Das Weihnachtsdorf - Petra Durst-Benning - E-Book

Das Weihnachtsdorf E-Book

Petra Durst-Benning

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Beschreibung

Eine Weihnachtsgeschichte mit vielen Rezepten und Dekotipps

Dezember im malerischen Allgäu. Maierhofen liegt friedlich im Schnee. Der Trubel des Kräuter-der-Provinz-Festivals ist nur noch eine schöne Erinnerung. Langweilig wird es im Genießerdorf jedoch nicht: Der erste Weihnachtsmarkt steht bevor. Wird es den Maierhofenern gelingen, das Wahre und Gute in den Winter hinüberzuretten? Therese freut sich auf Feiertage in trauter Zweisamkeit, doch jemand will ihre Pläne durchkreuzen. Und während es Christine vor ihrem ersten Fest alleine graut, werden Roswitha und Edy auf die Probe gestellt. Probleme brauen sich zusammen wie Winterstürme. Wie viele kleine Wunder braucht es für das große Glück?

Die »Maierhofen«-Reihe:

Band 1: Kräuter der Provinz
Band 2: Das Weihnachtsdorf
Band 3: Die Blütensammlerin
Band 4: Spätsommerliebe

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Seitenzahl: 199

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Buch

Es ist Anfang Dezember im malerischen Allgäu. Maierhofen liegt friedlich im Schnee, Kerzenlicht funkelt in den Häusern. Der Trubel des Sommers ist längst vorbei, das große Kräuter-der-Provinz-Festival nur noch eine schöne Erinnerung. Langweilig wird es im Genießerdorf jedoch lange nicht, denn der erste Weihnachtsmarkt steht bevor. Wenn es nach Werbefrau Greta geht, haben dort Plastiknikoläuse und billiger Glühwein nichts verloren. Wird es aber den Maierhofenern gelingen, das Wahre und Gute in den Winter hinüberzuretten? Therese freut sich auf Feiertage in trauter Zweisamkeit, doch jemand will ihre Pläne durchkreuzen. Und während es Christine vor ihrem ersten Fest alleine graut, werden Roswitha und Edy auf die Probe gestellt. Junges Liebesglück, neue Sehnsüchte und zerschlagene Hoffnungen brauen sich zusammen wie Winterstürme. Wie viele kleine Wunder braucht es für das große Glück?

Autorin

Petra Durst-Benning wurde 1965 in Baden-Württemberg geboren. Seit über zwanzig Jahren schreibt sie historische und zeitgenössische Romane. Fast all ihre Bücher sind SPIEGEL-Bestseller und wurden in verschiedenen Sprachen übersetzt. In Amerika ist Petra Durst-Benning ebenfalls eine gefeierte Bestsellerautorin. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Hunden südlich von Stuttgart auf dem Land.

Weitere Informationen unter: http://www.durst-benning.de

Von Petra Durst-Benning bereits erschienen

Kräuter der Provinz

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Petra Durst-Benning

Das Weihnachtsdorf

Roman

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Der Ort Maierhofen ist meiner Fantasie entsprungen, etwaige Ähnlichkeiten mit anderen Orten, aber auch Namensähnlichkeiten sind rein zufällig.

Copyright © 2016 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Gisela Klemt

Umschlaggestaltung und -motiv: © Johannes Wiebel | punchdesign, unter Verwendung von Motiven von Shutterstock.com

ED ∙ Herstellung: kw

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-20000-8V006www.blanvalet.de

Brief an meine Leser

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Freunde von Kräuter der Provinz,

»Macht es überhaupt noch Sinn, in Zeiten wie diesen Weihnachten zu feiern?«, habe ich mich beim Schreiben der Weihnachtsgeschichte gefragt. Terror, Kriege, Gewalt – schlechte Nachrichten, wohin man hört und schaut. Und wir dekorieren unsere Fenster mit Kerzen, stellen Nikoläuse auf und backen Plätzchen. Wir bewundern in der Kirche die kunstvoll verzierte Krippe mit dem Jesuskind.

Ganz gleich, ob wir Weihnachten im christlichen Sinne feiern oder einfach als Familienfest: Erschaffen wir uns damit nicht eine Parallelwelt, die schon lange nichts mehr mit der harschen Realität zu tun hat?

In meinen Augen ist es gut, dass wir Weihnachten feiern. Heute mehr denn je! Denn Friede und Freiheit beginnt im Kleinen. Bei uns zu Hause. In unserer Straße, in unserem Dorf, in unserer Stadt. Wie soll sich jemand für den Weltfrieden einsetzen, wenn schon seine eigene Familie zerstritten ist?

Wenn ich meine Nikoläuse aus dem Keller hole, dann ergeht es mir wie Therese in meinem Roman: Mein Herz lacht!

Und wer mit sich im Reinen ist und sich auf Weihnachten freut, der will dies mit anderen teilen, anstatt sich abzuschotten. Es gibt so viele Möglichkeiten: sich einfach ins Auto setzen und einen Adventsstollen im nahegelegenen Seniorenheim vorbeibringen. Einen Zettel vom »Wunschbaum« im Einkaufszentrum abnehmen und einem Kind zu Weihnachten eine Freude machen. Bei der Aktion »Weihnachten im Schuhkarton« mitmachen.

Es gab schon Heilige Abende bei uns, da waren ganz unterschiedliche Gäste rund um unseren Esstisch versammelt, und das ganz spontan. Das Jahr über kommen Singles, Verwitwete und andere Alleinstehende gut zurecht, aber am Heiligen Abend tut Alleinsein weh. Das muss nicht sein. An fast jeder Tafel ist noch ein Platz frei. Feiern wir gemeinsam!

Lasst uns im Kleinen beginnen, Gutes zu tun, lasst uns gemeinsam Einsamkeit und Leid vertreiben – vielleicht ist das auch eine Botschaft, die sich hinter dem ganzen Weihnachtszauber verbirgt?

Frohe Weihnachten wünscht Ihre

Petra Durst-Benning

1. Kapitel

Anfang Dezember, Maierhofen, Württembergisches Allgäu

»Hohoho …«

Erschrocken zuckte Thereses Hand aus dem großen Pappkarton zurück.

»… ich bin der Nikolaus, komm von drauß’, will ins Haus …«, dröhnte es weiter aus dem Karton.

Therese lachte leise auf. Daran, dass einer ihrer Nikoläuse sprechen konnte, hatte sie sich noch nicht gewöhnt.

Im Laufe der Jahre hatte sie eine ganze Reihe von Nikoläusen gesammelt. Der eine war sportlich und trug ein paar Ski, der nächste kam mit einem Schlitten daher, der übernächste war voll beladen mit Geschenken. Aber sprechen konnte nur einer. Der Nikolaus von Sam …

Therese strich die Schürze ihres Dirndls – ihr Markenzeichen, wenn es um Klamotten ging – glatt, dann hob sie den bärtigen Gesellen fast zärtlich aus der Kiste. Sie hatte ihn erst vor wenigen Wochen von Sam geschenkt bekommen, somit war er neu in der Runde. Aber allem Anschein nach vertrugen sich die alten und der neue ganz manierlich. Samy, wie sie ihn genannt hatte, hatte eine rote Samtweste an, die mit weißem Teddyfell verbrämt war. Seine Füße steckten in robusten Stiefeln, seine Haare waren lang wie die eines alten Hippies und wurden nur notdürftig von der Bommelmütze versteckt. Ein lustiger Geselle! Therese schmunzelte. Wo Sam ihn bloß aufgetrieben hatte?

Liebevoll ließ sie den Blick über die Fensterbank ihres Gasthauses Goldene Rose schweifen, wo – zwischen frisch geschnittenen Tannenzweigen – die Nikoläuse ihre Plätze eingenommen hatten. In den nächsten Wochen würden sie ein Auge auf das Treiben in der Gaststube haben. Würden den Duft von Gänsebraten einatmen und die Süße von Sams unnachahmlicher Schokoladencreme. Würden missfällig die Miene verziehen, wenn ein Ehemann seine Frau allzu lange anschwieg. Rede doch mit ihr!, würden sie ihn stumm auffordern. Sie würden verständnisvoll nicken, wenn auf einer Weihnachtsfeier Herr Schmidt mit Frau Maier schäkerte. So war das eben, wenn man ein Gläschen zu viel hob. Solange nicht mehr daraus wurde … Und wenn alle Gäste weg waren, würden sie sich wahrscheinlich ein Glas Bodenseewein aus den angebrochenen Flaschen genehmigen, die auf der Theke standen. Zumindest nahm Therese das an.

Sie konnte den Rauschebärten ihre rege Anteilnahme nicht verdenken, schließlich hatten sie viele Jahre ihr Dasein in einem verschlossenen Karton fristen müssen! Es war traurig, aber wahr – für eine weihnachtliche Dekoration hatte sie lange Zeit einfach keine Zeit gefunden. Oder keine Lust dazu gehabt. Lediglich einen künstlichen Tannenbaum mit integrierter bunter Lichterkette und hässlichen Plastikkugeln hatte sie aufgestellt.

Letztes Jahr jedoch, nachdem sie ihre schwere Krebserkrankung überstanden hatte, hatte sie sich an ihre Nikoläuse erinnert. Mit schlechtem Gewissen hatte sie einen nach dem andern aus dem Karton geholt, hatte sich für die Vernachlässigung entschuldigt. »Jahrelang habe ich mich nicht um euch gekümmert. Und um mich auch nicht. Aber das hat jetzt ein Ende! Ab jetzt wird wieder gelebt, versprochen«, hatte sie den Bärtigen zugeraunt. Alle hatten ihr verziehen, und so hatte auch sie sich verzeihen können.

Danke, lieber Gott, murmelte sie stumm, und ein Gefühl von Wärme durchströmte ihr Innerstes. Sie musste nicht explizit sagen, wofür sie sich bedankte, das wusste der liebe Gott auch so. Es war so vieles, für das sie dankbar war. Für ihre Gesundung und dafür, dass sie sich endlich wieder an den kleinen Dingen des Lebens erfreuen konnte. Dass sie endlich wieder gut zu sich selbst war. Lange genug war sie eine selbstausbeuterische One-Woman-Show gewesen, hatte Körper, Geist und Seele geschunden. Einen Gasthof allein zu stemmen war kein Kinderspiel! Und so hatte sie geackert wie ein Gaul. Um sich selbst, ihr Seelenleben und ihren Seelenfrieden hatte sie sich nie gekümmert, wozu auch? Bis das Schicksal ihr die Rechnung präsentierte. Krebs. K. o., in Runde zwölf. Zuerst hatte sie an einen Irrtum geglaubt. Sie und Krebs? Eine Verwechslung. Ein bedauerlicher Irrtum. Das konnte nun wirklich nicht sein!

Es konnte sein. OP, Chemotherapie und Kur waren gefolgt. Wochen, nein Monate, in denen sie nicht nur ihren Gasthof, sondern ihr geliebtes Maierhofen in den Händen anderer hatte lassen müssen. Loszulassen war ihr schwer gefallen. Mithilfe ihrer Freundinnen Christine und Magdalena, ihrer Cousine Greta und mit Sams Hilfe – ach, eigentlich hatte ganz Maierhofen mitgeholfen! – war es ihr letztendlich doch gelungen. Dass es auch ohne sie ging, war für sie eine so erstaunliche wie erfreuliche Erfahrung gewesen. In der Rehaklinik hatte sie dann gelernt, dass Pausen zum Alltag dazugehörten. »Hören Sie auf das, was Ihr Körper Ihnen sagt. Wenn er müde ist, dann teilt er Ihnen das sehr deutlich mit«, hatte die Therapeutin zu ihr gesagt. Therese hatte innerlich die Augen verdreht. Typisches Therapeutengerede! Sollte sie sich wegen jedes Zipperleins ins Bett legen? Täglich einen Mittagschlaf machen? Und dann ein Kaffeepäuschen gleich hinterher? Da konnte sie ihren Laden gleich zumachen. Was einen nicht umbrachte, machte einen nur stärker. Daran sollte man sich halten! Sonst verweichlichte man nur. Oder?

Rückblickend konnte sie gar nicht genau sagen, wann sie erkannt hatte, dass die alten, von ihr aufgestellten und so rigiden Regeln sie nicht weiterbrachten. Dass es an der Zeit war, neue Regeln zu finden. Waren es die Therapiegespräche gewesen? Die Joggingrunden im Kurpark? War es der Krebs selbst gewesen? Gleichgültig – sie lebte, war dankbar, froh und glücklich, und nur das zählte!

Heutzutage zog sie sich öfter einmal aus dem Geschehen zurück, sei es hier im Gasthof oder im Gemeindeleben selbst. Dann gönnte sie sich einen Stadtbummel, ging zum Frisör und ließ ihre rotbraunen Locken bändigen oder sie traf sich mit ihren Freundinnen auf eine Tasse Kaffee. Und sie fand wieder Gefallen an den kleinen Dingen am Wegesrand. Sie schaute mit glänzenden Augen in einen winterlich-klaren Sternenhimmel. Sie freute sich an einer heißen Tasse Kakao nach einem langen Spaziergang. Und sie nahm sich Zeit, ihr Haus schön zu gestalten, so wie jetzt mit ihren Nikoläusen. Jeder Tag war für sie nun erfüllt mit kleinen Freuden und großen Wundern.

Thereses Blick fiel durch die Butzenfenster des Gasthofes hinaus auf den Marktplatz, in deren Mitte eine riesengroße Linde stand. Im Sommer bot sie den Maierhofenern einen Schattenplatz. Im Winter jedoch stand sie stets kahl und ein wenig verloren da. Doch nicht in diesem Jahr! Dieses Jahr waren die kahlen Äste nämlich von Josef Scholz, dem der Elektroladen von Maierhofen gehörte, mit langen Lichterketten geschmückt worden, die nun, am späten Nachmittag, schon warmes Licht und ein Gefühl von Heimeligkeit verbreiteten. Die Kosten für diese weihnachtliche Dekoration waren aus der Gemeindekasse bezahlt worden. Ausnahmsweise war es Therese nicht schwergefallen, diese Ausgabe durchzusetzen, und das lag nicht nur daran, dass Josef Scholz einer der drei Gemeinderäte war, sondern an der Tatsache, dass am dritten Advent der erste Maierhofener Weihnachtsmarktstattfinden sollte. Und jedem war klar, dass dafür ein wenig Lichterglanz vonnöten war. Wie schon das Kräuter-der-Provinz-Festivalim Sommer wurde auch der Weihnachtsmarkt von Greta, Thereses Cousine, organisiert. Die Aufregung und Anspannung, aber auch die Vorfreude, wuchsen im ganzen Ort von Tag zu Tag. Wie würde er wohl aussehen, der erste Weihnachtsmarkt Maierhofens? Würden auswärtige Gäste den Weg ins Württembergische Allgäu finden? Wenn nicht, wäre das halb so schlimm, war die einhellige Meinung, feiern konnten sie auch allein! Würde ein bisschen Schnee liegen? Oder so viel, dass die Autofahrer Mühe hatten durchzukommen? Nun, man würde es nehmen, wie es kam. Gemeinsam waren sie stark.

Danke auch dafür, lieber Gott! Für Therese war es noch immer ein Wunder, wie sehr die Maierhofener zu einer Gemeinschaft geworden waren. Aus vielen Einzelgängern war eine starke Mannschaft geworden, die das verschlafene Maierhofen zu einem umtriebigen Genießerdorf umgestaltet hatte. Zusammen mit Greta Roth, einer der besten Werbefrauen Deutschlands, hatten sie es geschafft, aus dem sterbenden Dorf einen Ort mit Zukunft zu machen. Einen Ort, an dem Umzugswagen wieder Möbel und Leben auspackten. Drei Familien waren seit dem Sommer hergezogen! Und zwei junge Frauen hatten außerhalb von Maierhofen einen alten Bauernhof gekauft und mit neuem Leben erfüllt. Ob dies alles tatsächlich allein mit dem Kräuter-der-Provinz-Festival zusammenhing oder andere Gründe hatte, wusste Therese nicht. Aber eins wusste sie: Mit Maierhofen ging es aufwärts! Kein einziger Laden stand mehr leer, außer dem Genießerladen, in dem regionale Produkte aller Art verkauft wurden, hatte ein kleiner Wollladen eröffnet – sehr zur Freude von Thereses bester Freundin Christine. Nachdem die Metzgerei Scholz ihren regulären Betrieb vor ein paar Monaten aufgegeben hatte, hatte ein junger Metzger es gewagt, wieder ein Geschäft zu eröffnen, was wiederum die meisten Maierhofener freute. Und Monika Ellwangers Gartencafé, das sie im letzten Sommer eröffnet hatte und das sie eigentlich nur in der warmen Jahreszeit hatte führen wollen, war nun sogar ganzjährig offen. »Ob du es glaubst oder nicht, aber es kommen jeden Tag Leute, um meine Waffeln zu essen«, hatte Monika erst letzte Woche zu Therese gesagt. Die Verwunderung in ihrer Stimme war unüberhörbar gewesen. »Dass du damals deine Cousine Greta zu Hilfe geholt hast, war unser aller Rettung, Therese«, hatte Monika noch hinzugefügt. Und gemeint, dass sie Therese dafür gar nicht genug danken konnten. Therese hatte nur abgewinkt. Nicht ihr gebührte der Dank, sondern Greta, die für Maierhofen so vieles aufgegeben hatte … Aber das war eine andere Geschichte.

Therese grüßte durch eines der Fenster Roswitha, die gerade eilig in Richtung Genießerladen schritt, wo sie an zwei Nachmittagen in der Woche als Verkäuferin tätig war. Wie forsch die Kartoffelbäuerin ausschritt! Und dies lag nicht am Nieselregen, sondern an dem neuen Selbstbewusstsein, das Rosi heute trug wie ein elegantes Cape.

Rosi und ihr Lebensgefährte Edy. Noch eine Erfolgsgeschichte, an die vor einem guten Jahr niemand geglaubt hätte. Manchmal war das Leben fast wie im Märchen …

Genug getrödelt! Resolut faltete Therese den leeren Karton zusammen, dann ließ sie einen letzten Blick über ihre weihnachtliche Dekoration schweifen. Die Nikoläuse, das frische Tannengrün, die aus roten Stoffresten von Christine genähten Herzchen, dazu dicke rote Stumpenkerzen auf jedem Tisch – schön sah die Gaststube aus. Die Gäste konnten kommen!

In der Küche war Sam – Koch und Küchenchef der Goldenen Rose – dabei, Suppengemüse kleinzuschneiden. Tief atmete Therese den würzigen Duft von Sellerie, Karotten, Lauch und Petersilienwurzel ein, während sie hinter Sam trat und sich an seinen Rücken schmiegte. Er drehte sich zu ihr um und gab ihr einen Kuss auf die Nase. Sie schloss die Augen und seufzte tief auf. Danke, lieber Gott.

Sie und ihr Küchenchef waren ein Paar. Eine Geschichte wie in dem Song »Tausendmal berührt«. Nach dem großen Genießerfestival im Sommer hatte plötzlich eine ganz besondere Spannung zwischen ihnen in der Luft gelegen. Zuerst hatte Therese geglaubt, dies läge noch an der Aufregung der vergangenen Tage und Wochen. Doch dann hatte sie gemerkt, dass das Prickeln in ihrer Magengegend andere Gründe hatte: heimlich getauschte Blicke, so heiß wie die Flammen, auf denen Sam seine exquisiten Speisen kochte. Hände, die sich zufällig auch dann berührten, wenn es gar nicht nötig gewesen wäre. Eine wache Aufmerksamkeit dem anderen gegenüber, die weit über ihr bisheriges sehr gutes Geschäftsverhältnis hinausging. Und dann waren da Sams Neckereien gewesen. Seine kleinen Anspielungen, seine Scherze, die Zuneigung, die sie in jeder seiner Gesten verspürt hatte.

Sam flirtete mit ihr? Anfangs hatte sie das kaum zu glauben gewagt, doch dann …

»Gut, dass du gekommen bist«, sagte Sam und riss Therese damit aus ihren Gedanken. Mit einer flinken Handbewegung verfrachtete er eine neue Ladung Wurzelgemüse in den riesigen Suppentopf. »Du hast mir immer noch nicht deinen Weihnachtswunsch verraten. Und du weißt doch, Männer und Geschenke … Wenn du dich nicht bald äußerst, wird’s am Ende eine Küchenmaschine!« Er grinste.

Therese lachte auf. »Die Mühe mit einem Geschenk kannst du dir wirklich sparen, ich bin wunschlos glücklich. Aber wir könnten über Heiligabend sprechen! Hast du besondere Pläne?« Unmerklich hielt sie die Luft an. Er würde doch nicht wegfahren wollen? Sie allein lassen? Noch während sie diese Ängste in sich aufkommen spürte, ärgerte sie sich darüber. Aber sie war so viele Jahre Single gewesen, dass es ihr noch immer schwerfiel, an die große Liebe zu glauben. Auch wenn sie dicht neben ihr stand.

»Du und deine ewigen Pläne! Was für Pläne willst du denn jetzt schon wieder schmieden?«, fragte er neckend.

Therese verdrehte die Augen. »Typisch Mann! Wenn man Weihnachten keine Pläne schmiedet, wann dann?« Ernster fuhr sie fort: »Letztes Jahr waren wir eine so nette Runde, was meinst du – soll ich Greta und Vincent wieder einladen? Mein Vater wird ebenfalls kommen, wie ich ihn kenne. Und vielleicht sollten wir auch Christine dazubitten …« Ihre Miene verdüsterte sich. Die arme Christine …

Nie hätte sie gedacht, dass ihre beste Freundin die Trennung von ihrem Mann so schwer treffen würde. Christine war nur noch ein Schatten ihrer selbst. Dabei war Herbert Heinrich ein egoistischer, selbstsüchtiger Mann, der Jahrzehnte nichts anderes getan hatte, als Christine kleinzuhalten. Dass seine Frau bei der Organisation des Genießerfestivals wahrscheinlich zum ersten Mal in ihrem Leben so etwas wie Selbstbewusstsein entwickelt hatte, hatte dem Autohausbesitzer gar nicht gefallen. Verboten hatte er ihr die Mitarbeit! Und Christine hatte sich dies sogar gefallen lassen. »Ich will meine Ehe nicht aufs Spiel setzen«, hatte sie traurig zu Therese gesagt und sich aus dem Geschehen zurückgezogen, sehr zum Bedauern der anderen. Geholfen hatte es Christine nicht, denn wenige Monate später hatte ihr Mann sie wegen einer Jüngeren verlassen. Während ihre Freundinnen der Ansicht waren, dass Christine eigentlich nichts Besseres hätte passieren können, heulte Christine ihrem Ex immer noch hinterher.

»Um Christine machst du dir sicher unnötige Sorgen. Bestimmt kommen ihre Töchter über die Feiertage nach Hause«, sagte Sam. »Wenn ich ehrlich bin, wäre ich am liebsten mit dir allein. Für meinen Geschmack hatten wir das ganze Jahr über genug Trubel und Menschen um uns herum.«

Therese biss sich auf die Unterlippe. Wenn sie ehrlich war, erging es ihr nicht anders. Sie und Sam, ganz romantisch unterm Weihnachtsbaum … Sehnsüchtig seufzte sie auf. Dennoch sagte sie: »Und was ist mit meinem Vater …?«

Geräuschvoll setzte Sam den Deckel auf den Suppentopf. »Wenn dein Herz daran hängt, dann soll er kommen! Und Greta und Vincent, und Christine von mir aus ebenfalls. Aber den Laden machen wir dicht!« Er nickte in Richtung Gaststube.

»Versprochen«, sagte Therese eilfertig. »Wir machen Betriebsferien bis zum zehnten Januar, daran wird nicht gerüttelt. Der letzte Tag, an dem wir offen haben, ist der vierte Advent. Danach gibt es für uns nichts weiter als himmlisches Nichtstun.« Sie umarmte ihn spontan.

»Von wegen Nichtstun! Ich habe schon ein paar Ideen, was wir miteinander anstellen können …«, neckte Sam sie, und seine Lippen fanden die ihren, während der Suppentopf neben ihnen zu brodeln begann.

2. Kapitel

Mit den müden Bewegungen einer alten Frau hängte Christine ihre nasse Winterjacke an die Garderobe. Der Nieselregen war nicht heftig gewesen, aber durchdringend. Der einsame Kleiderbügel schlug anklagend gegen die Wand, so, als riefe er nach seinen Kollegen. Doch die Zeiten, in denen Jacken von jungen Mädchen, Männersakkos, Anoraks, Schals und Mützen dicht gedrängt hier hingen, waren vorbei. Die Lippen zusammenpressend, stieg Christine erst aus einem, dann aus dem anderen Winterstiefel. Jack und Joe, die beiden neunjährigen braunen Labradorrüden wedelten aufgeregt mit dem Schwanz. Nach dem Nachmittagsspaziergang bekamen sie immer ihr Abendessen, für ihren Geschmack hätte Christine sich ruhig ein wenig mit dem Ausziehen beeilen können.

Christine lächelte verhalten, als sie die erwartungsfrohen Mienen der beiden Hunde sah. Sich einmal wieder so unbeschwert freuen können …

Ihr Blick wanderte aus dem Fenster, wo alles Grau in Grau lag. Wenn es wenigstens schneien würde! Vielleicht würde sie dann in Weihnachtsstimmung kommen? Bis heute hatte sie es noch nicht geschafft, die Kiste mit den musizierenden Weihnachtsengeln aus dem Keller zu holen. Kein Zweig Tannengrün zierte ihre Wohnung, und der Backofen war bisher auch kalt geblieben. Und das, obwohl sie eigentlich ein solcher Weihnachtsjunkie war! Doch dieses Jahr war ihr irgendwie alles zu viel …

Christine wusste selbst nicht, was mit ihr los war. In früheren Jahren hatte sie es kaum erwarten können, mit den Weihnachtsvorbereitungen anzufangen. Schon Mitte November war in ihrer Küche Backbeginn gewesen, Tag für Tag hatte es nach Zimtstollen, Gewürzbrot und Vanillekipferln geduftet. Draußen, auf dem großen Holztisch auf ihrer Terrasse, hatte sie aus Tannengrün dicke Girlanden geflochten und diese dann rund um den Kamin befestigt. Auch das Geländer der Treppe, die vom Wohnbereich zu den Schlafzimmern oben führte, hatte sie mit Tannengirlanden geschmückt. Wie das duftete! »Bei dir sieht es aus wie beim Floristen«, hatte Therese sie immer aufgezogen, wenn sie auf eine Tasse Kaffee vorbeigekommen war und Christine mit Draht und Astschere, die Hände verklebt mit Baumharz, in Aktion erlebt hatte. Kopfschüttelnd und ein wenig verständnislos hatte die Freundin noch hinzugefügt: »Wozu machst du dir den ganzen Stress?«

Stress? Welcher Stress? Christine hatte nur gelacht. Ihr hatten die Weihnachtsvorbereitungen so viel Spaß gemacht! Die Kinder und Herbert sollten es schließlich schön haben. Auch als Steffi und Sybille längst aus dem Haus waren, hatte Christine viele ihrer alten Weihnachtstraditionen beibehalten. Sie hatte für Herbert einen Nikolausstiefel gefüllt, hatte Schalen mit Nüssen, Mandarinen und Keksen aufgestellt, sodass jeder, der zu Besuch kam, daraus naschen konnte. Herbert hatte es zwar nie laut gesagt, aber Christine war der festen Überzeugung, dass er ihre Anstrengungen insgeheim sehr geschätzt hatte.

Wie es die neue Frau an seiner Seite wohl mit Weihnachten hielt? Christine legte eine Hand auf ihre Brust, als könne sie so den Schmerz, der sie durchfuhr, verringern. Kümmere dich nicht um Herbert!, mahnte sie sich. Denk an Steffi und Sybille. Es ist deine Pflicht, Weihnachten für die Kinder so schön wie möglich zu machen! Vor allem dieses Jahr, wo der Papa fehlte.

Nachdem sie die Hunde gefüttert hatte, kochte sie sich eine Kanne Tee, dann holte sie den dicken Ordner mit Koch- und Backrezepten aus dem Schrank. Es war lange her, dass sie darin geblättert hatte. Für sich allein kochte sie nur einfache Speisen, für die sie kein Rezept benötigte. Aber für Steffi und Sybille wollte sie an Weihnachten etwas Besonderes machen, an nichts sollte es fehlen!

Vorspeisen, kleine Häppchen, Hauptgerichte mit und ohne Fleisch … Ein wehmütiges Lächeln huschte über Christines Gesicht angesichts der Sorgfältigkeit, mit der sie ihre Rezepte geordnet hatte. Hier, der Braten umhüllt mit Blätterteig – den hatte Herbert immer so gern gegessen. Und da, die sommerliche Pasta mit gegrilltem Gemüse – das war ein Lieblingsessen beider Töchter gewesen. Bevor sie wusste, wie ihr geschah, kullerte eine Träne auf die aufgeschlagene Seite. Die Zutaten für eine Ratatouille verwischten. Wenn sie für ihre Ehe nur auch ein gutes Rezept auf Lager gehabt hätte … Schwermut, ihr täglicher Begleiter, hüllte sie ein wie dichter Nebel. Reiß dich zusammen! Denk an dein Heiligabendmenü!, mahnte sie sich.

Mindestens drei Gänge sollten es sein. Oder vier? Am besten servierte sie Suppe und Salat vorneweg, dann war für jeden etwas dabei. Und Sybille mochte doch so gern ihre selbst gemachten Semmelknödel, wo war nur das Rezept …

Während die Hunde auf dem Teppich vor dem Kamin selig schlummerten, füllte sich Christines Notizblock mit immer mehr Menüideen. Ob Steffi noch auf dem Vegetariertrip war? Dann würde sie bei Edy, dem vegan gewordenen Metzger, etwas besorgen. Edy hatte sogar veganen Braten im Angebot, Steffi würde bestimmt Augen machen, dass es so was in Maierhofen gab! Sie, Christine, hatte zwar keine Ahnung, ob so ein Braten aus Gemüse und Weizeneiweiß schmeckte, aber für ihre Tochter würde sie das Risiko eingehen. Hauptsache, die beiden Mädchen waren zufrieden. Vielleicht sollte sie solch einen Braten einmal probekochen?