Dein Weg zum krisenfesten Unternehmen - Eckhardt Hamann - E-Book

Dein Weg zum krisenfesten Unternehmen E-Book

Eckhardt Hamann

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Beschreibung

In ruhigen Fahrwassern bewegen sich auch kleine und mittlere Unternehmen am besten. Was aber, wenn die See rau wird und hohe Wellen schlägt? Wenn unvorhersehbare Ereignisse eintreten und eine gut durchdachte Strategie auf den Kopf stellen? Sind Krisen absehbar und kann man sich überhaupt auf sie vorbereiten? Alle reden davon, dass eine Rückkehr in die alten Verhältnisse eine verpasste Chance sei. Aber was heißt das konkret? Wie müssen Unternehmen auf Innovationen reagieren? Hilft uns die Digitalisierung wirklich? Wie entwickelt sich die Arbeitswelt in einer Krise und wo bekomme ich neue Mitarbeiter her? Die Antworten darauf geben die drei Autoren dieses Buches. Unterstützt werden sie dabei von Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis, die mit ihren Gastbeiträgen viele zusätzliche Inspirationen und Ideen für den krisenfesten Unternehmensalltag geben.

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Dein Weg zum krisenfesten Unternehmen

Tipps aus der Praxis für die Praxis von kleinen und mittleren Unternehmen

Eckhardt Hamann

Robert Frischbier

Uwe Jahns

und viele Gastautoren

© 2021 Eckhardt Hamann, Robert Frischbier, Uwe Jahns

Lektorat und Satz: lektorat-zimmermann.de

Schrift: TeXGyreHeros

Fachliche Unterstützung: Edgar Sargsyan

Verlagslabel: Hamann – Frischbier – Jahns

ISBN: 978-3-347-48830-4

Druck und Distribution im Auftrag der Autoren:

tredition GmbH, Halenreie 40–44, 22359 Hamburg

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte sind die Autoren verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig. Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autoren.

Inhalt

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

VORWORT

1 DAS UNTERNEHMEN IN SEINEN WECHSELBEZIEHUNGEN

1.1 Begriffliche Abgrenzungen

1.2 Abhängigkeiten in einer immer komplexer werdenden Welt

1.3 Entwicklung bei Industriekunden

1.4 Konsumenten während und nach einer Krise

1.5 Liefersituationen in einer Krise

1.6 Krisen und die Weltwirtschaft

1.7 Krisen und der nationale Markt

2 STAAT UND GELD

2.1 Finanzierungsmöglichkeiten

2.2 Staatliche Einflussnahme

2.3 Bürokratie als Krisenauslöser

3 KRISEN ALS BRANDBESCHLEUNIGER TECHNISCHER DISRUPTIONEN

3.1 Krisen und Innovation

3.2 Die Entwicklung der Arbeitswelt

3.3 Nachholbedarfe

3.4 Die alles überlagernde ökologische Krise

3.5 Aktive Irrtumsvermeidung

4 DIGITALISIERUNG UND KRISE

4.1 Digitalisierung und ihr Einzug in alle Lebens- und Arbeitsbereiche

4.2 Digitalisierung und ihr Einzug in die Betriebs- und Verwaltungsorganisation

4.3 Digitalisierung revolutioniert Produktion und Dienstleistung

4.4 Nützt uns die Digitalisierung wirklich?

5 DIE NÄCHSTE KRISE KOMMT BESTIMMT

5.1 Die Situation, vor der Unternehmen stehen

5.2 Warnsignale für eine Krise

5.3 Handlungsbedarf

5.4 Training

6 ALTERNATIVEN DER KRISENBEWÄLTIGUNG

6.1 Keine ausreichende Vorbereitung – was nun?

6.2 Rettungsanker

7 DER FACHKRÄFTEMANGEL ALS PERMANENTE KRISE

7.1 Die Situation auf dem Arbeitsmarkt

7.2 Zwischen aussitzen und aktiv werden

7.3 Die besondere Bedeutung der Mitarbeiter in der Krise

7.4 Mehrwert der Mitarbeiterorientierung

7.5 Was tun, damit es funktioniert?

8 WIE BEEINFLUSST EINE KRISE DIE MENSCHEN IM UNTERNEHMEN?

8.1 Das macht eine Krise mit den Mitarbeitern

8.2 So geht es vielen Unternehmern

9 DER NEUE NORMALMODUS

9.1 Der steinige Weg

9.2 Krisen zur Führungskräftequalifizierung nutzen

9.3 Ideenaustausch

GASTBEITRÄGE

Jens Günther

Unternehmen stehen in der Krise vor dem Aus – Alternative Verkauf oder Neustart?

Volker Petersen

Vorbereitung des Krisenmanagements

Thomas Urban

Netzwerkarbeit ist in Krisen wichtig

Jochen und Flavio Trautmann

Steuern in der Krise

Marko Harraß

Coronavirus – Gesundheitsgefahr für die Wirtschaft

Michael Heinze

Gewerberaummietrecht in der Krise

Aribert Büngers

Urheberrecht und Patentrecht

Michael Heinze

Recht und Krise – Rechtliche Fragen rund um das Homeoffice

Andre Baresel

Krise und IT

Hans-Jörg Lindner

Die deutsche Wirtschaft in der Personalkrise, dabei gilt:Smarte Unternehmen – smarte Mitarbeiter

Karsten Rehfeldt

Altersversorgung in der Krise

Jens Bieling

Die deutsche Wirtschaft in der Führungskrise – Wer denkt dabei an die Unternehmer und Geschäftsführer?

Katrin Terwiel

Warum und wie Unternehmen Mitarbeitende in persönlichen Krisen unterstützen sollten

QUELLENVERZEICHNIS

DANKSAGUNG

DIE AUTOREN STELLEN SICH VOR

Abkürzungsverzeichnis

BDMU

Bundesverband Deutscher Mittelstandsunternehmen e. V.

BGH

Bundesgerichtshof

BGM

Betriebliches Gesundheitsmanagement

BNI

Business Network International

C19P

COVID-19-Pandemie

DPMA

Deutsches Patent- und Markenamt

EAP

Employee Assistance Programme

F&E

Forschung und Entwicklung

HR

Human Resources

IT

Informationstechnik

KI

Künstliche Intelligenz

KMU

Kleine und mittlere Unternehmen

MA

Mitarbeiter

MBO

Management by Objectives

MHFA

Mental Health First Aider

OKR

Objectives and Key Results

PCT

Patent Cooperation Treaty (Vertrag über die Internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens)

PMI

Purchasing Managers’ Index

PSVaG

Pensionssicherungsverein auf Gegenseitigkeit

ROI

Return on Investment

SG

Sachgebiet

TAB

The Alternative Board

VR

Virtuelle Realität

Vorwort

Vom Fachkräftemangel über Naturkatastrophen oder den Zusammenbruch des Finanzmarkts bis hin zum Weggang eines Leistungsträgers nach einem Lottogewinn: Krisen haben diverse Gesichter und können ein Unternehmen völlig überraschend treffen. Entscheidend ist, wie wir mit ihnen umgehen. Wissenschaftler, Politiker, Schriftsteller und viele andere beschäftigen sich schon lange mit Ursachen, Verläufen sowie Auswirkungen von Krisen und damit, wie sich der jeweilige problematische Zustand überwinden lässt, ohne nachhaltigen Schaden auszulösen. Warum also schreibt jemand noch ein Buch über Krisen?

Wir drei Autoren sind im Mittelstand zu Hause und erleben tagtäglich, mit welchen Herausforderungen Unternehmen konfrontiert werden und wie sie diese meistern. Es gibt so viele erfolgreiche Einzelinitiativen, deren breitere Anwendung sich lohnen würde. Wir haben bei unseren zahlreichen Firmenkontakten in unserer langjährigen Arbeit mit Unternehmen verschiedenster Branchen und Größen das Thema der Krisenbewältigung immer wieder aufgeworfen. Dabei spürten wir das große Interesse der Unternehmer, sich über ihre ureigenen Probleme zu unterhalten. So kamen wir auf die Idee, die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) anzuregen, genau das zu tun. Wir haben die Fragen, die sie in Krisensituationen bewegen, aufgenommen: warum Probleme überhaupt bestehen, wie sie damit umgehen können, welche Ideen erfolgreich waren und welche Lehren man aus Krisen ziehen kann. Unser Ziel ist ein Buch von Unternehmern für Unternehmer.

Krisen in ihrer Spannbreite darzustellen, würde ganze Buchreihen füllen. Wir drei Autoren haben unsere Steckenpferde: Uwe Jahns die technisch-technologischen Erneuerungsprozesse, Robert Frischbier die Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf und Eckhardt Hamann die betriebliche Realisierbarkeit. Wir haben unsere eigenen Perspektiven mit weit über einhundert Firmenvertretern abgeglichen und Ideen zur Krisenbewältigung gesammelt. Der spezifische Blick der Experten, ihr Fachwissen und ihre Erfahrungen bereichern die Aussagekraft dieses Buchs. Die interessantesten Beiträge wurden im zweiten Teil des Buchs „Gastautorenbeiträge“ zusammengestellt.

Die Wahrscheinlichkeit weiterer pandemischer Krisen ist sehr hoch. Von der Covid-19-Pandemie (im Weiteren: C19P) auszugehen und für künftige Krisen Schlussfolgerungen zu ziehen, kann demnach gar nicht so falsch sein. Dabei haben wir uns vorgenommen, kein Buch über die C19P selbst, sondern über Krisen im allgemeineren Sinne zu verfassen. Zugegeben, da wir aus aktuellem Anlass schreiben, kommen wir mit unseren Beispielen und Aussagen trotzdem immer wieder auf diese eine bestimmte Krise zurück. Dabei sind wir zu der Einsicht gelangt, dass es heute sinnvoll gewesen wäre, noch mehr Erkenntnisse aus bisherigen Krisen, wie der Finanzkrise oder einzelner Branchenkrisen, zu ziehen und damit das aktuelle politische und unternehmerische Handeln zu rahmen. Deshalb nehmen wir zu vielen anderen Krisen Bezug. Wir haben die alles überschattenden Krisen betrachtet, die uns seit Langem beschäftigen und immer mehr in Atem halten. Keine einzelne Krisensituation kann heute und morgen ohne die ökologische Krise gesehen werden. Rohstoffe werden knapper und Umweltschäden wird nach wie vor zu wenig vorgebeugt. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt verschärft sich. Wir haben beobachtet, dass wir in Deutschland mit bedeutenden globalen Entwicklungen nicht Schritt halten. Bürokratie und staatliche Eingriffe sind in Krisen besonders notwendig, oftmals werden Unternehmen aber auch behindert. Zur Beschäftigung mit diesen Themen bringen wir unsere Sichtweisen ins Spiel. Wir streben keine Vollständigkeit oder gar statistische Signifikanz an – das können wir gar nicht. Unser Ziel ist es, dass sich Unternehmer anhand unserer Argumente selbst prüfen, sich einordnen und eigene Schlussfolgerungen ziehen. Wir kommen gar nicht umhin, unternehmerische Situationen in ihrer Widersprüchlichkeit darzustellen. Wir beziehen Standpunkte und provozieren bewusst eine kritische Auseinandersetzung. Dazu haben wir einen bunten Strauß mit vielen Lösungsmöglichkeiten für KMU zusammengestellt.

Das vorliegende Buch bietet einen Kompass für strategische Orientierungen, unter welchen Bedingungen und auf welche Weise ein Umdenken zielführend sein kann, um aus Krisen zu lernen und auf künftige Unwägbarkeiten besser vorbereitet zu sein. Bei vielen Themen können wir nicht in die Tiefe gehen – immer dann verweisen wir auf aussagekräftige Quellen sowie weiterführende Literatur.

Wir wollen mit diesem Buch Mut machen, denn es gibt Lösungen. Wir können Krisen zum Anlass nehmen, besser zu werden. Dabei glauben wir, dass die KMU gerade das brauchen. Mehr Aufmerksamkeit verdient der Mittelstand allemal. Mittelständler sind bekanntermaßen Treiber von Entwicklungen, die Basis für unseren Wohlstand und stellen mehrheitlich die Arbeitsplätze in Deutschland.

1 Das Unternehmen in seinen Wechselbeziehungen

1.1 Begriffliche Abgrenzungen

Krisen treten in allen Bereichen des gesellschaftlichen, unternehmerischen und privaten Lebens auf. In unserem Buch beschränken wir uns auf Krisensituationen in KMU und damit Unternehmen mit bis zu 250 Beschäftigten und maximal 50 Mio. € Umsatz.1

Tagtäglich sind Unternehmen von unvorhersehbaren Ereignissen betroffen, die die Betriebsabläufe stören und schlimmstenfalls die Existenz bedrohen. Wir können nicht alle Krisen behandeln und grenzen uns bei unseren Betrachtungen hinsichtlich ihrer Ursachen ab: Vom Grundsatz her lassen sich endogene und exogene Krisenursachen unterscheiden. Während endogene Krisen ihre Ursache im Unternehmen haben, lassen sich exogene Krisen außerhalb der Werktore, das heißt betrieblicher Prozesse im engeren Sinne finden. Zu den unvorhersehbaren Ereignissen innerhalb des Unternehmens gehören z. B. ein Großfeuer in der Produktionshalle, ein Wasserschaden im Lager oder ein länger anhaltender Stromausfall (sogenannter Blackout). Neben diesen Elementarschäden gibt es auch betriebswirtschaftlich induzierte Schäden, z. B. plötzlicher Wegfall des Umsatzes mit dem größten Kunden aufgrund dessen Insolvenz oder Unterbrechungen von Lieferketten durch Versorgungsprobleme der Vorlieferanten. So kann das operative Geschäft schnell nachhaltig leiden. Die Ursache ist dann auch eher in einem offensichtlich unzureichenden Controlling zu sehen, dessen originäre Aufgabe es ist, auf solche Risiken hinzuweisen und Alternativen zu generieren. Exogene Krisenursachen können von Unternehmen in der Regel nicht beeinflusst werden, da sie von außen einwirken. Politische oder volkswirtschaftliche Ursachen (z. B. eine plötzliche Wirtschaftskrise aufgrund einer Immobilienblase oder ad hoc fallende allgemeine Aktienkurse bzw. pandemische Ursachen) gehören dazu.2

Fokus auf exogene betriebswirtschaftlich induzierte Schäden

Es geht uns bei unseren Betrachtungen weniger um operatives Handeln als vielmehr um zielorientiertes Entscheiden. Die Krisenthematik wird in mehreren Normen definiert, auf deren Inhalte wir immer wieder Bezug nehmen werden: Das betriebliche Kontinuitätsmanagement (DIN ISO 22301) hat zum Ziel, in Unternehmen Pläne zum Schutz und zur Fortsetzung wertschöpfender Geschäftsprozesse im Falle eines Ausfalls zu implementieren. In Form eines sogenannten Business Continuity Management Lifecycle (Analyse, Design, Implementierung, Validierung) werden die Prozesse entsprechend gewürdigt. Das Risikomanagement (DIN ISO 31000) betrachtet Unternehmen eher aus einer handelsrechtlichen Perspektive, die oftmals auch von Wirtschaftsprüfern positiv bewertet wird. Hier bilden Risikoidentifizierung und Bewertung (Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe) betriebswirtschaftlicher Indikatoren die zentralen Elemente.

Risiken und Chancen

Begrifflich korrekt wird unter ‚Risiko‘ als Oberbegriff zwischen Gefahren und Chancen unterschieden.3 Ein Risiko kann somit negativ (Gefahr) oder positiv (Chance) sein. Wir haben uns dem widersprechend zum allgemeinen Sprachgebrauch und damit einer klaren Unterscheidung von Risiken und Chancen entschieden.

1.2 Abhängigkeiten in einer immer komplexer werdenden Welt

In den folgenden vier Hauptkapiteln geht es um die Rahmenbedingungen für Unternehmen in Krisensituationen. Wir haben eine Auswahl aus der Vielfalt der gesellschaftlichen, ökologischen, ökonomischen sowie technisch-technologischen Themen getroffen, die in Krisenzeiten besonders deutlich werden und unternehmerische Relevanz haben. Ziel dieser Betrachtung ist es, die Tragfähigkeit aktueller Geschäftsmodelle und Strategien auf den Prüfstand zu stellen sowie zukunftsorientierte Alternativen aufzuzeigen.

Krisen wirken nicht isoliert. Vielmehr werden sie von weiteren Entwicklungen beeinflusst und teils überlagert. Es gibt daher nicht den einen richtigen Weg für alle und viele Anzeichen deuten gar auf widersprüchliche Tendenzen hin. Was ist nun für das einzelne Unternehmen wichtig? Die mit Krisen in Zusammenhang stehenden notwendigen Veränderungen im Unternehmen werden vielfach vor sich hergeschoben. Oft fehlen Kapazitäten, um erforderliche Anpassungen umzusetzen. Eine Vernachlässigung ist jedoch riskant, da dies die unternehmerische Zukunft gefährden kann.

In kritischen Unternehmensphasen wirken zusätzliche überlappende Faktoren, wie bspw. der Fachkräftemangel oder Finanzierungsschwierigkeiten. Plötzlich zeigen sich bisher wenig betrachtete Rahmenbedingungen als überlebenswichtig, sodass sich Unternehmen dann gleich mehreren Ursachen für eine Schieflage stellen müssen.

Krisensituationen als Brandbeschleuniger vernachlässigter Entwicklungen

Ein Aussitzen notwendiger Veränderungen können sich die wenigsten Unternehmen in und nach Krisen leisten. Ein aktives Einstellen auf sich abzeichnende Veränderungen kann eine Aufbruchsstimmung erzeugen und damit neue Chancen eröffnen.

Einen sinnvollen Ansatz für die Betrachtung sehen wir in der Wechselwirkung zwischen den interessierten Parteien eines Unternehmens und den zu berücksichtigenden internen sowie externen Themenfeldern, die wir in den folgenden fünf Punkten beleuchten wollen.

1) Welche neuen Entwicklungen gibt es bei deinen Geschäftskunden? Richtungsweisend sind deren strategische Entwicklungen. Inwieweit sind sie selbst von der Krise betroffen, wie reagieren sie und welche Auswirkungen hat das für dich als Dienstleister oder Zulieferbetrieb?

2) In Krisen ergeben sich Modifikationen im Kaufverhalten von Privatkunden. Welche Trends zeichnen sich ab und wie musst du dich mit deinem Angebot darauf einstellen?

3) Lieferanten und andere Partner haben sich genau wie du auf Krisen einzustellen. Welche Auswirkungen hat das auf dein Unternehmen?

4) Welche Auswirkungen haben Krisen auf die Weltwirtschaft?

5) Welche Veränderungen aus Krisen müssen KMU auf dem nationalen Markt beachten?

Aus diesen Blickwinkeln gesehen spielst du mit deinem Unternehmen unterschiedliche Rollen. Daraus ergeben sich unterschiedliche Betroffenheiten und damit Perspektiven eines KMU.

Im Fokus steht die Frage, ob die Globalisierung weiter fortschreitet oder wir uns zumindest partiell, mit einem regionalen Bezug, deglobalisieren werden. Für beide Richtungen sind Anzeichen erkennbar.

Aufgrund der strategischen Relevanz auch für KMU kommen wir im Folgenden immer wieder auf die Entwicklung von Angebot und Nachfrage zu sprechen. Dir bleibt dabei natürlich vorbehalten, dich aus deiner Rolle (deiner Branche, deinem Produkt usw.) einzuordnen und eigene Schlussfolgerungen zu ziehen.

1.3 Entwicklung bei Industriekunden

Unsere Volkswirtschaft ist in den meisten Branchen hoch industrialisiert. Viele Bereiche sind daher unter Kosten- und Effizienzdruck ausgelagert (outgesourct) worden. Ein Ergebnis dieses Prozesses ist, dass sich die Großindustrie und ihre Zulieferer in einem Beziehungsgeflecht gegenseitig bedingen. So hängt zum einen jeder fünfte Arbeitsplatz in der Industrie von der Automobilwirtschaft ab. Zum anderen werden 15 % aller Handwerksleistungen für Industriekunden erbracht.4 Das Prinzip des Outsourcings ist in der gesamten Produktionspyramide durchdekliniert worden, sodass die Zulieferer wiederum auf weitere Unterlieferanten angewiesen sind. Reißt auch nur ein Glied, kann die gesamte Produktionskette ins Wanken geraten. Brennt in Japan eine Fabrik der Chipherstellung ab, kann Bosch keine Steuergeräte und VW, Daimler und BMW letztlich keine Fahrzeuge produzieren. Im Umkehrschluss ist es so, dass – wenn sich z. B. pandemiebedingt in der Automobilindustrie eine Absatzkrise abzeichnet – die Zulieferindustrie ihre Waren/Dienstleistungen nicht mehr verkaufen kann.

Auf absehbare Zeit wird es in der Automobilindustrie5 bei konkurrierenden Antriebstechnologien für Fahrzeuge bleiben. Neben der Umstellung auf reine Elektroantriebe mit Batteriespeicher bzw. Brennstoffzelle sind nach wie vor herkömmliche Diesel- und Ottomotoren als Antriebsformen üblich. Darum herum ranken sich Entwicklungen, die für die reine E-Mobilität eine Infrastruktur für Ladestationen zum Gegenstand haben. Stand 2021 würde unser Stromnetz zusammenbrechen, wenn für jeden zweiten in Deutschland zugelassenen Pkw eine Ladestation zur Verfügung stehen müsste. Für Brennstoffzellen gilt es, den benötigten Wasserstoff mithilfe erneuerbarer Energien zu erzeugen. Innovationen im Energiesektor – Erzeugung, Speicherung und Umwandlung – versprechen derzeit die größten Entwicklungspotenziale. Durch den forcierten Einsatz von Elektroautos stehen die Versorgungsunternehmen somit derzeit (2021) vor einer Reihe ungelöster Probleme.6 Die C19P hat zudem Nachhol- und Änderungsbedarfe in den verschiedenen Industrie- und Produktionszweigen zutage gefördert, die zwar längst bekannt waren, doch immer wieder unter den Teppich gekehrt wurden.

Dieser Wandel wird früher oder später alle Bereiche unseres Wirtschaftslebens erfassen, vom großen Automobilkonzern bis zum kleinen Handwerksbetrieb. Wir brauchen eine positive Unternehmenskultur des stetigen Wandels und der Anpassung.

1.4 Konsumenten während und nach einer Krise

Während der C19P hat der Onlinehandel einen deutlichen Wachstumsschub erfahren. Im stationären Handel sind die Umsätze dagegen teils bedrohlich eingebrochen. Daher ist es für KMU eine Frage der strategischen Ausrichtung, ob Produkte und Dienstleistungen – eventuell in einem ersten Schritt parallel zum analogen Angebot – auch online vermarktet werden können. Über diesen Vertriebs- und gleichsam Beschaffungskanal lassen sich Kosten reduzieren, da bspw. Personalaufwände für die Materialbereitstellung reduziert oder teure Ladenflächen eingespart werden können.

Unterzieh dein Unternehmen einer kritischen Betrachtung im Sinne des klassischen Marketings nach der Produkt-, Preis-, Kommunikations- und Distributionspolitik!

Natürlich modifizieren staatliche Eingriffe, wie die zeitweise Herabsenkung der Mehrwertsteuer oder die Abwrackprämie, den Einfluss von Krisen auf das Kaufverhalten. Wie sich die C19P letztendlich auf den Arbeitsmarkt und damit die Möglichkeiten des Konsums entwickeln wird, bleibt abzuwarten.7 Kurzarbeit war bereits ein Teil der vorläufigen Rettung in der Finanzkrise. Man darf jedoch nicht unterschlagen, dass die Auswirkungen seinerzeit aufgrund des diversifizierten deutschen Mittelstands verhältnismäßig gering geblieben sind.

Wie sich im Zuge des nun endgültig etablierten Onlinehandels die Innenstädte bzw. Shoppingmeilen entwickeln werden, bleibt abzuwarten. Dass hier zukünftig innovative Ideen gefragt sind, liegt auf der Hand. Es vollzieht sich eine Veränderung im Wertesystem.

„Damit geht auch eine grundlegende Veränderung im Wertesystem der Konsumenten einher: Jeder dritte Deutsche will aufmerksamer für die Bedürfnisse seiner Familie sein und stärker auf seine physische (32 %) wie mentale (29 %)

Gesundheit achten. Auch das Einkaufsverhalten wird sich zumindest in Teilen ‚deglobalisieren‘; regionale bzw. lokale Produkte werden künftig bevorzugt gekauft oder Geschäfte angesteuert werden.“8

Der regionale Markt sowie Produkte mit Fairtrade-, Bio- oder Nachhaltigkeitssiegel werden immer stärker wahrgenommen. Diese teils widersprüchlichen Tendenzen sollten in ihrer Wirkung auf dein Unternehmen genauestens untersucht werden.

Beim Mobilitätsverhalten gibt es ebenfalls gegensätzliche Trends. Überhaupt ist zu fragen, wie sich der Verkehr insgesamt entwickeln wird. Weltweit müssen Städte umgestaltet werden. Sich ressourcensparend fortzubewegen, kann bedeuten, dass Alternativen gefunden und umgesetzt9 werden, die immer größere Herausforderungen an Städteplaner wie auch an den Mittelstand stellen.

Eine Reaktion auf die globale ökologische Krise ist der verstärkte Fahrradverkehr. So haben in Deutschland die Personenkilometer mit Fahrrad gegenüber 2002 von 82 Mio. auf 120 Mio. im Jahr 2017 zugenommen.10 Dass wir mit der damit einhergehenden Infrastrukturbereinigung noch lange zu kämpfen haben, verdeutlicht die Situation in unseren Großstädten: Die Straßen sind für ein geordnetes Nebeneinander von Fahrrädern und Pkw/Lkw kaum geeignet. Dies erfordert in allen damit zusammenhängenden Branchen aber nicht nur langfristig große Anstrengungen, sondern bringt auch ein hohes Auftragsvolumen für die damit befassten Unternehmen mit sich.

Wie viele Fahrradhändler und -werkstätten sind in den letzten zehn Jahren in deinem Umfeld entstanden? Hier zeigt sich für uns augenscheinlich ein Zusammenhang zwischen dem persönlichen Drang nach Bewegung und der Beachtung ökologischer Belange. Auch das ist nur ein Beispiel dafür, wie Krisen in Relation mit individuellen Bedürfnissen Einfluss auf die industrielle Entwicklung nehmen können.

Aus Krisen entstehen auch bei Privatkunden spezifische Bedürfnisse, auf die Unternehmen und vor allem KMU kurzfristig reagieren können. Ob das die bekannten Maskenprobleme, die Lieferengpässe in der Versorgung mit Desinfektionsmitteln oder zu lösende logistische Aufgaben der Bevölkerung waren: In jeder Krise entstehen neue Möglichkeiten. Es gibt genügend Unternehmen, die ihre eigenen Fähigkeiten und Ressourcen für die Lösung genau dieser Probleme einsetzen konnten. Durch verstärktes dezentrales Arbeiten hat sich bspw. in manchen Wohngebieten der Bedarf an Mittagsversorgung erhöht und konnte durch mobile Dienste bedient werden. Kontaktbeschränkungen verminderten kulturelle Angebote. Plötzlich saß die Familie wieder zusammen zu Hause und war froh über ansprechende gemeinsame Beschäftigungsmöglichkeiten in Form von digitaler Bildungs- oder Freizeitgestaltung. Solcherlei Beispiele lassen sich endlos fortsetzen. Oft haben sich aus der Notsituation Geschäftsfelder für die Zukunft entwickelt.

1.5 Liefersituationen in einer Krise

In unserer hoch spezialisierten und arbeitsteilig organisierten Wirtschaft bestehen große Abhängigkeiten beteiligter Unternehmen innerhalb der Wertschöpfungskette. Diese Unternehmen stellen dein natürliches Netzwerk dar. Basis für das Funktionieren ist hier ein offener und ehrlicher Umgang auf Augenhöhe miteinander. Sofern ein Partner das Diktat an sich reißen möchte und das Grundprinzip „Gleiche unter Gleichen“ verlässt, solltest du dich nach Alternativen umschauen. Dabei stellt sich die Situation im Handwerk und im produzierenden Gewerbe teils sehr unterschiedlich dar. Daher gilt:

Überprüfe deine Abhängigkeiten regelmäßig!

Nicht funktionierende Kooperationen haben zwischenzeitlich sicher geglaubte Lieferbeziehungen zum Erliegen gebracht und Schwachstellen veranschaulicht. Eine grundsätzliche Lehre aus Krisen lautet, möglichen Ausnahmesituationen mehr Beachtung zu widmen. In Bezug auf Liefersicherheit bedeutet dies, Lageroptimierung und Vorratsproduktion nicht ausschließlich unter dem Aspekt der Kostenoptimierung zu betrachten.

Es hat sich erwiesen, dass übertriebenes Knechten der Zulieferer diese instabil macht.11 Du brauchst doch Verlässlichkeit in der Bereitstellung deiner Vorprodukte. Festzustellen ist, dass sich Schwerpunkte und damit notwendige Sichtweisen in einer Krise verlagern.

Nicht immer hat eine vollständige Produktion just in time die höchste Effizienz. Zur besseren Vorbereitung auf künftige Krisen bleibt es immer erforderlich, genügend Speck auf den Rippen zu haben, um bspw. Lieferengpässe oder auch Umsatz-/Absatzeinbrüche ausgleichen zu können. Bei allen Erwägungen solltest du einen Check vornehmen, inwieweit deine Firma von territorial begrenzten Krisen/Naturkatastrophen oder von globalen Krisen betroffen sein könnte.

Ein offenes Wort im partnerschaftlich-kollaborativen Netzwerk mit einem Maßnahmenplan ist die beste Prävention – denn: Nach der Krise ist vor der Krise.

Nun wäre es profan, die C19P als eine kleine Krise zu betrachten. Doch ist die prognostizierte Unterbrechung internationaler Lieferketten weniger drastisch ausgefallen, als viele befürchtet haben, sodass Einschränkungen in weiten Teilen eher überschaubar und temporärer Natur waren. Aus dieser Sicht ergibt sich ein Vorgeschmack auf künftige Krisen angesichts der sich abzeichnenden Rohstoffverknappungen.12

Die akuten Lieferprobleme lösten sich im Verlauf der C19P relativ schnell auf. Die Unternehmen haben mehr damit zu tun, dass ihnen einzelne Zulieferteile eines Auftrags, wie beispielsweise Elektronikkomponenten, fehlen und sie deshalb nicht ausliefern können.

1.6 Krisen und die Weltwirtschaft

So wie im Kleinen einzelne Firmen versuchen, sich einen Vorteil gegenüber Mitbewerbern zu verschaffen, gilt dies auch für einzelne Nationen oder Kontinente. Auf internationaler Bühne gilt als besonders clever, wer seiner Nation einen Vorteil gegenüber anderen Nationen verschafft. In der C19P konnten wir den Wettbewerb von Staaten in der Impfstoffbeschaffung beobachten, wobei diejenigen mit einer schwächeren wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (die sich den Impfstoff einfach nicht leisten konnten) oder diejenigen, die sich in einer Staatengemeinschaft auf eine gleichmäßige Verteilung innerhalb des Staatenbündnisses verständigt hatten, letztlich als Loser deklariert wurden, da in der öffentlichen Wahrnehmung andere schneller an die Impfstoffe kamen. Teilweise wurde sogar ein Staatsversagen daraus abgeleitet.

Um mit anderen Ländern ungehindert Waren und Dienstleistungen austauschen zu können, werden international vermehrt Freihandelsabkommen geschlossen. Das größte Freihandelsabkommen RCEP (Regional Comprehensive Economic Partnership) hat jüngst China mit weiteren 14 asiatisch-pazifischen Staaten geschlossen. Die Mitglieder haben einen Anteil am weltweiten BIP von 30 %. Der Binnenmarkt der EU stellt ebenfalls eine Freihandelszone dar, in dem die Mitgliedstaaten einen Anteil von knapp 18 % am weltweiten BIP haben. Die Prognosen des IWF gehen aktuell noch von einem steigenden Anteil der EU am internationalen BIP bis 2024 aus.13

Die Bundesrepublik als rohstoffarmes und exportorientiertes Land ist in besonderer Weise von funktionierenden internationalen Handelsbeziehungen abhängig. In unserer Volkswirtschaft hängt jeder vierte Arbeitsplatz unmittelbar vom Export ab.14 Einige, wenn auch in ihrer Gesamtwirkung überschaubare Auswirkungen haben wir in der Auseinandersetzung mit den USA während der Präsidentschaft von Donald Trump erlebt. Unter dem Slogan „America first“ wurden auf Waren aus Deutschland/der EU Strafzölle erhoben, um die US-amerikanische Wirtschaft zu fördern und Arbeitsplätze in den USA zu erhalten bzw. neu zu schaffen. Im Umkehrschluss bedeutet ein so verstandener „Schutz“ der US-amerikanischen Wirtschaft, dass Exporte aus Deutschland nicht oder nur in geringerem Maße getätigt werden können, die Margen der Exportgüter geringer ausfallen und in Deutschland/der EU Arbeitsplätze abgebaut werden. Mit einem Einbrechen von Exporten durch Protektionismus oder Handelsbeschränkungen geht auch die Binnennachfrage nach Produkten und Dienstleistungen zurück. Ansatzweise konnten selbst kleinere Unternehmen dieses Phänomen im Zusammenhang mit den Sanktionen gegen Russland erleben.15

Vor diesem Hintergrund ergeben sich für dich und dein Unternehmen folgende vier Schritte

1. Analysiere, inwieweit dein Unternehmen mittel- oder unmittelbar von Importen/Exporten abhängig ist.

2. Bist du stark exportabhängig, solltest du überlegen, ob sich im EU-Binnenmarkt Absatzmöglichkeiten ergeben oder sich dein Unternehmen durch eine Erweiterung der Produktpalette breiter aufstellen kann.

3. Analysiere zudem, inwieweit eine Produktion innerhalb Deutschlands bzw. der EU Vorteile gegenüber einer Produktion in Drittstaaten haben könnte.

4. Triff Vorkehrungen angesichts des akuter werdenden Themas der Rohstoffverknappung.

Du solltest aus der Sicht deines Unternehmens die weitere Entwicklung zu folgenden Fragen im Auge behalten:

– Bleibt es bei einer zunehmenden Globalisierung?

– Welche Eigenentwicklungen finden in anderen Ländern statt und wie wirkt sich das auf unsere künftige Zusammenarbeit aus?

– Entwickelt sich der internationale Wettbewerb in Richtung zunehmender Partnerschaft oder entstehen zusätzliche Handelsbeschränkungen?

– Welche Auswirkungen haben Krisen auf bestehende Logistikketten?

Nicht erst seit der C19P stehen Globalisierungsprozesse auf dem Prüfstand. Gründe für diese Überlegungen sind zunehmende Arbeitskosten in den Schwellenländern sowie ein stärkeres Bewusstsein westlicher Konsumenten für die soziale und ökologische Qualität der Produktionsbedingungen vor Ort. Heftig diskutiert wird auch die Frage, wie sich die C19P mittel- und langfristig auf die internationale Arbeitsteilung auswirken wird. In diesem Zuge gibt es Bestrebungen, kritische Produktionen wieder in den EU-Raum zu verlagern, wobei zu sondieren ist, welche Ressourcen in Europa unverzichtbar sind.

Ein Stück weniger Abhängigkeit wird durch Minderung der Effizienz erkauft werden müssen. Bei lebenswichtigen Lieferungen, wie beispielsweise Medikamenten, dürfen keine starken Abhängigkeiten mit hohen Versorgungsrisiken bestehen. Nur durch eine adäquate Absicherung der Lieferketten kann die Handlungsfähigkeit gewährleistet bleiben.

Unsere Erkenntnis ist, dass die Globalisierung nicht nur unumkehrbar ist, sondern tendenziell voranschreiten wird. Trotzdem müssen deglobalisierende Teilprozesse beachtet werden.

Für viele industrielle Fertiger, die wichtige Produktionen ins ferne Ausland wie bspw. nach China verlagert haben, zeichnet sich ein Umdenken ab. Einige Automobilhersteller überlegen, ob dies heutzutage noch wirtschaftlich sinnvoll ist. Die C19P verdeutlicht, wie schwierig es sein kann, auf Prozesse zuzugreifen, wenn plötzlich Staatengrenzen geschlossen sowie der in- und ausländische Flugverkehr deutlich eingeschränkt oder gar gestoppt wird. Die unternehmerische Entscheidung könnte darin bestehen, in Zukunft bestimmte Produktionsprozesse aus dem Ausland zurückzuholen – also dorthin, wo Produktionsstandorte betrieben werden, um damit wieder unmittelbaren Zugriff auf die eigene Produktion zu erlangen. Liefer- und Produktionsketten würden sich dadurch verkürzen. Ein dieser Tendenz widersprechender, jedoch vielversprechender Gedanke ist, dort zu produzieren, wo die Kunden sind.16 Dies bringt die Vorteile einer ortsnahen, durch einheimische Vertriebler vorgenommenen Akquise und einer Einsparung bei Lieferung und Service.

Infolge solcher Tendenzen könnte die Krise genutzt werden, den Fokus der Wertschöpfung wieder auf Europa zu legen. Manche Unternehmer werden sich nach der Krise dahingehend neu aufstellen. Beispielsweise wird ein Produzent sicherlich seine hohe Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten außerhalb Europas noch einmal prüfen oder gänzlich abstellen.17

Sind Großunternehmen nicht an Insourcing interessiert, bieten sich Möglichkeiten der Produktionserweiterung für mittelständische Betriebe.

Unternehmen beschleunigen die Einführung von Robotern in Hochlohnländern, was zu einer Renaissance der Industrieproduktion in reichen Industriestaaten18 führt. Ein interessanter Aspekt, sind es doch die Arbeitskosten, die Unternehmer bislang veranlasst haben, ihre Zulieferer in Billiglohnländern zu rekrutieren. Wenn dies nicht mehr zielführend ist, warum nicht zu Hause automatisieren, damit Arbeitskosten vermindern und gleichzeitig Lieferrisiken zu reduzieren?

Vom ifo Institut für Wirtschaftsforschung München wird der Status quo der internationalen Verflechtungen wie folgt dargestellt: Etwa 12 % der weltweiten und 17 % der deutschen Wertschöpfung finden über globale Wertschöpfungsketten statt. Für Deutschland nimmt das Produktionsnetzwerk Europa eine überragende Rolle ein. Für den wirtschaftlichen Neustart nach der C19P bedeutet dies, dass ein freier Warenverkehr innerhalb Europas essenziell ist.19

Ob unsere Exportabhängigkeit weiter in dem Maße Bestand haben wird, hängt von vielen Faktoren ab. Wir vermuten, dass in den Zielländern im Ergebnis eigener Betroffenheit die Haushaltsdefizite steigen werden. Ähnlich wie bei uns werden Unternehmensschließungen erfolgen und die Bevölkerung in ihrem Kaufverhalten vorsichtiger sein. Dazu gibt es laut Deloitte Global Consumer jedoch noch keine gesicherten Aussagen.20 Was an Handelsbeschränkungen zu erwarten ist und wie sich Wirtschaftsräume zur Wahrung von Eigeninteressen abgrenzen, bleibt ebenfalls abzuwarten.21

Welche Erkenntnisse ergeben sich aus diesen Entwicklungen für KMU mit internationalen Verflechtungen?

Ein komplettes Verabschieden von globalen Lieferketten ist nicht vorstellbar. Dein Unternehmen wird sich als Teil globaler Vernetzung nach jeder Krise in irgendeiner Weise wiederfinden. Jedoch neu, weil sich die Partner und die Bedingungen verändert haben. Je mehr du dich mit deinen konkreten aktuellen Abhängigkeiten beschäftigst, desto zielgenauer wirst du eine Strategie anpassen können – vielleicht sogar so, dass du als Gewinner aus einer Krise hervorgehst. Es gibt Risiken, wie Kundenverlust oder Lieferengpässe. Es gibt aber auch Chancen: Partner, die dir in der Krise geholfen haben, eine komplizierte Situation zu meistern. Orientiere dich an ihnen, weil sie Verlässlichkeit bewiesen haben und deshalb integer sind. Aus der Not geboren haben deine Zulieferer neue Produkte oder Dienstleistungsangebote entwickelt und in der Krise erfolgreich praktiziert. Erkenne die sich daraus ergebenden Möglichkeiten für dein Unternehmen!

Deine Kunden unterliegen Abhängigkeiten, denen sie krisenbezogen oder auch unabhängig davon folgen. Je eher du diese Entwicklungen erkennst und darauf eingehst, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, daraus einen Nutzen für den Fortbestand deines Unternehmens zu generieren.

Ob dein Kunde, dein Lieferant oder Partner – alle sitzen in einem Boot und haben ähnliche Probleme: den Krisen geschuldete Einschränkungen der eigenen Handlungsfähigkeit, Lieferprobleme und/oder Absatzschwierigkeiten.

Rechne damit, triff Vorsorge und halte nach Alternativen Ausschau!

Deine Lieferanten sind deine Partner. Es besteht eine gegenseitige Abhängigkeit. Lange Zeit war es so, dass es vorrangig die Lieferanten waren, die um ihre Kunden kämpfen mussten. Dieser Prozess kann sich zunehmend umkehren, z. B. können in Anbetracht einer sich verschärfenden Ressourcenknappheit Lieferanten mangels Alternativen ihre Kunden verstärkt auswählen.

Wie es unserer Ansicht nach weitergeht

Es wird befürchtet, dass die globalen Lieferketten, so wie sie vor der C19P mit ihren hohen Risiken existiert haben, Schritt für Schritt wieder in Gang kommen. Damit werden die bisherigen Strukturen und Prozesse reaktiviert. Es stellt sich aber die Frage: Ist das wirklich hilfreich? Verallgemeinert auf andere Krisen bezogen bedeutet das: Sobald der konkrete Sachdruck weg ist, geht es weiter wie zuvor. Unter dem zwanghaften Trieb, wirtschaftliche Verluste aufzuholen, werden die Fehler der Vergangenheit wiederholt.

Diese Tendenzen scheinen willkürlich zusammengestellt. Sie lassen sich aber fortsetzen. Wir ziehen den Schluss, dass der unumkehrbare Prozess der Globalisierung mit Bedacht weiterentwickelt werden muss. Und was hat das mit uns als KMU zu tun?

Wir sollten unsere Entscheidungsspielräume nutzen und uns mit den eigenen Möglichkeiten bspw. auf geschlossene Stoffkreisläufe ausrichten.

1.7 Krisen und der nationale Markt

Auf dem nationalen Markt zeichnen sich Verschiebungen ab, die durch Krisen vorangetrieben werden. Was hat das für Auswirkungen auf KMU?

Während der C19P hat es auf dem deutschen Binnenmarkt teils erhebliche Verschiebungen gegeben. Viele Handelsunternehmen haben ihre Vertriebsstruktur auf den Onlinehandel fokussiert. Produktionsunternehmen haben nicht selten ihre Produktpalette ergänzt, ihr Unternehmen mittels Aufkaufs erweitert oder durch andere Maßnahmen, teilweise angesichts angeordneter Schließungen, entstandene Umsatzeinbrüche ausgeglichen. Zudem konnten viele Unternehmen durch staatliche Maßnahmen wie Kurzarbeitergeld ihr Fachpersonal halten, um einen regulären Geschäftsbetrieb später wieder aufnehmen zu können.

Sowohl der Vertrieb an Privatkunden als auch der B2B-Vertrieb verlagern sich noch weiter in den Onlinebereich.

Während der C19P haben viele Firmen neue Arbeitsformen wie das hybride Arbeiten, flexibilisierte Arbeitszeitmodelle etc. erstmals ausprobiert. Neben einzelnen Nachteilen, die wir nicht ignorieren wollen, ergeben sich für Unternehmen durch das dezentrale ortsunabhängige Arbeiten viele Vorteile.

In der Krise spielen soziale, politische sowie finanzielle Faktoren eine verstärkte Rolle, die mithin gravierende Verschiebungen auf dem nationalen Markt bewirken.

Wir hätten an dieser Stelle u. a. über den Zulauf ausländischer Fachkräfte schreiben können oder die verstärkte Tendenz zu Abitur und Studium statt zur dualen Ausbildung in Handwerks- bzw. Dienstleistungsberufen sowie den damit einhergehenden Mangel an qualifizierten Mitarbeitern in diesen Bereichen.22

Wir konzentrieren uns auf die aus der Krise heraus entstehenden Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten in Stadt und Land, da sich für Unternehmen aus der C19P einige bedeutende Entwicklungen ableiten lassen, die für künftige Krisen ebenfalls eine Rolle spielen. Es ergeben sich strategische Denkansätze für die Ansiedlung von Unternehmen und den Arbeitsort der MA. Dass dies nicht unbedingt das Gleiche sein muss, haben wir ja bereits gesehen.

Gegen eine Ansiedlung im ländlichen Raum sprechen nach wie vor die Kleinteiligkeit der Unternehmensstruktur, die damit im Zusammenhang stehende Abhängigkeit von wenigen Schlüsselbetrieben, die geringere Kaufkraft, der schlechtere Ausbau der Infrastruktur und die prekäre Arbeitsmarktsituation. Auch ist die Finanzkraft bestehender Unternehmen in strukturschwachen Regionen geringer, sodass Innovationsmöglichkeiten nur eingeschränkt bestehen.23 Nun entstehen aber mit der Digitalisierung und der damit möglichen Vielzahl von Arbeitskombinationen24 sowie dem weiteren Ausbau der Infrastruktur neue Voraussetzungen bzw. Möglichkeiten für Ansiedlungen und Beschäftigung. Es zeichnet sich ein Umdenken ab, da in Ballungsgebieten der Wohnraum immer teurer wird. Lange Pendelstrecken können durch vermehrt ortsunabhängige Arbeitsmöglichkeiten reduziert werden, sodass Wohnen und Arbeiten auf dem Land an Attraktivität gewinnen. Analog verlieren innerstädtische Shoppingmeilen durch den Onlinehandel zunehmend ihren Reiz.25 Es erscheint also nur logisch, dass sich künftig mehr Unternehmen im ländlichen Raum ansiedeln werden.

Was können wir selbst beeinflussen? Wir KMU sind die Player und haben Wahlmöglichkeiten. Die sich aus den ortsflexiblen Arbeitsformen ergebenden neuen Chancen zur Leistungserbringung und die neuen Rahmenbedingungen lassen ländliche Ansiedlungen zunehmend attraktiver erscheinen. Was für das einzelne Unternehmen richtig ist, bleibt individuell abzuwägen. Für eine Ansiedlung im ländlichen Raum empfinden wir als besonders motivierend:

– Seine Kindheit auf dem Dorf zu verbringen, hat Charme. Wir empfinden ländliches Leben als Marketingargument für junge Familien.

– Auf dem Land leben und arbeiten bietet Kostenvorteile.

– Als Arbeitgeber hast du im Zusammenhang mit Telearbeit ein großes Einzugsgebiet.

Allerdings hat auch die Attraktivität von Städten mit ihrer Infrastruktur ihren Reiz. Letztlich sollte auch für eine Standortwahl eine Nutzen-Kosten-Analyse ausschlaggebend sein.