Das Versprechen von Paris - Alexandra Joel - E-Book

Das Versprechen von Paris E-Book

Alexandra Joel

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Beschreibung

Wie lange kannst du deine Vergangenheit verbergen, um deinen Traum zu leben?

Paris, 1948: Voller Hoffnung kommt Grace Woods nach Frankreich, um als Model im prestigereichen Hause Dior zu arbeiten. Als sie auch noch den zauberhaften Philippe kennenlernt, scheint alles perfekt. Doch die Nachkriegszeit wirft ihre Schatten auf das junge Glück: Philippe ist in riskante politische Machenschaften verwickelt, die auch Grace in Gefahr bringen. Dabei verbirgt sie ihre eigenen dunklen Geheimnisse: So hat sie ihren lieblosen Ehemann Jack in Australien zurückgelassen. Und dann ist da noch die Frage nach ihrem leiblichem Vater, deren Antwort Graces ganze Welt ins Wanken bringt ...

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Seitenzahl: 474

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Das Buch

In den Dreißigerjahren wächst Grace auf einer idyllischen Farm in Australien zu einer strahlend schönen jungen Frau heran. Als sie sich mit dem charmanten Jack verlobt, scheint alles perfekt. Da wirft der Zweite Weltkrieg seine Schatten voraus, und Jack muss 1940 in den Kampf ziehen.

Fünf lange Jahre wartet Grace auf ihn, und als er 1945 zurückkehrt, kann endlich ihr gemeinsames Leben beginnen. Doch Jack ist nicht mehr der liebe Junge, der er einmal war, der Krieg hat ihn gezeichnet. Als er übergriffig wird, weiß Grace, dass sie gehen muss. Ein Hoffnungsschimmer winkt ihr aus Europa: Als sie zum Spaß bei einer Modenschau mitläuft, wird sie nach Paris eingeladen, um dort im aufregenden Hause Dior als Mannequin zu arbeiten. Nur darf sie ohne die Erlaubnis ihres Ehemanns nicht ausreisen, und Jack will seine Frau bei sich behalten. Grace muss sich entscheiden. Sie setzt alles aufs Spiel, um ihr bisheriges Leben hinter sich zu lassen und ihren Traum zu leben.

Die Autorin

Alexandra Joel wurde 1953 in Darlinghurst, Australien geboren. Sie studierte an der Universität von Sydney, wo sie ihren Abschluss in Angewandter Psychologie machte. Später war sie jahrelang Chefredakteurin des australischen Modemagazins »Harper’s Bazaar« und von »Portfolio«, Australiens erstem Magazin für Frauen in der Businesswelt. Darüber hinaus schrieb sie regelmäßig für verschiedene nationale und internationale Zeitschriften und Magazine. Das Versprechen von Paris ist ihr erster Roman.

ALEXANDRA JOEL

Das

VERSPRECHEN

von

PARIS

Roman

Aus dem Deutschen übersetzt von Babette Schröder

WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN

Die Originalausgabe THEPARISMODEL erschien erstmals 2020 bei HarperCollinsPublishers Australia Pty Limited, Sydney.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Deutsche Erstausgabe 01/2023

Copyright © 2020 by Alexandra Joel

Copyright © 2023 der deutschsprachigen Ausgabe

by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Susann Rehlein

Umschlaggestaltung: t.mutzenbach design

unter Verwendung von lee avison/arcangel und 55th,Tartila,

SosnaRadosna/shutterstock.com

Satz: Leingärtner, Nabburg

ISBN 978-3-641-27580-8V001

www.heyne.de

Für Blair

On ne naît pas femme: on le devient.

Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es.

Simone de Beauvoir, Das andere Geschlecht

Prolog

Sydney, 1. September 1922

Hätte sie jemand nach ihrer Identität gefragt, die Frau hätte keine Antwort gewusst. Noch hätte sie zu sagen vermocht, ob es Tag oder Nacht war. Sie existierte in einem anderen Universum, in dem Identitäten ausgelöscht waren und die Zeit nur noch vom Kommen und Gehen der unerbittlichen Wellen in ihrem Körper bestimmt wurde.

Flüchtig sah sie fremde Gesichter, die sie schweigend und mit konzentrierter Miene musterten. Sie folgte ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten. Ihr Verstand, ihr ganzes Wesen kannte nur ein Ziel. Ganz gleich, wie spät es war, wie unendlich die Schmerzen waren, sie würde weitermachen, bis ihr Kind gesund und sicher auf der Welt war.

Schließlich gab ihr Körper den Besitzanspruch auf, und sie spürte, wie sie auf wundervolle Weise erlöst wurde. Das Glück berauschte sie; sie war trunken vor Freude und Erleichterung.

»Es ist ein Mädchen«, sagte eine Stimme. »Was für ein hübsches kleines Ding.«

Dann hörte sie, wie eine andere Stimme eindringlich sagte: »Mein Gott, kommen Sie schnell. Ich brauche Hilfe!«

Da hob die Frau den Kopf. Überall um sie waren weicher Schnee und Daunen, alles war weiß: die Wände, die Schwesterntracht, die Arztkittel, die Handtücher, die Bettwäsche. Doch als sie sich umsah, änderte sich dieser Eindruck. Die weiße Welt erinnerte jetzt an einen Himmel bei Sonnenaufgang, der von roten Schlieren durchzogen war.

Dann hörte die Frau ihr Baby schreien. Nur ein Mal, doch es genügte. Sie schloss die Augen und flüsterte: »Auf dass alles gut werde.« Das hoffte sie von ganzem Herzen.

Erstes Buch

La Débutante

Die Anfängerin

Kapitel 1

Paris, Dezember 1948

Beschwingten Schrittes und mit Bildern von einer verheißungsvollen Zukunft im Kopf tanzte Grace Woods aus der Pariser Metro.

»Oh.« Sie rang nach Luft. Nach drei Tagen in Paris war die eisige Luft immer noch ein Schock für sie – in Australien gab es eine derart schneidende Kälte, die durch alle Kleiderschichten drang, nicht.

Typisch für zu Hause waren Hitze und ein klares, helles Licht; ein hoher kobaltblauer Himmel; der intensive süße Geruch von Eukalyptus; die schrillen Schreie der weißen Kakadus, der leuchtenden Rosellasittiche und der regenbogenfarbenen Loris. Hier in der winterlichen Avenue Montaigne war alles, was sie sah – die charmanten Stadthäuser, die kahlen Bäume, die Boutiquen und Cafés – von einem milchigen Schleier überzogen, der ebenso faszinierend wie fremd war.

Noch fremder erschien ihr die Version ihrer selbst, die Grace in einer Schaufensterscheibe bemerkte. Als sie sich vor und zurück bewegte, verschwamm ihr Spiegelbild und stellte sich dann wieder scharf. Sie war zufrieden, dass ihre dunklen Locken in dem ordentlichen Dutt geblieben waren, ihr leuchtend roter Lippenstift war makellos, und ihre smaragdgrünen Augen klar, dennoch überkam sie ein Anflug von Sorge. Ihr marineblaues Kleid mit dem langen spitzen Kragen und der schmalen Taille stammte aus einer Schneiderei in Sydney. Konnte es fachkundigen Blicken standhalten?

Grace trat näher und begutachtete ihre Erscheinung zum wiederholten Mal. Ja, sie war sich sicher. Das Kleid sah fast wie ein Pariser Original aus. Zusammen mit dem neuen schwarzen Hut – aus einer Laune heraus hatte sie eine azurblaue Feder angesteckt – ging es sicher als stilvoll durch. Fröhlich nickte sie ihrem Spiegelbild zu und setzte ihren Weg fort.

Unterwegs kam Grace an einem Restaurant vorbei, vor dem auf einem Bett aus Eis saftige Bélon-Austern angeboten wurden, an einem Blumengeschäft, in dessen Schaufenster Sträuße aus zartrosa Anemonen standen, und an einer kleinen Kunstgalerie, die zarte Pastelle von Ballerinen ausstellte. Dann entdeckte sie an einer Fassade aus hellgrauem Stein unvermittelt ein unauffälliges Namensschild. Endlich hatte sie ihr berühmtes Ziel erreicht.

Grace wollte unbedingt wissen, welche Überraschungen sie im Inneren erwarteten. Sie hob den Blick und blinzelte ins frühe Morgenlicht, sah jedoch nur auf die Steinbüste einer antiken Göttin über dem Eingang, auf Reihen von Koppelfenstern und auf Balkons, die von schwarzen schmiedeeisernen Ranken umgeben waren. Das Gebäude in der Avenue Montaigne Nummer 30 strahlte Diskretion aus; es gab keine Geheimnisse preis.

Unfähig, noch einen Moment länger zu warten, sprang Grace auf den repräsentativen Herrn im Gehrock zu, der vor der Tür stand. Er mochte Mitte vierzig sein, hatte stahlgraues Haar, eine Adlernase und die Erhabenheit eines Höflings.

»Bonjour!«, rief sie fröhlich. »Je suis le nouveau mannequin d’Australie.«

»Qui?« Die knappe Antwort unterstrich er mit einer hochgezogenen Augenbraue.

Unbeeindruckt von der Hochnäsigkeit des Mannes, öffnete Grace ihre Wildlederhandtasche und holte eine gedruckte Karte heraus. »Ich habe einen Termin mit Madame Raymonde Zernacker. Könnten Sie mich bitte zu ihr bringen?«

»Natürlich, Mademoiselle. Folgen Sie mir.«

Grace wurde unter einer Markise und durch einen Torbogen hindurch in einen großen Raum geführt. Dann blieb sie stehen.

»Stimmt etwas nicht?«, erkundigte sich der Concierge etwas skeptisch.

»Keineswegs. Es ist nur … Ach, Monsieur, es ist so prächtig.«

Mit großen Augen bewunderte Grace die Kristalllüster, deren glitzernde Lichtpfeile auf vergoldete Spiegel und Türen mit Glasornamenten fielen. Ehrfürchtig betrachtete sie die Messingurnen mit den üppigen Kentiapalmen, die glänzenden Falten der silberfarbenen Vorhänge und eine Gruppe weiß lackierter Louis-XVI-Stühle mit ovalen Rückenlehnen. Sie waren von so ausnehmender Eleganz, dass Grace vermutete, sie seien für die Kategorie von Frauen entworfen worden, die man nur als soignée beschreiben konnte.

Vielleicht waren die Blumenarrangements jedoch das Reizvollste von allem: Eine Fülle weißer Rosen, Hyazinthen und Maiglöckchen ergoss sich aus geschliffenen Kristallvasen, die kunstvoll auf Marmortischen arrangiert waren. Der berauschende Duft der Blüten begleitete Grace noch lange, nachdem sie den beeindruckenden Raum verlassen hatte.

Sie hielt sich dicht hinter dem Concierge, der gemessenen Schrittes einige gewundene Treppen hinaufstieg und dann einen schmalen Flur entlangging. Vor einer hellgrau gestrichenen Tür blieb er stehen, klopfte vernehmlich mit einer weiß behandschuhten Hand, nickte Grace zu und war verschwunden.

»Entrez«, sagte eine feste Frauenstimme, die klang, als habe ihre Besitzerin diese verantwortungsvolle Position durchaus schon länger inne. Grace’ Herzschlag beschleunigte sich. Zum ersten Mal drohte ihr Glaube an sich selbst sie zu verlassen. Sie kam sich dumm vor, wie eine unglaublich törichte Hochstaplerin, die – was hatte ihr glückloser Ehemann gesagt? – nichts als Flausen im Kopf hatte.

Sie ermahnte sich, nicht albern zu sein, und versuchte, ihre Angst zu unterdrücken. Es stand zu viel auf dem Spiel, um jetzt dem Zweifel die Oberhand zu überlassen. Grace straffte die Schultern, öffnete die Tür und trat ein.

Sie wurde von einer makellos gekleideten Frau empfangen. Eiligen Schrittes kam sie in einem wadenlangen, schwingenden schwarzen Rock und einer schmal geschnittenen burgunderroten Kostümjacke auf Grace zu und streckte ihr eine manikürte Hand hin. »Sie sind Mademoiselle Grace Dubois, nicht wahr?« Ohne ihre Antwort abzuwarten, fuhr sie fort: »Alle in der maison nennen mich Madame Raymonde. Bitte nennen Sie mich auch so.«

Sodann wurde Grace angewiesen, sich nicht vom Fleck zu rühren, während die Frau um sie herumging. Ihr war durchaus bewusst, dass die Madame sie aus ihren unergründlichen blauen Augen sorgsam musterte: ihre Figur, das Haar, den Schnitt ihres Kleides (in diesem Moment wurde Grace klar, dass ihre bescheidene Herkunft unmöglich zu verbergen war), ihren Hut mit der Feder (war die Entscheidung richtig gewesen?), ihre Schuhe, die Handschuhe – kurzum, jedes Detail ihrer Erscheinung.

Schließlich sagte Madame Raymonde: »Ja, Sie sind groß und schlank. Ihre Haltung ist vorbildlich, und Ihr Gesicht – ist zweifellos bemerkenswert.« Sie trat zurück und betrachtete Grace aus einem anderen Blickwinkel. »Diese Eigenschaften sind natürlich eine Grundvoraussetzung, allerdings hätten wir Sie nicht eingeladen, wenn Sie nicht eine besondere Klasse besäßen. Nein, Sie zeigen eine außerordentliche Kraft, die Sie von unseren französischen Mädchen unterscheidet. Nichtsdestotrotz frage ich mich, ob Sie genügend …«

»Verve haben?«, fragte Grace und lachte kurz. »Kultiviertheit? Extravaganz? Ich kann es Ihnen kaum verübeln, dass Sie sich fragen, ob ein australisches Mädchen vom Land das Zeug hat, ein Pariser Mannequin zu werden«, sagte sie. »Wahrscheinlich stellen Sie sich vor, wie ich auf einer Wiese Schafe zusammentreibe oder auf einem wilden Pferd durch die Landschaft reite. Aber ich verspreche Ihnen, Madame, Sie werden feststellen, dass ich mich in einem Ballkleid ebenso wohlfühle und es genauso wirkungsvoll präsentieren kann.«

Die ältere Frau winkte ab und bedeutete ihr, dass sie genug gehört hatte. »Mademoiselle, wir sprechen hier über eine äußerst anspruchsvolle schwierige Rolle. Sie müssen den reichsten, elegantesten Menschen mit den höchsten Ansprüchen die begehrenswertesten Kleider der Welt vorführen. Nur wenige junge Frauen, mögen sie auch noch so hübsch und selbstsicher sein, lassen sich von einer solchen Aufgabe nicht einschüchtern.«

Grace fragte sich, ob ihr Selbstvertrauen übertrieben wirkte.

»Wie dem auch sei«, zum ersten Mal lächelte Madame Raymonde, »nachdem ich nun Gelegenheit hatte, Sie in Augenschein zu nehmen, kann ich diese Bedenken vergessen.«

Sie küsste Grace leicht auf beide Wangen.

»Willkommen im Haus von Christian Dior«, sagte sie.

Kapitel 2

Brookfield, New South Wales, August 1934

Der Sonnenuntergang war Grace’ liebste Tageszeit. Als sie auf ihrem fuchsfarbenen Pony Illyria über das weitläufige Anwesen ihrer Eltern galoppierte, sah der Himmel aus, als habe ein Engel einen Riesenpinsel mit goldener und roter Farbe geschwungen. Noch schöner wurde das Erlebnis dadurch, dass ihr Vater mit einem breiten Filzhut auf dem Kopf und einem glänzenden Gewehr über dem Rücken auf seinem schwarzen Hengst neben ihr her ritt.

»Erzähl mir von Urgroßvater George«, rief sie ihm zu und verlangsamte das Tempo des Ponys.

»Was, schon wieder?«, fragte ihr Vater und zügelte sein starkes Pferd, damit es sich Illyrias Schritt anpasste.

»Bitte!«

Begierig lauschte sie, wie Alfred Woods die wohlbekannte Geschichte von seinem unerschrockenen Vorfahren erzählte. Als jüngerer Sohn war er gezwungen gewesen, das blühende Land seines Vaters im englischen Dorset zu verlassen, ein Segelschiff zu besteigen und übers Meer nach Australien zu fahren, um dort sein Glück zu suchen.

»Eines Tages suche ich mein Abenteuer auch in der Ferne, genau wie Urgroßvater«, erklärte Grace.

»Vielleicht.« Alfred lächelte. »Aber ich glaube, George hatte Heimweh – darum hat er die Farm Brookfield genannt. Schließlich gibt es hier weder rauschende Flüsse noch ordentliche kleine Felder, stimmt’s?«

»Nein, wir haben Wasserlöcher, einen Bach und haufenweise Weizen!« Grace kicherte. Sie kniff die Augen zusammen und konzentrierte sich auf das gelbe Getreide, das bis zum Horizont wuchs, wo der klare blaue Himmel es in einer geraden Linie niederdrückte.

»Vergiss nicht die Schafe«, fügte Alfred hinzu. Im Westen, wo das Land hügeliger war und hin und wieder eine Gruppe karger Eukalyptusbäume auf den Weiden stand, grasten Tausende der wolligen Tiere. »Apropos, ich sollte besser an der nächsten Wasserstelle halten. Der Vorarbeiter hat gesagt, wir sollten dort nach einem Mutterschaf sehen.«

»Wer zuerst da ist, hat gewonnen«, sagte Grace grinsend.

Sie gab Illyria die Sporen, und das Pony peste los. Für Grace war nichts aufregender, als über Brookfields Weiden zu galoppieren, wenn ihr der Wind über die Wangen strich und das Geräusch der Hufe in ihren Ohren widerklang.

»Gewonnen!«, rief sie triumphierend, als sie den Rand der Wasserstelle erreichte. Sie glitt aus dem Sattel und band das Pony an einen einsamen Eukalyptusbaum.

»Stimmt«, sagte ihr Vater nachsichtig. »Warte einen Moment hier, ich sehe nach dem Schaf. Es könnte jeden Tag niederkommen. So, wie es aussieht, bekommt es vielleicht Zwillinge.«

Grace lag auf dem Rücken und lauschte auf das Gezwitscher der Vögel in der Ferne, während sie den köstlich frischen Geruch des Grases einatmete, das nach einem ausgiebigen Regenschauer voll und üppig war. Sie beobachtete die rosafarbenen Wolkenschlieren und fand, dass sie wie das Segelschiff von Urgroßvater George aussahen, dann veränderten sie ihre Form und erinnerten mehr an ein Märchenschloss.

Während sie immer fantasievollere Möglichkeiten ersann, hörte sie plötzlich, wie ihr Vater sagte: »Rühr dich nicht vom Fleck!«

Grace spürte, wie etwas Weiches, Samtenes langsam über ihr nacktes Bein glitt.

»Daddy! Das ist eine …« das Wort blieb ihr im Hals stecken.

»Ja, es ist eine Schlange«, sagte Alfred sachlich. »Und du weißt, was du zu tun hast. Halt still, bis ich dir sage, dass du dich bewegen darfst.«

Grace unterdrückte den Drang aufzuspringen, das gefährliche Ding zu packen und weit weg zu schleudern. Hätte sie doch heute nur eine Reithose anstelle von Shorts angezogen. Ihre Haut kribbelte, während das Reptil langsam ihr Knie überquerte und seinen Weg über ihren Schenkel fortsetzte. Wenn es seine Reißzähne in ihre Haut schlug, würde sie sterben.

Aus dem Augenwinkel sah sie, wie ihr Vater das Gewehr hob. »Jetzt, Dad, jetzt?«, wimmerte sie.

»Nein, Kind«, erwiderte Alfred fest. »Du wartest, bis sie ganz von dir runter ist. Noch einen Moment … Jetzt dreh dich weg! Schnell, Gracie, jetzt!«

Als sie sich wegdrehte, stieß Alfred zu. Er schleuderte die Schlange mit dem Gewehrlauf zur Seite, dann tötete er sie mit einem gezielten Schuss.

Grace sprang auf und schlang die Arme um ihren Vater.

»Du bist ein tapferes Mädchen, Gracie.« Er küsste sie auf den Scheitel. »Ich bin stolz auf dich. Da du nächsten Monat zwölf wirst …«

»… gehen wir alle in die Stadt und trinken einen besonderen Tee mit Siddy!«

»Richtig«, sagte Alfred mit geduldigem Lächeln. »Ihr zwei habt euch Ewigkeiten nicht gesehen. Aber ich habe gerade an etwas anderes gedacht.«

»Was meinst du, Dad?«

»Es wird Zeit, dass du schießen lernst. Du hast gerade gesehen, wie gefährlich das Leben hier draußen sein kann. Du musst wissen, wie du dich schützen kannst. Das ist allerdings eine ernste Angelegenheit, darum mach genau, was ich dir sage.« Er reichte Grace sein Gewehr. »Hier, drück das an deine Schulter, und stütz es mit den Händen, so wie ich.«

Noch nie hatte Grace die Waffe ihres Vaters in der Hand gehalten. Sie war deutlich schwerer als erwartet, hart und kalt.

»So, jetzt schließ ein Auge, und sieh durch den Sucher.«

Nervös konzentrierte sich Grace auf die tödliche Schlange, die auf dem Boden lag.

»Drück den Abzug.«

Wieder traf die Kugel ins Ziel. Doch Grace hatte nicht mit dem Rückschlag gerechnet – es kam ihr vor, als würde sie mit einem wilden, gefährlichen Wesen kämpfen.

»Ich nehme es dir ab, Schätzchen. Das war genug für heute.« Alfred streifte sich die Waffe über die Schulter. »Besser, wir reiten zurück zu deiner Mutter«, sagte er mit ernster Miene. »Sie wird sich fragen, wo um Himmels willen wir bleiben.«

Er half Grace auf Illyria, dann schwang er sich auf sein eigenes Pferd. Als er die Zügel in die Hand nahm, sagte er: »Du weißt, wie schnell Mum sich Sorgen um dich macht. Darum ist es vielleicht besser, wenn die heutigen Ereignisse unter uns bleiben. In Ordnung?«

Grace nickte ernst mit dem Kopf. »Ich kann ein Geheimnis für mich behalten, Dad.«

Kapitel 3

Als sie am Nachmittag des darauffolgenden Sonntags das Wohnzimmer betrat, entdeckte Grace ein halb fertiges Puzzle, das sie auf dem Tisch liegen gelassen hatte. Sie warf sich aufs Sofa, beugte sich vor und betrachtete die verstreuten Puzzleteile.

Während Grace überlegte, ob ein merkwürdig gezacktes Teil aus blauem Karton ins Meer oder vielleicht eher in den Himmel passte, hörte sie, wie ihre Eltern sich draußen auf der jasminumrankten Veranda unterhielten.

»Wegen des Rosengartens und meiner Komitees kann ich unmöglich so viel Zeit mit Grace verbringen, wie ich gern möchte.« Das war die Stimme ihrer hübschen blonden Mutter. »Zudem muss ich noch das Küchenpersonal und die Dienstmädchen beaufsichtigen – es bedeutet eine Menge Arbeit, einen so großen Haushalt anständig zu führen.«

»Haben wir dafür nicht Pearl? Sie konnte immer sehr gut mit dem Kind umgehen«, sagte Alfred milde.

»Nicht mehr«, erwiderte ihre Mutter. »Sie ist leichtsinnig geworden.«

Grace sah auf. Das kam überraschend.

»Pearl ist mit ihr durch die ganze Gegend marschiert – und was sie alles machen! Draußen am Bach Kängurus aufspüren, hinter Waranen herjagen und was nicht alles. Das ist gefährlich.«

Bei der Vorstellung, was ihre Mutter erst sagen würde, wenn sie von dem haarsträubenden Abenteuer erführe, das sie erst kürzlich mit ihrem Vater erlebt hatte, musste Grace lächeln.

»Olive, Liebes, du musst aufhören, unsere Tochter zu verhätscheln.« Alfreds Worte wurden von dem Klappern einer Porzellantasse unterstrichen, die mit Nachdruck auf eine Untertasse gestellt wurde. »Das schadet ihr mehr, als dass es ihr guttut. In jedem Fall kennt Pearls Familie das Land besser, als wir es jemals kennen werden. Sie hat mein volles Vertrauen.«

»Alfred, ich …«

»Nein, Olive«, beharrte er. »Das ist mein letztes Wort.«

Mit polierten Schuhen, die Locken gebürstet, bis sie glänzten, stürmte Grace am nächsten Morgen durch die Tür. »Mum, du bist ja gar nicht fertig.« Sie kniff die Augen zusammen. »Hast du vergessen, dass wir nach Parkes fahren?«

Olive wedelte mit einem Stapel Papier. »Der Bund der Landfrauen hat mich gebeten, einen neuen Schatzmeister vorzuschlagen. Ich habe die Bewerber durchgesehen.«

Sie lächelte. »Es tut mir leid. Ich weiß, du wolltest dich mit Charlotte Fairweather treffen, aber morgen fahren wir zu deinem Geburtstag in die Stadt, und ich habe einfach keine Zeit. Dad hat gesagt, er wollte dir seinen neuen Atlas zeigen – warum siehst du nicht nach, ob er in seinem Arbeitszimmer ist?«

»Erst will ich dir etwas Lustiges erzählen.«

»Mmm?« Olives Blick war zurück zu den Bewerbungen gewandert.

»Als ich Pearl erzählt habe, dass wir Siddy in Sydney treffen, hat sie etwas total Albernes über ihn gesagt.« Glucksend berichtete Grace ihrer Mutter, was Pearl gesagt hatte.

Die Bewerbungen, die Olive in der Hand gehalten hatte, landeten krachend auf dem Boden. »Also wirklich, dieses Mädchen ist das Letzte!«, schäumte sie.

Auf dem Weg zu Alfreds Arbeitszimmer fragte sich Grace, warum ihre Mutter so wütend war. Jeder konnte sich doch einmal täuschen. Das hatte nichts zu bedeuten.

Sydney, September 1934

Grace hatte sich in der hochherrschaftlichen Marmorlobby des Hotel Australia in einen Sessel gekuschelt und sah sich begeistert um. In eine Parfümwolke gehüllt und mit wehenden Fell- und Seidenstolas rauschten gut gekleidete Frauen an ihr vorbei. Gäste mit robusten Lederkoffern voller Aufkleber und mit Hutschachteln trafen ein, und das Personal, das in seinen prächtigen Uniformen an Spielzeugsoldaten erinnerte, kümmerte sich um die Belange jedes einzelnen Gastes. Vor Aufregung ganz kribbelig, beobachtete Grace das Geschehen. Die Menschen kamen ihr wie die Darsteller in einem Theaterstück vor, die die Kulisse aus funkelnden Kronleuchtern, Glockenläuten und dem Sprachgewirr von einem Dutzend Gesprächen betraten und wieder verließen.

Da ihre Familie nie in einem anderen Hotel als dem opulenten Australia logierte, kannte Grace hier jeden Winkel und alle großen öffentlichen Räumlichkeiten. Der einzige Ort, den sie noch lieber mochte als die Halle, war der Wintergarten mit den tiefblauen Samtvorhängen und den eleganten Tischen und Stühlen. Hier, inmitten der grünen Schusterpalmen, beobachtete sie gern Damen mit auffälligen Hüten und Herren mit steifen weißen Kragen, die sich bei einer Tasse Tee höflich unterhielten oder einen musikalischen Abend genossen. Beim Gedanken an ihr Geburtstagsessen lief Grace das Wasser im Mund zusammen, besonders bei den köstlichen glasierten Kuchen, die Kellnerinnen mit weißen Spitzenschürzen von Silbertabletts servierten.

Und das Beste von allem: Siddy würde da sein. Eigentlich hieß er Reuben Wood, doch da sie ihn nur in der Stadt sah und als kleines Kind »Sydney« nicht richtig aussprechen konnte, war er für sie irgendwie zu Siddy geworden.

Er war ein großer, bärenstarker Mann mit grünen Augen und einem zerbeulten Filzhut, den er zurückgeschoben auf dem dichten schwarzen Haar trug. Grace wusste, dass Siddy nicht nur ein guter Freund ihres Vaters war, sondern Brookfield auch mit Pferden versorgte. Für sie war Siddy jedoch mehr wie ein Riese aus einem Märchen, allerdings nicht von der Furcht einflößenden Sorte. Eher wie ein übergroßer, starker Held, der alles richten konnte.

Man hatte ihr erklärt, Siddy sei so eine Art Onkel, aber Grace betrachtete ihn als ihren persönlichen erwachsenen Freund. Auch er hatte einen Kosenamen für Grace – Prinzessin –, und wann immer er sie so nannte, spürte sie eine wohlige Wärme in sich.

Letztes Jahr zu Weihnachten hatte er ihr eine Spieluhr geschenkt. »Komm her, Prinzessin«, hatte er gesagt und dann seine Riesenhände geöffnet. Und da lag sie: klein, viereckig, aus glattem, gehobeltem Holz gefertigt. Als sie den Deckel öffnete, drehte sich eine kleine Ballerina in einem zartrosa Kleid um die eigene Achse, dazu klimperte Musik.

Siddy liebte Musik, was ein weiterer Grund war, warum Grace den Wintergarten so sehr mochte. In dem Raum stand ein prächtiger Flügel, und sie wusste, wenn sie Siddy bat, setzte er sich daran und spielte.

Ungeduldig beobachtete Grace, wie Siddy, der wie üblich seinen alten Tweedmantel trug, seinen enormen Körper auf dem winzigen Hocker platzierte. Er gab Grace ein kurzes Zeichen, dann hob er die Hände, die eher dazu geeignet schienen, ein Pferd aufzuzäumen als den glänzenden Tasten Musik zu entlocken.

Nach nur wenigen Tönen schien es, als habe er den Raum verzaubert. Die leisen Gespräche verstummten. Teekannen wurden auf halbem Weg in der Luft angehalten, Sherrygläser blieben unberührt, Scheiben von leichtem Biskuitkuchen und winzige dreieckige Sandwiches lagen unangetastet auf Porzellantellern.

Am Nebentisch bemerkte eine Dame mit einem fremden Akzent: »Das ist Chopins ›Prélude Nr. 6 in b-Moll‹.«

Als sich Grace umdrehte, sah sie, dass die fremde Musikliebhaberin einen Fuchs um den Hals trug, deutlich erkennbar an der spitzen Nase mit Schnurrhaaren, den glasartigen Augen und dem zwischen den kleinen scharfen Zähnen eingeklemmten Schwanz. Bei seinem Anblick verzog Grace das Gesicht, obgleich die Unbekannte ihr sympathisch wurde, als sie hörte, wie sie das Spiel ihrem jungen männlichen Begleiter gegenüber als »außergewöhnlich!« bezeichnete.

»Ich habe dieses Stück schon überall auf der Welt gehört«, erklärte sie, »aber noch niemals so. Ich muss herausfinden, wie dieser Pianist heißt.«

Grace platzte fast vor Stolz und wäre am liebsten zu der Dame gelaufen, um ihr mitzuteilen, dass Siddy ihr ganz besonderer Freund war. Doch sie wusste, dass ihre Mutter, die ihr gegenübersaß, ein solches Verhalten als »dreist« erachten würde, darum zwang sie sich, sitzen zu bleiben. Erst als Siddy an den Tisch zurückkehrte, sprang Grace auf, umarmte ihn und rief: »Das war wundervoll! Hast du gesehen, wie sehr es allen gefallen hat?«

»Die Anerkennung gebührt dem Komponisten. Ich habe nicht viel damit zu tun.« Entgegen Siddys Protest verriet der freudige Ausdruck auf seinem Gesicht jedoch, wie viel ihm ihr Lob bedeutete.

»Wir haben es alle sehr genossen«, sagte Olive leise.

»Da stimme ich zu. Gut gemacht, alter Freund«, fügte ihr Vater hinzu und winkte einen Kellner heran.

»Ja, Mr. Alfred?«, fragte der Mann, dann erstarrte er. »Oh, ich bedaure, Sir.« Er wirkte verlegen. »Ich weiß, ich hätte Sie als Mr. Woods ansprechen sollen, aber da Sie und Mr. Wood so oft zusammen kommen und Ihre Nachnamen so leicht zu verwechseln sind, denke ich an Sie immer mit dem Vornamen, damit ich die Bestellungen nicht verwechsle.«

»Sehr klug von Ihnen«, sagte Alfred. »Nun, vielleicht könnten Sie meinem Freund ›Mr. Reuben‹ eine Tasse Tee bringen. Nein, bringen Sie etwas Stärkeres – eine solche Vorstellung verdient zumindest einen Scotch mit Soda!«

Nachdem sie die Getränke bestellt hatten, berieten Alfred und Reuben die Vorteile eines neuen Fohlens. Ungeduldig rutschte Grace auf ihrem Platz herum und vertrieb sich die Zeit mit einer Vanilleschnitte. In der Hoffnung, dass die Männer endlich mit ihrer Unterhaltung fertig waren, als sie kurz schwiegen, platzte sie heraus: »Siddy, weißt du noch, als du gesagt hast, du würdest mir Klavierspielen beibringen?«

»Ja, vage erinnere ich mich an so etwas«, sagte er und strich sich übers Kinn.

»Also, ich habe mich gefragt, ob wir vielleicht damit anfangen könnten, solange ich hier bin. Zu Hause könnte ich auf dem alten Klavier in der Halle üben. Jedes Mal, wenn wir uns sehen, könntest du mir etwas mehr zeigen. Wenn ich nächstes Jahr auf die Ravenscroft School in Sydney gehe, sehen wir uns ja ziemlich oft. Was denkst du?«

»Natürlich, Prinzessin.« Er lächelte. »Aber nur, wenn deine Eltern einverstanden sind.«

»Wenn es dir nichts ausmacht, Reuben, halte ich es für eine großartige Idee«, sagte Alfred. »Und ich bin mir sicher, Olive ist derselben Meinung, nicht wahr, Liebes?«

Es folgte eine Pause. »Vielleicht«, räumte sie schließlich ein.

Überrascht entdeckte Grace, dass die Tür zum Hotelzimmer ihrer Eltern offen stand. Gerade hatte sie eine glückliche halbe Stunde mit ihrem Vater verbracht und mit ihm einen Nachmittagsspaziergang unter den hohen großblättrigen Feigenbäumen im Botanischen Garten von Sydney unternommen. Doch jetzt traf er sich mit einem Wollhändler in der Bar, und Grace hoffte, dass ihre Mutter vielleicht Lust auf ein Kartenspiel hatte. Als sie laute Stimmen aus dem Zimmer hörte, zögerte sie jedoch. Etwas stimmte nicht.

»Du weißt genauso gut wie ich, Olive, dass sie bei mir sein sollte!« Das war Siddys tiefer Bass. Grace würde seine Stimme überall erkennen, obwohl sie ihn noch nie so wütend gehört hatte.

»Nein, Reuben, kommt nicht infrage!« Das war ihre Mutter. Sie hörte sich beunruhigend an, als sei sie den Tränen nah.

Grace war hin- und hergerissen. Wenn man sie dabei erwischte, wie sie auf dem Teppich im Flur stand und eine ganz offensichtlich ernste Unterhaltung unter Erwachsenen belauschte, bekäme sie schrecklichen Ärger. Doch sie konnte sich unmöglich losreißen.

»Hast du vergessen, was wir vereinbart haben? Du kannst ihr einfach nicht bieten, was sie braucht«, sagte Olive.

»Ich weiß, ich bin kein wohlhabender Mann …«

»Ich spreche nicht nur von Dingen, die man mit Geld kaufen kann!«, platzte Olive heraus. »Ich meine die Form von Liebe und Fürsorge, die ihr nur eine Frau geben kann.«

Grace hörte ein Schluchzen, das ihr das Herz zerriss. Dann sagte ihre Mutter: »Bitte, ich flehe dich an, Reuben. Tu ihr das nicht an – oder mir.«

Sie klang unglaublich aufgelöst. Aber über wen stritten sie und Siddy? Was hatte das zu bedeuten?

Grace betrat den stillen Raum, und ihre Schritte hallten von dem glänzenden Parkett wider. Frühmorgens war der Wintergarten für die Öffentlichkeit geschlossen. Ohne andere Gäste oder Personal, ohne Bestellungen, die aufgegeben wurden, oder Diskussionen über die Themen des Tages erinnerte Grace der Raum an eine leere Bühne, die auf den Beginn der Vorstellung wartete.

Durch eine Lücke in den schweren Samtvorhängen schlich sich ein heller Sonnenstrahl herein und blendete sie einen Moment lang, sodass ihr Blick verschwamm.

»Prinzessin! Komm her«, rief Siddy.

»Da bist du ja.« Grace hüpfte zwischen den Tischen hindurch. »Das Licht hat mich geblendet, ich konnte nichts sehen.«

Er saß schon am Flügel. »Warum setzt du dich nicht neben mich?«, fragte er. »Es ist sehr nett vom Hotel, dass wir dieses feine Instrument benutzen dürfen, aber in einer halben Stunde müssen wir verschwunden sein.«

Grace nahm Platz. »Wo sind die Noten?«

»Um ehrlich zu sein«, sagte Siddy. »Ich bin kein guter Notenleser.«

»Und woher weißt du dann, was du spielen musst?«

»Mit der Musik ist es so: Du musst sie fühlen. Natürlich gibt es Tonleitern und Oktaven und all das. Ich sage nicht, dass die nicht wichtig sind, aber du musst die Töne in dir fühlen.«

»Wie mache ich das?«

»Hör zu.«

Reuben zeigte ihr, wie man das eingestrichene C fand, dann spielte er ein einfaches Arpeggio. »Jetzt du, Prinzessin. Mach es mir nach.«

Langsam und sorgfältig wählte Grace die Tasten aus. Siddy hatte recht. Jeder Ton vibrierte tief in ihrem Bauch.

»Gut gemacht«, sagte er. »Niemand würde glauben, dass du eine Anfängerin bist.«

»Was kommt als Nächstes?«

»Nun, da uns nur ein paar Tage bleiben, bis ihr nach Brookfield zurückfahrt, sollte ich dir wohl ein Lied beibringen – und es singen, wenn du magst.«

»Was für ein Lied?«

»Ein französisches. Es heißt ›Frère Jacques‹.«

»Siddy!« Grace machte große Augen. »Ich wusste gar nicht, dass du eine Fremdsprache sprichst.«

»Als junger Mann, damals im Großen Krieg, habe ich etwas aufgeschnappt. Also, weißt du noch, wo das eingestrichene C ist?«

Einen Moment lang sah Grace verwirrt auf die Klaviatur, dann drückte sie mit dem Zeigefinger der rechten Hand eine elfenbeinfarbene Taste.

»Gut. Jetzt versuch, die Töne noch mal zu spielen, und sing in derselben Höhe ›la‹ dazu.«

Grace errötete, versuchte es aber dennoch.

»Nicht schlecht – bei einer solchen Stimme würde … würde ich sagen, du bist ein Naturtalent«, sagte Reuben und klang brüchig.

Grace war überrascht, als sie bemerkte, dass seine Lippen bebten und Tränen in seine Augen traten. »Stimmt etwas nicht, Siddy?«, fragte sie und schob ihre kleine Hand in seine kräftige Pranke.

»Keine Sorge, Prinzessin.« Er lächelte. »Die Sonne hat mich wohl geblendet.«

Kapitel 4

Brookfield, September 1934

Ihre Mutter packte gerade aus, als Grace am Morgen nach ihrer Rückkehr ins Schlafzimmer kam. »Hast du Pearl zum Einkaufen geschickt, Mum?«, fragte sie. »Ich habe sie nirgends gesehen.«

»Just wollte ich es dir erzählen«, sagte ihre Mutter und hängte einen Schwung neuer Sommerkleider in den Schrank. »Pearl ist weg.«

»Wie meinst du das?«

»Sie ist zu ihrer Tante nach Darling Downs gefahren. Der Vorarbeiter deines Vaters, Bill Gleason, hat dafür gesorgt, dass einige der jungen Schafscherer, die zufällig in dieselbe Richtung fuhren, sie mitgenommen haben.«

»Sie kommt doch aber wieder zurück, oder?«

Olive schüttelte den Kopf.

»Warum nicht?« Grace sank aufs Bett. »Ist es, weil ich nach Ravenscroft gehe?«

»Schätzchen, du bist jetzt zwölf, fast eine junge Dame – du hast andere Bedürfnisse.«

Ihre Mutter lächelte strahlend. »Wie es der Zufall will, habe ich in Downs eine Freundin mit zwei kleinen Jungs. Sie hat ein Mädchen gesucht. Ich dachte, es wäre schön, wenn ich ihr Pearl empfehle. Dann hat sie gleich eine neue Stelle.«

Grace schluckte schwer. Pearl war viel mehr als ein Kindermädchen gewesen. Eher eine lieb gewonnene Freundin, die ihr besonderes Wissen anvertraut hatte – wo der süßeste Honig zu finden war und wie magische Wesen aus alten Träumen Berge, Flüsse und Meere geschaffen hatten.

»Ich konnte mich noch nicht einmal verabschieden«, sagte sie und blinzelte die Tränen fort.

»Das ist schade, ich weiß. Aber die Dinge sind nicht immer so, wie wir es gern hätten«, erwiderte ihre Mutter.

November

Gerade war im Radio ein eingängiger neuer Song von Cole Porter mit dem Titel »Anything Goes« gespielt worden. Grace konzentrierte sich darauf, ihn auf dem betagten Klavier im Farmhaus nachzuspielen, als sie zwei Paar hochhackiger Schuhe über den Flur stöckeln hörte.

»Entschuldige, dass ich dich störe, Schätzchen – die Melodie klang übrigens sehr gut –, aber ich verabschiede nur eben Mrs. Evans«, sagte Olive.

Marjorie Evans, eine füllige rothaarige Frau, die auf dem Nachbaranwesen lebte, war die beste Freundin ihrer Mutter. »Hallo, Liebes«, begrüßte sie Grace. »Du freust dich sicher schon auf deine neue Schule, oder?«

»Ich kann es kaum erwarten!«

»Deine arme Mum wird dich allerdings vermissen.« Die Frauen tauschten einen Blick. »Nun ja, da kann man nichts machen, nicht?«

Grace hörte, wie ihre Mutter Mrs. Evans hinausbegleitete, kurz darauf kehrte sie zurück und nahm Grace in den Arm.

»Die britische und die französische Vogue sind heute mit der Post gekommen.« Olive lächelte. »Würdest du sie dir gern ansehen?«

»Liebend gern!« Grace sprang vom Klavierhocker. »Schauen wir sie uns doch zusammen an, Mum.«

Es war komisch, überlegte Grace, als sie sich neben ihre Mutter aufs Sofa kuschelte, aber bis vor Kurzem hatte sie an Kleider noch keinen Gedanken verschwendet – sie waren einfach etwas, das sie morgens anzog. Jetzt faszinierte sie jedes Detail.

Grace liebte die eleganten Bilder in den Illustrierten. Sie brauchten zwar Monate, bis sie in Australien eintrafen, doch ihre Mutter hatte ihr erklärt, dass der nördliche Winter parallel zu ihrem Sommer stattfinde, daher sei das egal. Die Exemplare trafen also genau zur richtigen Saison ein.

Ihre Mutter hatte einen hervorragenden Geschmack. Sie war immer deutlich besser zurechtgemacht als die Frauen der anderen Viehzüchter. Wenn sie auch nicht ganz den kompromisslosen Chic der Mannequins trug, sondern weiblichere Kleider, gut gearbeitete Kostüme und schmeichelnde Hüte bevorzugte, hatte sie dennoch einen eigenen reizvollen Stil. Selbst jetzt, hier auf der Farm, wo sie unter sich waren, trug sie ein weißes Kleid mit zarten Rüschen und antike Saphirohrringe.

Grace nahm ein Exemplar der Vogue Paris und blätterte durch die Seiten. »Das schwarze Kleid mit den Schleifen ist umwerfend!«

»Weißt du was, Gracie? Du hast ein gutes Auge«, bemerkte Olive und blickte ihrer Tochter über die Schulter. »Dieses Kleid ist von Coco Chanel, einer der größten Pariser Designerinnen. Sie war immer für ihre Schlichtheit bekannt, aber in letzter Zeit hat sie ein paar ziemlich aufwendige Abendkleider entworfen.« Auf Olives Gesicht lag ein sehnsuchtsvoller Ausdruck. »Das, was du ausgesucht hast, ist göttlich.«

Grace war aufgeregt. »Nimmst du das Bild mit zu Miss Louise, damit sie es kopiert, wenn du das nächste Mal in Sydney bist?«, fragte sie aufgeregt. »Dann wäre es fertig, wenn du mit Dad zum Ball im Jockey Klub gehst.«

»Stimmt, das ist eine reizende Idee«, sagte ihre Mutter. »Das Problem ist allerdings, dass ich hier niemals diesen Stoff finden werde – das ist sicher Chantillyspitze.«

Grace blätterte zu einer Seite, die zwei elegante, in zartes Rosa gehüllte Frauen zeigte. »Wie wäre es damit?«, fragte sie.

»Ich fürchte, nein.«

»Wieder nicht der richtige Stoff?«

»Ach, ich glaube, Seidenjersey ist schon zu bekommen.« Olive musterte das Bild. »Das Problem ist aber, dass die liebe Lou Lou zwar begabt ist, dieser Stil aber technische Perfektion erfordert. Das«, sagte sie und tippte mit dem Finger auf das Bild, »hat Madame Grès entworfen. Leider gibt es niemanden in Australien – möglicherweise auf der ganzen Welt –, der so mit Stoff umgehen kann wie sie.«

»Meine Güte, es steckt wesentlich mehr hinter Mode, als man denkt.«

»Stimmt.« Ihre Mutter nickte. »Ich persönlich glaube, dass sich eine Frau immer bemühen sollte, das Beste aus sich zu machen, ganz gleich, ob sie zu einer Gartenparty geht oder einen Kuchen backt. Darum denke ich, dass es in gewisser Weise harte Arbeit ist, gut angezogen zu sein.« Sie lächelte ihrer Tochter verschwörerisch zu. »Andererseits, Herrgott, es macht Spaß! Darum ist es unter anderem so besonders, eine Frau zu sein.«

»Aber wie findest du heraus, was dir steht?«, fragte Grace.

»Nun ja, mir hat mal ein junger Mann gesagt, meine Augen hätten die Farbe von Rittersporn. Daraus habe ich geschlossen, dass ich vorzugsweise Blau tragen sollte.« Olive lachte. »Aber man muss es einfach herausfinden. Ich habe eine Idee – warum probierst du nicht ein paar meiner neuen Abendkleider an? Du bist in letzter Zeit so gewachsen, dass wir gleich groß sind. Wir könnten mit dem smaragdgrünen Cocktailkleid aus Satin anfangen – das würde wunderbar zu deinen Augen passen – und dann das aus blauem Seidenshantung.«

»Du bist die beste Mutter der Welt!« Grace strahlte.

Sie wollte schon aufspringen, als sie hörte, wie ihre Mutter geräuschvoll einatmete. »Was hast du gesehen, Mum? Es klang, als hättest du eine Eingebung.«

»Ganz genau«, sagte Olive und grinste unerwartet.

Verwirrt zog Grace die dunklen Brauen zusammen. Anstatt auf ein Kleid blickte ihre Mutter auf eine Seite mit unverständlichem Französisch.

Paris, Dezember 1948

Nachdem die Formalitäten erledigt waren, verkündete Madame Raymonde mit ausladender Geste: »In Kürze werden Sie den Mann kennenlernen, der all dies möglich gemacht hat. Aber zunächst nehmen Sie bitte Platz.« Sie deutete auf ein cremefarbenes Sofa. »Ich muss nur noch eine Kleinigkeit erledigen. Es sollte nicht lange dauern. Möchten Sie in der Zwischenzeit einen Kaffee?«

»Nein, vielen Dank.« An das bittere schwarze Gebräu musste sich Grace erst noch gewöhnen.

»Nun dann, à bientôt.«

Während sie in Madame Raymondes geräuschlosem Büro wartete, dachte Grace an ihre aufregende Ankunft in Paris vor drei Tagen. Sie war mit dem Zug aus Calais am Gare du Nord eingetroffen und eingepackt in ihren wärmsten Wintermantel, ein Paar neuer Strickhandschuhe und einen roten Wollschal auf den überfüllten Bahnsteig getreten. Die letzten Monate waren turbulent gewesen. Als ihr gerade alles düster und hoffnungslos erschien, hatten sich wie durch ein Wunder auf einmal all ihre Wünsche erfüllt. Als wollte sie sich ihres großen Glücks versichern, hatte sie in ihrer Handtasche nach dem Brief getastet – dem wundervollen Brief! –, den sie nur zehn Wochen zuvor aus dem Haus von Christian Dior erhalten hatte.

Grace kannte keine Menschenseele in Paris, sie war jedoch keineswegs beunruhigt. Stattdessen hatte sie sich in dem geschäftigen Bahnhof umgesehen, und der Gedanke, dass sie hier ganz und gar anonym war, hatte sie geradezu beglückt. Nachdem bislang so vieles in ihrem Leben als unausweichliches Schicksal vorherbestimmt gewesen war, bebte Grace geradezu vor Freude über die neue Freiheit. Sie konnte sein, wer immer sie wollte, und Entscheidungen treffen, zu denen sie zu Hause in Australien niemals den Mut gehabt hätte. Am liebsten hätte sie gesungen oder spontan eine Pirouette gedreht, doch stattdessen hatte sie dem erfreuten älteren Gepäckträger, der ihren Koffer die Treppen des Gare du Nord hinaufschleppte, begeistert die Hand geschüttelt und ein großzügiges Trinkgeld gegeben.

Als das Taxi vom Bahnhof losfuhr, war Grace auf den Anblick einer vom Krieg verwüsteten Stadt gefasst gewesen. Zu ihrer Überraschung sah sie durch die Scheiben des Wagens eine unvermindert schöne Stadt. Sie bewunderte die breiten Boulevards, die von eleganten Steinfassaden gesäumt waren, die Parks mit den gestutzten Hecken und den gepflegten Bäumen, die schmale Spitze der Kathedrale Notre-Dame, eine vergoldete Brücke und darunter das wirbelnde Wasser der Seine. Dies war nicht das Paris, das sie auf Fotos gesehen hatte. Was sie sah, war um vieles besser, großartiger, schöner.

Erst als sie in der Rue Dauphine 25 ausstieg, wurde Grace bewusst, welche Spuren der Krieg hinterlassen hatte. Doch trotz der abblätternden Farbe und der fehlenden Bretter in den Fensterläden, die auf beiden Seiten der hohen, schmalen Fenster Wache standen, erkannte sie ein schönes altes Gebäude. Sein solides Gemäuer wirkte irgendwie entschlossen, als wollte es jeder Zerstörung trotzen.

Als sie die schwere Holztür aufstieß, stand Grace in einem kleinen Innenhof, wo ihr eine winzige Frau den Weg versperrte.

»Was wollen Sie, Mademoiselle?«, hatte sie mit schriller, mürrischer Stimme gefragt. »Wenn Sie ein Zimmer suchen, können Sie gleich wieder gehen. Es gibt keins. Ich kann Sie auch nicht woanders hinschicken, also fragen Sie erst gar nicht.« Die Concierge schüttelte energisch den Kopf. »Paris ist überfüllt. Abgesehen von den armen Seelen, die von Gott weiß woher zurückkehren, strömen Horden von Ausländern her.«

Damit wandte sie Grace den Rücken zu und schlurfte zur Tür, hinter der sich offenbar eine kleine Erdgeschosswohnung verbarg, schlüpfte hinein und schloss sie mit Nachdruck.

Trotz der entmutigenden Worte der Frau klopfte Grace an ihre Tür. Was soll ich sonst tun?, dachte sie. Es war noch kälter geworden, und das milchige Licht begann zu schwinden.

»Gehen Sie! Ich habe Ihnen doch gesagt, es gibt nichts«, schrie die Frau durch die geschlossene Tür.

»Aber Madame«, rief Grace. »Ich komme den ganzen Weg aus Australien. Man hat mir gesagt, hier gebe es ein Zimmer für mich. Es wurde alles arrangiert.«

Schweigen. Dann ein Miauen. Die Tür ging wieder auf, und eine geschmeidige schwarze Katze schlenderte heraus, der noch deutlich langsamer die winzige Frau folgte, die die Hände fest auf die Hüften stützte und Grace ungläubig anstarrte. 

»Sie kommen aus dem Land der Kängurus?« Ihr Ton klang sehnsüchtig. »Ach, ich erinnere mich an Ihre Soldaten, die uns im Ersten Weltkrieg geholfen haben – meine Familie stammt von der Somme«, sagte sie. »Dennoch, es tut mir leid, ich kann nichts für Sie tun.« Die Frau beugte sich vor und streichelte die Katze, deren Schnurren eher wie ein Knurren klang. »Es ist nur noch ein Zimmer frei, und die junge Dame, die ich erwarte, ist Französin. Einen Moment, ich hole das Papier.«

Sie ging zurück in ihre Wohnung. Grace hörte, wie eine Schublade zugeschlagen wurde, dann kam die Frau wieder nach draußen geschlurft.

»Sehen Sie, es stimmt. Heute soll nur eine Mademoiselle Dubois eintreffen.«

»Aber das bin ich!«, rief Grace.

Die Frau schien verwirrt, dann zuckte sie ergeben die Achseln. »Wenn das so ist, folgen Sie mir.«

Erst nachdem sie sechs steile Treppen mit ausgetretenen Stufen erklommen hatte, blieb die Concierge keuchend stehen, sah zu Grace hoch und fragte: »Dubois – was ist das für ein Name für eine Australierin?«

Brookfield, Januar 1935

Du musst dir eine neue Identität ausdenken«, behauptete Mademoiselle Elise zu Beginn von Grace’ erster Französischstunde.

»Ich … Was haben Sie gesagt?« Grace erholte sich immer noch von der erstaunlichen Entdeckung, dass Mademoiselle keinerlei Ähnlichkeit mit ihrer Vorstellung von einer Gouvernante hatte – alt, hässlich und bösartig. Die Frau, die ihr gegenübersaß, war kein bisschen alt und, wenn auch nicht klassisch schön wie ihre Mutter, unleugbar attraktiv auf eine Weise, die Grace nur schwer beschreiben konnte.

Zuerst war Grace bitter enttäuscht über die Entscheidung ihrer Mutter gewesen. »Aber warum kann ich nicht woanders zur Schule gehen, Mummy?«, hatte sie gejammert, als sie in einem der Korbstühle auf der Veranda saß. »Ich habe mich so auf Ravenscroft gefreut. Charlotte geht nächstes Semester hin. Wieso darf sie gehen und ich nicht? Das ist nicht gerecht«, sagte sie bockig.

Zum ersten Mal in Grace’ Leben fühlte sich die Abgeschiedenheit von Brookfield trostlos und bedrückend an. »Kein aufregendes Leben in der Stadt, keine neuen Freunde, keine Zeit mit Siddy. Es gibt nichts, worauf ich mich jetzt noch freuen kann.«

Olive hatte darauf bestanden, dass sie nur das Beste für Grace wollte. »Eine Gouvernante zu haben bedeutet, du wirst perfekt Französisch sprechen, besser Klavierspielen und Zeichnen lernen und, nun ja, noch eine Menge anderer Dinge«, hatte sie gesagt. »Nur weil wir näher an Parkes statt an Paris wohnen, sollte dich das nicht davon abhalten, Soufflés zubereiten zu können, weißt du? Du wirst deutlich besser dastehen als all die anderen Mädchen, die auf die Schule in der Stadt gegangen sind – und stell dir nur vor, was für ein Gewinn du für deinen künftigen Ehemann sein wirst.«

»Mum, diese Sachen interessieren mich nicht die Bohne!«, rief Grace.

Olive ignorierte ihre Bemerkung. »Warum um alles in der Welt willst du in Sydney wohnen, wenn du alles, was du dir nur wünschen kannst, hier auf deinem eigenen wunderschönen Anwesen haben kannst, einschließlich deines Vaters und mir? Niemand auf der Welt kann dich so beschützen wie wir. In der Stadt können junge Mädchen in alle erdenklichen Schwierigkeiten geraten«, warnte sie.

Grace verdrehte die Augen. Ihre Mutter war so übervorsichtig, dass es schon lächerlich war: Sie wollte zur Schule gehen, nicht sich in Nachtklubs herumtreiben.

»Und es gibt viele sehr nette junge Leute, die im Kreis bleiben«, fuhr ihre Mutter fort. »Jack, der Sohn der Osbournes zum Beispiel. Er geht auf die Parkes High, damit er lernt, die Riesenfarm seines Vaters zu führen, während er zur Schule geht. Er soll ein reizender Junge sein.«

Ganz gleich, was ihre Mutter sagte, Grace war ganz und gar elend zumute, doch jetzt war sie fasziniert von Brookfields exotischem Neuankömmling. Mademoiselle Elise hatte lebendige braune Augen und dunkelblondes Haar, das sie in einer eleganten Hochsteckfrisur trug. Auch wenn ihre Kleidung schlicht war, besaß sie das Talent, sie auf mühelose Art modisch erscheinen zu lassen – tatsächlich hätte Mademoiselle Elise auf den Seiten der Vogue nicht fehl am Platze gewirkt.

»Hör zu«, wies Elise sie an und schlug die Manschetten ihrer weißen Pikeebluse um. »Solange du die schönste Sprache der Welt lernst, bist du nicht länger Miss Woods aus Australien – non, non, non.« Sie klatschte in die Hände. »Ma petite, um Französisch zu sprechen, musst du dir eine ganz neue Identität zulegen. Das erste Wort, das ich dir beibringen werde, ist bois. Das bedeutet ›Wood‹, also Holz auf Französisch. Voilà! Wenn du mit mir zusammen bist, bist du Mademoiselle Dubois.«

Sechs Wochen später saß Grace hinter ihrem Schreibtisch und studierte wie jeden Tag ganz genau, wie Mademoiselle zurechtgemacht war. Heute trug Elise einen taubengrauen Bleistiftrock und dazu eine rosa Plisseebluse, die perfekt zu Olives preisgekrönter Rose passte, die in einer schmalen Kristallvase auf dem Sekretär stand. Das ehemalige Gästezimmer war nun mit einer Tafel, zwei Bücherregalen und einer Reihe bunter Karten ausgestattet – eine von Paris, eine von Frankreich und ein Flickwerk, das Europa darstellte. Und dann gab es noch eine von dem großen Kontinent Australien. Es gab auch Plakate vom Triumphbogen und dem Eiffelturm.

»Bist du bereit?« Die Hauslehrerin schlug ein Buch auf. »Bon. Wir werden weiter die einzigartige französische Kultur erkunden.«

Während sie begeistert von den legendären Kunstschätzen im berühmten Louvre, der Schönheit des prachtvollen baumgesäumten Boulevards Champs-Élysées und der Herrlichkeit von Notre-Dame schwärmte, sehnte Grace sich danach, diese Sehenswürdigkeiten persönlich zu sehen.

»Die französische Hauptstadt ist bekannt als die Stadt des Lichts, oder La Ville Lumière«, erklärte Elise. »Vraiment, ich kann mir keine passendere Bezeichnung vorstellen. Meiner Meinung nach ist Paris der einzige Ort, an dem man wahre Erleuchtung erlangen kann.«

Sie zeigte auf die Karte von Frankreich: »Das Land hat jedoch viele Regionen, die alle ihre Besonderheiten und eine spezielle Küche haben. Wenn du un moment wartest, kannst du eine délicieuse Erfahrung aus erster Hand machen.«

Mademoiselle Elise verschwand und kehrte sogleich mit einem dampfenden Gericht zurück, das an einen umgedrehten Kuchen erinnerte und tatsächlich köstlich wirkte. Grace atmete den leicht verbrannten, angenehm süßen Duft ein, während Elise ihr ein Stück auf einen kleinen Teller legte.

»Bon appétit!«, sagte Mademoiselle fröhlich.

»Merci beaucoup«, antwortete Grace.

Noch nie zuvor hatte sie so etwas wie die klebrigen karamellisierten Äpfel und das butterige Gebäck gegessen. Grace genoss den süßen, leicht angebrannten Geschmack und stellte sich vor, dass sie nicht länger auf einer großen Schaf- und Weizenfarm im heißen, staubigen Inland von Australien lebte, sondern in einem hübschen französischen Bauernhaus, umgeben von üppigen Obstplantagen.

»Die Tarte wurde als Erstes von den Schwestern Tatin hergestellt«, erklärte Mademoiselle. »Sie lebten im Loiretal, einer reichen, landwirtschaftlich geprägten Gegend, die auch für ihre vielen märchenhaften Schlösser bekannt ist, die wir châteaux nennen. Ach, ich hoffe sehr, dass du sie eines Tages sehen kannst.«

Grace lauschte aufmerksam.

»Mademoiselles Stéphanie und Caroline hatten einen Kuchen für die Gäste ihres kleinen Hotels gebacken, aber versehentlich die Äpfel anbrennen lassen, die sie in einer Mischung aus Butter und Zucker brieten. Quel désastre! Was sollten sie tun?« Elise machte eine dramatische Pause.

»Die Schwestern hatten keine Ahnung. Sie wussten nur, dass sie schnell handeln mussten, darum legten sie eine feine Schicht Teig auf die Äpfel und gaben alles zum Backen in den Ofen. Als er fertig war, wurde der Kuchen umgedreht, und – voilà – die Schwestern hatten aus einem Missgeschick etwas Köstliches gemacht.«

Die Gouvernante nickte ihrem Schützling bedeutungsvoll zu. »Das soll uns allen eine Lehre sein.«

Kapitel 5

Parkes, August 1939

Grace stand im Mondschein vor einer Wellblechhütte, in der die Laienspielgruppe gerade eine kühne Version von Was ihr wollt aufgeführt hatte. Während sie darauf wartete, dass ihr Freund Jack Osbourne mit Getränken zurückkehrte, dachte sie über einen Satz aus dem Stück nach: Wie liebt er mich?

Mit Tränenflut der Anbetung, mit Stöhnen, das Liebe donnert, und mit Flammenseufzern. Grace beobachtete, wie Jack, zwei Ginger Ales jonglierend, durch die Menge auf sie zukam. Es war nicht damit zu rechnen, dass Jack jemals derart poetische Worte von sich geben würde. Grace musste jedoch zugeben, dass er sie noch immer mit demselben glühenden Verlangen in den tiefbraunen Augen ansah wie an jenem Tag, an dem sie sich vor Jahren auf Charlotte Fairweathers Tennisplatz kennengelernt hatten.

Seither hatten sich ihre Wege immer wieder gekreuzt. Sie waren sich zufällig in Parkes begegnet, in der Landwirtschaftsausstellung, beim Reiten. Unterstützt von ihren Eltern, die ihre Freundschaft billigten, hatten sie begonnen, sich gegenseitig zu besuchen. Nachdem ihre Freundin Lottie nun auf die Schule in der Stadt ging, half Jack, diese Lücke in ihrem Leben zu füllen. Zuerst waren sie nur gute Freunde gewesen, und dann, fast ohne dass es ihnen bewusst war, entwickelte sich aus ihrer Freundschaft etwas Ernsteres.

Wenn Grace nun zu einem Tanz, einem Picknick oder einer Tennisparty eingeladen war, ging man davon aus, dass Jack Osbourne, der gut aussehende Sohn des reichsten Farmers der Gegend, ebenfalls dort sein würde. Die Namen des beeindruckenden Paars waren untrennbar miteinander verbunden. Jeder, der sie kannte, schien anzunehmen, dass sie unweigerlich ihre Zukunft miteinander teilen würden.

Erst letzte Woche, als Grace auf der Farm an der offen stehenden Küchentür vorbeigekommen war, hatte sie eine Bemerkung von Marjorie, einer Freundin ihrer Mutter, gehört: »Gott, dieser Osbourne-Junge ist eine gute Partie. Sieht aus, als sei es richtig gewesen, dass du Gracie zu Hause behalten hast.«

»Es heißt, Mütter wüssten am besten, was gut für ihre Töchter ist«, hatte Olive in selbstgefälligem Ton geantwortet und dann hinzugefügt: »Darum habe ich dafür gesorgt, dass meine Tochter nicht ihre Zukunft aufs Spiel setzt, indem sie … na, du weißt schon, über die Stränge schlägt.«

Grace konnte sich genau vorstellen, wie Marjorie die Augenbrauen hochgezogen hatte.

»Hallo, willkommen zurück auf der Erde.« Jack grinste. »Du siehst aus, als wärst du mit den Gedanken ganz woanders.« Er reichte ihr ein Glas Ginger Ale. »Wie hat dir das Stück gefallen?«

»Die Sprache ist natürlich wunderschön. Und es war teilweise urkomisch, allerdings vielleicht nicht immer an den Stellen, die Shakespeare im Kopf hatte.« Grace trank einen Schluck. »Charlotte war eine umwerfende Viola. Ich bin so froh, dass sie für die Ferien nach Hause gekommen ist. Und Kev, der Postbote – oder sollte ich sagen Sir Toby Belch – hat gewiss verborgenes Talent bewiesen.«

»Ich fand es fantastisch«, sagte Jack. »Wobei auch ich bei dem Verwirrspiel um die Identitäten der Liebenden irgendwann nicht mehr genau wusste, wer wer ist.« Er blickte auf seine Armbanduhr. »Meine Güte, wie die Zeit vergeht. Mit dem Truck werden wir nach Brookfield einige Zeit unterwegs sein – wir sollten aufbrechen.«

Grace merkte, wie sie sich anspannte. Jack war ein großartiger Freund, und sie hatte viel Spaß mit ihm, aber sie hoffte, dass er nicht zu viel erwartete. Bislang hatten sie nur unschuldige Küsse getauscht und Händchen gehalten, obwohl offensichtlich war, dass er weitergehen wollte. Den ganzen Abend hatte er jede Gelegenheit genutzt, ihr übers Haar zu streichen oder einen Arm um ihre Taille zu legen.

Nachdem sie eine Stunde lang über die dunkle, staubige Straße gerumpelt waren, bog Jack rechts in einen schmalen Feldweg ab.

»Moment. Wo fährst du hin?«, fragte Grace und biss sich auf die Lippe. Herabhängende Äste schlugen gegen die Windschutzscheibe, während der Truck einsank und die Scheinwerfer geisterhafte Schatten auf die glatten Stämme der silbrigen Eukalyptusbäume und auf Sträucher warfen.

»Da vorn ist eine Anhöhe, von der aus man perfekt den Vollmond sehen kann«, sagte Jack.

Die Reifen knirschten über den Kies, als er den Wagen zum Halten brachte. »Was für eine wundervolle Aussicht«, sagte er. Doch Jack betrachtete nicht die kühle weiße Scheibe, die am Nachthimmel leuchtete, sondern starrte mit gierigem Blick auf Grace.

Er zog sie an sich und öffnete stürmisch mit der Zunge ihre Lippen. Während sie sich auf diese neue, leidenschaftlichere Weise küssten, nahm Grace entfernt wahr, dass er ihren Reißverschluss öffnete. Das Kleid glitt ihr von den Schultern, und der zarte Stoff sammelte sich um ihre Taille.

Grace fühlte sich, als würde sie von einem reißenden Fluss mitgerissen. Sie begehrte Jack nicht gerade, doch zugleich brachte sie irgendwie nicht den Willen auf, ihn abzuhalten. Erst als er begann, mit den Fingern die zarte Wölbung in ihrem BH zu erforschen, erstarrte sie. Gegen ihren Willen schossen ihr die warnenden Worte ihrer Mutter durch den Kopf, die sie nicht müde wurde zu wiederholen.

Wohlerzogene junge Damen interessieren sich nicht für Sex.

Wenn ein Mädchen vor der Ehe mit einem Mann schläft, ist sie nichts als gebrauchte Ware.

Ein uneheliches Kind bedeutet nur eins – große Schande.

Grace schob Jack fort.

»Was hast du, Liebes?«, keuchte er. »Du weißt, was ich für dich empfinde.«

»Das ist es nicht«, sagte Grace und kämpfte sich zurück in ihr Kleid. »Das ist zu gefährlich, und …«

»Verstehe.« Er seufzte. »Du willst deine Unschuld bewahren, sagen das Mädchen nicht so?«

»Ach, Jack, es tut mir leid.«

»Dir ist nichts vorzuwerfen«, sagte er mit traurigem Lächeln, »außer, es zählt als Fehler, dass du viel zu hübsch bist.« Jack griff nach ihrer Hand. »Vertrau mir«, sagte er mit ernster und so reizender Miene, dass sich jeder Zweifel, den sie noch an seinen Absichten gehabt haben mochte, in nichts auflöste. »Ich schwöre, ich werde dich nie zu etwas zwingen, das du nicht willst. Ehrenwort, Gracie.«

Dezember 1939

Eine Fliege brummte durch die stickige Luft. Erst kreiste sie um Grace’ Kopf, dann landete sie auf ihrem Arm, bevor sie sich kurz auf einem Zeichenpapier niederließ. Gereizt verscheuchte sie das Insekt.

Grace versuchte, Jack zu porträtieren, der am Stamm einer Myrtenheide am grünen Ufer des Lachlan Rivers lehnte. Während Licht und Schatten über sein dunkelbraunes Haar, die olivfarbene Haut und die markanten Gesichtszüge tanzten, schien er ihr attraktiver als je zuvor.

»Es ist merkwürdig«, sagte sie.

»Was? Dein Bild von mir?«

»Genau!« Grace lachte. »Nein, ich habe gerade darüber nachgedacht, dass wir beide mit der Schule fertig sind, aber das, was gemeinhin als ›echtes Leben‹ bezeichnet wird, noch nicht begonnen hat. Irgendwie sind wir keine Kinder mehr, aber auch noch keine Erwachsenen. Wir schweben in einem Niemandsland dazwischen.«

»Darüber wollte ich mit dir sprechen.« Jack wirkte ungewöhnlich ernst. »Du weißt ja, dass Krieg ist …«

Natürlich wusste sie das. Seit drei Monaten sprachen alle von nichts anderem mehr.

»Aber der ist so weit weg«, sagte sie.

»Das heißt aber nicht, dass Großbritannien nicht unsere Hilfe braucht.« Jack beugte sich vor. »Gracie, ich werde nicht lange warten. Sobald ich achtzehn bin, verpflichte ich mich.«

»Wie meinst du das?« Sie war schockiert. »Das darfst du nicht – dein Vater erwartet, dass du auf der Farm bleibst.«

Jack schüttelte den Kopf. »Ich habe in der Zeitung gelesen, dass viele Burschen aus dem britischen Weltreich nach England gehen und sich der britischen Luftwaffe anschließen. Da die Regierung nur wenige Meilen von Parkes entfernt einen Luftwaffenstützpunkt eingerichtet hat, ist das die perfekte Gelegenheit für mich. Schon bald werde ich über dem Ärmelkanal deutsche Flugzeuge abschießen.«

»Du scheinst alles schon genau geplant zu haben.« Sie drehte eine Haarsträhne um ihren Finger. »Dafür hast du aber ziemlich lange gebraucht, um es mir zu erzählen.«

»Es tut mir leid, Gracie.« Jack stand auf. »Ich wusste nicht, wie du es aufnehmen würdest. Mum und Dad werden schon zurechtkommen. Am schlimmsten ist es, dich zurückzulassen.«

Grace rang noch mit Jacks überraschendem Geständnis, als er ein paar Schritte auf sie zukam, kurz zögerte und dann unvermittelt auf ein Knie sank.

»Ich muss dir noch etwas sagen, Gracie«, erklärte er. »Willst du mich heiraten?«

»Jack!« Sein Antrag war immer in weiter Ferne gewesen, eine vage Möglichkeit, aber nie wirklich real. Sie genoss die unkomplizierte Vertrautheit zwischen ihnen. Aber liebte sie ihn? Sie wusste nicht, wie sich das anfühlte. Während er nicht genug von ihren Küssen und Liebkosungen bekommen konnte, war sie nie richtig hingerissen. Genügte es ihr, Jack zu mögen und mit ihm Spaß zu haben, um ein ganzes Leben mit ihm zu verbringen?

Als Grace an jenem Tag am Flussufer saß, wusste sie mit bedrückender Sicherheit, wenn sie »Ja« sagte, wäre ihre Zukunft eine exakte Kopie vom Leben ihrer Mutter: Sie würde auf einem großen Anwesen leben, ihre Freizeit mit Bridgespielen, Blumenausstellungen, Gärtnern und Sitzungen von Wohltätigkeitskomitees verbringen, unterbrochen von gelegentlichen Besuchen beim Schneider oder Pferderennen in der Stadt. Grace wollte mehr als das.

Sie sprach jedoch nichts davon aus; sie protestierte nur: »Jack, wir sind doch noch Kinder …«

»Da täuschst du dich, Gracie«, erwiderte er. Er sprang auf, dann packte er sie und zog sie hoch, sodass sie vor ihm stand. »So sieht das ›echte Leben‹ aus«, sagte er. »Wenn ich alt genug bin, um zu kämpfen, bin ich auch alt genug, um dich um deine Hand zu bitten.«

Grace hatte keine Ahnung, was sie sagen sollte.