Das Weinen der Engel - Kat Martin - E-Book

Das Weinen der Engel E-Book

Kat Martin

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Beschreibung

Werfen Sie einen Blick hinter die Kulissen des Chatsfield in London. Nach einer geplatzten Hochzeit, an der Libby Lancaster als Gast hatte teilnehmen wollen, strandet sie allein und ohne Zimmer im legendären Chatsfield. Entschlossen, das Beste aus der Situation zu machen, schlüpft sie in das Designerkleid und die High Heels ihrer umschwärmten Cousine. Nur ein einziges Mal will sie nicht die Brave, sondern ein böses Mädchen sein, das eine sündige Nacht mit dem sexy Prinzen Lucaj verbringt. Doch was wird passieren, wenn es Mitternacht schlägt und ihr Märchen endet?

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Seitenzahl: 492

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Alle Rechte, einschließlich das der vollständigen oder auszugsweisen Vervielfältigung, des Ab- oder Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten und bedürfen in jedem Fall der Zustimmung des Verlages.

Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Die Handlung und Figuren dieses Romans sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind nicht beabsichtigt und wären rein zufällig.

Kat Martin

Das Weinen der Engel

Roman

Aus dem Amerikanischen von

MIRA® TASCHENBUCH

Band 25636

1. Auflage: Januar 2013

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2013 by MIRA Taschenbuch

in der Harlequin Enterprises GmbH

Deutsche Erstveröffentlichung

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

Against The Law

Copyright © 2011 by Kat Martin

erschienen bei: Mira Books, Toronto

Published by arrangement with

HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Redaktion: Thorben Buttke

Titelabbildung: Thinkstock/Getty Images, München

Autorenfoto: © Harlequin Enterprises S.A., Schweiz

Satz: GGP Media GmbH, Pößneck

EPUB-ISBN 978-3-86278-559-9

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmundwww.readbox.net

1. KAPITEL

Er hatte alles, was er wollte. Jede Menge Geld. Ein erfolgreiches Unternehmen. Ein riesiges, speziell für ihn entworfenes Haus in der Sonora- Wüste nördlich von Scottsdale, geschmückt mit zahlreichen kostbaren Originalkunstwerken. Er besaß ein Segelboot, das in San Diego auf ihn wartete. Er trug maßgeschneiderte Anzüge. Und wann immer ihm danach war, fand sich eine Frau, die mit ihm ins Bett ging. Was ziemlich oft vorkam.

Devlin Raines hatte alles. Trotzdem beschlich ihn seit einiger Zeit ein Gefühl der Unzufriedenheit.

Und er konnte sich verdammt noch mal nicht erklären, woher das kam.

Dev rückte seine Panoramasonnenbrille zurecht und streckte sich auf dem Liegestuhl neben dem Pool aus. Er genoss die Oktobersonne; dies war die beste Jahreszeit in Arizona. Das Geräusch des auf den Felsen prasselnden Wasserfalls auf der anderen Seite lullte ihn langsam ein. Fast war er eingeschlafen, da öffnete sein Freund und Angestellter Townsend Emory die Glasschiebetüren von innen.

„Tut mir leid, dich zu stören, Boss. Da ist eine Frau, die dich sprechen möchte. Sie ist verdammt hartnäckig.“ Town war ein großer, muskulöser Afroamerikaner, ehemaliger Footballspieler bei den Arizona Cardinals. Eine Halswirbelverletzung hatte seine Karriere vor vierzehn Jahren beendet. Town war in Phoenix geblieben und hatte für eine Reihe von Sicherheitsfirmen gearbeitet, darunter für Raines Security. Irgendwann war auch das aufgrund der alten Verletzungen nicht mehr möglich gewesen.

Glücklicherweise hatte der Mann nicht nur Muskeln, sondern auch Köpfchen. Nun arbeitete er hier bei Dev im Haus und kümmerte sich um dessen persönliche Angelegenheiten. Zusammen mit der Haushälterin Aida Clark war Town für alle Belange im Haus Raines verantwortlich und nahm sich allem Möglichen an, was sonst noch so anfiel.

Dev schob die Sonnenbrille nach oben und sah seinen Freund, der den ganzen Türrahmen ausfüllte, stirnrunzelnd an. Keine der Frauen, mit denen er sich traf, kam zu ihm nach Hause, ohne vorher anzurufen. Diese Regel hatte er aufgestellt. Das verhinderte peinliche Situationen, falls gerade eine andere bei ihm zu Besuch war. Bisher hatte sich jede seiner unverbindlichen Affären daran gehalten.

Bisher.

Während er sich fragte, wer ihn so dringend sprechen wollte, schwang er seine langen Beine über den Rand der Liege und stand auf.

„He, Moment mal, warten Sie!“, rief Town in dem Moment, als sich eine groß gewachsene schlanke Brünette an ihm vorbeidrängte und die Terrasse betrat. „Sie können hier nicht einfach durchlaufen!“

Die Frau achtete nicht auf Town und lief zielstrebig auf Dev zu. „Sie müssen Devlin Raines sein.“ Mit einem strahlenden Lächeln streckte sie ihm selbstbewusst ihre grazile Hand mit den hübschen pinkfarben lackierten Fingernägeln entgegen. Sie war schätzungsweise über eins fünfundsiebzig und hatte sehr dunkles kinnlanges Haar mit rotblonden Strähnen. Ihre langen Beine steckten in hautengen Jeans, und dazu hatte sie rote, hohe Peeptoes an.

Dev hatte sie nie zuvor gesehen. Sie war unglaublich sexy. Und sie trug keinen Ehering.

„Ja, ich bin Raines.“ Er warf Town einen Blick zu und signalisierte ihm, dass alles unter Kontrolle war. Der musterte die Fremde noch einmal skeptisch und verschwand dann ohne ein weiteres Wort im Haus. „Wie kann ich Ihnen behilflich sein, Ms …?“

„Delaney. Lark Delaney. Ich möchte Sie gern engagieren, Mr Raines. Hoffentlich können Sie mir weiterhelfen.“

Sie war mehr als einfach nur sexy. Diese Frau war Dynamit. Und das auf eine außergewöhnliche Art. Von ihr ging eine ungeheure Energie und Entschlossenheit aus. Mit ihren großen silbernen Kreolen und der ausladenden Paisleytasche mit Metallnähten wirkte sie zwar auffallend, aber doch irgendwie stilvoll.

Eigentlich war sie absolut nicht sein Typ. Er bevorzugte eher zurückhaltende, anschmiegsame Frauen, die nicht groß Widerworte gaben. Trotzdem fühlte er sich von ihr so heftig angezogen wie schon lange nicht mehr von einer Frau.

Er nahm sein kurzärmeliges Tommy-Bahama-Hemd von der Lehne der Liege und warf es sich über, um seine nackte Brust und seine blauen Badeshorts zu bedecken. Bei den Gedanken, die ihm plötzlich durch den Kopf schossen, schien ihm das sicherer.

„Warum setzen wir uns nicht da drüben in den Schatten?“ Er zeigte auf den riesigen überdachten Bereich der Terrasse, der mit der voll ausgestatteten modernen Außenküche mehr wie ein Wohnzimmer aussah. Es war angenehm warm heute, doch nicht so heiß, dass sich die ans Thermometer angeschlossene automatische Sprenganlage eingeschaltet hatte.

Sie setzten sich auf die gelben gepolsterten Stühle an den großen Tisch mit der farbigen Mosaikfliesenplatte.

„Also, Lark … Woher wussten Sie, wo Sie mich finden können?“

Seine Adresse war nicht unbedingt jedermann bekannt. Obwohl er hier sicher auch schon genug Partys veranstaltet hatte. Gewiss hatte sich schon herumgesprochen, wo er residierte. Und dann waren da ja auch noch die Ladys, die er mit hierhergebracht hatte.

„Ich bin zuerst in Ihrem Büro in Phoenix gewesen. Als mir gesagt wurde, dass Sie dort nicht allzu oft sind, bin ich hierhergefahren. Ein Freund von Ihnen hat Sie mir empfohlen. Clive Monroe. Er hat mir die Adresse gegeben. Er meint, Sie hätten zusammen in der Army gedient. Sie wären beide Ranger gewesen.“

Clive „Madman“ Monroe war mehr als nur ein Freund. Er hatte Dev mal das Leben gerettet. „Sie sind hier, weil Sie einen Privatdetektiv engagieren wollen?“

„So ist es.“

„Hat Clive Ihnen nicht mitgeteilt, dass ich mich aus diesem Geschäft zurückgezogen habe?“ Während seiner Zeit bei der Army hatte er Geld gespart und in Aktien angelegt – und dabei enorme Gewinne erzielt. Als er dann noch sein Geld in Wildcat Oil investiert hatte, erwies sich das für ihn als ein noch größerer Glücksfall. Mit dieser Kapitalanlage hatten er und seine Brüder einen Volltreffer gelandet.

Lark lächelte. Sie hatte sehr volle Lippen, die sie im selben Pink geschminkt hatte, wie ihre Fingernägel lackiert waren. Unwillkürlich musste er daran denken, welche aufregenden Dinge solche Lippen mit einem Mann anstellen konnten.

„Clive war sich sicher, dass Sie mir helfen. Er meinte, Sie wären ihm noch einen Gefallen schuldig.“

Mehr als einen Gefallen. Wenn Clive Monroes treffsicherer Schuss aus der M-4 nicht gewesen wäre, könnte Dev heute nicht hier am Pool sitzen.

„Sind Sie mit Clive … liiert?“, fragte er, bevor er sich zurückhalten konnte.

Erstaunt sah sie ihn an. Diese großen grünen Katzenaugen steigerten ihre Attraktivität noch. „Nein. Clive hat vor Kurzem geheiratet. Ich bin eine Freundin seiner Frau Molly. Molly Harris war ihr Mädchenname.“

„Davon habe ich nichts gehört.“

„Das war eine Art Blitzhochzeit nach einer heißen Romanze. Durch Molly habe ich Clive getroffen. Ein wirklich sympathischer Typ. Außerdem scheint er ziemlich viel von Ihnen zu halten.“

„Das freut mich zu hören. Aber wie gesagt, ich arbeite nicht mehr in diesem Geschäft.“ Jedenfalls kaum noch. Allerdings fand er den Gedanken an einen weiteren Einsatz, bei dem er Lark Delaney näher kennenlernen konnte, gar nicht so übel.

„Clive meinte, Sie würden mir bestimmt helfen“, wiederholte sie.

Dev seufzte laut. Es sah aus, als hätte er in diesem Fall keine Wahl. Er schuldete Madman Monroe einen Gefallen. Clive hatte bisher nie etwas bei ihm eingefordert. Und seinem Freund zuliebe mit dieser umwerfenden Brünetten zu arbeiten – auch wenn sie das genaue Gegenteil von seinem bevorzugten Frauentyp war –, schien wirklich nicht zu viel verlangt.

„Also, um was geht es denn, Ms Delaney?“

Sie lehnte sich ein Stück zu ihm vor. Oben herum war sie nicht unbedingt übermäßig ausgestattet, aber für ihn war es mehr als genug. Außerdem gehörte er zu den Männern, die eher auf die Rückseite fixiert waren. Wenn er sich so die Passform dieser engen Bluejeans ansah, dann hatte Lark Delaney einen Weltklassehintern.

„Es wäre mir lieber, wenn Sie mich Lark nennen würden. Es ist eine lange Geschichte, ich weiß nicht so richtig, wo ich anfangen soll.“

„Fangen wir doch damit an, was Sie von mir erwarten. Was soll ich herausfinden?“

„Ich muss die kleine Tochter meiner Schwester finden. Sie ist vor vier Jahren adoptiert worden. Meine Schwester kannte die Adoptiveltern nicht, die Akten wurden damals unter Verschluss gehalten. Aber meine Schwester hat mich auf dem Sterbebett gebeten, ihre Tochter zu suchen und mich davon zu überzeugen, dass es ihr gut geht und sie bei liebevollen Stiefeltern aufwächst.“

„Ihre Schwester ist gestorben?“

Sie nickte. Einen kurzen Augenblick füllten sich ihre schönen grünen Augen mit Tränen. „Heather war erst einundzwanzig. Sie hat hier in Phoenix gelebt. Vor drei Monaten ist sie an Brustkrebs gestorben. Ich habe die letzten Wochen mit ihr verbracht. Wie gesagt, es war ihr größter Wunsch, dass ich ihre Tochter ausfindig mache.“

„Sie wollen mich also engagieren, um die Familie zu finden, die das Kind adoptiert hat.“

„Ich möchte, dass Sie mir dabei helfen, sie zu finden. Es ist meine Aufgabe. Ich habe es Heather versprochen, mich darum zu kümmern. Diesmal muss ich mein Wort halten.“

„Haben Sie’s schon mal übers Internet versucht?“, wollte Dev wissen. „Es gibt jede Menge Seiten von Unternehmen, die sich auf so was spezialisiert haben – sie suchen nach leiblichen Eltern, adoptierten Kindern und so was alles.“

„Das habe ich schon probiert, glauben Sie mir. Genealogy. about.com, OmniTrace, GovtRegistry.com, MiracleSearch … Ich habe einfach nicht genug Informationen.“

Interessante Lady, dachte Dev. Nicht nur ein aufregendes Äußeres, sondern auch noch was im Kopf. Zu dumm, dass er nun für sie arbeiten würde. Es gab eine Regel, die er niemals brach: Mit einer Klientin wird nicht rumgemacht.

„Ich werde Ihnen dazu noch ein paar Fragen stellen müssen. Wie wär’s, wenn ich uns einen Drink hole? Eine Cola, vielleicht. Oder was halten Sie von einer Margarita? Ich verspreche, dass ich den Cocktail nicht zu stark machen werde.“

„Das klingt gut.“

Dev ging zu der Außenbar, um sich an die Arbeit zu machen. Das half ihm, ein bisschen Zeit zu schinden. Er füllte einen Mixer mit Eis und goss dann ein wenig Tequila dazu. Monroe hatte noch was bei ihm offen. Doch mit einer Frau zu arbeiten, die so sexy war wie Lark, würde seine Willensstärke zweifellos auf die Probe stellen.

Während er den Mixer anschaltete, warf er ihr von der Bar her kurz einen Blick zu. Unwillkürlich zuckten seine Lippen. Er würde seine Schulden bei Madman Monroe in voller Höhe begleichen.

Lark setzte sich bequemer hin und beobachtete Devlin Raines.

Mein Gott, dieser Typ war umwerfend. Als sie auf die Terrasse gestürmt war, hatte sie nicht geahnt, was sie erwartete. Sie wusste, er war zweiunddreißig, genauso alt wie Clive. Viele Männer waren in diesem Alter schon abgehalftert. Dieser hier nicht.

Er hatte sich sein Hemd angezogen, aber nicht alle Knöpfe geschlossen. Während er den Mixer ausschaltete und zwei breite Cocktailgläser aus dem Regal holte, deren Ränder er mit Salz versah, konnte sie kurz einen Blick auf seinen flachen, muskulösen sonnengebräunten Bauch werfen. Darüber konnte sie seine ebenso gut durchtrainierte Brust, die mit dunklen lockigen Härchen bedeckt war, bewundern.

Dieser Typ war der Hammer.

Und die Augen! In hellem Kristallblau leuchteten sie in einem Gesicht, das man gut auf einem Cover des GQ Magazins finden könnte.

Lark lehnte sich auf dem Stuhl zurück und riss sich von diesem wunderbaren Anblick los, um auf die Stadt hinunterzusehen. Sie war nicht hier, weil sie mit Devlin Raines flirten wollte. Sie war wegen ihrer Schwester hier. Heathers Wunsch hatte oberste Priorität. Auf keinen Fall würde sie wieder so versagen wie damals.

Lark war einundzwanzig gewesen, als es passierte. Sie hatte früh ihren Abschluss an der University of California in Los Angeles gemacht und versucht, in der Modewelt Fuß zu fassen, während Heather in Phoenix noch auf die Highschool ging. Sechs Jahre zuvor hatten die Mädchen ihre Eltern bei einem Autounfall verloren und waren bei ihren Großeltern aufgewachsen.

Dann, in dem Sommer, als Heather sechzehn geworden war, wurde sie schwanger. Sie war allein und verängstigt, aber entschlossen, das Baby zu behalten. Grandma Florence und Grandpa Joe, beide eingefleischte Katholiken, waren der Meinung, dass Heather ihr Kind bekommen und es dann von einer liebevollen Familie adoptieren lassen sollte.

Damals war Lark einer Meinung mit ihren Großeltern gewesen. Sie waren zu alt, um noch einmal ein Kind großzuziehen, und Heather war einfach zu jung.

Heather war gezwungen gewesen, ihr Baby wegzugeben, und sie hatte diesen Verlust nie überwunden. Es folgte eine Zeit, in der sie sich mit Drogen und Alkohol tröstete. Doch auch nachdem sie diese Phase überwunden hatte, litt sie weiterhin unter Depressionen.

Nun war Heather nicht mehr da.

Lark hatte sich niemals verziehen, dass sie keine Stütze für ihre Schwester gewesen war, als die sie so dringend gebraucht hatte. Nun war sie entschlossen, das Versprechen einzulösen, das sie ihr gegeben hatte. Sie würde die kleine Tochter ihrer Schwester finden und sich vergewissern, dass das Kind in einem liebevollen, guten Zuhause untergebracht war.

Als sie Devlins sich nähernde Schritte auf der Terrasse hörte, schaute Lark auf und konzentrierte sich auf ihre Aufgabe. Er stellte ein vor Kälte beschlagenes Glas mit Salzrand vor ihr auf den Tisch und nahm ihr gegenüber Platz.

„Um auf das Kind Ihrer Schwester zurückzukommen“, sagte er. „Eigentlich müssten doch Ihre Eltern Ihnen weiterhelfen können.“

Lark fuhr mit der Fingerspitze über ihr Glas. „Meine Eltern sind verunglückt, als ich fünfzehn war. Wir sind bei unseren Großeltern aufgewachsen.“ Sie erzählte ihm, dass ihre Großeltern darauf bestanden hatten, das Baby zur Adoption freizugeben, nachdem Heather schwanger geworden war. „Heather hat schließlich zugestimmt, aber sie ist über den Verlust ihrer Tochter nie weggekommen.“

„Haben Ihre Großeltern die Adoptionspapiere?“

„Leider leben sie auch nicht mehr. Aber ich habe die Unterlagen, die Heather nach dem Tod meiner Großmutter übergeben wurden. Ich habe alle Hebel in Bewegung gesetzt, um mit der Agentur Loving Home Adoptions Kontakt aufzunehmen, doch die Adresse in Phoenix ist veraltet und die neue konnte ich nicht herausbekommen.“

„Ich muss mir die Unterlagen ansehen.“

Sie schaute ihn an. „Dann übernehmen Sie den Fall?“

„Das war Monroe wohl klar, als er Sie herschickte.“

Erleichtert atmete sie aus. Es würde klappen. Sie würde ihr Versprechen halten können. „Das freut mich. Wirklich. Vielen Dank!“

„Ich nehme zwölfhundert pro Tag plus Spesen. Das könnte eine ganz schön teure Angelegenheit werden.“

Ihr entging nicht, wie er sie bei diesen Worten beobachtete und auf ihre Reaktion wartete. Wahrscheinlich interessierte ihn die viel mehr als das Geld.

„Kein Problem. Ich gebe Ihnen zur Sicherheit einen Scheck im Voraus.“ Sie nahm ihre Handtasche vom Boden, öffnete sie auf ihrem Schoß und zog eine Visitenkarte heraus. „LARK Design“. Darauf stand ihre Firmenadresse in L.A. und die Telefonnummer.

„Ich entwerfe Handtaschen.“ Sie tippte auf ihre Tasche. „Das ist eins der Modelle. Wahrscheinlich werden Sie das Label nicht kennen, aber einer Menge Frauen ist das ein Begriff. Ich kann es mir leisten, Ihr Honorar zu bezahlen, Mr Raines, das versichere ich Ihnen.“

Seine Mundwinkel verzogen sich nach oben. „Da wir beide ja die gleichen Freunde haben und demnächst zusammenarbeiten, müssen wir wohl nicht so förmlich sein. Wir können uns ruhig duzen.“ Während sie nickte, musterte er die Handtasche. „Sieht wirklich gut aus. Solche Designertaschen sind nicht billig. Mir war gleich klar, dass du nicht nur ein hübsches Gesicht hast.“

Sie lächelte. „Ich hoffe nur, dass es bei dir ebenfalls so ist.“

Dev lachte.

„Wie gesagt, ich möchte bei der Suche wirklich dabei sein. Ich werde mich nicht im Hintergrund halten. Es ist mir wichtig, mein Versprechen einzulösen, das ich meiner Schwester gegeben habe.“

„Okay. Ich denke, damit komme ich klar.“

Ohne ihren Drink angerührt zu haben, stand Lark auf. Dev erhob sich ebenfalls.

„Wir fangen morgen an“, erklärte er. „Bring alle Unterlagen mit, die du hast. Ich habe hier im Haus ein gut ausgestattetes Büro.“

„Ich bin um acht hier, wenn dir das recht ist.“

„Klingt gut.“

Sie lief über die Terrasse zurück und durch die Glasschiebetür wieder ins Haus. Dev folgte ihr dicht auf den Fersen über die spanischen Fliesen bis zur schweren hölzernen Eingangstür.

„Ist das dein Wagen?“, fragte er, als sein Blick auf den kleinen silbernen Prius fiel, der vor dem Haus parkte.

„Er hat meiner Schwester gehört.“ Sie wandte sich zur Seite, als sie erneut diesen wohlbekannten Schmerz spürte. „Ich habe es immer noch nicht geschafft, ihren Nachlass zu sortieren.“

„Das muss schwer sein. Sicher gibt es keinen Grund zur Eile.“

Sie nickte. Es gefiel ihr, dass er Verständnis dafür aufzubringen schien.

Er wartete vor der Tür, während sie die Stufen der vorderen Veranda hinunterstieg. „Wir sehen uns dann morgen früh.“

Sie sah sich zu ihm um. „Bis morgen dann.“ Als sie zum Wagen ihrer Schwester lief, wurde ihr klar, dass sie sich auf das Treffen am folgenden Tag mehr freute, als es angemessen war.

Mit den Gedanken immer noch bei Lark Delaney, ging Dev ins Haus zurück und schloss die Tür. Sie war völlig anders als die Frauen, mit denen er sich normalerweise traf. Gespielinnen, die sich mit einer unverbindlichen Beziehung zufriedengaben, solange er ihnen teure Geschenke kaufte und sie zu kostspieligen Veranstaltungen einlud.

Wahrscheinlich würde Lark ihm ins Gesicht lachen, wenn er es bei ihr mit der gleichen Nummer versuchte.

Er grinste, als er über den Flur zu seinem Arbeitszimmer ging. Anders als der Rest des Hauses, das in zeitgenössischem Südweststaatenstil eingerichtet war, glänzte sein Büro mit klassischen Möbeln vom Feinsten und hypermoderner Technik. Der mit Gas betriebene Kamin war in eine Teakholzwand integriert, hinter der sich eine gut sortierte Bar befand. Gegenüber stand ein hellbraunes kuschelweiches Ledersofa.

In der Ecke befanden sich ein runder Teakholztisch und vier hellbraune Ledersessel für Besucher. Hinter dem großen Teakholzschreibtisch mit dem 30-Zoll-Monitor darauf wartete ein zweiter dazu passender Computertisch mit einem weiteren großen Bildschirm auf. Ein leistungsstarker Mac Pro diente ihm als Hauptrechner, dazu ein erstklassiger Quadcore HP als Zweitgerät.

Auf dem Computertisch bewahrte er ebenfalls ein MacBook auf, das er immer benutzte, wenn er unterwegs war. Die drei Geräte waren in ein kabelloses Netzwerk integriert.

Er setzte sich vor seinen Mac Pro, gab Lark Delaneys Namen in die Suchmaschine ein und verfolgte, wie sich eine lange Liste von Suchergebnissen öffnete. Ohne auf Trefferanzeigen wie „The Pheasant and the Lark“ von Jonathan Swift zu achten, scrollte er die Liste hinunter und fand Artikel aus den unterschiedlichsten Ländern. Sie war gut in ihrem Metier, stellte er fest, und schien in der Modewelt Ansehen zu genießen.

Was ihn nicht sonderlich überraschte. Obwohl es vielleicht der Fall hätte sein sollen, dachte er an den Anblick der auffällig gestylten jungen Frau zurück, die ihn aufgesucht hatte.

Mit ihrem wilden rotschwarzen Haar, dem unkonventionellen Make-up und ihren aufreizenden High Heels hätte sie womöglich einen oberflächlichen Eindruck machen können. Doch er hatte sofort gespürt, dass hinter diesen grünen Katzenaugen ein klarer Verstand mit eiserner Entschlusskraft und starkem Durchsetzungsvermögen steckte, der nicht unbedingt zu ihrer aufreizenden, modischen Erscheinung passte.

Was sie für ihn nur noch interessanter machte.

Er klickte www.LARK.com, die Homepage ihrer Firma, an, und eine anspruchsvoll aufgebaute Website erschien. In Videotrailern wurden ihre Taschen vorgestellt und dazu Links zu verschiedenen Geschäften angezeigt, in denen man diese erwerben konnte. Es gab eine Firmengeschichte, Fotos des Design-Ateliers und von einigen Angestellten des Teams während der Arbeit.

Dev ging zur Trefferliste zurück und klickte ein paar Zeitungsartikel mit Meldungen zum Tod ihrer Eltern an. Sie waren Eigentümer der Restaurantkette Delaney-Bar und Grill gewesen, die in fast allen Staaten an der Westküste Filialen hatte. Das Paar war bei einem schweren Autounfall ums Leben gekommen, wodurch Lark und ihre Schwester einen Haufen Geld geerbt hatten.

Lark hatte bei ihrem Versuch, kurz nach dem Universitätsabschluss ins Modegeschäft einzusteigen, fast ihren gesamten Anteil durchgebracht. Sie war später bei dem Designer Michael Kors angestellt gewesen und hatte dann erneut einen Anlauf in die Selbstständigkeit gemacht. Beim zweiten Mal hatte es geklappt.

Dev lächelte vor sich hin. Es schien tatsächlich so, dass Lark es sich leisten konnte, sein Honorar zu zahlen. Aber Madman Monroes wegen hatte er nicht die Absicht, der Lady eine Rechnung zu schicken.

Er las einen etwas neueren Artikel in einer Lokalzeitung, der sich mit dem Tod Heather Delaneys beschäftigte und bestätigte, dass Lark ihre Schwester in den letzten Wochen ihres Lebens zu Hause in Phoenix gepflegt hatte. Von ihrem Vorhaben, die vierjährige Tochter ihrer Schwester zu finden, wurde nichts erwähnt.

Wenn sie erst einmal die Adoptionsagentur hatten, dürfte es nicht schwierig sein, die Pflegeeltern des Mädchens ausfindig zu machen. Vorausgesetzt, die Leute von der Agentur konnten dazu überredet werden, diese Information weiterzugeben.

Da Lark weiter nichts wollte als die Gewissheit, dass das Kind sich in guten Händen befand, gab es nach Devs Auffassung sicher kein allzu großes Problem dabei.

Es befand sich nur ein Haar in dieser Suppe.

Sein striktes Berufsethos verbot ihm, Geschäftliches mit Vergnügen zu verbinden. Er hatte nie etwas mit einer Klientin angefangen, und so verführerisch Lark auch war, er würde auch jetzt nicht damit beginnen.

In Anbetracht dieser wahnsinnigen Anziehungskraft, die sie auf ihn ausübte, war es am besten, das Kind so schnell wie möglich zu finden. Dann konnte sie wieder nach Hause fahren und er sein Leben weiterleben.

Vielleicht war das ja das Problem: Für einen jungen Typen wie ihn war es nicht gut, sich so früh aus der Arbeitswelt zurückzuziehen. Er wollte mehr tun als sonnenbaden und das Geld ausgeben, das er mit den Aktien von Wildcat Oil gewonnen hatte. Wildcat Oil, die Firma, bei der sein Bruder Jackson als Geologe gearbeitet hatte. Die Investition, die alle drei Raines-Brüder mit den Aktien dieser damals frisch gegründeten Ölverarbeitungsfirma getätigt hatten, hatte ihnen einen Gewinn beschert, der alle ihre Erwartungen übertroffen hatte.

Jackson war wieder in ihren Heimatort Wind Canyon in Wyoming zurückgekehrt und hatte sich dort eine Ranch gekauft, so wie es immer sein Wunsch gewesen war. Gabe war in Dallas als Projektentwickler ins Baugeschäft eingestiegen. Dev hatte kurz vor dem großen Crash noch mehr auf dem Aktienmarkt investiert und rechtzeitig verkauft.

Er hatte mehr Geld, als er ausgeben konnte. Trotzdem musste er noch etwas anderes finden, als von einem Urlaubsort zum nächsten zu reisen und sich durch unzählige Affären mit Frauen zu vögeln, an deren Namen er sich nicht einmal mehr erinnern konnte.

Das Bild von Lark Delaney tauchte vor seinem inneren Auge auf: groß, sexy und voll lebensprühender Kraft, die in ihm den Impuls auslöste, die Hand auszustrecken und zuzufassen.

Da er genau das nicht machen würde, war dies ein günstiger Zeitpunkt, um sein Leben wieder in geordnete Bahnen zu lenken.

Oder es zumindest zu versuchen.

Dev unterdrückte einen lauten Seufzer.

2. KAPITEL

„Versprich es mir, Lark. Versprich mir, dass du es tun wirst!“ Heather lag blass und ausgezehrt in dem geliehenen Krankenbett in ihrem Wohnzimmer. Ein schmaler, eingefallener Schatten ihrer selbst. Einen Moment lang wurde ihr Griff um Larks Finger erstaunlich fest.

Lark spürte einen Kloß in ihrem Hals. „Du kannst dich darauf verlassen, meine Kleine. Ich werde sie finden, koste es, was es wolle. Ich werde nicht eher ruhen, bis ich sie gefunden habe.“

Heather brachte ein letztes schwaches Lächeln zustande, dann fielen ihr die Augen zu. Ein letzter, sanfter Atemzug, und die von Schmerz verzerrten Gesichtszüge entspannten sich. Jetzt lag ein friedlicher Ausdruck auf ihrem hübschen Gesicht, das gezeichnet von der Krankheit war, die sie so früh aus dem Leben gerissen hatte.

„Ich werde sie finden“, wiederholte Lark, deren Hals so schmerzte, dass sie kaum sprechen konnte. „Ich werde dich nicht noch mal im Stich lassen.“ Sie lehnte sich vor und drückte ihrer Schwester einen letzten zärtlichen Kuss auf die Stirn. Dann ließ sie schließlich die Tränen über ihre Wangen fließen, gegen die sie die ganze Zeit angekämpft hatte.

Ein lautes Klopfen an der Tür riss Lark aus dem Schlaf. Sie blinzelte und stellte erstaunt fest, dass sie auf dem Sofa in ihrem Hotelzimmer eingenickt war. Sie atmete tief durch, streckte sich und stand auf, während die Erinnerung an den Traum langsam verblasste.

Gestern, nachdem sie Dev Raines’ Haus verlassen hatte, war sie zur Eigentumswohnung ihrer Schwester gefahren. Es war höchste Zeit, dass sie sich um Heathers Nachlass kümmerte, aber die Erinnerungen an diese letzten Wochen waren einfach zu schmerzhaft gewesen.

Vielleicht war es das Gespräch mit Dev über Heather gewesen. Womöglich lag es daran, dass sie nun den ersten Schritt zur Suche nach der kleinen Tochter ihrer Schwester unternommen hatte. Jedenfalls hatte sie den Anstoß erhalten, den sie gebraucht hatte. Was immer es auch gewesen war, sie fühlte sich jetzt dazu bereit, ihre Trauer zu überwinden.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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