Das wollte ich Ihnen schon immer mal sagen - Joachim Llambi - E-Book

Das wollte ich Ihnen schon immer mal sagen E-Book

Joachim Llambi

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Beschreibung

JOACHIM LLAMBI IST BEKANNT DAFÜR, DASS ER KLARTEXT REDET. Wer sich fragt, warum er sich das traut, bekommt in diesem Buch überraschende Antworten. Der Chefjuror von Let's Dance zeigt, wie Kritik positiv beim Gegenüber ankommt. Dabei gewährt er Einblicke in seine Erfahrungen als Promi, Börsenhändler und Tanzprofi – und spart wie gewohnt nicht mit offenen Worten. Seine Botschaft: Mit ehrlicher Kritik machen wir uns langfristig eher Freunde als mit unaufrichtigem Geschwafel. Denn der richtige Umgang mit Kritik ist der Schlüssel zu erfolgreichen Beziehungen.

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Das Buch

Aus falscher Zurückhaltung scheuen viele Menschen offene Worte gerade dann, wenn sie nötig wären. Wenn es schließlich doch einmal aus ihnen herausplatzt, schießen sie schnell über das Ziel hinaus. Das richtige Maß für Kritik zu finden, scheint eine Kunst zu sein.

Joachim Llambi meistert diese Herausforderung offenbar mühelos: Mit seiner Art zu kritisieren unterhält er nicht nur das Fernsehpublikum, sondern treibt bei Let’s Dance sogar Prominente ohne Tanzerfahrung zu Höchstleistungen an.

Alles nur Show? Oder kann man mit ehrlicher Kritik auch im Alltag bessere Ergebnisse erzielen und sich gleichzeitig Freunde machen? Unbedingt, findet Joachim Llambi – wenn man weiß, wovon man redet. Wenn man sich nicht scheut, auch mal zu polarisieren. Und wenn man gleichzeitig selbst kritikfähig bleibt.

Kritik üben und auch annehmen zu können, ist der Schlüssel zu gelingenden Beziehungen und ein wichtiges Instrument der persönlichen Entwicklung. Ehrliche Kritik ist kein Angriff, sondern ein Geschenk. Wir müssen sie wieder schätzen lernen, anstatt sie zu fürchten.

In diesem Buch zeigt Joachim Llambi, wie Kritik gelingen kann. Dabei berichtet er aufrichtig und unterhaltsam über seine Erfahrungen als Sportler, Börsenprofi, Ehemann, Familienvater und natürlich als Promi – und macht dabei aus seinem Herzen keine Mördergrube.

Das wollte ich Ihnen schon immer mal sagen ist ein lehrreicher und eingängiger Schnellkurs in die Kunst der Kritik und zugleich ein kritischer Blick auf die Kunst der Unterhaltung.

JOACHIM LLAMBI IST BEKANNT DAFÜR, DASS ER KLARTEXT REDET.

Wer sich fragt, warum er sich das traut, bekommt in diesem Buch überraschende Antworten. Der Chefjuror von Let’s Dance zeigt, wie Kritik positiv beim Gegenüber ankommt. Dabei gewährt er Einblicke in seine Erfahrungen als Promi, Börsenhändler und Tanzprofi – und spart wie gewohnt nicht mit offenen Worten. Seine Botschaft:

Mit ehrlicher Kritik machen wir uns langfristig eher Freunde als mit unaufrichtigem Geschwafel. Denn der richtige Umgang mit Kritik ist der Schlüssel zu erfolgreichen Beziehungen.

Der Autor

Joachim Llambi ist gelernter Bankkaufmann und arbeitet seit über 20 Jahren als Börsenhändler. Bekannt ist er als Chefjuror der RTL-Show Let’s Dance. Er tanzt seit seinem 17. Lebensjahr und nahm als Profi u.a. als Finalist an Welt- und Europameisterschaften teil.

JoachimLlambi

Das wollteich Ihnenschonimmermal sagen

Mut zur ehrlichenKritik

Econ

Besuchen sie uns im Internet:www.ullstein-buchverlage.de

ISBN978-3-8437-0684-1

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2014Umschlaggestaltung: Sabine Wimmer, Berlin

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

eBook:Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin

Für meine Frau Ilona,meine wichtigste und ehrlichste Kritikerin

Inhalt

Prolog: Als ich einmal »Scheiße« sagte

Kritik der reinen Unterhaltung

Let me entertain you: Kritik als Unterhaltungsmasche

Raue Sitten: Die Verantwortung unserer Vorbilder

Qualitätsmerkmal Unterhaltungswert? Warum im Fernsehen und im Leben nicht allein Personality zählt

Weniger nörgeln, mehr kritisieren! Wie wir tatsächlich aus Fehlern schlau werden können

Meinungsmaschine Internet: Wie die Anonymität unsere Kommunikation verändert

Das Leben ist kein Wunschkonzert: Wie Kritiklosigkeit unsere Maßstäbe ruiniert

Warum wir ehrliche Kritiker brauchen

Aus Fehlern lernen: Das Leben ist die Summe der Kritiken

Wer Leistung will, muss Leistung fördern: Warum wir Kritik wieder ernst nehmen müssen

Eine Frage der Haltung: Warum Kritik ein aufrechtes Rückgrat erfordert

Kritische Momente: Wie Kritik Veränderungen anstößt

Bildung will gelernt sein: Warum unsere Kinder kritische Vorbilder brauchen

Voneinander lernen: Die Zukunft gehört den Kritikfähigen

Kritik macht Freunde

Kritik tut gut – und macht beliebt: Warum Sie mit Ihrer Meinung nicht hinterm Berg halten sollten

Gesunde Maßstäbe: Warum es nicht ohne Kriterien geht

Jetzt mal Tacheles! Gleicher Maßstab heißt nicht Gleichbehandlung

Was glauben Sie eigentlich, wer Sie sind? Woran man einen kompetenten Kritiker erkennt

Auch Kritiker dürfen sich irren: Warum es egal ist, wer recht hat

In der Kritik und in der Liebe ist nicht alles erlaubt: Wo Kritik an ihre Grenzen stößt

Epilog: Warum wir niemals »Scheiße« sagen sollten – und es doch manchmal tun

Prolog: Als ich einmal »Scheiße« sagte

»Manuela, ich muss sagen, es war heute gar nicht so schlecht. Es war – ich benutze dieses Wort eigentlich nicht – es war scheiße.«

So leitete ich in der fünften Liveshow der sechsten Staffel von Let’s Dance meine Einschätzung der Samba von Komödiantin Manuela Wisbeck ein. Vielleicht war es nicht meine Sternstunde als Kritiker. Ich hätte mich anders ausdrücken können.

In der Begründung meiner Kritik an Manuela Wisbeck tat ich das auch. Am nächsten Tag wurde vor allem das »Sch«-Wort kolportiert, doch meine Kritik ging natürlich noch weiter. Unter anderem mit der Erklärung: »Es kann nicht sein, dass wir in dieser Sendung, wo es um Tanz geht, immer nur Klamauk machen, nur Kasperletheater spielen. Ich möchte endlich auch mal eine anspruchsvolle Choreographie sehen.« Vorher war ich, weil ich es sehr ernst meinte, sogar fachlich ins Detail gegangen und hatte von Running Promenades, Botafogos und Voltas (typische Tanzfiguren bei der Samba) gesprochen.

Ich hatte nicht ohne Grund »Scheiße« gesagt, um mir Luft zu machen. Sondern weil der Auftritt aus tänzerischer Sicht Scheiße war. Nicht besser, sondern schlechter als in der Vorwoche. Bereits vier Sendungen lang hatte ich jede Woche sachlich Kritik an den Auftritten dieser Kandidatin geübt, und sie hatte sich offensichtlich nicht im Geringsten darum geschert. Anscheinend war ich nicht zu ihr durchgedrungen. Es war an der Zeit, ein Zeichen zu setzen. Und da muss man als Kritiker eben auch mal deutlich werden.

Manchmal werde ich von den Medien als »Dieter Bohlen von Let’s Dance« bezeichnet. Ich finde das weder richtig noch schlimm; wenn man in der Öffentlichkeit steht, muss man mit solchen Vergleichen leben. In erster Linie bin ich für meine Rolle als Kritiker bekannt. Und einer, der Kritik verteilt, bekommt öfter mal selbst welche ab. Ein gutes Zeichen, finde ich: Ich würde mir eher Sorgen machen, wenn immer alle einer Meinung mit mir wären. Sowohl in der Jury von Let’s Dance als auch bei den Zuschauern im Saal und vor dem Fernseher. Wenn ich als Kritiker nie polarisiere, mache ich irgendetwas falsch.

Dass ich dann auch mal mit Dieter Bohlen verglichen werde, weil das so schön naheliegt, gehört eben dazu. Der Vergleich ist in den Medien ein sehr beliebtes Mittel der Kritik, weil er plakative Aussagen ermöglicht. Wenn ich gefragt werde, wodurch wir beide uns unterscheiden, sage ich nicht minder plakativ: Dieter Bohlen ist für unterhalb der Gürtellinie zuständig, ich für darüber. Natürlich hatte auch ich als Fernsehjuror schon Momente, wo ich mich in der Wortwahl vergriffen habe – wie nach Manuela Wisbecks Samba. Immerhin handelt es sich bei Let’s Dance um eine Unterhaltungssendung. Die Balance zwischen fachlich sauberer Kritik und griffig formulierten Urteilen zu finden, mit denen die Zuschauer etwas anfangen können, ist nicht immer leicht. Wenn ich dann mal deutlich werde, liegt der Verdacht nahe, ich täte das für den Unterhaltungswert.

Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen den schärferen Urteilen von Herrn Llambi und denen von Dieter Bohlen speziell in den ersten Folgen einer Staffel von Deutschland sucht den Superstar (DSDS). Wenn Bohlen bei den offenen Castings einen völlig unbegabten Sänger zur Schnecke macht, dann schickt die Jury ihn hinterher in die Wüste. Im Gegensatz zu unseren Kandidaten können die meisten Casting-Teilnehmer im Vorfeld wahrscheinlich nicht wirklich einschätzen, worauf sie sich da einlassen.

Bei Let’s Dance ist das anders. Dort geht es tatsächlich um die Entwicklung jedes einzelnen Kandidaten, den ich bewerte. Er ist nämlich schon gesetzt. Wir von der Jury, genau wie die Zuschauer, wollen Leistung von ihm sehen. Genau dafür soll unsere Kritik sorgen. Wenn ich »Scheiße« sage, dann verfolge ich damit ein konkretes Ziel. Im Fall von Manuela Wisbeck ging es mir darum, eine Fallhöhe zu erzeugen. Die bisherige Kritik war an ihr abgeprallt. Ein verbales Stoppschild musste her, damit sie begriff, dass Schluss war mit lustig. Im Alltag ist es nicht anders: Da hat auch der geduldigste Kritiker irgendwann genug. Und dann hat er die Wahl: Entweder redet er Tacheles, oder er frisst das alles in sich hinein. Dann ändert sich: nichts.

Leider hält die Angst vor den Konsequenzen viele davon ab, aufrichtig Kritik zu üben – auf der Arbeit oder auch im Privatleben. Schlimmer noch: Sie fürchten sich, selbst Opfer klarer Worte zu werden. Das ist fatal, denn beides hemmt uns ungemein. Diese Angst vor der Ehrlichkeit erwächst aus einem falschen Verständnis von Kritik. Und das kommt nicht von ungefähr.

Wir haben vergessen, wofür Kritik eigentlich da ist. Im Fernsehen wird uns suggeriert, dass wir entweder zu denen gehören, die draufhauen – oder zu denen, die gehauen werden. In vielen Firmen wird offene Kritik geradezu unterdrückt. Die Political Correctness hat dort einen höheren Stellenwert als das Potential, das in einem offenen Umgang unter Kollegen liegt. Kritik als Unterhaltungsmasche; Kritik als Mobbingwaffe; Kritik, die auf die Vergabe schlechter Noten begrenzt ist – das alles lässt nicht zur Geltung kommen, wie nützlich Kritik eigentlich ist. Der Missbrauch von Kritik führt nicht nur dazu, dass viele sich lieber auf die Zunge beißen als mit der Wahrheit rauszurücken – sondern leider auch dazu, dass sie selbst nicht mehr kritikfähig sind.

Ehrliche Kritik ist nicht Draufhauen. Sie ist nicht bedrohlich. Sie dient nicht der Erniedrigung. Kritik ist eines der wichtigsten Kommunikationsmittel, die uns im Alltag zur Verfügung stehen. Sie ist das Schlüsselinstrument der Förderung von Menschen. Eine zentrale Führungsaufgabe. Sie verschafft uns Erleichterung. Wir sollten sie nicht nur wieder schätzen lernen, wenn wir sie zu hören bekommen; wir sollten uns wünschen, kritisiert zu werden. Kritik bringt uns voran. Das ist ihr eigentlicher Sinn und Zweck. Alles andere ist nur Masche. Und wenn Kritik das Ziel verfolgt, Menschen zu fördern, dann darf der Kritiker auch mal Tacheles reden, ohne dass gleich die Moralpolizei kommen muss.

Ich bin der Meinung, dass wir uns mit ehrlicher Kritik langfristig eher Freunde machen als mit unaufrichtigem Geschwafel um den heißen Brei. Dieses Buch habe ich geschrieben, um Ihnen zu zeigen, dass das tatsächlich funktioniert.

Mit der eigenen Meinung hinterm Berg zu halten ist manchmal vielleicht einfacher. Ehrlich Kritik zu üben erfordert Mut. Mit Ehrlichkeit macht man sich nicht bei jedem beliebt. Wohl aber bei denen, auf die es im Leben ankommt: bei den Menschen, mit denen wir offen reden können. Die unsere Meinung schätzen und mit uns vorwärtsgehen wollen. Jene Zeitgenossen, die lieber in trauter Harmonie auf der Stelle treten, anstatt auch mal konstruktive Reibung zuzulassen, liegen mir nicht. Ich lebe und arbeite lieber mit denen, die es ernst meinen mit der gemeinsamen Sache. Und wer es ernst meint, der lässt Kritik nicht nur zu – er fordert sie ein. Nur eine Beziehung, in der ehrliche, wohlmeinende Kritik zum normalen Umgangston gehört, ist eine funktionierende Beziehung. Und auf solche Beziehungen können wir im Leben nicht verzichten – weder zu Hause noch am Arbeitsplatz.

Bevor ich Wertungsrichter bei Let’s Dance wurde, war ich bereits Wertungsrichter bei Profi-Tanzturnieren. Davor war ich selbst professioneller Tänzer und habe an internationalen Turnieren bis hin zu Weltmeisterschaften teilgenommen. Neben dem Tanzparkett ist mir jedoch auch das Börsenparkett vertraut. Heute bin ich selbstständiger Aktienhändler. Zuvor habe ich fast 25 Jahre lang an den Börsen in Düsseldorf und Frankfurt gehandelt – in einer Umgebung, in der man nicht zimperlich sein darf. Dort müssen Entscheidungen im Sekundentakt fallen. Im Fernsehen, beim Tanzen und an der Börse habe ich oft Kritik geübt und wohl genauso oft Kritik eingesteckt. Erfolg ist ohne beides nicht zu haben – ebenso wenig wie ein gutes Gefühl, wenn er sich einstellt.

Dass eine artige Wortwahl das A und O des Kritisierens wäre, werden Sie in diesem Buch nicht zu lesen bekommen. Wohl aber, dass Kritik auch eine Frage des persönlichen Stils ist. Ein Kritiker darf, muss sogar aufrichtig Profil zeigen. Das unterscheidet ihn von denen, die nur eine Masche fahren.

Mir geht es darum zu zeigen, wie unsere Wahrnehmung von Kritik systematisch verfälscht wird – von manchen Fernsehsendungen, vom unehrlichen Umgang miteinander am Arbeitsplatz, von der Kommunikationskultur in düsteren Winkeln des Internets. Aus meiner persönlichen Erfahrung in der Unterhaltungsbranche, im Sport und in der Wirtschaft will ich schildern, wie wichtig ein ehrlicher, kritischer Umgang miteinander für unser Zusammenleben ist – und was wir verpassen, wenn wir uns Kritik nicht zutrauen. Und ich möchte Ihnen etwas darüber erzählen, wie Kritik funktioniert, die ihren Namen verdient. Sie können nämlich durchaus Einfluss darauf nehmen, ob Sie sich mit Ihrer Kritik Freunde machen oder sich selbstverschuldet ins Aus schießen. Nur eines ist keine Option: lieber den Mund zu halten als zu ändern, was Sie ändern können.

Eines kann ich Ihnen nicht versprechen: dass Sie mich am Ende dieses Buches mehr oder weniger mögen werden. Aber darauf kommt es auch gar nicht an. Sondern darauf, dass Sie zu Ihrer Meinung stehen und den Mut zur ehrlichen Kritik aufbringen.

KRITIK DER REINEN UNTERHALTUNG

Let me entertain you: Kritik als Unterhaltungsmasche

Auf den Hund gekommen

Kritik kann wehtun. Ich weiß das, denn ich bin oft kritisiert worden – vor allem seit ich in der Öffentlichkeit stehe. Zum Glück gehöre ich zu denen, die das nicht nur ganz gut aushalten, sondern sogar dankbar dafür sind – wenn ich Kritik bekomme, die ihren Namen verdient. Ehrliche Kritik. Wie glaubwürdig wäre ich denn als Kritiker, wenn ich selbst nicht kritikfähig wäre?

Doch es gibt Momente, da geht auch mir Kritik auf unangenehme Weise nahe. Immer dann, wenn sie nicht ehrlich ist, sondern eigennützigen Zwecken dient. Vor nicht allzu langer Zeit tat ich etwas Unbedachtes und musste dafür gewaltig Kritik einstecken. Und zwar öffentlich. So weit alles schön und gut. Das Ärgerliche daran: Meinen Kritikern ging es dabei nicht um konstruktive Kritik an meinem Verhalten, sondern um eine Schlagzeile. Das sagt leider viel darüber aus, was uns heute so alles als Kritik verkauft wird. Die Medien haben großen Einfluss auf jeden Aspekt unserer Kommunikation – also auch darauf, wie wir einander kritisieren und wie wir mit Kritik umgehen.

Im Januar 2012 bekam ich eine telefonische Anfrage von der Produktionsfirma der RTL-Sendung Die Große Hundeshow von Hundetrainer Martin Rütter. Dort treten unter anderem Prominente mit ihren Hunden auf und durchlaufen verschiedene Übungen mit pädagogischem Effekt für Hundebesitzer – und natürlich hat das Ganze einen hohen Unterhaltungsfaktor. »Schön«, sagte ich dem Redakteur, »da gibt es nur ein kleines Problem: Ich habe keinen Hund.«

»Macht nichts«, gab darauf der Redakteur zurück, »wir leihen einen für Sie aus. Wir wollen einen Hund aus dem Tierheim in der Sendung dabeihaben, um diesen Tieren eine Plattform zu geben.«

Einen Hund auf Probe mitzunehmen, ist übliche Praxis in Tierheimen. Schließlich wird auch der Hund nicht glücklich, wenn er mit Herrchen oder Frauchen nicht zusammenpasst. Ein Problem sah ich nicht: Ich konnte meine Qualitäten als Hundehalter testen, und den vielen abgeschobenen Tieren wäre auch geholfen. Tatsächlich hatte ich ohnehin schon öfter über einen Familienhund nachgedacht – und hier war die Gelegenheit, mich mal als Herrchen zu erproben. Ich sagte zu und nahm an der Show teil.

Doch ich hatte nicht daran gedacht, dass Kritik im Fernsehen auch gern um ihrer selbst willen stattfindet – und dass ich mit dieser Aktion eine gute Zielscheibe abgab. Ich war nicht irgendein potentieller Hundehalter, der einen Hund auf Probe aus dem Tierheim mitnimmt oder Hundesitter für einen Bekannten spielt, um zu testen, ob er das kann. Meine Probezeit als Herrchen fand öffentlich statt.

Estrella, eine Dackel-Terrier-Mischlingshündin, mit der ich die Show dann bestritt, ist eine spanische Findelhündin. In der Show gab es sogar einen Einspieler, der zeigte, wie ich die aufgeweckte Hundedame im Gießener Tierheim aussuchte. Dessen Chefin – immerhin Vorsitzende des hiesigen Tierschutzvereins – unterstützte die Aktion. Estrella lebte schon seit Längerem bei einer Hundetrainerin zu Hause – auf einem hundefreundlichen Grundstück mit reichlich Auslauf. Sie war keine Heimhündin im eigentlichen Sinne mehr; die Trainerin brachte sie als Repräsentantin für all die herrenlosen Hunde im Gießener Tierheim, zu denen sie einmal gehört hatte, mit zum Dreh. Das erfuhren die Zuschauer allerdings nicht – für sie war Estrella eine Hündin ohne Zuhause wie all die anderen, die im Einspieler über das Tierheim gezeigt wurden.

Was man aus meinem Auftritt mit Estrella machen könnte, kam mir und dem Team von Martin Rütter daher gar nicht in den Sinn. Ich war eingeladen worden, obwohl ich kein Hundehalter war, weil durch mich auf die Situation der Heimhunde aufmerksam gemacht werden sollte.

Und so kam es auch. Estrella wurde durch die Show über Nacht zum Star. Nach der Sendung erreichte das Gießener Tierheim eine Flut von Anrufen und E-Mails. Alle wollten die süße Estrella zu sich nehmen. Dazu kam es zunächst nicht, denn Estrella hatte ja schon ein Zuhause. Doch auch andere Hunde, die im Einspieler zu sehen gewesen waren, und das Gießener Tierheim erfreuten sich schlagartig großer Beliebtheit. Die Rechnung, mit der Show etwas für Heimhunde zu tun, war aufgegangen.

Eine Boulevardzeitung brachte jedoch am Tag nach der Sendung eine ganz andere Schlagzeile: »TV-Terrier Estrella nach der Sendung zurück ins Tierheim«. In dem Artikel war nicht zu lesen, worum es bei der Aktion eigentlich gegangen war. Dafür das hier: »Das ist doch zum Jaulen … RTLs tierischer TV-Star Estrella (6) muss zurück ins Tierheim. (…) Llambi hat Estrella sofort nach der Show abgegeben! (…) Nur fürs TV, da war sie ihm scheinbar gut genug … Hundsgemein!«

Damit war die Richtung der öffentlichen Debatte, die nun folgte, vorgegeben. Was sich daraufhin auf meiner Facebook-Seite und der von Martin Rütter abspielte, das war wirklich zum Jaulen. Wir beide mussten einen tagelangen Shitstorm oder besser gesagt ein Shitstürmchen über uns ergehen lassen – verglichen mit dem, was andere Prominente schon aushalten mussten, war die Zahl der feindseligen Kommentare noch harmlos. Es reichte allerdings, um mich auch zum ersten Mal die Macht der anonymen Internetkritik spüren zu lassen.

Ich biss die Zähne zusammen und saß das Drama aus. Jede Gegenrede meinerseits, das wusste ich, hätte die Diskussion nur noch weiter angefacht. Erst nachdem das Tierheim die Situation klargestellt hatte, meldete auch ich mich wieder zu Wort.

Als öffentliche Person muss ich solche Attacken unter dem Deckmantel der Gerechtigkeit aushalten. Gut finden muss ich sie nicht. Unsachliche, unfaire Kritik, die öffentlich ausgetragen wird, tut weh. Doch Kritik dieser Art gibt gute Schlagzeilen her. Sie soll keinen Missstand beheben, sie soll nicht ausgewogen eine Leistung bewerten, sie soll dem Kritisierten nicht dabei helfen, etwas zu verändern. Sie soll einfach nur unterhalten. Denn das kann Kritik auf diesem Niveau: Sie kann die Auflage steigern.

Dass es in der ganzen Affäre – sogar unter den Tierschützern – auch viele Stimmen gab, die den Werbeeffekt für Tierheime und Findelhunde lobten und sich um eine sachliche Diskussion bemühten, ging im Blätterrauschen weitgehend unter. Auch ich selbst habe erst viel später davon erfahren.

Das sollte jedem selbst ernannten Kritiker bewusst sein: Ein Verriss ist immer lauter als ein Lob, und er spricht sich viel schneller herum.

Wer den Schaden hat …

… braucht für den Spott nicht zu sorgen, lautet ein altes Sprichwort. Auf kaum jemanden trifft es so genau zu wie auf jene Kandidaten, die sich vor laufender Kamera zum Gespött der Nation machen, ohne sich dessen bewusst zu sein. Ihnen begegnen wir in erster Linie dort, wo sich Selbstüberschätzung sofort rächt: in den Castingshows.

Diese Sendungen haben glänzende Momente – denken wir nur an die Entdeckung und den kometenhaften Aufstieg von Ausnahmetalenten wie Paul Potts oder Mark Medlock. Und eine Sendung wie DSDS könnte nie so erfolgreich werden, wenn nicht ein erfahrener Experte für das Musikbusiness wie Dieter Bohlen die Jury anführen würde. Über Erfolg kann man nicht streiten. Auch über die Kompetenz des Experten nicht: In jeder Staffel kommen seine Qualitäten als Musikfachmann zum Tragen – nämlich dann, wenn die Spreu vom Weizen getrennt wird. Hier nutzt er Kritik gezielt, um dazu beizutragen, dass der oder die Beste gewinnen möge.

Auch ein Dieter Bohlen kann jedoch, mit Verlaub, aus Bockmist keine Bonbons machen. In den ersten Sendungen steht der Auswahlprozess mit vielen weniger begabten Kandidaten im Mittelpunkt, die im weiteren Verlauf der Staffel keine Rolle mehr spielen werden. Die Art von Urteil, die in dieser Phase gesprochen wird, kann letztlich nur der Show dienen: Bei diesen Kandidaten ist von vornherein klar, dass eine weitere Förderung ausbleibt. Und so werden sie, um auch den schlechten Darbietungen einen Unterhaltungswert abzugewinnen, mit entsprechenden Urteilen verabschiedet. Von Kritik im eigentlichen Sinne kann in diesem ersten Stadium noch keine Rede sein. Die Juroren erkennen in dieser Phase bereits, wer das Zeug hat, um die nächsten Runden zu überstehen. Langfristig sind für das Publikum nur die Kandidaten mit Starpotential interessant. Jeder möchte am liebsten sehen, wie ein Superstar geboren wird. Solche Ereignisse erzielen Quoten, die auch der unterhaltsamste Spruch nicht überbieten kann. Erfolgreiches Entertainment beruht auf dem gleichen Prinzip wie jeder nachhaltige Erfolg: Leistung.

Dieter Bohlen müht sich in jeder Staffel redlich ab, nach den Castings aus den letzten verbliebenen Kandidaten echte Stars zu machen – mit wechselndem Erfolg. Auch er kann nur mit denen arbeiten, die sich freiwillig für die Teilnahme an der Show gemeldet haben. Die meisten Gewinner von Castingshows verschwinden recht zügig wieder in der Versenkung. Nur wenige schaffen es, langfristig etwas aus diesem Erfolg zu machen – indem sie kontinuierlich hart daran arbeiten, sich zu steigern und als Musiker anerkannt zu werden. Echte Stars sind nun einmal selten.

Warum Let’s Dance aus der Reihe tanzt

Bei Let’s Dance läuft vieles anders als bei DSDS, Popstars, The Voice of Germany oder Germany’s Next Topmodel. Wir sind keine Castingshow. Zwar stehen auch bei uns Laien auf der Bühne, die dem Spott der Nation ausgeliefert wären – wenn unser Publikum es so wollte. Doch in dieser Hinsicht tanzen wir gegenüber anderen Fernsehshows aus der Reihe.

Bei uns gibt es keinen Castingprozess, während dessen wir uns wochenlang auch völlig unbegabte Kandidaten ›reinziehen‹ müssten. Das Holz, aus dem unsere Kandidaten geschnitzt sind, ist ein anderes: Wer bei uns auf die Bühne kommt, ist schon ein Star – die einen mehr, die anderen weniger. Manche Kandidaten nutzen Let’s Dance als Plattform für ein Comeback, andere einfach nur, weil sie dort ihre Stärken ausspielen können. Allen gemeinsam ist, dass zumindest Teile des Publikums schon eine Meinung über sie haben, bevor sie zum ersten Mal auf dem Parkett performen. Wir in der Jury können jedes Jahr aufs Neue live erleben, wie sich diese Meinung im Verlauf einer Staffel bestätigt – oder wie sich das Blatt wendet. Das ist einer der vielen spannenden Aspekte in dieser Sendung.

Was mich daran jedes Jahr aufs Neue freut: Es gibt nur einen einzigen Weg, um bei Let’s Dance an Beliebtheit zu gewinnen, nämlich sich anzustrengen.

Im Gegensatz zu einem Teil des Castingshow-Publikums schalten unsere Zuschauer von der ersten Sendung an ein, um sich von den Leistungen unserer Kandidaten unterhalten zu lassen. Totalausfälle gibt es bei uns ohnehin selten, denn die Kandidaten werden professionell gecoacht und gehen auch in die erste Sendung nicht unvorbereitet. Wer es dennoch verbockt, fliegt raus. Immer. Und meistens sehr schnell. Das Publikum könnte Kandidaten, die beim Tanzen über die eigenen Füße stolpern, von Woche zu Woche weiterkommen lassen – aus purer Schadenfreude, um sich weiter über stümperhafte Darbietungen zu amüsieren. Tut es aber nicht. Manche schlechten Tänzer können sich bei uns vielleicht mit einem Sympathiebonus über zwei, drei Folgen retten, nicht aber in Richtung Finale.

Die Zuschauer-Votings zeigen es jede Woche aufs Neue: Bei Let’s Dance zählt die Leistung. Vielleicht nicht Höchstleistung im Sinne einer echten Meisterschaft im Standardtanz, bei der Profis sich aneinander messen lassen müssen. Wohl aber die persönliche Leistung jedes prominenten Kandidaten. Am Schluss gewinnt, wer sich am meisten reinhängt und am Ende der Staffel die größte Entwicklung durchgemacht hat. Diese Leistung belohnt das Publikum mit dem Sieg. Das macht meinen Job als Juror um einiges leichter.

Als ich zum ersten Mal in der Jury von Let’s Dance saß, wusste ich das noch nicht, doch inzwischen kann ich mich darauf verlassen: Ich bin im Wesentlichen mit dem Publikum einer Meinung.

Während der Sendung kommt das oft ganz anders rüber: Wenn ich bei Kandidaten, die hoch in der Gunst der Zuschauer stehen, eine der Wertungskellen mit einer niedrigen Wertung ziehe, muss ich mir vom Studiopublikum auch mal Pfiffe und Buhrufe anhören. Das gehört zu meinem Job in dieser Sendung. Ich treibe die Kandidaten immer weiter an, bis sie die Leistung bringen, die ich ihnen zutraue – oder meine Erwartungen sogar übertreffen. Die Rolle des Kritikers bringt es mit sich, dass man den Buhmann spielen muss. Damit habe ich kein Problem, weil ich weiß: Wenn derjenige das Potential hat, es weit zu bringen, wird das Publikum ihn weiterwählen – obwohl ich ihm eine schlechte Note gegeben habe. Doch meine Wertung wird ihm Ansporn sein, seine Sache noch besser zu machen.

Dieses Zusammenspiel mit dem Publikum schätze ich sehr an Let’s Dance: Ich kann ehrlich und professionell bewerten, ohne befürchten zu müssen, dass am Ende jemand gewinnt, der es nicht verdient hat. Auf unser Publikum ist Verlass.

Deshalb lasse ich die Ausrede nicht gelten, dass das deutsche Publikum nur Trash sehen wolle und Leistung gar nicht schätzen könne. Die Menschen erkennen Leistung sehr wohl an – wenn sie sie geboten bekommen. Die Voraussetzung dafür ist, dass man dem Publikum überhaupt die Chance gibt, sich an langfristigen Entwicklungen zu erfreuen, statt nur auf einmalig hohe Quoten durch den schnellen Kick zu setzen, der sich mit dem Prinzip Schadenfreude oder dem Prinzip Tränendrüse erzielen lässt.

Neben der komfortablen Position, Juror in einer Sendung zu sein, deren Konzept mir entgegenkommt, habe ich noch einen weiteren Vorteil: Am Sieger der Sendung habe ich kein finanzielles Interesse. Im Gegensatz zu beispielsweise Heidi Klum will ich mit dem Gewinner von Let’s Dance im Anschluss an die Staffel keine Modenschauen veranstalten und kein Geld verdienen. Ich habe an ihm auch keinen Ruf zu verlieren. Die Kandidaten können aus dem Sprungbrett Let’s Dance etwas machen oder nicht – mich betrifft das nicht direkt. Das lässt mir wesentlich freiere Hand bei meinen Jury-Urteilen: Ich muss nicht darauf achten, wer sich am besten vermarkten lässt. Stattdessen kann ich mich einzig und allein auf meine Expertise konzentrieren und den am besten bewerten, der am besten tanzt.

Das Verblüffende daran: Bisher hat aus Expertensicht in jeder einzelnen Staffel seit sechs Jahren immer der oder die Richtige gewonnen. Mehr noch: Es standen immer die beiden besten Paare im Finale. Dort war es dann oft dermaßen eng, dass beide Prominente würdige Gewinner gewesen wären.

Der Schauspieler Wayne Carpendale gewann bei oberflächlicher Betrachtung die erste Staffel, weil er bei vergleichbaren tänzerischen Qualitäten beim Publikum noch etwas höhere Sympathiewerte hatte als seine Konkurrentin Wolke Hegenbarth, ebenfalls Schauspielerin. Aus professioneller Sicht muss man jedoch festhalten: Als Laientänzer haben die männlichen Kandidaten es schwerer, denn sie müssen führen, während die Damen sich von einem Profi führen lassen können. Das mag einer der Gründe sein, warum wir in sechs Staffeln bisher nur zwei männliche Gewinner hatten.