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Ahnte man, als Hitler vor 75 Jahren in Österreich einmarschierte, was folgen würde? Und wenn ja: Wie reagierte man? Thomas Trenkler geht dieser Frage in Interviews mit Überlebenden und Nachgeborenen - Künstlern, Schriftstellern, Schauspielern, Kunstsammlern, Intellektuellen - nach, aus Anlass des Gedenkens an das fatale Jahr 1938. Interviews mit Maria Altmann, Gerhard Bronner, Josef Burg, Heinz von Foerster, André Heller, Georges Jorisch, Ruth Klüger, Erich Lessing, Bettina Looram Rothschild, George Tabori, Herbert Zipper, Emile Zuckerkandl und anderen.
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Seitenzahl: 317
Produziert mit Unterstützung des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus und des Zukunftsfonds der Republik Österreich.
Trenkler, Thomas: Das Zeitalter der Verluste. Gespräche über ein dunkles Kapitel / Thomas Trenkler Wien: Czernin Verlag 2013 ISBN: 978-3-7076-0455-9
© 2013 Czernin Verlags GmbH, Wien Lektorat: Eva Steffen Umschlaggestaltung: sensomatic Umschlagfoto: EPA / picturedesk.com ISBN E-Book: 978-3-7076-0455-9 ISBN Print: 978-3-7076-0455-9
Alle Rechte vorbehalten, auch das der auszugsweisen Wiedergabe in Print- oder elektronischen Medien
Inhalt
Vorwort
Herbert Zipper(1904 – 1997, Komponist und Musikpädagoge):
»Dachau ist die Wasserscheide meines Lebens«
Heinz von Foerster(1911 – 2002, Physiker und Kybernetiker):
»Die Wahrheit, das Absolute, die Wirklichkeit – das sind Fallen«
Josef Burg(1912 – 2009, Schriftsteller):
»Hätte ich Wien nicht verlassen, könnten wir heute nicht miteinander sprechen«
Marko M. Feingold(*1913, Geschäftsmann):
»Das war ein Kampf auf Leben und Tod«
George Tabori(1914 – 2007, Regisseur und Dramatiker):
»Ich habe immer über den Tod geschrieben«
Maria Altmann(1916 – 2011, Geschäftsfrau):
»Nie kommen die Nazis! So verblendet war man!«
Emile Zuckerkandl(*1922, Evolutionsbiologe):
»Es war ein Abschied. Besonders für meine Großmutter«
Gerhard Bronner(1922 – 2007, Kabarettist, Komponist und Librettist):
»Wir waren Verlorene«
Erich Lessing(*1923, Fotograf):
»Man dachte: Es wird schon vorbeigehen«
Bettina Looram Rothschild(1924 – 2012, Hausfrau):
»Ich dachte mir: Aha, jetzt gehen wir ins Konzentrationslager«
Georges Jorisch(1928 – 2012, Verkäufer):
»Das ganze Geheimnis war, sich tot zu stellen«
Ruth Klüger(*1931, Germanistin und Schriftstellerin):
»Es war ein Zeitalter der Verluste«
Angela Hartig(*1931, Hausfrau):
»Der Zug fuhr los, wir waren in Freiheit«
Angelica Bäumer(*1932, Kunstkritikerin und Kuratorin):
»Warum war meine Großmutter im KZ – und nicht ich?«
Hans Landesmann(*1932, Unternehmer und Musikmanager):
»Wir waren die einzigen Überlebenden«
André Heller(*1947, Liedermacher, Schriftsteller und Regisseur):
»Mein Vater hat das jüdische Kind in sich verleugnet«
Airan Berg:(*1961, Regisseur und Kulturmanager):
»Die Familie ist ziemlich dezimiert«
Markus Kupferblum
Vorwort
Warum wird man Journalist? Zum Beispiel, weil man furchtbar neugierig ist. Oder weil man, leicht größenwahnsinnig natürlich, die Welt verbessern will. Und weil einem der Beruf die Möglichkeit bietet, mit Menschen zu sprechen, die man sonst nie kennenlernen würde.
Im Jahr 1960 geboren, fühle ich mich nicht mitschuldig an den Verbrechen der Nationalsozialisten, die sich als »Nazis« verniedlichten. Aber ich möchte mich mit der Zweiten Republik, in der ich aufgewachsen bin und lebe, identifizieren können. Anfang 1998 musste ich bei Recherchen zum Fall Rothschild jedoch feststellen, dass sich auch die Zweite Republik schuldig gemacht hat. Unter anderem deshalb, weil deren offiziellen Vertreter massiven Druck auf jene ausübten, die in der NS-Zeit hatten fliehen müssen. Sie pressten ihnen, die nun – zum Teil mittellos – in Amerika oder anderswo lebten, im Gegenzug für eine Ausfuhrgenehmigung der einst enteigneten Kunstsammlungen die besten Stücke ab. Auch ein halbes Jahrhundert später gab es vielfach kein echtes Unrechtsbewusstsein.
Seit damals, Anfang 1998, ist eines meiner zentralen Themen als Kulturredakteur bei der Wiener Tageszeitung »Der Standard« die Restitution. Ich schrieb über zahlreiche Fälle – auf ein paar werden Sie in diesem Buch stoßen. Je mehr Schicksale ich kennenlernte, desto augenfälliger wurde mir: Keines gleicht dem anderen. Man traf sich auf der Flucht vielleicht in Bayonne oder bestieg das gleiche Schiff nach Haifa. Vielleicht nahm man, wie viele andere, den Arlberg-Express in die Schweiz. Oder man lernte sich im Taxi kennen. Aber jedes Schicksal ist einzigartig. Und jedes ist es wert, überliefert zu werden.
Manchen mag die Auswahl der Interviews willkürlich erscheinen. Ich selbst stellte mir die Frage, ob ich nicht noch weitere Betroffene hätte befragen sollen. Ari Rath zum Beispiel, Eric Pleskow oder Carl Djerassi. Ich fragte mich auch, ob ich nicht mehr Frauen hätte interviewen müssen.
Aber ich wollte nichts erzwingen. Und ich wollte die geglückten Interviews, die mir gewährt wurden, nicht dadurch entwerten, dass ich ihnen weitere hinzufüge. Dieser Band besteht daher fast ausschließlich aus Gesprächen, die sich im Lauf der Jahrzehnte aufgrund meiner Tätigkeit beim »Standard« und meiner Neugierde ergaben – ohne den Hintergedanken, sie für ein Buch zu verwenden.
So erscheinen in diesem Band unter anderem drei Gespräche, die noch nicht veröffentlicht wurden: jene mit Herbert Zipper, Bettina Looram Rothschild und Angelica Bäumer. Andere dienten bisher nur als Grundlage für sogenannte »durchgeschriebene« Artikel, darunter das Interview mit Emile Zuckerkandl. Und dann gibt es Gespräche, die in Zeitschriften wie »Nu« erschienen, weil sie aufgrund ihres Umfangs für eine Tageszeitung ungeeignet waren. Unter jenen, die sehr wohl im »Standard« veröffentlicht wurden, mussten einige auf die Hälfte oder ein Drittel gekürzt werden. Hier nun kann man die Interviews mit Ruth Klüger, Angela Hartig oder Erich Lessing in voller Länge lesen.
Das einzige Gespräch, das ich in Hinblick auf dieses Buch führte, ist jenes mit Airan Berg, einem wunderbaren Enthusiasten, mit dem mich eine langjährige Geschichte verbindet. Ich wollte das Thema nicht zusammen mit den Zeitzeugen, die immer weniger werden, sterben lassen: Die NS-Zeit und der Holocaust haben direkte Auswirkungen auf alle, die nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurden. Deshalb finden sich in diesem Buch berührende Interviews mit André Heller und Markus Kupferblum über deren Väter. Darum sprach ich auch mit Airan Berg, der in Tel Aviv geboren wurde und mit elf Jahren nach Wien kam, in ein Mitteleuropa also, das seine Mutter und sein Vater als Kinder hatten verlassen müssen.
Dieses Buch, dessen Titel »Das Zeitalter der Verluste« ich einem Satz von Ruth Klüger entlehnt habe, ist oft tieftraurig – weil mir meine Gesprächspartner ohne Scheu ihre Lebensgeschichten erzählten und tief in ihre Seele blicken ließen. Das Interview mit Gerhard Bronner zum Beispiel hat mich sehr berührt, auch jenes mit Georges Jorisch; die Qualen, die er als Kind hatte erleben müssen, kann man nur erahnen.
Aber es gibt auch wunderbar komische Passagen voll von, wie man so sagt, »jüdischem Humor«, einem Humor, der einen das Schicksal vielleicht eher ertragen ließ. Die Interviews mit Josef Burg, George Tabori oder Marko M. Feingold abzutippen, bereitete mir große Freude. Obwohl das Abtippen von Interviews eine der langweiligsten Tätigkeiten des Journalisten ist.
Was ich mir wünsche: dass diese Erzählungen, Berichte, Einbekenntnisse auch Sie nicht kaltlassen. Denn nur dann besteht die Hoffnung, dass Sie, ja auch Sie, einen solchen Irrsinn nicht noch einmal zulassen.
Herbert Zipper:
»Dachau ist die Wasserscheide meines Lebens«
Um das Jahr 1980 wurde in Österreich das Werk von Jura Soyfer wiederentdeckt. Die »Schmetterlinge« brachten die Langspielplatte »Jura Soyfer Verdrängte Jahre« heraus: Die Gruppe, der unter anderem Willi Resetarits angehörte, vertonte nicht nur dessen Gedichte und Texte, sie interpretierte auch das »Dachaulied«. Und Wilhelm Zobl komponierte die Oper »Der Weltuntergang« nach Jura Soyfers gleichnamigem Theaterstück. Das Libretto schrieb der Grazer Musikkritiker und Schriftsteller Peter Vujica, der 1982 die Intendanz des Avantgardefestivals »steirischer herbst« übernahm. Vujica war auf der Suche nach Programmideen; und Willi Zobl machte ihn auf den Komponisten des »Dachauliedes« aufmerksam, einen altösterreichischen Dirigenten und Musikpädagogen namens Herbert Zipper, der an der University of Southern California lehrte.
Geboren am 27. April 1904 in Wien, hatte Zipper von 1923 bis 1928 bei Joseph Marx Musik studiert. Ab 1930 war er Dirigent sowie Dozent für Musiktheorie und Komposition in Düsseldorf, nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten ging Zipper zurück in seine Heimatstadt, wo er das Wiener Konzertorchester gründete. Ende Mai 1938 wurde Zipper aufgrund seiner jüdischen Abstammung verhaftet und zusammen mit seinem älteren Bruder ins KZ Dachau verbracht. Er gründete ein geheimes Häftlingsorchester und lernte Jura Soyfer kennen. Im September 1938, wenige Tage vor der Verlegung ins KZ Buchenwald, schrieben sie das »Dachaulied«. Der Refrain lautet: »Doch wir haben die Losung von Dachau gelernt, / Und wir wurden stahlhart dabei. / Bleib ein Mensch, Kamerad, / Sei ein Mann, Kamerad, / Mach ganze Arbeit, pack an Kamerad: / Denn Arbeit, denn Arbeit macht frei, / Denn Arbeit, denn Arbeit macht frei!«
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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