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Bestürzt erkennt Grace: Captain Ethan Sharpe hält sie für die gewissenlose Mätresse des verräterischen Viscount Forsythe! Will er sich jetzt, da sie sich auf seinem Schiff befindet, durch sie an seinem Feind rächen? Zunächst denkt Grace an Flucht, doch dann entbrennt zwischen ihr und Ethan eine glühende Leidenschaft. Noch verschweigt sie ihm ihr wahres Verhältnis zu Forsythe, noch verrät sie ihm nicht das Geheimnis des wertvollen Perlencolliers, das sie mit sich führt. Erst als sie eines Nachts die Geliebte dieses wagemutigen Mannes mit den meerblauen Augen wird, macht sie ihm ein Geständnis ...
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Seitenzahl: 527
IMPRESSUM
HISTORICAL VICTORIA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© 2005 by Kat Martin Originaltitel: „The Devil’s Necklace“ erschienen bei: MIRA Books, Toronto Deutsche Erstausgabe 2006 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg, in der Reihe HISTORICAL GOLD Band 174 Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Neuauflage in der Reihe HISTORICAL VICTORIA, Band 58 9/2021 Übersetzung: Alexandra Kranefeld
Abbildungen: ILINA SIMEONOVA / Trevillion Images, alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 9/2021 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751503051
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, TIFFANY
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London, 1805
Die Stunde ihrer Verabredung rückte näher. Grace’ Herz schlug aufgeregt, und ihre Hände zitterten, als sie ihr Schlafzimmer betrat und leise die Tür hinter sich schloss. Aus dem Salon im Erdgeschoss drang noch schwach die Musik des vierköpfigen Orchesters nach oben. Die Abendgesellschaft hatte ein kleines Vermögen gekostet und war ein weiterer Versuch ihrer Mutter, sie an den Mann zu bringen – vorzugsweise an einen alten, adeligen Mann aus besten Kreisen. Grace war so lange wie nötig geblieben und hatte sich halbherzig mit den langweiligen Gästen unterhalten, bald jedoch Kopfschmerzen vorgetäuscht und sich nach oben auf ihr Zimmer zurückgezogen. Heute Nacht hatte sie noch etwas Wichtiges zu erledigen.
Grace streifte ihre langen weißen Seidenhandschuhe ab und hörte, wie der Wind die kahlen Zweige der Bäume gegen das Fenster peitschte. Ihre Handflächen schwitzten vor Aufregung, als Zweifel sich in ihr auszubreiten begannen, aber jetzt wollte sie keinen Rückzieher machen.
Sie zog ihre Schuhe aus feinem Glacéleder aus und läutete nach ihrer Kammerzofe. Grace hob die Arme, um den Verschluss des diamantenbesetzten Perlencolliers zu öffnen, das sie um den Hals trug. Unter ihren Fingern spürte sie die seidig glatten Perlen und die scharf geschliffenen Diamanten, die zwischen die Perlen eingesetzt waren.
Die Kette war ein Geschenk ihrer besten Freundin, Victoria Easton, Countess of Brant, und Grace schätzte das Schmuckstück sehr, zumal es das einzig Wertvolle war, das sie besaß.
„Sie haben nach mir gerufen, Miss?“ Phoebe Bloom, ihre herzensgute, aber manchmal ein wenig zerstreut wirkende Kammerzofe, sah fragend zur Tür herein.
„Ja bitte, Phoebe. Ich bräuchte Ihre Hilfe.“
„Aber natürlich, Miss.“
Phoebe brauchte nicht lange, ihr aus dem Kleid zu helfen. Grace lächelte ihre Dienerin nervös an, ließ sich den gesteppten Morgenmantel um die Schultern legen und gab dem Mädchen für den Rest des Abends frei. Von unten war immer noch Musik zu hören. Grace hoffte, dass ihr Vorhaben gelang und sie wieder zu Hause wäre, bevor irgendjemand ihre Abwesenheit bemerkte.
Sobald Phoebe die Tür hinter sich geschlossen hatte, warf Grace den Morgenmantel beiseite und schlüpfte eilig in ein schlichtes graues Wollkleid. Sie drapierte ein Kissen unter ihrer Bettdecke – damit ihre Mutter, sollte sie noch einmal nach ihr sehen, glaubte, sie schlafe bereits –, griff nach ihrem Umhang und blies die Öllampen auf dem Ankleidetisch und neben ihrem Bett aus.
Auf dem Weg zur Tür nahm sie noch ihren Handbeutel mit der schweren Geldbörse an sich. Ihre Großtante, Matilda Crenshaw, Baroness Humphrey, hatte ihr nicht nur das Geld gegeben, sondern auch die Fahrkarte für eine Kabine an Bord eines Paketbootes, das Ende der Woche gen Norden segeln würde.
Um ihr rotbraunes Haar zu verbergen, zog Grace sich die Kapuze ihres Umhangs über den Kopf. Vorsichtig sah sie auf den Gang hinaus und eilte dann die Dienstbotentreppe hinunter, um das Haus durch eine kleine Seitentür zu verlassen, die in den Garten führte.
Ihr Herz pochte laut, und ihre Nerven waren zum Bersten gespannt, als sie in der Brook Street eine Mietkutsche herbeiwinkte.
„Zur Hare and Fox Tavern, bitte“, wies sie den Fahrer an und hoffte, dass er das Zittern in ihrer Stimme nicht bemerkte.
„In Covent Garden, Miss?“
„Ganz genau.“ Ihr war gesagt worden, dass die Lokalität klein und etwas abgelegen sei. Der Mann, dessen Dienste sie in Anspruch zu nehmen gedachte, hatte diesen Treffpunkt vorgeschlagen.
Es schienen ihr Stunden, bis sie ihr Ziel erreichte. Die Mietkutsche wand sich durch die engen, dunklen Straßen Londons, die hölzernen Räder surrten, und die Hufe der Pferde klapperten über die Pflastersteine. Endlich sah Grace das gemalte Schild des Hare and Fox auftauchen.
„Ich möchte, dass Sie hier auf mich warten“, informierte Grace den Fahrer, als sie bei der Schenke vorfuhren, und steckte ihm eine Handvoll Münzen zu. „Ich brauche nicht lange.“
Der Fahrer, ein alter Mann, dessen Gesicht fast völlig von einem buschigen grauen Bart verdeckt war, nickte. „Beeilen Sie sich.“
Erneut verbarg Grace ihr Haar unter der Kapuze ihres Umhangs, als sie wie vereinbart zum hinteren Teil des Gebäudes ging, eine knarrende Holztür öffnete und den spärlich beleuchteten Schankraum betrat. Unter der niedrigen Decke mit schweren Holzbalken hing dichter Rauch. In einem rußgeschwärzten steinernen Kamin brannte ein Feuer, dessen Schein auf eine Gruppe finster aussehender Männer fiel. Im hinteren Teil der Schenke saß ein Mann in einem doppelreihigen Mantel und mit einem Schlapphut allein an einem Tisch. Er stand auf, sobald Grace den Raum betrat, und bedeutete ihr, sich zu ihm zu setzen.
Grace schluckte und atmete tief durch, um sich Mut zu machen. Schließlich ging sie auf den Mann zu. Sie setzte sich auf den schlichten Holzstuhl, der ihr angeboten wurde.
„Haben Sie das Geld dabei?“, fragte ihr Gegenüber ohne Umschweife.
„Sind Sie denn sicher, dass Sie der Aufgabe gewachsen sind?“, entgegnete Grace ebenso direkt.
Er setzte sich auf und straffte die Schultern, als ob sie ihn beleidigt hätte. „Auf das Wort von Jack Moody können Sie sich verlassen. Sie kriegen, wofür Sie bezahlen.“
Grace’ Hand bebte, als sie die Geldbörse hervorholte und sie dem Mann, der sich Jack Moody nannte, überreichte. Er schüttete sich einige der goldenen Guineen auf die flache Hand, und ein zufriedenes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus.
„Es ist alles wie vereinbart“, versicherte ihm Grace und versuchte, nicht auf die anzüglichen Scherze und das raue Gelächter der Männer am Nebentisch zu achten, die glücklicherweise vollauf mit ihren Getränken und einigen Frauen von zweifelhaftem Ruf beschäftigt zu sein schienen. Der Geruch von fettem Hammelfleisch, der in der Luft hing, verursachte Grace Übelkeit. Nie zuvor hatte sie getan, was sie an diesem Abend tat. Und sie hoffte, dass sie es nie wieder würde tun müssen.
Jack Moody zählte die Münzen und warf sie dann zurück in die Börse. „Alles wie vereinbart.“ Er erhob sich, und sein Gesicht verschwand fast unter der breiten Krempe seines Hutes. „Der Mann wird morgen frei und bereits in sicherer Entfernung von London sein.“
„Danke.“
Jack schlug mit der Hand auf die Geldbörse, und die Münzen klapperten laut. „Das reicht mir als Dank.“
Er deutete mit dem Kopf in Richtung der Tür. „Sie machen sich jetzt besser davon. Je später es wird, desto eher kommen Sie hier in Schwierigkeiten.“
Grace gab darauf keine Antwort, sondern erhob sich wortlos von ihrem Stuhl und sah sich wachsam um.
„Und vergessen Sie nicht, Mädchen – kein Wort zu irgendjemandem. Leute, die alles ausplaudern, haben ein kurzes Leben.“
Ein eisiger Schauder lief ihr über den Rücken. Sie würde Jack Moodys Namen nie wieder erwähnen und nickte leicht, um ihn wissen zu lassen, dass sie verstanden hatte. Dann zog sie ihren Umhang noch enger um sich und verließ die Schenke durch die Hintertür.
Die Gasse war finster und roch nach verdorbenem Fisch. Der Unrat auf der Straße machte bei jedem ihrer Schritte ein schmatzendes Geräusch unter ihren Füßen. Grace hob ihre Röcke und den Umhang etwas an und eilte durch die Dunkelheit, wobei sie sich immer wieder nach lauernden Gefahren umschaute. Als sie vor der Schenke ihre Mietkutsche stehen sah und den alten Mann entdeckte, der auf dem Fahrersitz döste, stieß sie einen Seufzer der Erleichterung aus.
Die Fahrt nach Hause erschien ihr indes noch länger als die Hinfahrt. Zu Hause angekommen, schlich sie sich erneut durch den Garten, ging schnell die Dienstbotentreppe hinauf und eilte den Gang entlang in ihr Zimmer. Das Orchester hatte bereits aufgehört zu spielen, doch sie konnte noch die Stimmen und das Gelächter der letzten Gäste hören, die sich verabschiedeten.
Erneut seufzte Grace, während sie ihren Umhang an den Haken neben der Tür hängte. Ende der Woche würde sie schon nicht mehr hier sein, sondern auf dem Weg nach Scarborough, um Lady Humphrey zu besuchen, obwohl sie beide sich nie zuvor begegnet waren. Wenn die Flucht heute Nacht wie geplant gelang, würde der Skandal, der London morgen erschütterte, von ungeahntem Ausmaß sein. Auch wenn sie selbst die Stadt erst einige Tage später verließ, schien Grace eine ausgedehnte Reise ratsam zu sein.
Sie dachte an den Mann im Gefängnis von Newgate, Viscount Forsythe, der in seiner Zelle die Stunden zählte, bis er im Morgengrauen die Stufen zum Galgen besteigen sollte. Grace wusste nicht, ob er schuldig oder unschuldig war, und sie wusste nicht, ob er die Strafe verdient hatte, die ihn erwartete.
Aber der Viscount war ihr leiblicher Vater, und wenngleich kaum jemand die Wahrheit über ihre Beziehung kannte, änderte dies doch nichts daran – er war ihr Vater, und sie konnte ihn jetzt nicht im Stich lassen.
Grace sah zur Decke über ihrem Bett hinauf und hoffte inständig, dass sie das Richtige getan hatte.
Eine Woche später
Ich kann sie sehen, Capt’n! Die Lady Anne! Dort … genau steuerbord, beim Fockmast.“ Captain Ethan Sharpe stand neben seinem Ersten Maat Angus McShane und richtete sein vom häufigen Gebrauch abgegriffenes Fernrohr in die angegebene Richtung. Inmitten der Dunkelheit fing die Linse den gelben Lichtschein ein, der aus den Fenstern am Heck des anderen Schiffes in die Nacht drang.
Ethans Hände krampften sich um den Messingschaft des Fernrohres. Ein eisiger Wind fegte über Deck, zerzauste sein dichtes schwarzes Haar und ließ die Haut über seinen Wangenknochen taub werden. Doch Ethan bemerkte es kaum. Endlich war seine Beute in Sicht, und nichts würde ihn mehr von ihr abhalten können.
„Setzen Sie Kurs, damit wir der Lady Anne den Weg abschneiden.“
„Wird gemacht, Capt’n.“ Der wettergegerbte Schotte war schon etwas in die Jahre gekommen und stand in Ethans Diensten, seit dieser sein erstes Schiff befehligt hatte. Rasch stiefelte der alte Seebär nun über Deck und rief der Mannschaft kurze Befehle zu. Die Matrosen machten sich sofort an die Arbeit. Die Segel begannen zitternd zu flattern, erschlafften und blähten sich dann erneut vor dem Wind. Die Takelage ächzte und seufzte, als die Sea Devil sich drehte. Die schweren Holzbalken knarzten und stöhnten, doch dann war das Schiff auf seinem neuen Kurs und durchschnitt wieder zielstrebig die Wogen.
Der Schoner maß achtzig Fuß in der Länge, war leicht, wendig und brach so mühelos durch die Wellen wie die Seelöwen, die ihm in einiger Entfernung folgten. Die Sea Devil war in der besten Werft in Portsmouth aus gut abgelagertem Eichenholz gebaut worden. Ursprünglich war sie von einem Kaufmann in Auftrag gegeben worden, der jedoch nach der Fertigstellung des Schiffes nicht mehr über die nötigen Mittel verfügt hatte.
Ethan war in dieser Notlage eingesprungen und hatte den Schoner zu einem sehr günstigen Preis erworben. Er wusste, dass er das Schiff nicht lange brauchen würde. Nur noch diesen letzten Auftrag wollte er ausführen, bevor er sich ganz den Pflichten widmete, die mit seinem neuen Stand als Marquess of Belford einhergingen.
Zuvor musste er sich jedoch dieser sehr persönlichen Angelegenheit annehmen, die ihn nicht eher würde ruhen lassen, bis sie erledigt war.
Er sah starr geradeaus. Die Sea Devil war das zweite Schiff, das er befehligte, seit er vor acht Jahren sein Marinepatent abgegeben und eine Laufbahn als Freibeuter der britischen Krone eingeschlagen hatte.
Damals war er Kapitän der Sea Witch gewesen, ein ähnlich gut ausgestattetes Schiff mit der besten Mannschaft, die man sich wünschen konnte. Fast bis auf den letzten Mann hatte er sie verloren – wenn nicht in dem Hinterhalt, in den sie gelockt worden waren, dann durch die Folgen ihrer Haft in einem französischen Gefängnis. Die Sea Witch selbst lag seitdem in ihrem eisigen Grab auf dem Meeresgrund und verrottete.
Ethan versuchte, diese Erinnerungen zu verdrängen. Seine Mannschaft gab es nicht mehr – bis auf Angus, der sich damals gerade in Schottland um seine kranke Mutter gekümmert hatte, und den schlaksigen Ned, dem es gelungen war, den Franzosen zu entkommen und an Bord eines anderen Schiffes zurück nach Portsmouth zu gelangen.
Und obwohl er selbst überlebt hatte, konnte Ethan den Verlust seiner Männer und seines Schiffes nicht vergessen und sah sein neunundzwanzigjähriges Leben um die elf Monate der Gefangenschaft beraubt, von der er unzählige Narben und ein leichtes Hinken zurückbehalten hatte. Ethan hatte sich geschworen, dass jemand ihm das Geschehene bezahlen würde – und es teuer bezahlen würde.
Unbewusst ballte er bei dem Gedanken seine Hand zur Faust.
Die Person, die dafür büßen sollte, befand sich an Bord der Lady Anne.
Grace Chastain nahm auf einem Stuhl mit hoher, kunstvoll geschnitzter Lehne Platz, den Martin Tully, Earl of Collingwood, ihr zurechtrückte. Der Earl, ein schlanker, attraktiver Mann Anfang dreißig, mit hellbraunem Haar und blassem Teint, war einer ihrer Mitreisenden. Grace hatte ihn am ersten Abend an Bord der Lady Anne kennengelernt. Die Lady Anne war das Paketboot, das sie von London nach Scarborough bringen sollte.
Lady Humphrey, die Tante von Grace’ Vater, hatte ihr ihre Unterstützung zugesagt, wann immer sie Hilfe bräuchte. Nie hätte Grace gedacht, dass sie jemals von diesem Angebot Gebrauch machen müsste, aber die Verhaftung ihres Vaters hatte ihre Situation grundlegend verändert, und nun nahm sie die Hilfe ihrer Großtante gerne an.
Grace hoffte, dass sich die Wogen bei ihrer Rückkehr nach London geglättet haben würden. Wenn nur niemand etwas von ihrer Beteiligung an der Flucht des Viscounts erfahren hatte!
Schwungvoll wurde die Tür zum Salon aufgestoßen. Grace blickte auf und sah Captain Chambers den eleganten holzgetäfelten Raum betreten. Er war ein älterer Mann, klein und stämmig, mit schütterem grauen Haar, der nun darauf wartete, dass alle Passagiere Platz nahmen, bevor er sich selbst an das Ende der Speisetafel setzte und damit den livrierten Dienern das Signal gab, mit dem Auftragen zu beginnen.
„Ihnen allen einen guten Abend.“
„Guten Abend, Captain“, antworteten die Reisenden einstimmig.
Grace und ihre Kammerzofe Phoebe befanden sich nun schon seit mehreren Tagen an Bord, und sie hatten sich mittlerweile an die Rituale auf dem Schiff gewöhnt. Zudem hatten sich ihre Mitreisenden, vor allem Lord Collingwood, als überaus erfreuliche Gesellschaft erwiesen.
Sie warf dem Earl einen verstohlenen Blick zu. Er saß neben ihr an dem langen Mahagonitisch und unterhielt sich freundlich mit der Tischnachbarin zu seiner Rechten, Mrs. Cogburn, einer fülligen Matrone, die im Norden ihren Bruder besuchen wollte. Wie Mrs. Franklin, ihre Begleiterin, war sie verwitwet. Weiterhin saßen an der Tafel ein reicher Seidenhändler aus Bath und ein frisch verheiratetes Ehepaar, die nach Schottland weiterreisen wollten, um dort Verwandte zu besuchen.
Lord Collingwood lachte über etwas, das Mrs. Cogburn gesagt hatte, und wandte seine Aufmerksamkeit dann Grace zu. Sein Blick wanderte über ihr meerblaues Seidenkleid, die rotbraunen Locken, die sie mit kleinen Perlmuttkämmen hochgesteckt trug, und verweilte dann einen Moment auf ihrem Dekolletee, bevor er sich wieder ihrem Gesicht zuwandte.
„Wenn Sie mir die Bemerkung gestatten, Miss Chastain, dann möchte ich sagen, dass Sie heute Abend besonders einnehmend aussehen.“
„Ich danke Ihnen, Mylord.“
„Und diese Perlen, die Sie tragen … sind wirklich sehr außergewöhnlich. Ich kann mich nicht erinnern, jemals eine Perlenreihe gesehen zu haben, die so harmonisch wirkte oder von so berückender Farbe gewesen wäre.“
Unbewusst berührte Grace mit den Fingern die Perlen, die sich an ihren Hals schmiegten. Die Kette war ein Vermögen wert. Wahrscheinlich hätte Grace ablehnen sollen, doch Tory hatte darauf bestanden, sie ihr zu schenken – und war es nicht ein wunderbares Schmuckstück? Von dem Moment an, da Grace sie sich umgelegt hatte, schien sie ihrem Bann erlegen zu sein.
„Sie sind schon sehr alt“, erklärte sie nun dem Earl. „Aus dem dreizehnten Jahrhundert. Es rankt sich eine tragische Geschichte um diese Kette.“
„Tatsächlich? Vielleicht könnten Sie sie mir eines Tages erzählen.“
„Das täte ich sehr gerne.“
In diesem Moment begann der Kapitän von dem Fortschritt zu berichten, den sie bislang auf ihrer Reiseroute gemacht hatten. Danach zählte er die Speisefolge des heutigen Abends auf. Die Weingläser wurden gefüllt und silberne Schalen mit verschiedenen Gemüsen, Fleisch und Fisch aufgetragen.
„Und, meine liebe Miss Chastain, wie haben Sie den Tag verbracht?“ Lord Collingwood lehnte sich zurück, als ein livrierter Diener ihm ein saftiges Stück Huhn in Zitronensauce auf den Teller legte.
„Wäre das Wetter nicht so unwirtlich gewesen, hätte ich sehr gerne einen kleinen Spaziergang gemacht.“ Nur war der Februartag bedeckt und eisig kalt, die See unruhig und aufgewühlt. Glücklicherweise litt sie nicht an der Seekrankheit, so wie ihre Kammerzofe und einige andere der Passagiere an Bord. „Ich habe meist gelesen.“
„Und welches Buch?“
„Eines meiner liebsten Stücke von Shakespeare. Lesen Sie auch gerne, Mylord?“
„Aber ja, natürlich.“ Seine Zähne standen ein wenig schief, dennoch war sein Lächeln recht einnehmend. „Und auch ich schätze unseren Barden sehr.“ Seiner Bemerkung folgte ein kleiner Vortrag über King Lear, welches das Lieblingsstück Seiner Lordschaft war.
Grace erzählte nun, dass ihr die Tragödie Romeo und Julia mit Abstand am besten gefiel.
„Ah, eine Romantikerin!“, stellte der Kapitän daraufhin fest und beteiligte sich an ihrer Unterhaltung.
Sie lächelte. „Eigentlich würde ich mich selbst nicht so bezeichnen, aber ein bisschen romantisch bin ich vielleicht doch. Und Sie, Captain Chambers? Welches Werk Shakespeares mögen Sie am liebsten?“
Für eine Antwort blieb keine Zeit, da in diesem Moment die Türen des Salons aufgestoßen wurden und ein kräftiger Matrose am Kopf der Stiege erschien. Er kletterte nach unten und eilte zum Kapitän.
Grace konnte nicht hören, was die beiden sprachen, doch nach kaum einer Minute stand der Kapitän entschlossen auf.
„Wenn Sie mich bitte entschuldigen würden. Es scheint, als würde die Pflicht mich rufen.“ Ein Raunen ging durch den Raum, und Chambers bedachte alle Anwesenden mit einem zuversichtlichen Lächeln. „Ich bin mir sicher, dass kein Anlass zur Beunruhigung besteht. Bitte genießen Sie weiterhin den Abend.“
Er verließ den Speisesaal, und die Unterhaltung wurde sogleich wieder aufgenommen. Niemand schien über die Maßen besorgt zu sein, wenngleich alle Passagiere neugierig waren, zu erfahren, was wohl vor sich ging.
„Falls es von Bedeutung ist“, meinte der Earl, „werden wir sicher davon hören, sobald der Captain zurückkommt.“ Sie plauderten während des ganzen Essens sehr vergnüglich, und nach dem Dessert lud Lord Collingwood Grace zu einem kleinen Gang über Deck ein.
„Es sei denn, Sie fänden es draußen zu kalt.“
„Ich fände einen Spaziergang herrlich!“ Gegen Abend hatte das Wetter etwas aufgeklart, und das Meer schien sich langsam zu beruhigen.
Lord Collingwood begleitete sie bis an die Reling, und Grace atmete tief die frische Seeluft ein. Sie konnte das leichte Auf und Ab der Wellen spüren und sah den silbrigen Schimmer, den der Mond auf die Wasseroberfläche warf.
Verträumt lehnte sie den Kopf zurück und sah zu den Sternen auf, die sich wie weiße Kristalle vom pechschwarzen Nachthimmel abhoben. „Sehen Sie das Gestirn direkt über uns?“ Sie deutete in die Dunkelheit. „Das ist Orion, der Jäger. Und neben ihm, dort, das ist das Sternbild des Stieres.“
Der Earl zog überrascht die Augenbrauen in die Höhe. „Ich bin beeindruckt, meine Liebe. Ich habe mich selbst ein wenig mit der Sternenkunde befasst, und Ihre Beobachtungen sind vollkommen richtig. Es bereitet Ihnen demnach Vergnügen, die Sterne zu betrachten, Miss Chastain?“
„Es ist eins meiner Steckenpferde. Ich habe sogar ein kleines Teleskop in meinem Reisegepäck und hoffe, dass ich Gelegenheit haben werde, es während meiner Zeit in Scarborough zu nutzen.“
Er lächelte. „Das klingt recht unterhaltsam. Ich werde auf meiner Rückreise in der Gegend vorbeikommen. Vielleicht könnte ich Ihnen einen Besuch abstatten?“
Grace warf dem Earl einen kurzen Blick zu. Er sah gut aus, hatte gepflegte Manieren, war wohlhabend und zudem adelig. Sie hatte sein Interesse vom ersten Moment an bemerkt, brachte ihm jedoch kein ähnliches Gefühl entgegen. Eigentlich gab es überhaupt nur wenige Männer, die sie reizvoll genug fand, um in ihnen mehr als einen guten Gesprächspartner zu sehen. Manchmal hatte sie sich schon gefragt, ob wohl etwas mit ihr nicht stimmte.
„Sie wären natürlich jederzeit in Humphrey Hall willkommen. Ihr Besuch würde mich sehr erfreuen.“ Erfreuen, ja – aber auch nicht mehr. Sie musste an die große Liebe zwischen Romeo und Julia denken und überlegte, ob sie selbst wohl jemals dergleichen erleben würde.
Der Wind hatte wieder zugenommen und einige Strähnen ihres rotbraunen Haares gelöst, die ihr nun ins Gesicht wehten. Eine eisige Kälte lag in der Luft, und selbst ihr pelzgefütterter Umhang konnte nicht verhindern, dass Grace zu frieren begann.
„Ihnen ist kalt“, bemerkte Lord Collingwood. „Ich denke, wir sollten jetzt besser wieder in den Salon gehen. Vielleicht hätten Sie ja Lust, mir bei einer Partie Whist Gesellschaft zu leisten.“
Warum nicht? Schließlich hatte sie nichts Besseres zu tun. „Es würde mich sehr freuen …“ Sie brach mitten im Satz ab, als sie die aufgeregten Stimmen einiger Matrosen auf der anderen Seite des Decks hörte.
Der Earl reckte seinen Kopf, um besser sehen zu können. „Schauen Sie nur! Ein Schiff kommt auf uns zu.“
„Ein Schiff?“ Grace verspürte einen Anflug von Besorgnis. Ein Schiff, das im Schutz der Dunkelheit auf die Lady Anne zusteuerte, schien ihr kein gutes Zeichen zu sein. Immerhin befand England sich im Krieg. Sie ließ sich von Lord Collingwood zum Bug führen. „Sie denken doch nicht etwa, dass es sich um ein französisches Schiff handeln könnte?“
„Das glaube ich kaum. Dazu befinden wir uns zu nah an der Küste.“ Er wandte sich von der Reling ab. „Aber vielleicht sollten wir trotzdem in den Salon zurückkehren.“
Grace stimmte zu, obwohl sie lieber noch an Deck geblieben wäre. Im Mondlicht leuchteten die Segel des anderen Schiffes hell auf. Es war ihnen jetzt schon sehr nah, und Grace’ Unruhe nahm stetig zu.
„Das sieht nach einem Schoner aus“, stellte der Earl fest.
Das Schiff lag tief im Wasser, und die beiden Masten hoben sich majestätisch über den Wellen empor. Der Earl bemerkte die britische Flagge am Heck im selben Moment wie Grace, und sie hörte ihn erleichtert aufatmen.
„Kein Grund zur Besorgnis. Es ist eines unserer Schiffe.“
„Ja, es scheint so …“ Doch wenn Grace an den Grund ihrer Reise dachte, sah sie ihre Befürchtungen keineswegs gemindert. Ihr Herz schlug schneller.
„Es tut mir leid, Ihre Fahrt unterbrechen zu müssen, Captain.“ Ethan Sharpe lehnte an der Reling und sprach mit Colin Chambers, dem Kapitän der Lady Anne. „Ich komme jedoch in einer dringlichen Angelegenheit. Es geht um einen Ihrer Passagiere.“
„Um wen soll es sich denn handeln?“
„Eine Person an Bord Ihres Schiffes wird wegen Landesverrates gesucht. Die Verdächtige muss auf dem schnellsten Wege nach London gebracht werden und sich einer Befragung durch die Behörden stellen.“
„Die Verdächtige?“
„Ja, bei dem gesuchten Passagier handelt es sich um eine Frau.“
Chambers runzelte zweifelnd die Stirn. „Und Sie behaupten, dass diese Frau von der Regierung gesucht wird?“
„Leider sieht es ganz so aus.“ Nun, das entsprach zwar nicht vollkommen der Wahrheit, denn Ethan war einer der wenigen, die wussten, dass sie es war, die für die Flucht des Verräters Harmon Jeffries, Viscount Forsythe, verantwortlich war – des Mannes, der Ethan verraten und ihn seines Schiffes und seiner Mannschaft beraubt hatte.
Doch Ethan wusste, dass er sich auf seinen Informanten verlassen konnte, und diese Chastain hatte demnach jemanden angeheuert, der Jeffries die Flucht aus Newgate ermöglicht hatte. Zudem sollte es sich bei Grace Chastain um die Geliebte des Viscounts handeln. Sie war diejenige, die seinen größten Feind vor dem Galgen bewahrt hatte.
Nicht die Regierung suchte also bislang nach dieser Frau – Ethan selbst wollte sie einem Verhör unterziehen.
Er war fest entschlossen, Jeffries aufzuspüren, und wusste, dass ihm das früher oder später auch gelingen würde. Ethan glaubte, dass der Mann wahrscheinlich in Frankreich ein behagliches Leben führte, er wusste es hingegen nicht mit Sicherheit. Bevor er den Schuldigen selbst zu fassen bekam, würde deshalb jemand anders für die grausamen Taten des Viscounts herhalten müssen.
Und das würde Grace Chastain sein.
„Ich würde gerne Ihre Papiere sehen, Captain Sharpe“, sagte Chambers nun.
„Natürlich.“ Ethan würde sich so weit wie möglich kooperativ zeigen. Er wollte keinen Ärger – nur die Frau, die dem Verräter geholfen hatte. Als er dem Kapitän seine Zulassung als Freibeuter der britischen Krone zeigte und sich damit als im Dienste Seiner Majestät stehend auswies, schien Captain Chambers zufrieden und zur Zusammenarbeit bereit.
„Und wie lautet der Name dieser Reisenden?“, fragte Chambers, während sie über Deck in Richtung des Salons gingen.
„Grace Chastain.“
Der Captain blieb wie angewurzelt stehen. „Da kann es sich nur um eine Verwechslung handeln. Miss Chastain ist eine junge Dame aus guter Familie. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass sie in etwas Derartiges verwickelt sein könnte wie …“
„Einem Verräter zur Flucht zu verhelfen? Einen Mann zu befreien, der Dutzende Menschenleben auf dem Gewissen hat? Wenn Sie jetzt bitte so gut wären, mich zu Miss Chastain zu bringen, Captain.“
Im Gesicht des Kapitäns spiegelten sich erneut Zweifel.
Nur wenige Schritte hinter ihnen ging Angus McShane, der vorsorglich eine mächtige Hand auf seiner Pistole im Ledergürtel ruhen ließ. Eine kurze Kopfbewegung Ethans bedeutete Angus, dass er seine Leute bereitmachen sollte. Grace Chastain würde die Lady Anne verlassen – auf welche Weise, würde sich zeigen.
„Hier entlang, Captain Sharpe. Wir wollen doch einmal sehen, was die junge Dame selbst dazu zu sagen hat.“
Ethan folgte dem Kapitän die Stiege hinunter in den Salon. In dem prunkvoll ausgestatteten Raum saßen drei Passagiere auf einem Gobelinsofa beisammen, zwei weitere beugten sich über ein elfenbeinernes Schachbrett. Andere lasen oder spielten Karten. Als der Kapitän den Raum betrat, erhob sich einer der Männer vom Spieltisch.
„Was gibt es, Captain?“
„Dies ist Captain Ethan Sharpe von der Sea Devil, Mylord. Es scheint, als wolle er ein paar Worte mit Miss Chastain wechseln.“
Zum ersten Mal betrachtete Ethan die Frau, die am Spieltisch saß, genauer. In ihrer schlanken Hand hielt sie noch die Karten der begonnenen Partie. Es überraschte ihn nicht, dass sie attraktiv war – immerhin war sie die bezahlte Begleiterin eines reichen Mannes.
Grace Chastain war allerdings mehr als nur hübsch. Mit ihren grünen Augen, die wie Juwelen funkelten, und einem Teint, der so hell wie Milch schimmerte, war sie atemberaubend schön. Ihr Haar war rotbraun, ein tiefer Kupferton mit einzelnen goldenen Strähnen, und über dem dezenten Ausschnitt ihres seidenen Kleides zeichnete sich der Ansatz ihrer wohlgerundeten Brüste ab.
Sie war jünger, als er vermutet hatte, oder wirkte zumindest so, aber sie war auch kein Schulmädchen mehr. Gleichwohl hatte sie nicht das abgeklärte Aussehen einer Frau von zweifelhaftem Ruf.
Bleich vor Schreck erhob sie sich, und Ethan sah eine große und schlanke junge Frau vor sich stehen, die er unter anderen Umständen unbeschreiblich anziehend gefunden hätte.
Was er stattdessen empfand, war Verachtung.
„Würden Sie einen Moment mit mir kommen, Miss Chastain?“, fragte Ethan und zwang sich, seine Stimme freundlich klingen zu lassen.
„Dürfte ich fragen, weshalb, Captain Sharpe?“, entgegnete sie und blickte ihn mit geweiteten Augen an.
„Es wäre besser, wenn wir unser Gespräch unter vier Augen führten.“
Ihre Blässe verstärkte sich, doch ein leichter rosiger Schimmer lag immer noch auf ihren Wangen. „Natürlich.“
„Vielleicht sollte ich mit Ihnen kommen, meine Liebe“, bot ihr Begleiter an.
Sie bemühte sich, ihn anzulächeln. „Danke, aber das ist nicht nötig. Ich bin mir sicher, dass ich nicht lange brauchen werde und gleich zurück bin, damit wir unser Spiel beenden können.“
Den Teufel würde sie, dachte Ethan.
Sie ging die Stiege hinauf, die an Deck führte, und Ethan und der Kapitän folgten ihr. Oben angelangt, erklärte Captain Chambers kurz, warum Ethan gekommen war.
„Es tut mir sehr leid, Miss Chastain, aber Captain Sharpe behauptet, dass Sie in einem Fall von Landesverrat befragt werden sollen.“
Sie zog eine schön geschwungene Augenbraue hoch und sah ihn fragend an. „Ich fürchte, das verstehe ich nicht.“
Ethan musste sich anstrengen, nicht die Beherrschung zu verlieren. Sie wusste genau, warum er hier war, aber anscheinend hatte sie vor, ihr Täuschungsmanöver aufrechtzuerhalten. Nun, das konnte er auch. „Ich zweifle keinen Moment daran, dass Sie von den fraglichen Vorgängen nichts wissen. Dennoch müssen wir der Sache nachgehen, und ich muss Sie deshalb leider bitten, mit mir zu kommen.“
Der letzte Rest von Farbe wich nun aus ihrem Gesicht. Sie machte den Eindruck, als wolle sie auf der Stelle ohnmächtig werden, und Ethan fluchte leise.
Grace Chastain fiel allerdings nicht in Ohnmacht.
Stattdessen straffte sie unmerklich die Schultern, und Ethan konnte nicht umhin, Bewunderung für sie zu empfinden.
„Ich kann einfach nicht glauben, dass Sie von mir verlangen, von Bord zu gehen! Ich bin auf dem Weg zu meiner Tante, Lady Humphrey, in Scarborough. Sollte ich nicht wie geplant dort eintreffen, wäre sie ganz krank vor Sorge um mich.“
„Captain Chambers wird ihr alles erklären. Und wenn die Angelegenheit zur allgemeinen Zufriedenheit geklärt ist, werden Sie Ihre Reise fortsetzen können.“ Er drängte sie weiterzugehen, in Richtung der Strickleiter, die über der Reling des Schiffes herabhing und zu einem kleinen Beiboot führte, das sie zur Sea Devil zurückbringen sollte. Ethan hoffte, dass die Situation nicht vorher eskalierte.
Captain Chambers machte einen Schritt vor und schnitt ihnen den Weg ab. „Entschuldigen Sie, Captain Sharpe. Zweifellos haben Sie gute Gründe für Ihr Vorgehen, aber ich kann nicht zulassen, dass Sie mit dieser jungen Frau gegen ihren Willen von meinem Schiff gehen. Solange sie an Bord der Lady Anne ist, befindet Miss Chastain sich unter meinem persönlichen Schutz.“
In diesem Moment erklang das Geräusch von Schritten auf Deck. Sechs bewaffnete Männer der Sea Devil kamen aus ihren Verstecken hervor und richteten ihre Pistolen auf den Kapitän.
„Ich fürchte, Captain Chambers, Ihnen bleibt keine Wahl.“ Ethan legte seinen Arm um Grace Chastain und zog sie an seine Brust.
„Es gibt einige Fragen, die Sie beantworten müssen“, ließ er sie wissen. „Und an Bord meines Schiffes kommen wir der Wahrheit sicher bald näher.“
Er zog sie mit sich, bis sie die Strickleiter erreicht hatten, die über der Reling hing. Ethan spürte, wie sehr Grace zitterte, und ihre Haut fühlte sich eiskalt an. Doch sie versuchte nicht zu flüchten. Vielleicht glaubte sie, dass sie dadurch das Leben des Kapitäns aufs Spiel setzen würde.
Und damit hatte sie gar nicht so Unrecht. Ethan war entschlossen, die junge Frau um jeden Preis mit sich von Bord zu nehmen. Koste es, was es wolle.
„Was … was ist mit meinen Sachen?“
„Dazu bleibt keine Zeit. Sie werden ohne Ihre persönlichen Dinge auskommen müssen.“ Er zerrte sie bis zur Reling, und sie schrie erschrocken auf, als er sie plötzlich hochhob und über seine Schulter legte.
„Was fällt Ihnen ein! Lassen Sie mich sofort los.“
„Seien Sie ruhig. Ich trage Sie nur die Leiter hinunter. In Ihrem Kleid würden Sie das niemals alleine schaffen.“
Daraufhin verstummte sie, wenngleich er merkte, dass es ihr schwerfiel, ihm nicht zu widersprechen. Sie schien Angst um den Kapitän der Lady Anne zu haben, was Ethan überraschte, da er nicht vermutet hätte, dass eine Frau mit ihrer Moral sich um irgendjemand außer sich selbst sorgen würde.
Am Fuße der Leiter setzte er sie in dem kleinen Boot ab, legte ihr eine Wolldecke um die Schultern und nahm selbst im Heck Platz. Dann kletterten seine Männer eilig die Strickleiter hinunter, bestiegen das Boot und griffen nach den Rudern.
„Legt euch ins Zeug, Leute. Wir wollen nicht mehr Ärger als unbedingt nötig, und je eher wir diese Dame sicher an Bord haben, desto besser für uns alle.“
Er sah kurz zu ihr hinüber und bemerkte, dass sie trotz der Decke zitterte, was sicher mehr an dem Schreck und der Angst als an der Kälte lag. Sie schien zu wissen, weshalb er sie gefangen genommen hatte, und sah mit einer Mischung aus Trotz und Resignation zur Sea Devil hinüber. Selbst wenn Ethan sich dessen nicht von Anfang an sicher gewesen wäre, so räumte ihr Schweigen nun die letzten Zweifel an ihrer Schuld aus.
Ohne weitere Zwischenfälle erreichten sie sein Schiff. Die Sea Devil war schneller und wendiger als die Lady Anne, und wenn sie erst einmal sicher an Bord waren, bestand keine Möglichkeit mehr, dass das andere Schiff sie noch einholen konnte.
„Ich kann alleine hinaufklettern“, sagte Grace entschlossen und sah zu der Strickleiter hinauf.
Ethan war kurz versucht, es darauf ankommen zu lassen. „Nein“, meinte er schließlich, und bevor sie darauf etwas entgegnen konnte, hatte er sie bereits wieder hochgehoben und begann, die steile Schiffswand zu erklimmen.
Sobald Grace die Holzplanken des Decks unter ihren Füßen spürte, fuhr sie herum und sah Ethan an. „Nun haben Sie, was Sie wollten. Hatten Sie nicht etwas von Landesverrat erzählt? Wahrscheinlich werden Sie mich jetzt direkt nach London bringen.“
Er lächelte kalt. „Später. Zuerst segeln wir nach Frankreich.“
Ihre strahlend grünen Augen weiteten sich vor Überraschung. „Wie bitte?“
„Ich muss noch etwas erledigen, bevor ich mich um Sie kümmern kann.“
Grace schluckte und rang um Fassung. „Ich verlange, dass Sie mir sagen, weshalb Sie mich hierher gebracht haben. Was haben Sie mit mir vor?“
Diese Frage stellte er sich selbst, seit er von ihrer Beteiligung an der Flucht des Viscounts erfahren hatte. Und von dem Moment an, da er sie an Bord der Lady Anne gesehen hatte, gingen ihm noch ganz andere Dinge durch den Kopf.
„Ja, das ist wirklich eine gute Frage, nicht wahr?“
Doch statt Angst sah er nun eine unerwartete Leidenschaft in ihren Augen aufblitzen, und im hellen Schein des Mondlichtes schien ihr Haar Funken zu sprühen. „Wer sind Sie wirklich, Captain Sharpe?“
Er ließ seinen Blick auf ihr ruhen und spürte, wie er von einer Welle der Lust erfasst wurde. „Wollen Sie das wirklich wissen? Nun, ich bin der Teufel in Person, und Sie, meine Liebe, sind des Teufels Beute.“
Grace stand regungslos auf dem Deck der Sea Devil, und ihre Angst schien ihr das einzig Wirkliche auf der Welt zu sein. Sie konnte den donnernden Schlag ihres Herzens hören und spürte die Beklemmung, die sich um ihre Brust legte und ihr den Atem nahm. Der Captain stand dicht vor ihr und sah sie mit einem kalten, triumphierenden Lächeln an. Nur mit äußerster Anstrengung gelang es ihr, das wahre Ausmaß ihrer Furcht vor ihm zu verbergen.
Mit Händen und Füßen hätte sie sich wehren sollen! Sie hätte sich standhaft weigern sollen, das Schiff zu verlassen, hätte um Hilfe schreien und damit die anderen Passagiere und die Mannschaft der Lady Anne herbeirufen sollen. Nur hatte sie nicht auch an Captain Chambers denken müssen? Sie wollte nicht, dass ihm etwas passierte, dass er ihretwegen womöglich sogar sein Leben verlor.
Sie hatte sich eines schweren Verbrechens schuldig gemacht, und von dem schrecklichen Moment an, da dieser Mann mit dem rabenschwarzen Haar in den Salon gekommen war, war sie sich sicher gewesen, dass er genau wusste, was sie getan hatte.
Aber wer war er? Der Teufel in Person, hatte er gesagt – und Grace glaubte ihm das. Er schien voller Hass zu sein. Nie zuvor hatte sie Augen von einem so eisig kalten Blau gesehen oder ein Gesicht, dessen Züge wirkten, als seien sie in Stein gemeißelt.
Er war groß, hatte lange, muskulöse Beine, und die Schulter, auf der er sie getragen hatte, hatte sich breit und kräftig angefühlt. Sie spürte das Blut in ihre Wangen steigen, wenn sie daran dachte, wie nahe sie ihm gekommen war.
Seine Haut war von der Sonne gebräunt, und sie sah kleine Falten um seine Augen, die er sicher durch den Einfluss von Wind und Wetter bekommen hatte. Lachfalten konnten es kaum sein, denn sie vermochte sich nicht vorzustellen, dass dieser Kapitän des Teufels jemals über etwas lachte – außer vielleicht über das Leid einer anderen Person. Sein Gesicht zeigte keine Gefühle, es war hart und unnachgiebig, fast schon grausam.
Doch mit seinem welligen schwarzen Haar, den schwungvollen dunklen Brauen und den wohlgeformten Lippen war er zugleich einer der bestaussehenden Männer, denen sie je begegnet war.
„Folgen Sie mir.“
Seine Worte rissen sie aus ihren Gedanken. Wie hatte sie es nur zulassen können, dass er sie von der Lady Anne entführte?
Erneut nahm sie all ihren Mut zusammen. „Wohin bringen Sie mich?“
„Sie werden irgendwo schlafen müssen. In meiner Kabine ist genügend Platz.“
Sie blieb wie angewurzelt stehen. „Und wo werden Sie dann schlafen?“
Er verzog keine Miene. „Das Schiff ist nicht allzu groß. Ich fürchte, wir werden uns die Kabine teilen müssen.“
Grace schüttelte den Kopf und trat einen Schritt zurück. „Nein, niemals. Das ist völlig ausgeschlossen!“
Er zog eine seiner dunklen Augenbrauen in die Höhe. „Dann möchten Sie vielleicht lieber an Deck schlafen? Das ließe sich einrichten. Oder vielleicht ziehen Sie es vor, bei der Mannschaft zu nächtigen? Ich kann mir denken, dass jeder meiner Männer gerne sein Bett mit Ihnen teilen würde. Sie haben die freie Wahl, Miss Chastain.“
Fassungslos sah sie ihn an. Sie war diesem Mann völlig ausgeliefert! Was um alles in der Welt sollte sie nur tun?
Verzweifelt blickte sie sich um. Sie konnte nicht von hier entkommen. Ein halbes Dutzend Matrosen hatte sich in einem Halbkreis hinter ihr aufgestellt. Einer von ihnen lächelte, und sie konnte die schwarzen, verfaulten Stümpfe seiner Zähne sehen. Ein anderer hatte ein Holzbein, und einer war ein massiger, finsterer Geselle mit unzähligen Tätowierungen.
„Nun, Miss Chastain?“
Der Captain schien das kleinere Übel zu sein, wenngleich sie sich dessen nicht sicher war. Als sie unmerklich nickte, drehte er sich um und ging weiter. Ihre Beine zitterten und drohten unter ihr nachzugeben, als Grace ihm die Stiege hinunterfolgte, die zu seinen Räumen im Heck des Schiffes führte. Am Fuße der steilen Treppe drehte er sich zu ihr um und reichte ihr die Hand, doch wirkte es mehr wie eine spöttische denn eine galante Geste.
Nachdem er die Tür zu seiner Kabine geöffnet hatte, ließ er ihr den Vortritt, und sie fand sich unvermittelt in einem großzügig geschnittenen Zimmer wieder. Es war weitaus beeindruckender als der winzige Raum, den sie sich mit Phoebe an Bord der Lady Anne geteilt hatte.
„Es scheint Ihnen zu gefallen“, bemerkte er trocken.
Wie sollte es das nicht? Die Wände waren mit Mahagoni getäfelt, Tisch und Stühle, der Schreibtisch und die Bücherborde waren aus demselben Holz gefertigt. Eine breite Koje befand sich unter einer Reihe kleiner, quadratischer Fenster, die den Blick auf das Heck des Schiffes freigaben. In der Ecke brannte ein anheimelndes Kaminfeuer. Der blank polierte Holzboden, auf dem ein dicker Perserteppich lag, schimmerte im Schein einiger Messinglampen.
„Ihr Geschmack ist ja ganz vorzüglich, Captain … fast schon kultiviert.“ Grace konnte sich den Sarkasmus nicht verkneifen.
„Ganz anders als meine Manieren – ist es das, was Sie meinen, Miss Chastain?“
„Das haben Sie gesagt, Captain, nicht ich.“
„Sie machen mich neugierig, Miss Chastain. Als ich auf der Lady Anne eintraf, schienen Sie nicht besonders überrascht zu sein. Ich vermute, Sie wussten, dass Ihr Handeln nicht ohne Folgen für Sie bleiben würde.“
Grace verzog keine Miene und hoffte, dass er nicht bemerkte, wie sehr ihre Hände zitterten. „Ich weiß immer noch nicht, wovon Sie reden. Ich bin nur mit Ihnen gekommen, da Sie keinen Zweifel daran gelassen hatten, dass Ihre Leute sonst den Kapitän erschießen würden.“
„Ah ja. Sie waren also nicht um Ihr eigenes Wohl besorgt, sondern um das des Kapitäns.“
„Ganz genau.“
„Was glauben Sie eigentlich, weshalb ich Sie gesucht habe?“
„Ich habe nicht die leiseste Ahnung.“
„Nein?“
„Nein.“
„Eine Möglichkeit wäre, dass ich für Sie ein Lösegeld fordern wollte.“ Wie ein Panther kam er langsam auf sie zu, ein Raubtier auf der Jagd nach Beute.
„Haben Sie das vor?“ Sie hob ihre Arme, um den Verschluss ihrer Perlenkette zu öffnen, und hoffte, dass ihre bebenden Hände sie nicht im Stich ließen. „Dann nehmen Sie den Schmuck. Diese Kette ist sehr wertvoll.“ Und gerade jetzt wollte es ihr partout nicht gelingen, sie zu öffnen … als ob die Perlen sich ihrem Vorhaben widersetzen wollten.
Der Captain stand plötzlich vor ihr. „Vielleicht kann ich Ihnen behilflich sein.“ Natürlich bekam er das Collier ohne Schwierigkeiten auf und ließ es in seine Hand gleiten. „Wunderschön.“ Seine Finger fuhren sanft über die Perlen. „Ich frage mich, wie Sie wohl daran gekommen sind.“
„Es war ein Geschenk. Nehmen Sie die Perlenkette, und bringen Sie mich zur Lady Anne zurück!“
Der Captain lachte verächtlich. „Ein Geschenk! Wahrscheinlich von einem Ihrer Verehrer.“ Achtlos warf er das Schmuckstück auf seinen Schreibtisch.
„Ihr Geld interessiert mich nicht, Miss Chastain.“ Er ließ seine kalten blauen Augen über ihren Körper gleiten und lächelte anzüglich. „Ich könnte mir aber durchaus andere Formen der Bezahlung vorstellen.“ Sein Blick ruhte auf dem Ausschnitt ihres meerblauen Seidenkleides, der den Ansatz ihrer wohlgerundeten Brüste erkennen ließ. „Ich muss mich an Bord noch um einige Dinge kümmern. Machen Sie es sich derweil bequem.“
Mit langen, schlanken Fingern griff er im Vorbeigehen nach der Perlenkette auf seinem Schreibtisch. „Bis nachher, Miss Chastain.“
Grace sah ihm nach, bis er das Zimmer verlassen hatte. Sobald die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, atmete sie erleichtert auf. Die Tränen, die sie bislang zurückgehalten hatte, liefen ihr über die Wangen. Grace wischte sie hastig beiseite, denn sie wollte nicht, dass irgendjemand sie so sah – und er schon gar nicht!
Sie hatte angenommen, dass er sie nach London zurückbringen und dort dem Friedensrichter übergeben würde. Schließlich hatte sie gewusst, worauf sie sich einließ, als sie einem Verräter zur Flucht verhalf: dass man sie aufspüren und gefangen nehmen könnte.
Nur konnte sie ihren Vater doch nicht im Stich lassen! Obwohl sie ihn kaum kannte und nicht wusste, ob er schuldig war oder nicht, konnte sie nicht tatenlos zusehen, wie er an den Galgen kam.
Ethan stützte seine Arme auf die Reling, sah auf das dunkle Meer hinaus und dachte an Grace Chastain. Die Gedanken an sie mischten sich mit den Erinnerungen an seine Mannschaft, die er verloren hatte. Es waren tapfere, mutige Männer gewesen, einige von ihnen waren verheiratet und hatten eine eigene Familie, und alle hatten ihm über die Jahre treu zur Seite gestanden.
Noch immer konnte er ihre Schreie hören, die durch die Wände des Gefängnisses an sein Ohr gedrungen waren.
„Das Mädchen ist ganz anders, als ich dachte.“ Ethan hatte nicht bemerkt, dass Angus sich zu ihm gesellt hatte. „Höchstens dreiundzwanzig, wenn überhaupt.“
„Ihr Alter dürfte nichts zur Sache tun. Sie hat einem Mörder zur Flucht verholfen und vielleicht von Anfang an mit ihm unter einer Decke gesteckt. Wenn wir Glück haben, bringt sie uns auf seine Spur.“
Angus nickte. „Das kann schon sein.“
Wieder blickte Ethan auf das Meer hinaus.
„Vielleicht hat sie ihn geliebt.“
Ethan sah starr geradeaus. „Der Mann war verheiratet und hatte Kinder. Dieses Mädchen ist nichts weiter als eine gewöhnliche Hure.“
Angus lehnte seinen massigen Körper gegen die Reling. „Da mögen Sie recht haben. Aber was wollen Sie nun mit ihr anstellen?“
Ethan sah ihn kurz an. „Sie war Jeffries’ Geliebte. Heute Nacht gehört sie mir.“
Angus schwieg zunächst, aber dem Kapitän entging nicht der Ausdruck von Missbilligung in den Augen des älteren Mannes. „Wollen Sie sie zwingen?“
„Das wird nicht nötig sein. Immerhin ist sie käuflich.“
Angus zog sich seine Mütze noch tiefer in die breite Stirn. „Und werden Sie sie freilassen, wenn sie Ihre Forderungen erfüllt hat?“
Ethan sah ihn ungläubig an. Hatte sein Maat jetzt den Verstand verloren? „Sie freilassen?“, fragte er barsch. „Wenn ich genug von ihr habe und zudem feststelle, dass sie uns nicht dabei behilflich sein kann, Jeffries zu finden, werde ich sie nach London bringen und den Behörden übergeben. Sie hat ein Verbrechen begangen, Angus! Dafür muss sie bestraft werden.“
Der alte Seemann schnaubte. „Mir kommt es so vor, als ob das Mädchen schon gestraft genug ist, bevor sie überhaupt nach London zurückkommt.“ Angus wandte sich ab und ging mit schweren Schritten zu der Leiter, die in die Mannschaftsräume führte.
Ethan fluchte leise. Auf ihrer letzten, verhängnisvollen Fahrt war Angus schließlich nicht dabei gewesen! Von seiner jetzigen Mannschaft hatte nur der schlaksige Ned damals an seiner Seite gekämpft – alle anderen Männer der Sea Witch hatte er durch einen Hinterhalt der Franzosen verloren. Der Kapitän der feindlichen Fregatte hatte über vertrauliche Informationen verfügt, die nur wenigen Mitgliedern der englischen Regierung zugänglich gewesen waren.
Harmon Jeffries hatte seine Landsleute verraten, und seine Geliebte hatte ihm nun auch noch zur Flucht verholfen!
Wieder dachte Ethan an die Frau in seiner Kabine. Es war weit nach Mitternacht, und sie schlief wahrscheinlich schon. Er stellte sich vor, wie sie nackt in seinem Bett lag und ihm ihren Körper darbot. Heißes Verlangen durchströmte ihn bei dem Gedanken.
Sie würde ihm nicht entkommen. Er würde um ihre Gunst feilschen und sich dann so lange mit ihr vergnügen, bis er genug von ihr hatte.
Bislang war er Frauen gegenüber stets als Gentleman aufgetreten. Er hatte seine Geliebten, die er im Laufe der Jahre gehabt hatte, ausnahmslos gut behandelt.
Aber mit Grace Chastain war das anders. Für ihre heimtückischen Taten sollte sie bezahlen, und er würde dafür sorgen, dass sie dabei nicht günstig wegkam.
Obwohl sie verängstigt, verunsichert und bis auf die Knochen erschöpft war, bemühte Grace sich dennoch, wach zu bleiben. Nachdem der Captain gegangen war, hatte sie sich auf einen Stuhl in der Nähe der Tür gesetzt und horchte angespannt auf jedes Geräusch. Sie rechnete jede Minute damit, dass ihr Entführer zurückkommen würde.
Er hatte keinen Zweifel an seinen Absichten gelassen. Wie ein Barbar würde er über sie herfallen und ihr die Unschuld rauben – nur sollte ihm das nicht so einfach gelingen! Er war zwar größer und stärker als sie, aber sie war klug und zu allem entschlossen. Sie würde sich erbittert wehren und sich mit jeder Faser ihres Körpers widersetzen.
Die Zeit verging schleppend. Jede halbe Stunde konnte sie das Schlagen der Schiffsuhr hören, und der Captain war immer noch nicht zurückgekommen. Die gleichmäßig wogenden Bewegungen des Meeres und das sanfte Branden der Wellen begannen sie schläfrig zu machen. Mühsam versuchte sie, die Augen offen zu halten.
Doch es wurde immer später, und der Schlaf lockte sie zu sich wie der Gesang der Sirenen den achtlosen Seemann. Langsam fielen ihr die Augen zu. Als die Tür sich leise öffnete, war sie bereits eingeschlafen und hörte nicht mehr, wie der Captain die Kabine betrat.
Ethan blieb in der Mitte des Raums stehen. Wenn er gehofft hatte, Grace Chastain auf ihn wartend in seinem Bett zu finden, so hatte er sich getäuscht.
Das Mädchen hatte sich auf dem Holzstuhl, der vor seinem Schreibtisch stand, zusammengekauert und hielt mit einer Hand seinen silbernen Brieföffner fest umklammert. Das Kinn war ihr auf die Brust gesunken, und die Decke war ihr von den Schultern gerutscht und auf den Boden gefallen. Ihr Haar war ein wenig zerzaust, ihre Lippen im Schlaf leicht geöffnet. Sie sah jung und unschuldig aus … und verführerischer als jede Frau, die er jemals gesehen hatte.
Er überlegte kurz, sie zu wecken und ihr einen Handel vorzuschlagen, der ihm den Genuss ihres verlockenden Körpers einbringen würde, doch etwas hielt ihn davon ab. Die Erschöpfung stand ihr ins Gesicht geschrieben, und ihm war nicht entgangen, wie verängstigt sie war, wenngleich sie alles getan hatte, um es vor ihm zu verbergen.
Eigentlich müsste ihm ihr Leiden Freude bereiten – hatte er sie nicht aus genau diesem Grund an Bord gebracht? Er wollte, dass sie büßte, was ihm und seinen Leuten angetan worden war, und er würde nicht eher ruhen, bis sie ihre Schuld beglichen hatte.
Doch statt sie zu wecken, nahm er ihr vorsichtig den Brieföffner aus der Hand, hob sie auf seine Arme und trug sie zu seinem Bett hinüber. Er schlug den Überwurf zurück, legte sie in all ihren Kleidern auf die weiche Matratze und breitete die Decke über ihr aus.
Er war fast genauso müde wie sie. Vielleicht war es besser zu warten, überlegte er. Morgen würden sie sicher zu einer Einigung kommen, und er bekäme, was er wollte. Leise zog er sich bis auf seine Unterhose aus, löschte die Lampe und legte sich auf die andere Seite des Bettes.
Morgen, sagte er sich. In seine Müdigkeit mischte sich eine wilde Vorfreude, bevor er endlich in einen tiefen Schlaf fiel.
Der Morgen kam früher als erwartet. Noch vor Sonnenaufgang erwachte Ethan und riss überrascht die Augen auf. Sein Gefühl sagte ihm, dass irgendetwas anders war als sonst. Es dauerte nur einen Moment, bis er sich daran erinnerte, dass seine schöne Gefangene neben ihm lag.
Grace Chastain schlief tief und fest, aber ihr Gesäß schmiegte sich so eng an seinen Schoß, dass er durch den Stoff ihres Kleides hindurch die Wärme ihres Körpers spüren konnte. Er bemerkte seine eigene Erregung und wurde von dem drängenden Wunsch ergriffen, sie in Besitz zu nehmen. Was wohl passieren würde, wenn er ihren Rock hochschob und sie zu liebkosen begann? Dass diese Frau ein Temperament hatte, das genauso feurig war wie ihr Haar, hatte er schon feststellen dürfen. Nun fragte er sich, ob sie im Bett wohl ebenso leidenschaftlich sein würde.
Sie war kein unschuldiges Mädchen mehr, was ihm sein Vorhaben entweder erleichtern oder erschweren konnte – je nachdem, welche Erfahrungen sie im Laufe der Jahre mit ihren Liebhabern gemacht hatte. Er ließ seine Hand leicht über ihre Hüfte gleiten, erfreute sich an ihren sanften weiblichen Rundungen und ihrem wohlgeformten Hinterteil. Langsam tastete er sich an ihrem Schenkel entlang abwärts … bis zu ihrer Wade … und griff schließlich nach dem Saum ihres Kleides.
Der empörte Schrei, den sie ausstieß, gellte ihm in den Ohren. Sie sprang aus dem Bett, als ob es in Flammen stünde, und fuhr wütend herum, um ihn anzusehen. Abwehrend hielt sie ihre Hände ausgestreckt, als müsste sie sich gegen ein teuflisches Ungeheuer verteidigen. Fast musste er lächeln.
„Fassen Sie mich nicht an!“
„Ich glaube, Sie haben Ihren Widerwillen gegen meine Berührung bereits deutlich zum Ausdruck gebracht.“ Er griff nach seiner Hose, zog sie an und begann die Knöpfe zu schließen.
Sie rannte zu seinem Schreibtisch hinüber und suchte in rasender Hast nach dem Brieföffner, den sie dann wie eine Waffe vor sich hielt.
„Legen Sie das weg. Ich tue Ihnen nichts.“
„Sie haben … Sie wollten … haben versucht …“
„Beruhigen Sie sich. So, wie Sie sich an mich gedrängt haben, dachte ich, dass wie beide unseren Spaß haben könnten.“ Himmel, was war sie schön! Die rotbraunen Locken fielen ihr wild um die Schultern, ihre Wangen waren vor Wut gerötet. Ihr bloßer Anblick erregte ihn.
Er ging ein paar Schritte auf sie zu, hielt aber genügend Abstand, um sie nicht zu ängstigen. „Ich hatte gehofft, dass wir vielleicht zu einer Einigung kommen könnten.“
Argwöhnisch betrachtete sie ihn. „Was für eine Einigung?“
„Ich bin ein Mann, Miss Chastain. Und wie Sie sicher wissen, haben Männer gewisse Bedürfnisse.“
Ihre Hände zitterten. „Wollen Sie … wollen Sie damit sagen, dass Sie von mir erwarten, dass ich mich Ihrer … Bedürfnisse annehme?“
Er lächelte leicht. „Ich würde es anders ausdrücken. Wie ich bereits sagte, glaube ich, dass wir beide unser Vergnügen dabei haben könnten. Und für Sie könnten sich zudem noch weitere Vorteile ergeben.“
„Wollen Sie mir einen Handel vorschlagen?“
„Ja. Wenn Sie sich darauf einlassen, und ich an Ihnen Gefallen finde, würde ich mich bei den Behörden für Sie einsetzen, wenn wir wieder in London sind.“
Sie schluckte. Zum ersten Mal bemerkte er, dass sie mit den Tränen kämpfte.
Sie räusperte sich, und er sah, dass ihre Mundwinkel zuckten. „Nein.“
„Ist das alles? Nein?“
Sie schüttelte den Kopf. Sie wirkte unschuldig und verletzlich, und sie so zu sehen ließ ein seltsam beunruhigendes Gefühl in ihm aufsteigen.
„Wenn Sie versuchen, mich zu zwingen, werde ich mich Ihnen mit aller Kraft widersetzen.“
Er sah sie an und zweifelte keinen Moment an ihren Worten. Durch die Tränen hindurch funkelten ihre Augen voller Entschlossenheit.
„Ich werde Sie nicht zwingen“, versprach er mit sanfter Stimme. „Das war nie meine Absicht.“ Aber er würde sie auch nicht so einfach entkommen lassen. Sie war die Geliebte von Harmon Jeffries – und er begehrte sie. Sehr sogar. Früher oder später würde er seinem Verlangen nachgeben.
„Warum … sollte ich Ihnen das glauben?“
„Ich mag einige schlechte Eigenschaften haben, Miss Chastain, Lügen gehört allerdings nicht dazu. Legen Sie den Brieföffner weg.“
Ihre Finger schlossen sich nur noch fester um den silbernen Griff.
„Ich habe Sie gebeten, ihn wegzulegen.“ Er begann wütend zu werden und ging entschlossen auf sie zu. Schließlich war er es nicht gewohnt, dass Leute sich seinen Befehlen widersetzten. Und von Grace Chastain würde er sich das schon gar nicht bieten lassen.
„Bleiben Sie, wo Sie sind!“
„Wenn Sie mir drohen, wird das nicht ohne Folgen für Sie bleiben.“
Sie biss sich auf ihre volle Unterlippe. Wie gerne er diese Lippen küssen würde … Himmel! Er konnte sich nicht erinnern, jemals solche Lust nach einer Frau verspürt zu haben. Die Tatsache, dass sie Harmon Jeffries gehörte, steigerte sein Verlangen nur noch.
Als er einen weiteren Schritt auf sie zu machte, machte Grace ihrerseits einen Schritt zurück. Den Brieföffner hielt sie weiterhin fest in ihrer Hand.
„Sie scheinen sich in Schwierigkeiten bringen zu wollen, Miss Chastain.“
„Mir scheint eher, dass Sie in Schwierigkeiten sind.“
Jetzt musste er doch lächeln. Er lächelte nicht oft, und es fühlte sich beinahe ungewohnt an. Dann täuschte er eine Bewegung nach links vor, griff schnell nach rechts, umfasste Grace’ Handgelenk und riss ihr den Brieföffner aus der Hand. Noch während er ihn weit von sich warf, zog er sie ungestüm an sich, vergrub seine Finger in ihrem dichten rotbraunen Haar und ergriff mit einem tiefen, leidenschaftlichen Kuss von ihrem Mund Besitz.
Eine heiße Welle der Lust strömte durch seinen Körper. Er kostete den Moment kurz aus, bevor er sich von Grace löste und einen Schritt zurück trat. Ihre grünen Augen waren weit aufgerissen, und sie blickte ihn überrascht und ungläubig zugleich an. Sein Herz pochte laut, und er spürte das heftige Pulsieren seiner erregten Männlichkeit. Erfreut stellte er fest, dass nicht nur er die Wirkung dieses Kusses gespürt hatte. Ihre Wangen waren gerötet, und ihre Brüste hoben und senkten sich unter ihrem schnellen Atem.
„Denken Sie über meinen Vorschlag nach“, sagte er sanft. „Ein Pakt mit dem Teufel muss nicht unbedingt schlecht sein.“ Er wandte sich von ihr ab, nahm seine restlichen Kleider, hob den Brieföffner vom Boden auf und verließ damit das Zimmer. Leise schloss er die Tür hinter sich.
Wie gebannt sah Grace auf die Tür, durch die ihr Entführer verschwunden war. Er war tatsächlich ein Barbar … ein Wilder! Keinen Moment glaubte sie, dass er sein Wort halten würde. Für sie gab es keinerlei Grund, ihm irgendetwas zu glauben.
Sie wünschte sich nur, wieder sicher an Bord der Lady Anne zu sein.
Unbewusst berührte sie mit den Fingerspitzen ihre Lippen. Seine Umarmung war alles andere als zärtlich, sein Kuss nur kurz, doch voller Leidenschaft gewesen … ein wütender, besitzergreifender Kuss, der sie eigentlich hätte abstoßen müssen, und doch … Sie wusste, dass sie diesen Kuss niemals vergessen würde.
Wie konnte das sein?
Sie musste an den Handel denken, den der Captain ihr vorgeschlagen hatte. Er wusste von ihrer Beteiligung an der Flucht des Viscounts aus Newgate, und doch brachte er sie nicht geradewegs nach London zurück, um sie den Behörden auszuliefern. Sie hatte allen Grund, sich vor ihm zu fürchten – und das tat sie auch. Aber tief in ihrem Inneren spürte sie etwas, das sie davor bewahrte, sich von ihm einschüchtern zu lassen.
Ihr Magen knurrte. Grace strich sich die zerzausten Haare zurück und ging zu dem Spiegel, der in einer Ecke des Zimmers stand. Ihre rotbraunen Locken hingen ihr wirr um die Schultern, und ihr meerblaues Seidenkleid bot einen trostlosen und sehr zerknitterten Anblick. Sie hob ihren Rock hoch und riss den Spitzenbesatz vom Saum ihres Unterkleides, um damit ihre Haare zusammenzubinden. Was hätte sie jetzt für ein heißes Bad gegeben! Außerdem wollte sie etwas essen und begann sich zu fragen, ob Captain Sharpe sie vielleicht dadurch bestrafen wollte, dass er sie langsam verhungern ließ.
Als seien ihre Gedanken erhört worden, klopfte es in diesem Moment vorsichtig an der Tür. Sie war ein wenig verunsichert, da der Captain den Brieföffner mitgenommen hatte und sie nicht wusste, womit sie sich nun verteidigen sollte.
Aber dann seufzte sie und ging zur Tür. Wenn er oder seine Leute ihr wirklich etwas zuleide tun wollten, hätten sie dazu schon längst Gelegenheit gehabt. Sie atmete einmal tief durch und öffnete.
Womit sie gar nicht gerechnet hatte, war der Anblick eines blonden Jungen, der vor ihr auf dem Gang stand und ein Frühstückstablett in den Händen hielt.
„Morgen, Miss. Der Capt’n dachte, Sie könnten Hunger haben.“ Der Geruch von noch warmem Porridge stieg verlockend von der Schale auf, die in der Mitte des Tabletts stand. Daneben lag eine in Stücke geteilte Orange. Auch eine große Tasse mit heißem, dampfendem Tee fehlte nicht sowie ein Krug mit Sahne und ein Glas Melasse für das Porridge. Sie wagte ihren Augen kaum zu trauen!
Das Wasser lief ihr im Munde zusammen. „Da hat der Captain ganz richtig gedacht – ich bin sehr hungrig. Es war sehr aufmerksam von ihm, mir etwas herunterzuschicken.“ Aufmerksam … Wahrscheinlich gehörte es nur zu seinem Plan, sie für seinen Vorschlag einer Einigung zu erwärmen. Diese Strategie würde nicht aufgehen!
„Wie heißt du?“, fragte Grace den Jungen, der kaum älter als zwölf sein konnte und für sein Alter zudem sehr klein war. Erst jetzt bemerkte sie, dass er sich mit seinem linken Arm auf eine hölzerne Krücke stützte.
„Freddie, Miss. Freddie Barton.“
Grace beschloss, nicht weiter auf die Krücke zu achten, und lächelte den Jungen an. „Nun, Freddie, du kannst das Tablett hier drüben abstellen.“ Sie zeigte auf einen kleinen runden Sheraton-Tisch mit zwei dazu passenden Stühlen. Es erstaunte sie, dass ein Mann, der sich als der leibhaftige Teufel ausgab, einen behinderten Jungen in seinen Diensten hatte.
„Gerne, Miss.“ Freddie ging zu dem Tisch hinüber, und Grace runzelte besorgt die Stirn, als sie sein missgebildetes Bein sah. Auf einmal hörte sie hinter sich auf dem Gang ein Geräusch, und etwas huschte durch den offenen Türspalt, rannte durch die Kabine und so nah an dem Jungen vorbei, dass er fast das Gleichgewicht verlor.
„Zum Teufel mit dir, Schooner!“ Etwas unbeholfen setzte er das Tablett auf dem Tisch ab, und Grace folgte seinem Blick. Ein getigerter Kater hatte es sich unter einem der Stühle gemütlich gemacht.
„Mögen Sie Katzen?“, fragte er.
„Aber ja.“
Erleichtert sah Freddie sie an. „Schooner wird Sie nicht stören. Und er ist auch ein ganz toller Mäusefänger!“
Sie konnte ihr Lächeln kaum zurückhalten. „Dann muss ich mir also um Mäuse in der Kabine keine Sorgen machen.“
„Nein, Miss.“ Freddie blickte auf den orange gestreiften Schwanz, der unter dem Stuhl hervorlugte. „Schooner wird sich schon melden, wenn er wieder rauswill.“
„Da bin ich mir sicher.“
„Der Capt’n hat gesagt, ich soll mich um Sie kümmern. Wenn Sie irgendwas brauchen, müssen Sie mir nur Bescheid sagen.“
Oh, da fielen ihr viele Dinge ein! Am liebsten wünschte sie sich, von diesem Schiff wegzukommen, doch sie bezweifelte, dass Freddie ihr dabei würde helfen können. Sie ging zum Tisch hinüber und betrachtete das Tablett mit dem Essen. Ihr Magen knurrte erneut. Sie war sehr hungrig, wichtiger war es allerdings, an Informationen zu kommen, und der Junge schien einiges zu wissen.
„Wie lange arbeitest du schon für Captain Sharpe?“
„Noch nicht lange, Miss. Der Capt’n hat das Schiff gerade erst gekauft. Aber mein Vater ist früher mit ihm zur See gefahren und dann zusammen mit der ganzen Mannschaft umgebracht worden.“
„Oh! Das tut mir leid, Freddie. Wie ist das passiert?“
„Sie haben gegen die verdammten Franzosen gekämpft, und die haben das Schiff gestürmt und den Capt’n, meinen Vater und die ganze Mannschaft ins Gefängnis geworfen. Diese verdammten Bastarde!“ Er errötete, weil er merkte, dass er in ihrer Gegenwart geflucht hatte. „Entschuldigung, Miss.“
„Ist schon gut, Freddie. Diese Franzosen scheinen aber auch wirklich eine ganz üble Sorte gewesen zu sein.“