Daß einer gestorben ist, heißt nicht, daß einer gelebt hat - Thomas Klappstein - E-Book

Daß einer gestorben ist, heißt nicht, daß einer gelebt hat E-Book

Thomas Klappstein

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Beschreibung

Alle unsere Wege haben ein Ende, ein frühes oder ein spätes Ziel. Aber hat jemand der gestorben ist, auch wirklich gelebt hat? Gibt es ein 'Leben vor dem Tod'? 'Kam einer, ging einer und keiner schrieb's nieder', hat Joachim Ringelnatz gereimt. Jedes Leben jedoch ist es nicht nur wert, gelebt worden zu sein, sondern eigentlich auch erzählt zu werden. Denn die besten Geschichten schreibt immer noch das Leben selbst - nur werden die wenigsten erzählt. Thomas Klappstein ist seit über 20 Jahren als Redner für Abschieds- und Trauerfeiern aktiv. Hat über 1.000 Abschiede begleitet. Ein wichtiger Aspekt ist für ihn, daß Leben der Person, von der man sich verabschiedet, noch einmal Revue passieren zu lassen. Oft hat er gedacht, daß viele Leben, die ihm in Gesprächen mit Angehörigen und Freunden präsentiert wurden, es einfach wert wären, als Geschichte erzählt zu werden. Geschichten die das Leben schrieb, abseits von Prominenz und Medienpräsenz, die aber Einfluß auf das Leben anderer Menschen gehabt haben und Eindrücke hinterlassen haben. Geschichten von ganz normalen Menschen. Die ihren Alltag bewältigt haben und die in einer bestimmten Zeitspanne zur Historie einer Region, eines Landes gehören. Einige waren für ihn gesetzt, seitdem er sich mit der Idee für dieses Buch beschäftigt hat. Dabei hat er versucht einen Querschnitt zu präsentieren zwischen Lebensgeschichten, die lange währten und Lebensgeschichten, die schon nach wenigen Jahren zu früh endeten. Leben, die auf natürlichem Wege, durch einen ganz normalen Alterstod endeten, Leben, bei denen Krankheiten das Ende einläuteten, Leben, die eigenhändig beendet wurden, Leben, die durch andere beendet wurden und Leben, die durch ein tragisches Unglück ihr Ende fanden. Geschichten die das Leben schrieb, deren frühester Beginn aus dem Jahre 1908 datiert und Anfang des neuen Jahrtausends endeten, aber auch Lebensgeschichten, die erst Mitte der 1990er Jahre begonnen haben und bereits nach wenigen Jahren endeten. Alles Lebensgeschichten, die zwischen dem Jahr 2000 und 2020 ihren Abschluss fanden. Geschichten von Menschen, die durchaus einen Querschnitt der aktuellen Gesellschaft repräsentieren. Und somit auch ein wenig Zeitgeschichte von etwas mehr als 100 Jahren Leben in Deutschland dokumentieren. Von Menschen aus Deutschland, England, Holland, Indien.

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Charly Brown:

„Eines Tages werden wir alle sterben“

Snoopy:

„Ja, aber alle anderen Tage werden wir leben“

Aus „Die Peanuts“ von Charles M. Schulz

Inhalt

Geleitwort des Autors Geschichten die das Leben schrieb von ...

Rolf

Harry

Roli

Rosi

Hans-Georg

Käthi

Prajit

Edmund

Edsche

Udo

Edda

Gerd-Rüdiger

Wolfgang (Wolle)

Ilse

Albert (Opa von Max)

Max (Enkel von Albert)

Blacky

Sascha

Luzie

Heinz

Gotthard

Björn

Philomena

Danuse

Andrew

Günther

Hubert

Lina

Robér

Frederik

Jan

Jim

Alfred

Peter

Hermann Ihde

Infos zum Autor

Geleitwort des Autors

Alle unsere Wege haben ein Ende, ein frühes oder ein spätes Ziel.

Sie, liebe Leserin, lieber Leser und ich wissen, dass das Leben auf dieser Erde einen Anfang und ein Ende hat. Nach dem Start ins Leben, dem Beginn, erreicht man früher oder später sein Ziel, sein Ende. Man stirbt. Aber hat jemand, der gestorben ist, auch wirklich gelebt hat? Gibt’s ein „Leben vor dem Tod?“

Es war Joachim Ringelnatz der einmal gedichtet und gereimt hat:

„Kam einer / Ging einer / und keiner – schrieb‘s nieder.”

Ein Auftritt, ein Leben, das die große weite Welt äußerlich scheinbar nicht verändert hat. Doch oft hatte es enormen Einfluss im eigenen Umfeld und hat dadurch auch wieder die Welt verändert. Denn Veränderungen passieren ja im Kleinen, im Miteinander, in der persönlichen Begegnung und Beeinflussung. Im Idealfall der positiven Beeinflussung. Der Tod eines Menschen wird in Relation zur Weltbevölkerung (zu den lebenden Menschen) meist nur von wenigen zur Kenntnis genommen. Das ist scheinbar die Geschichte vieler Menschen. (Hat Ringelnatz also Recht gehabt?)

Jedes Leben jedoch ist es nicht nur wert, gelebt worden zu sein, sondern eigentlich auch erzählt zu werden. Denn die interessantesten Geschichten schreibt immer noch das Leben selbst – nur werden die wenigsten erzählt.

Ich bin seit über 20 Jahren u. a. als Redner für Abschieds- und Trauerfeiern aktiv. Habe inzwischen über 1.000 Beerdigungen begleitet. Ein wichtiger Aspekt ist für mich bei jeder Rede, das Leben der Person, von der man sich verabschiedet, noch einmal in einem kurzen Bogen Revue passieren zu lassen. Neben den tröstenden und geistlich-spirituellen Impulsen für die Trauergemeinde, die meist aus Familienangehörigen und Freunden besteht. Aus Respekt vor dem gelebten Leben des Menschen und damit auch jeder weiß, welche Persönlichkeit hier verabschiedet wird.

Oft habe ich gedacht, viele Leben, die mir in Gesprächen mit Angehörigen und Freunden präsentiert wurden, wären es einfach wert, als Geschichte erzählt zu werden. Geschichten die das Leben schrieb, abseits von Prominenz und Medienpräsenz, die aber Einfluss auf das Leben anderer Menschen gehabt haben und Eindrücke hinterlassen haben. Bei denen ich mich auch so manches Mal in meinen Handlungen und meinem Verhalten hinterfragt habe. Geschichten von ganz normalen Menschen. Wie sie ihren Alltag bewältigt haben und wie sie in einer bestimmten Zeitspanne zur Historie einer Region, eines Landes gehören.

Deshalb kam mir die Idee zu diesem Buch, die ich einige Jahre mit mir herumgetragen habe, mit der ich mich immer wieder beschäftigt habe, „schwanger gegangen bin“ und die ich jetzt endlich in die Tat umgesetzt habe.

Aus über 1.000 Lebensläufen, die mir in meiner bisherigen Tätigkeit als Pastor und Trauerredner präsentiert wurden und deren sich dahinter verbergenden Lebensgeschichten allesamt wert gewesen wären zu erzählen, galt es eine Auswahl zu treffen. Einige waren für mich gesetzt, seitdem ich mich mit der Idee für dieses Buch beschäftigt habe. Die Menschen in diesen Geschichten hätte ich auch gerne persönlich getroffen. Bei anderen musste ich abwägen und entscheiden, welche Geschichte ich mit hineinnehme und welche ich zunächst aussen vor lasse. Für ein eventuell weiteres Buch.

Ich habe versucht einen Querschnitt zu präsentieren zwischen Lebensgeschichten, die lange währten und Lebensgeschichten, die schon nach wenigen Jahren zu früh endeten. Leben, die auf natürlichem Wege, durch einen ganz normalen Alterstod endeten, Leben, bei denen Krankheiten das Ende einläuteten, Leben, die eigenhändig beendet wurden, Leben, die durch andere beendet wurden und Leben, die durch ein tragisches Unglück ihr Ende fanden. Alle Geschichten haben mich beeindruckt und z.T. auch hinterfragt. Geschichten, die das Leben schrieb, deren frühester Beginn aus dem Jahre 1908 datiert und Anfang des neuen Jahrtausends endeten, aber auch Lebensgeschichten, die erst Mitte der 1990er Jahre begonnen haben und bereits nach wenigen Jahren endeten. Aber alles Lebensgeschichten, die zwischen dem Jahr 2000 und 2020 ihren Abschluss fanden. Geschichten von Menschen, die durchaus einen Querschnitt der aktuellen Gesellschaft repräsentieren. Und somit auch ein wenig Zeitgeschichte von etwas mehr als 100 Jahren dokumentieren. Leben, die im Wesentlichen im Westen Deutschlands, im Ruhrgebiet und Umland gelebt wurden und Leben, die im Norden Deutschlands, sowie z. T. in Mecklenburg gelebt wurden. Von Menschen aus Deutschland, England, Holland, Indien.

Einige Geschichten werden mit den wirklichen Namen und Daten der Menschen erzählt, deren Leben in diesen Geschichten präsentiert wird. Hierfür habe ich mit den Angehörigen Kontakt aufgenommen, ihnen meine Idee und mein Anliegen präsentiert und die Genehmigung erhalten, die realen Namen zu verwenden. Keiner hat abgelehnt. Für einige ist es „eine Ehre“, dass die Geschichte ihres Ehepartners, ihres Kindes, ihres Elternteils hier erzählt wird. In den anderen Geschichten wurden alle vorkommenden Namen von mir verändert und auch einige persönliche Daten nur vage erwähnt oder Datumsangaben nur in zeitliche Nähe des Ursprungs gerückt. Die Geschichten sind aber alle so passiert.

Der Schriftsteller und Dramatiker Wolfgang Borchert hat mal geschrieben:

„Ein Mensch stirbt. Und? Nichts weiter. Der Wind weht weiter. Die Elbe quasselt weiter. Die Straßenbahn klingelt weiter.“

Passt ein bisschen zu dem Ausspruch von Ringelnatz, den ich am Anfang dieses Geleitwortes zitiert habe, nicht wahr?

Von Wolfgang Borchert ist auch überliefert: „Eines der tollsten Abenteuer, die wir auf dieser Welt haben können: sich selbst zu begegnen.“ Nicht selten wird man zu dieser Selbstbegegnung angeregt durch Geschichten, die das Leben schrieb. Um dann im Bedarfsfall seiner Lebensgeschichte eine neue Richtung zu geben.

Ich wünsche Ihnen eine unterhaltsame Lektüre. Und wenn es für Sie, angeregt durch die kurzen Geschichten, die das Leben geschrieben hat, zu einer Begegnung mit Ihnen selbst kommt, umso besser.

Herzlichst / God bless Thomas Klappstein Duisburg, Sommer 2020

Rolf

Es ist ein kleines Wunder, dass er so lange leben durfte. Rudolf Karl Kleff, bei allen nur als Rolf bekannt, er unterschrieb auch nur mit Rolf, wurde im August 1929 in Duisburg geboren. Ein echtes Kind es Ruhrgebietes, ein Duisburger Jung. Seine Kinder- und Jugendjahre erlebte er, zusammen mit seinen beiden Schwestern Marga und Renate, im Wesentlichen in seiner Geburts- und Heimatstadt. Im Stadtteil Duissern. Unterbrochen von einem Aufenthalt in Wesel, während der Kriegsjahre des 2.Weltkrieges.

Die Überschrift seines Lebens könnte auch so lauten:

Der Mann, der nicht aufgab

Der Mann mit dem eisernen Willen

Erfülltes Leben trotz krankem Herzen

Denn Rolf war krank, schwer Herzkrank. Von Jugend an. Angesehen hat man es ihm nicht, wenn man ihm das erste Mal begegnet ist. Ein Mann mit einer positiven Lebensausstrahlung. Ein Mensch, der gerne am Leben teilnahm, es sich und anderen angenehm zu machen wusste.

Als 18jähriger bekam er erstmals Probleme mit dem Kreislauf. An einen Herzklappenfehler dachte der damals sportliche junge Mann natürlich noch nicht. Der wurde erst später diagnostiziert. Mitte der 1950iger Jahre wurde Rolf als dem ersten Patienten in Deutschland eine künstliche Herzklappe eingesetzt. Es war nicht die einzige Operation. Viele schwere Operationen sollten folgten.

Patienten mit diesem Krankheitsbild und nach diesen Operationen hatten damals eine Lebenserwartung von 5 bis 6 Jahren. Diese Prognose wurde von Rolf mehr als getoppt. Auch die Medien interessierten sich für ihn. Er galt als medizinisches Phänomen, mit einer einmaligen Krankengeschichte, gepaart mit einem ungeheuren Lebenswillen. Die Welt am Sonntag, die WAZ, Illustrierte Wochenblätter, sie alle brachten grosse, bebilderte Storys von Rolf und seiner Familie. Mitte der 1990erJahre äusserte Rolf sich in einem Interview mit einer Tageszeitung zu seiner Krankengeschichte und seiner positiven Lebenseinstellung. Dass er unbedingt noch das Jahr 2000 erleben möchte. Der Mensch braucht halt Ziele. Rolf erreichte das Jahr 2000. Darüber hinaus noch 16 weitere Jahre.

Rolf Kleff war ein ausgefülltes und erfülltes Leben vergönnt. Nach Abschluss seiner Schulzeit absolvierte Rolf zunächst eine berufliche Ausbildung zum Friseur. Aufgrund seiner Herzerkrankung konnte er diesen Beruf jedoch nicht erwerbsmäßig ausüben. Bekam eine Weile eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Erholte sich nach diversen Operationen aber soweit, dass er zumindest leichte Bürotätigkeiten wieder ausüben konnte und fand eine Anstellung bei Mannesmann in der Mikroverfilmung.

Mit Anneliese lernte er gleich zu Beginn der 1950iger Jahre die Liebe seines Lebens und die Frau fürs Leben kennen. Anneliese stammte aus Neuwied an der Loreley.

Rolf machte während des jährlichen „Rhein in Flammen“ Festes dort Urlaub.

Stand dort auch mit seiner Gitarre auf der Bühne im Festzelt, als Anneliese das Zelt betrat. In Begleitung ihres Onkels und weiteren Besuchs, der extra zu „Rhein in Flammen“ angereist war. Es war die viel gerühmte „Liebe auf den 1. Blick“.

Rolf entdeckte Anneliese im Publikum, Anneliese entdeckte Rolf auf der Bühne – und die Blicke trafen sich. Rolf wollte unbedingt mit Anneliese tanzen. Der Anneliese begleitende Onkel wollte dies ein wenig verhindern. Aber sie tanzten an diesem Abend. Anneliese hat am nächsten Tag noch „blau gemacht“ und dann war auch eigentlich alles klar.

Rolf, der mit einem Kumpel aus Duisburg an die Loreley gekommen war, der später sogar Annelieses Schwager wurde, dachte eigentlich, dass das sein letzter Urlaub sein würde. Die Herzerkrankung war schon diagnostiziert und viel Hoffnung wurde ihm nicht mehr gemacht. Anneliese war bewusst, dass sie wahrscheinlich keine lange Partnerschaft mit Rolf erwarten konnte. Aber die Liebe war stark. Am 20. Dezember 1952 wurde geheiratet und Hochzeit gefeiert. Fast 64 Jahre waren die beiden ein Ehepaar. Dass sie die Silberhochzeit feiern durften, war schon ein kleines Wunder. Die Goldhochzeit ein großes Wunder und die Diamantene Hochzeit nach 60 Jahre echte Gnade. Ein Geschenk, das selbst unter gesunden Menschen nur wenigen vergönnt ist.

Rolfs Energie reichte aber nicht nur für die Ehe, sondern auch für eine kleine Familie. Dagmar und Rolf, bei den männlichen Nachkommen der Familie wurde der Vorname konsequent weitergegeben, machten aus dem glücklichen Ehepaar Kleff, die kleine und genauso glückliche Familie Kleff. Die auch gerne gemeinsame Aktivitäten unternahm. Oft genug auch nur Rolf mit den Kindern, während Anneliese zuhause Näh- und Schneiderarbeiten erledigte, um für die Familie ein wenig hinzuzuverdienen. Legendär sind z. B. die Fahrradtouren am Samstag gewesen. An denen nicht nur die eigenen Kinder, sondern auch andere Kinder der Straße, so auch Jürgen Focke, liebend gerne teilnahmen. Um 10 Uhr ging es los, Kartoffelsalat dabei und Rast wurde meistens zwischen Rahm und Angermund gemacht. An einem großen Maulbeerbaum, der innen hohl war und in den alle Kinder reinpassten. Am Rahmer Bach mahnte Rolf die mitfahrenden Kids zur Vorsicht und lag irgendwann schließlich selbst im Wasser. Momente an diejenigen, die sie miterlebt haben, sich auch nach vielen Jahrzehnten noch gerne mit einem Schmunzeln erinnern.

Jürgen Focke, eine Art zusätzlicher „Ziehsohn“, wie er auch gern selbst sagt, im Erwachsenenalter dann der Hausarzt von Rolf und seiner Familie, erinnert sich gerne an die Sonntage: Zuhause bei seinen Eltern, deren Haus und Praxis sich in dem Haus gegenüber der Wohnung von Rolfs Familie befand, hat Jürgen noch zu Mittag gegessen. Als die eigenen Eltern sich dann zum Mittagsschlaf hinlegten, ging es für ihn zur Familie von Rolf, und zusammen mit dessen Kindern, Dagmar und Rolf, gab’s mit „Flipper“, „Die kleinen Strolche“ und „Bonanza“ das volle mediale damals zur Verfügung stehende Sonntagnachmittagsfernsehprogramm. Anschliessend ging es mit Rolf zum Spar Club und hinterher wurde noch eine Runde gedreht und dann gab es die legendären „Pommes 30/10/10“: Zu 30 Pfennig Pommes und jeweils zu 10 Pfennig Majo und Ketchup.

Rolf ist mit seiner Familie auch viel gereist. Des Öfteren nach Italien, an den Comer See, dann aber auch an den Lago Maggiore. Sehr oft auch nach Österreich, auf die Hütte nach Erl, in Tirol, bei Kufstein. Dort war man den Sternen so schön nahe, wie sich Rolfs Ehefrau Anneliese gerne erinnert.

Rolf hatte einen starken Charakter und einen starken Willen. Hatte beides in seiner Situation auch nötig. Aber manchmal ging er auch mit dem Kopf durch die Wand.

Er wusste halt auch, was er wollte und konnte dies auch durchsetzen.

Aber Rolf war vor allem ein ruhiger, zudem humorvoller Mensch und Mann. Für seine Kinder war er der Kristallisationspunkt. Freundlich, heiter, fröhlich. Nie griesgrämig. Einfach lieb. Immer lieb. Rolf war auch ein Top-Opa für seine Enkelkinder Alexa und Leyla, Samantha und Jennifer. Er bekam sie ruhig, wenn keiner sie ruhig bekam.

Im zarten Alter von 42 Jahren hat Rolf noch zusammen mit seiner Anneliese den Führerschein gemacht. Auch wenn Rolf dann wegen seiner Krankheit nie regelmäßig gefahren ist. Vor allem keine langen Touren.

Zuhause bei Familie Kleff gab es immer eine offene Tür. Laut Ziehsohn Jürgen war die Küche bei Kleffs immer der „wärmste Ort der Straße“. Wenn man die Wohnung betrat, wurde man gefragt: „Willste was zu essen?“. Pflaumenkuchen, Frikadelle oder Bratkartoffeln konnte man immer bekommen. Dort, in der Wohnung in Huckingen, die Rolf mit seiner Familie im Erstbezug seit 1964 bewohnte.

Hier hatte er sich im Keller auch einen kleinen privaten Friseursalon eingerichtet. In dem Freunde und Bekannte für kleines Geld einen Haarschnitt verpasst bekamen. Für DM 3,50. Und ein Bier gab’s zusätzlich noch dabei. Natürlich nur für die erwachsene Kundschaft.

Rolf kümmerte sich auch um die Grünanlagen des Hauses, in dem sich die Wohnung der Familie befand. War auch hier gerne draussen. Wie er überhaupt die Natur liebte. Als sein Sohn Rolf einen Shop an der Sechs-Seen-Platte im Duisburger Süden hatte, mit Boots- und Surfbrettverleih und Kiosk, war „Vadder Rolf“ hier im Sommer meist anzutreffen. Am liebsten mit freiem Oberkörper, wenn das Wetter es zuließ.

In den letzten Jahren gab’s nochmal Familienzuwachs in Form von Dirk.

Quasi auch einen Ziehsohn, der allerdings schon im gestandenen Mannesalter in das Leben der Familie oder besser des Ehepaares trat und der sie quasi adoptiert hat. Dirk bezog irgendwann eine der Nachbarwohnungen im Haus und irgendwie passte es von vornherein. Sie wurden nicht nur Nachbarn, sondern auch Freunde.

Mit Dirk teilte Rolf auch die Leidenschaft für den Fußball. Über gute Spiele, wie z. B. das legendäre 7:1 der Deutschen Nationalmannschaft gegen Brasilien während der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien, wurde gerne diskutiert und gesprochen. Und auch so manches Spiel zusammen geschaut.

Ende des Sommers 2016 wurde aber deutlich, dass sich die Lebensspanne von Rolf wohl dem Ende entgegenneigt. Die Kinder waren jetzt so oft es ging bei ihm. Zuletzt konnte Rolf zuhause nicht mehr gepflegt werden. Im Anna-Krankenhaus in Huckingen, auf der Paläativabteilung, war er bestens aufgehoben. Hier schloss er am 5. November endgültig seine Augen. Im gesegneten Alter von 87 Jahren.

Nicht schlecht für einen Mann, dessen ursprüngliche Lebensprognose nur ungefähr bis zu seinem 30.Lebensjahr reichte. Ein echtes Wunder.

An diesem Novembertag 2016 endete das Leben von Rolf Kleff auf dieser Erde.

Harry

Harry hat gelebt, gerne gelebt. Intensiv gelebt. Die meiste Zeit seines Lebens. Die Kerze brannte immer an beiden Enden. Wenn Harry auf der Bildfläche erschien, wenn er einen Raum betrat, veränderte sich die Atmosphäre zusehends positiv. Er war eine gewinnende Persönlichkeit. Gerne begab er sich unter Menschen. Er hatte etwas, was sich viele wünschten. Charisma und Ausstrahlung. Vielleicht war er damit zu großzügig. Sein selbstgewählter Abgang aus diesem Leben lässt zumindest für die letzten Monate seines Lebens die Vermutung zu, dass es in seinem Innersten eine Veränderung gab, wodurch auch immer bedingt, die in ihm den Eindruck mehr und mehr verfestigten, dass Leben und Situationen nicht mehr in den Griff zu bekommen seien. Die Fassade bröckelte. Nur wenige nahe Menschen, die Partnerin, enge Freunde, bekamen diese Veränderung mit. Aufhalten konnten sie sie nicht. So etwas kann keiner.

Wer aber war Harry?

Auf jeden Fall ein Original. Ein einzigartiges Geschöpf.

Als freiheitsliebender Mensch haderte Harry Piehl aber mit dem System in der DDR. Im Aufbruchjahr 1989, als der eiserne Vorhang durchlässiger wurde, flüchtete er über Prag in die Bundesrepublik Deutschland. Es war nicht sein erster Anlauf, aber dieser war erfolgreich. Im Westen angekommen, fasste er im Ruhrgebiet Fuß, arbeitete zunächst als Kellner in der Gastronomie und bekam dann eher zufällig Kontakt zu einer Agentur der „Immer da, immer nah-Versicherung“. Durch sein überzeugendes und gewinnendes Auftreten bot man ihm kurzfristig eine Beschäftigung innerhalb dieser Versicherung an. Es begann quasi ein Leben auf der Überholspur.

Innerhalb der „Immer da, immer nah“ erarbeitete sich Harry durch ungeheuren Fleiß, Einsatz und Engagement schnell einen guten Ruf. Während der ersten zwei Jahre wurde Harry auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, im Land Brandenburg eingesetzt. Dort legte er Strukturen für ein weiteres erfolgreiches Arbeiten seines Unternehmens.

Sein Arbeitgeber dankte ihm diesen Einsatz mit einer eigenen Geschäftsstelle in Duisburg. In und mit dieser Geschäftsstelle hat er einige Jahre sehr erfolgreich gearbeitet. Gelangte in kürzester Zeit zu Wohlstand und Eigentum.

Später, im Jahre 2000 wechselte er „zum Fels in der Brandung“. Auch in diesem Versicherungsunternehmen war er sehr erfolgreich und genoss bei Kollegen und Geschäftsleitung hohen Respekt. Ende 2006, bedingt durch einen Umzug nach Köln, wechselte er innerhalb der Versicherungsbranche noch einmal das Unternehmen und ging zur „Keine Sorge – Versicherung“. Beruflich keine glückliche Entscheidung, wie sich bald herausstellte.

Harry arbeitete gerne, aber genauso gerne feierte er auch. Und er wusste Feste so zu organisieren, dass viele etwas davon hatten. Für ein nachbarschaftliches Straßenfest organisierte er kurzerhand eine komplette Straßensperrung, damit Kinder zusätzlich Platz für ein Spielevent hatten. Um Nikolausfeiern mit Glühweinstand und vielen Gästen stilecht zu zelebrieren, wurden Schneekanonen organisiert. Nichts war ihm zu viel. Wenn jemand Hilfe brauchte, war Harry zur Stelle und packte an. Auch wenn es ihm gesundheitlich in dem Moment manchmal selbst nicht gut ging. Harrys kommunikative Fähigkeiten bereicherten für seine Freunde das Zusammensein. Er fand schnell Kontakt und Zugang zu den Menschen. Er war einfach ein Original. Sprichwörtlich bekannt wie ein bunter Hund.

Nicht nur in seiner Stadt und Umgebung. Auch im mondänen österreichischen Wintersportort Ischgl. Hier verbrachte er gerne seinen Urlaub und länger zusammenhängende freie Tage. Auch hier kannte ihn eigentlich jeder. Vom Bürgermeister bis zum Skiliftanschieber. Hier war er der „Ischgl-Harry“.

Und auch auf der anderen Seite des Atlantiks, in New York nahm man von ihm Notiz.

Als er dort den New York – Marathon lief, in einer sehr passablen Zeit, ließ er es sich nicht nehmen, diesen Marathon im Milka-Kuh-Kostüm zu laufen. Und da auch seine Lebensgefährtin mit entsprechender Kopfbedeckung am Straßenrand stand, fiel das natürlich auf. Beide waren beliebtes Fotomotiv und auch die Presse wurde auf sie aufmerksam. Überhaupt Marathon. Kurz nach seinem 4. Runden Geburtstag beschloss Harry Marathon zu laufen und tat es auch kund. So richtig ernst nahm es keiner, aber er trainierte ein halbes Jahr und absolvierte erfolgreich den ersten Lauf in Duisburg. Es folgten weitere Läufe. U. a. der Hanse-Marathon in Hamburg, in Köln, London, wie schon erwähnt New York und weitere.

Sekt oder Selters. Das Leben musste auf der Überholspur stattfinden. Die Kerze brannte immer an beiden Enden.

Im Beziehungsleben gab es einige Aufs und Abs. Simone, mit der er seit zweieinhalb Jahren fest zusammen war, war vielleicht schon lange und eigentlich die Liebe seines Lebens. Als „gelernte DDR-Bürger“ haben sich beide auch dort kennengelernt. Über eine Zeitungsannonce in Ostberlin. Der Stadt, aus der Simone kommt. Man mochte sich, liebte sich, aber so richtig zusammen als Paar kam man irgendwie nicht. Lebte auch nicht zusammen. Auch wenn man zeitgleich und voneinander wissend in den Westen geflüchtet ist. Harry über Prag, Simone über Ungarn.

Vorher hatte Harry im Jahre 1989 bei einem berufsbedingten Aufenthalt an der Ostsee Conny kennengelernt.

Die Freundschaft und der Kontakt zu Simone blieb über all die Jahre auf platonischer Ebene bestehen. Geheiratet hat er Conny in der ersten Hälfte der 1990er Jahre. Knapp 10 Jahre später hat man sich im Guten getrennt. Freundschaftliche Kontakte zwischen Conny und Harry wurden weiterhin gepflegt. Man hat sich gesehen, regelmäßig miteinander telefoniert. Eigentlich wollten sie sich dieses Jahr scheiden lassen. Harry wollte Simone heiraten. Am 07.07.07. Klar, wann auch sonst.

Bisschen kuddelmuddelig denken vielleicht einige, aber so war es.

Sekt oder Selters. Das Leben musste auf der Überholspur stattfinden. Und die Kerze brannte immer an beiden Enden. „Liebenswerter Chaot“, dieses Attribut passte zu Harry. Aber irgendwann wurde es auf der Überholspur scheinbar zu schnell. Vielleicht auch unübersichtlich. Und das Entzünden der Kerze an beiden Enden führte irgendwann zum Ausgebrannt sein. Was es im Detail war, kann man jetzt nur vermuten. Harry musste sicherlich auch feststellen, dass nicht alles Gold ist, was glänzt und diese Erkenntnis verarbeiten. Ein nicht geringes Mass trug wohl die berufliche Situation der letzten Monate bei. Der Wechsel vom „Fels in der Brandung“ zur „Keine Sorge-Versicherung“ war für Harry kein guter Wechsel. Diesmal fiel es ihm schwer, sich an das neue Umfeld zu gewöhnen. Zudem fühlte er sich ausgebrannt, ohne Energie. Geriet in eine psychische Abwärtsspirale, die keiner stoppen konnte. Einige Male schon hatte er den Freitod erwähnt. Durch Intervention von Lebenspartnerin Simone und seinem besten Freund Uwe wurde es wohl immer wieder aufgeschoben. Aber dieser Drang konnte nicht aufgehalten werden. Im März 2008 beendete Harry sein Leben, indem er sich einfach aufhing. Unfassbar! Nicht einzusortieren! Wohl nie richtig nachzuvollziehen und zu erklären. Es wird unbegreiflich bleiben, dass ein Leben in den besten Jahren, ein so interessantes Leben, so abrupt und unter diesen Umständen zu Ende gehen musste.

Roli

Wer war Roland Miksch?