sie sich zu Mary herab: „Oh, aber natürlich kenne ich dich! Meine Güte, ich muss wirklich schlecht geschlafen haben- verzeih mir bitte!“
Mary lächelte sie engelsgleich voller kindlicher Güte an: „Es sei Euch natürlich verziehen. Wie könnte ich Euch je böse sein. Als so enge Freundin der Priesterin.“
Sie hatte ja so, so Recht!
Ohne Mary hätte sich Aphila sehr verloren an der Akademie gefühlt und auch ihre Gefühle zu Varivinia hätten sich nie wirklich offenbart, wäre Mary nicht gewesen!
Die Kleine war ein Segen für sie alle!
Im Laufe des Unterrichts sann Aphila noch eine Weile still und heimlich über ihren seltsamen Gedächtnisausfall nach und beschloss, dies im Sonderunterricht mit Rudra zur Sprache zu bringen. Möglicherweise war ihre Gottes Gnade ja doch noch nicht so stabil, wie sie annahm und hatte komische Nebenwirkungen.
Je mehr sie versuchte sich detailliert an die tollen Zeiten mit Mary gemeinsam zu erinnern, desto seltsamer wurde ihr Gefühl dazu. Sie hatte zunehmend Probleme, das Bild scharf zu stellen.
Doch kaum, dass sie in ihrer aufkommenden Angst darüber zu Mary herüber sah und diese ihr einen Blick in ihre schönen Augen gewährte, legten sich ihre Bedenken und sie wusste um ihre, gute, gute Freundin.
Bald schon saß sie wieder mit Rudra zu zweit und während er die letzten Vorbereitungen zu ihrer Meditation traf, sprach sie es an.
Sie meinte: „Rudra...kann es sein, dass meine Gottes Gnade meinem Gedächtnis Streiche spielt? Ich vielleicht sogar kurzzeitig an meiner Bekanntschaft mit einer mir nahestehenden Person zweifle?“
Ihr Lehrer sah sie skeptisch fragend an: „Das sollte eigentlich nicht der Fall sein. Die Gottes Gnade ist zwar Teil eines seelischen Reinigungsprozesses, aber dabei werden keine Erinnerungen gelöscht oder aufgelöst. Selbst bei einem Trauma würde sie anders einwirken und dir eher helfen, es zu überwinden, zu verarbeiten.“
Nun wurde Aphila umso schwerer ums Herz: „Aber, ich habe gerade Probleme damit! Mir fällt kein anderer Grund ein, warum ich heute Morgen einfach vergessen hatte, wer Mary ist. Ich meine – es ist MARY! Sie ist mir doch so wichtig, dass das nicht einfach kurz weg sein kann!“
Rudra nahm eine Denkerpose ein und schlug vor: „Das klingt wirklich verdächtig. Ich kann es nicht einwandfrei zuordnen, aber vielleicht täte es ja dennoch helfen, zusammen mit der Kraft der Gottes Gnade über Mary zu meditieren? Wohlmöglich versucht eine Kraft von Außen dich sie vergessen zu lassen.“
Aphila war damit einverstanden. Sie machte es sich bequem und vertiefte sich in ihren eigenen Geist. Der Runenschlüssel leuchtete auf ihrer Haut auf. Der innere Dialog mit ihm begann.
Die Erinnerungen Aphilas mit Mary in Verbindung reihten sich wie auf Monitoren dargestellt, schwebend um sie herum kreisend auf.
Je eindringlicher sie einen der Monitore für sich fokussieren wollte, desto stärker wurde ein eigensinniges Gefühl, auf ein leeres Bild ohne Bedeutung zu schauen.
Sie verspürte sowohl in Herz und Kopf einen größer werdenden Schmerz. Eine Fremdenergie in ihr drin war nicht gewillt, sie tiefer schauen zu lassen. Doch Gottes Gnade gab ihr Halt und ein Fluss von reinigender Energie ergoss sich aus ihrem Herzbereich hinein in die Erinnerungsmonitore. Zu Aphilas Schock entschwand Mary aus den Darstellungen. Sie verblasste mehr und mehr mit Entfernung der verzerrten Wahrnehmung ihrerseits.
Was blieb, war die Erinnerung des heutigen Morgens. Der wahrhaftigen, ersten Begegnung mit der Person, die sich Mary nannte.
Als die Gottes Gnade ihr Werk abgeschlossen hatte und Aphila wieder klar denken konnte, beendete sie ihre Meditation und schlug die Augen wieder auf.
Rudra sah sie neugierig an.
Sie keuchte angespannt: „Wir haben ein Problem!“
Aphila erzählte dem aufmerksam zuhörenden Rudra, was sie erlebt hatte.
Der schlussfolgerte: „Wenn das der Wahrheit entspricht und Mary sich irgendwie in unsere Köpfe platziert hat, ist das ein ernsthaftes Gefahrenpotenzial. Allerdings sollten wir jetzt nicht unbedacht handeln. Wir wissen nicht, was sie will oder was sie alles kann. Mary ist in erster Linie ein kleines Mädchen – aber mit deiner Erkenntnis zeigt sich, dass der Schein trügt. Wir wissen somit nichts über das Ausmaß dessen, was sie betrifft. Ich würde vorschlagen, du traust diese Information nur deinem absoluten engsten Freundeskreis an – wenn denn nötig – und gehst damit zum Meister!“
Der Gedanke, Methos dieses Phänomen zu überlassen gefiel ihr nicht sonderlich, aber Rudra hatte damit schon Recht. Auf eigene Faust oder gar mit den noch unter der Manipulation stehenden Mitschülern darüber zu reden war viel zu riskant.
Sie nickte das Besprochene ab und begab sich – unter falschem Lächeln und bewusstem Bogen um Marys Nähe – zu den anderen zurück.
Es war nicht gänzlich vermeidbar den restlichen Unterricht Mary auszuweichen, aber Aphila achtete sehr darauf, ihr auf keinen Fall ins Gesicht zu sehen – und auch ihren Schreck verbarg sie gut, als sie bemerkte durch die aufgelösten Erinnerungen Marys wahre Erscheinungsform sehen zu können. Ihre Haut war die einer schwärzlichen Puppe!
Aphilas Herz pochte aufgeregt dem Ende des Unterrichts entgegen und sobald der Feierabend eingeläutet war, hakte sie sich bei Varivinia ein und zog sie mit sich.
Der Nephil war etwas irritiert von ihrem Verhalten, aber im Stillen wiederholte Aphila für sich immer wieder, dass Vari es bald verstehen würde.
Endlich wieder im Zentralturm angekommen, überraschte sie Vari mit der Ansage, dass sie wegen einer dringenden Angelegenheit zu ihrem Bruder müsse.
Vari wollte sie am Handgelenk packen und zur Rede bringen, aber Aphila sah noch keine Möglichkeit ihrer Freundin ohne Hilfe die Problematik zu erklären. Schon gar nicht nach der offenen Szene, in der ihr Gedächtnis angeblich versagt hatte.
Daher stürmte sie – mit Vari auf den Fersen – in Methos' Büro. Der saß erstaunlich locker mit Beinen auf dem Arbeitstisch und blätterte in einer Lektüre.
Kurz kommentierte Aphila: „So sieht dein Arbeitstag als imperialer Herrscher aus? Wow!“
Vari war bis dahin eifrig hinter ihr hergestackst und hatte jetzt respektvoll, ruckartig die Handbremse gezogen und blieb seitlich hinter Aphilas Linken stehen.