Denke nach und werde glücklich - Lars-Oliver Schröder - E-Book

Denke nach und werde glücklich E-Book

Lars-Oliver Schröder

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Beschreibung

Eine Frage geht mir spontan durch den Kopf: Wann hatte ich eigentlich meinen glücklichsten Tag? Mit dieser Frage beginnt die spannende wie auch unterhaltsame Geschichte einer dreieinhalbmonatigen Wanderung quer durch Europa, immer entlang des Jerusalemweges. Bei der sagenhaften Wanderung über mehrere tausend Kilometer durch neun Länder, sucht der Autor den glücklichsten Tag seines Lebens. Zur eigenen Inspiration interviewt er die unterschiedlichsten Personen, die er am Wegesrand zufällig unterwegs trifft. Erzählungen von einem sechsjährigen Kind bis hin zum neunzigjährigen Greis. Jede dieser erzählten Tage, hervorgebracht in den jeweils sehr unterschiedlichen Lebenssituationen liefern Antworten für den Buchleser. Schon beim Lesen selbst überlegt man unweigerlich, welches der eigene glücklichste Tag war. Spontan fängt man an, sich im eigenen Umfeld umzuhören, wie sich andere im Bekanntenkreis mit dieser Fragestellung auseinandersetzen. Angereichert werden die zahlreichen Anekdoten von aberwitzigen Erlebnissen, die bei einer mehrmonatigen Wanderung dem Autor einfach passieren. Die witzigsten und unglaublichsten Geschichten schreibt eben das Leben selbst! Dieses Buch macht auf seine Art einfach nur glücklich!

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Deutschland

Wie es eine Berliner Kodder-Schnauze sieht

Ungarn

Mit Oma verreisen, puh, wie langweilig!

Slowakei

Der glücklichste Tag eines Obdachlosen

Österreich

Welche Wahl Wolfgang, ein 90-Jähriger, trifft

Mamas langweiligster war ihr glücklichster Tag

Urplötzlich am 8. März

Erst kürlich geschehen!

Auf der Flucht vor Gewalt und Kriegstreiben

Deutschland

Abgelöst,

bereits nach 6 Jahren

Eine Hochzeit, das muss sein!

Lichtenstein

Es geschah Sonntags

Schweiz

Noch niemals zuvor etwas für mich gebaut

Glücklichster Tag am Hurrikan-Festival

Sein glücklichster Tag geschah vor 77 Jahren

Frankreich

Glücklichster Tag steht noch bevor

Zwei Schwestern auf großer Tour

Glücklichsten Tag als Geschenk

Spanien

Wie sie zu dem wurde, was sie ist

Gefühlt ritt ich den Wüstenwurm von „Dune“

Portugal

Gefühlte Ewigkeiten darauf hingearbeitet

Fazit, oder Rekapitulation des Glückstages

Warum überhaupt dieses Buch?

Merkmale der glücklichsten Tage

Buchempfehlungen

Über den Autor

Vorwort

Eine Frage geht mir spontan durch den Kopf: Wann habe ich eigentlich meinen glücklichsten Tag gehabt? Warum diese seltsame Fragestellung so mir nichts, dir nichts aus dem vollkommenen Nirwana zu mir fand, ist mir schleierhaft. Jedoch fing ich unweigerlich an zu grübeln, wann, wo und vor allem, wie es gewesen ist. So versuchte ich, zumindest in meinen anschließenden Überlegungen, so tief, bequem und gemütlich in mein Kuschelsofa versunken, möglichst sachlich, objektiv und chronologisch vorzugehen, denn das, was folgt, könnte eine ganze Weile in Anspruch nehmen.

War er vielleicht in der Kindheit, als ich naiv und unbefangen durch die Wiesen unserer Gegend tollte und mir so über gar nichts Sorgen bereitete?

Ja, das war tatsächlich eine schöne Zeit und ich fühlte mich als Kind auch glücklich, aber… hm, einen Augenblick überlegen! Nein, damals wohl eher nicht.

Erlebte ich ihn in der Schulzeit?

Obwohl! …Stopp! Halt, einen Moment mal!

Lernen und trockene wie öde Unterrichtsstunden schließen das für mich kategorisch aus, also weiter überlegen.

War er zusammen mit den besten Freunden in der Jugend? Wir teilten schließlich viel miteinander und durchlebten so einige gemeinsame Abenteuer wie absurde Streiche, die uns dadurch sehr zusammenschweißten.

Aber nein, zu jener Zeit war er auch nicht.

Zeigte er sich mir, als ich mit der schönen Sonja die erste Freundin hatte, mein ganzer Stolz und der allergrößte Jungenschwarm der gesamten Mittelschule? Vielleicht könnte es sogar genau der Tag gewesen sein, an dem ich von ihr den heißersehnten wie langerwarteten, finalen Kuss genoss.

Ein Kuss, einfach auf den Mund! Noch heute entsinne ich mich, wie mir, als sich unsere Lippen liebevoll, sanft und geschmeidig berührten, sich schlagartig Schwindelgefühle wellenförmig ausbreiteten. Mir regelrecht schwarz vor Augen wurde und ich das erste Mal das berauschende Glücksgefühl von Schmetterlingen im Bauch spürte, was mir weiche Knie bereitete und beinahe meinen Verstand raubte.

Damals galt ein Zungenkuss als absolut verwegen, ja geradezu als versaut. Nur besonders ausgebuffte Typen, zu denen ich in jener Zeit leider noch nicht zählte, hatten Erfahrungen darin.

Ein Kuss unter Einsatz der Zunge hieß auch Zungenschlag zu meiner Zeit. Und genau diesen, einem zischenden Stromschlag nahekommenden Schmerz befürchtete ich „Naiver“, dabei zu bekommen, so hielt ich respektvollen Abstand davon, meinen Mundraum mit weiblicher Starkstrom-Elektrizität durchströmen zu lassen. Vor dem geistigen Auge sah ich das Bild, wie meine Zunge durch Starkstromstärke gehalten an Sonja festklebt, wie wir vom Elektroschlag durchdrungen, unkontrolliert zitternd und zappelnd aneinanderhängen.

Selbst hier und heute mit gehörigem Abstand, so ausgesprochen tief im Sofa liegend, meine ich, sogar noch das Geräusch zu vernehmen. „Brrrr, Crrrr, Bsssst“

Nein, so wollte ich in meinen kindlichen Vorstellungen ganz bestimmt nie an einem Mädchen hängen.

Das „Aneinanderhängen“ stellte ich mir definitiv schöner vor. Gut, es war jetzt auch keiner dieser „normalen“ Schmatzer, die ich mit fest verschlossenen Lippen und hartem Mund all den Tanten und Omis auf die Wangen drückte. Bei Sonja ließ ich meine Lippen weich, zart, geschmeidig und rieb Ober- wie Unterlippe an den ihren.

Ich erinnere mich, als wäre es erst gestern gewesen, wie meine Lippen sanft auf den ihrigen tanzten und ich mit meinem Mund mutig mit gespitzten Lippen an ihren zupfte, was für mich zu jener Zeit die größte Mutprobe aller Mutproben darstellte.

Ich war glücklich und sie war es sicherlich auch.

Zugegeben, ja, es war ein berauschender wie ausgesprochen wunderbarer Tag.

Aber nein, er war es auch nicht!

So überlegte ich weiter: War es eventuell danach, als ich meine spätere Ehefrau kennenlernte? Allgemein wird ja immer wieder kolportiert, dass der eigene Hochzeitstag der glücklichste und schönste Tag im Leben sein muss, denn er ist schlussendlich zumindest nach dem Scheidungstag auch der zweitteuerste Tag des Lebens. Alles dreht sich den ganzen Tag nur um das frischvermählte Paar, das zum Bund der Ehe ruft. Jedoch Hochzeiten sind nach meiner Ansicht und persönlicher Erfahrung auch nicht die glücklichsten Tage, denn sie sind „nur“ inszeniert. Sie folgen zumeist einer vorher streng festgelegten Reihenfolge von Riten, Abfolgen und Zeremonien.

Das Brautpaar nebst Angehörige reiben sich in der langandauernden Vorbereitung häufig derart gegenseitig auf, dass der Hochzeitstag förmlich in Streit enden muss. Ausnahmslos jeder Einzelne von ihnen möchte alles perfekt machen und deshalb wird ein jedes noch so kleine Detail minutiös vorausgeplant. Alle stehen unter so einem ausgesprochen hohen Druck und Stress, dass…?

Hier brauche ich eigentlich gar nicht weiter ausführen.

Nein, es kann definitiv nicht der glücklichste Tag gewesen sein.

Wobei, wenn ich heute rückblickend so ausgiebig darüber nachdenke, war es meiner sogar ganz sicher nicht. Er war zwar von morgens bis abends gut organisiert wie auch durchgestylt, hat es jedoch nach den eigenen Empfindungen in meinem Leben dennoch nicht einmal in die Top 100 Charts meiner glücklichsten Tage geschafft. Und angesichts einer häufig folgenden Trennung fällt das statische Gerüst des Glückes später in sich zusammen und zerbröselt zu winzigen Glückskrümelchen und man war zurückblickend an diesem Tag gar nicht so happy wie zuvor angenommen.

In meinem Bekanntenkreis höre ich nach einer demütigen Scheidung oft von beiden Seiten den Satz: „Wäre ich doch bloß meinem Partner nie begegnet!“

Und wenn ein Tag im Nachhinein solche Horrorerinnerungen auszulösen vermag, dann kann es aus meiner Sicht nicht der glücklichste gewesen sein.

So brutal ernüchtert und auf den Boden der Tatsachen zurückgeführt, überlege ich weiter: War es die Geburtsstunde meines ersten Sohnes, als ich stolz wie der sprichwörtliche „Oscar“ mit meiner Frau, so etwas Wundervolles wie ein winziges Baby geschaffen zu haben, breit grinsend unseren Sprössling im Arme hielt? Oder war es die Geburt des zweiten, als ich bei einer schweren Niederkunft mit der komplizierten Beckenendlage meiner gebärenden Frau hilfreich zur Seite stehen konnte? Oder war es gar die des dritten Sohnes? In meinen Erinnerungen war es bei jener ein herrlicher Sommertag. Ich erhielt bei der Arbeit einen Anruf, dass meine Frau mit heftigen Wehen ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Mein Chef gab mir sofort frei und ich spurtete zum Hospital. Im Entbindungssaal wartend, sehe ich die weißen, durch den warmen Sommerwind seicht wehenden Gardinen des sperrangelweit geöffneten Krankenhausfensters. Für mich war es eine entspannte Atmosphäre himmlischer Ruhe, obschon meine Frau direkt neben mir im Entbindungsbett liegend vor Schmerzen nur noch schrie.

So fühlte ich mich an allen drei Geburtstagen zurückerinnernd regelrecht „besoffen“ vor Glück.

Aber nein, sie sind es alle drei auch nicht gewesen.

Gehässige Menschen mögen eventuell fragen, ob ich den glücklichsten Tag möglicherweise nach unserer Scheidung hatte? Als sich meine Frau überraschend von mir trennte und ich, so mir nichts, dir nichts Single wurde, um nun tun und lassen zu können, was auch immer ich nur wollte? Niemanden Rechenschaft geben müssen, sich keiner nörgelnden Ehefrau erklären. Die Kinder längst groß, erwachsen, autark und selbstständig. In meiner neuen Rolle voller Tatendrang, Manneskraft mit einem deutlichen zu viel an Testosteron, eine Fete nach der anderen hinterherjagend, somit eine gigantische Partyzeit erlebend, fühlte ich mich gut. Als damals alle nahestehenden Freunde so süffisant meinten:

„Na Lars, jetzt kannst du dich endlich austoben und das machen, was du immer schon wolltest!“

Aber was war es, was ich schon immer machen wollte?

Ich hatte keine Ahnung.

Hatte ich ihn etwa in dieser wilden, ungehemmten Zeit oder fand er doch in einem meiner zahlreichen Urlaube statt?

Zum Beispiel, als ich den schwierigen Gipfel in schwindelnder Höhe erklimmend in angeberischer Heldenpose am Gipfelkreuz stand? Alternativ, als ich tiefenentspannt mit einer schönen Strandnixe im knappen Bikini am paradiesischen Strand liegend, cocktailschlürfend den Sonnenuntergang genoss?

Oder ganz gegenteilig bei der abenteuerlichen Safari, lauernd unter freien Himmel, inmitten wilder Tiere?

Kann es eventuell auch bei der gewaltigen Langstreckenwanderung gewesen sein, als ich wochenlang Zeit hatte, mir ausgiebig über alles so meine Gedanken zu machen?

Vielleicht auch bei einer der unzähligen Städtetouren durch die grundverschiedenen Metropolen dieser Welt, mit derem pulsierenden Nachtleben?

Scheinbar auch hierbei überall Fehlanzeige.

Nein, sie waren es auch allesamt nicht!

Sollte es etwa der Tag gewesen sein, an dem ich einen schweren Unfall mit Totalschaden am neuerworbenen Fahrzeug körperlich unversehrt überlebte …meinem zweiten Geburtstag? Glück gehabt, aber der glücklichste Tag war es dennoch nicht.

War es der Arbeitstag meiner Beförderung zum Chef der gesamten Fachabteilung, natürlich mit der dazugehörigen, beeindruckenden und saftigen Lohnerhöhung, die mich und meine Familie in ein anderes Verdienstlevel katapultierte?

Oder doch einer der zahlreichen anderen Erfolgstage?

Ist es eventuell der Tag gewesen, an dem ich in der Lotterie, beim Roulette oder bei der Pferdewette hohe Geldbeträge gewann? Oder der Tag, an dem ich an der Frankfurter Börse außerordentliche Spekulationsgewinne einfuhr?

War es bei den unerwartet guten Verkäufen des Pkws, der Immobilie, des Bestsellers, die jeweils überraschenden Geldsegen erzielten? Genoss ich ihn etwa, als ich im absoluten Wohlstand schwelgte und mir nahezu alles leisten konnte, was ich begehrte? Oder war es dem ganz entgegengesetzt, als ich fast pleite, mit wenigen Münzen in der Hosentasche die grenzenlose Freiheit lebte und genoss?

Nein, sie waren es ebenfalls alle nicht.

Es will mir heute einfach nicht einfallen, welcher es gewesen sein könnte.

Und überhaupt, woran mache ich meinen glücklichsten Tag eigentlich fest? So bin ich der Meinung, mir müsste schon spontan einer ins Gedächtnis gerufen werden. Der schönste Tag sollte mir doch ganz selbstverständlich, so ruckzuck, eben sofort in den Sinn kommen?

Ja genau, das würde er dann sicherlich sein!

Tut es aber nicht.

Vom ernsten Willen getrieben, ihn zu lokalisieren und zu identifizieren, kneife ich die Augen zusammen, presse die Lippen aufeinander, spitze die Gedanken und schärfe die gesamten Sinne. So präpariert, will ich mich zwingen, mich an ihn zu erinnern. Ein langgezogenes „Hmmh?“, kommt aus meinem Mund.

Unmerklich, unbewusst verlässt ein Atemzug meine Lunge und streift dabei die Stimmbänder. Es geschieht unwirklich, ungewollt, aber dieses „Hmmh?“, zeichnet ein riesiges Fragezeichen in meinen Verstand. Es brennt sich gar in das Gedächtnis derart schneidend tief ein wie ein Brandzeichen in das Hinterteil einer amerikanischen Kuh, wie man es zumeist aus alten Westernfilmen her kennt. Mir fällt ums Verrecken nicht ein, welcher mein glücklichster Tag gewesen ist.

Ich will mich einfach nicht erinnern!

Ja, woran mache ich ihn eigentlich fest, stellt sich mir immer wiederkehrend dieselbe Frage?

Wie zeichne ich mir den schönsten Tag überhaupt?

Je mehr ich darüber nachdenke und je weniger ich auf einen bestimmten Tag komme, je ungenauer ich ihn tatsächlich skizzieren und festlegen kann, desto mehr und tiefer bohrt sich diese eine Frage ins Gehirn hinein. Es ist doch enorm wichtig, ihn zu kennen, zu wissen, welches der glücklichste Tag im Leben ist, oder nicht?

Mir wird klar, ich benötige Hilfe. So will ich mir von außen Rat holen, um für mich herauszufinden, wann mein eigener Tag der Tage stattfand. Vielleicht können mir andere Menschen einen Denkanstoß geben. Gegebenenfalls nahestehende Freunde, eventuell sogar mir unbekannte, völlig fremde Personen, die ich eben erst kennenlernte?

Da ich heute auf keine Antwort kommen will, beschließe ich kurzum, die Frage zu vertagen, um sie mit auf die kurz bevorstehende Wanderung mitzunehmen. Genau, ich will sie unterwegs ausgiebig durchdenken, denn das hatte ich schon in der Vergangenheit auf dem Jakobsweg und auch auf dem Franziskusweg festgestellt: So auf der Wanderschaft hast du genügend Zeit und Muße, grundlegend und allumfassend über tiefgreifende Sinnfragen des Lebens nachzudenken. Du gehst den ganzen Tag durch herrlich inspirierende Natur, atmest frische Luft, flutest dein Gehirn ausgiebig mit Sauerstoff und genießt die absolut „schreiende“ Stille.

Eine Freundin sagte einst zu mir: „Also, begib dich auf deine Reise, ohne dass dir jemand hilft und du wirst wissen, wer du bist. Denn sich auf einen unbekannten Weg zu begeben, das ist die Aufgabe, die schließlich jeder von uns hat.“

Und wahrlich, das ist ja nun eine der wichtigeren Sinnfragen überhaupt, die den längsten Weg auch rechtfertigen! Welches war denn nun tatsächlich der glücklichste oder schönste Tag im Leben?

Wenn er noch bevorsteht, würde er folgerichtig noch stattfinden, aber das kann logischerweise nicht sein. Jeder hatte schon sicherlich einmal seinen höchstpersönlichen glücklichsten Tag erlebt, der doch allerhöchstens durch einen noch glücklicheren abgelöst werden kann.

Also muss ich logisch schlussfolgernd ihn ebenfalls schon gehabt haben. Ja, so gilt es als beschlossene Sache, die mehrmonatige Wanderreise dazu zu nutzen, über diese wichtige Fragestellung nachzudenken, um eine Antwort zu finden. Somit werde ich mir unterwegs Inspiration von Mitmenschen einholen, die mir zufällig über den Weg laufen.

In den eigenen Vorstellungen befrage ich auf meinem Weg alle mir interessant erscheinenden Menschen. Genauso werde ich jedem Wanderer, dem ich begegne, sie stellen. Alle Personen, die meinen Wanderweg zufällig kreuzen, interviewe ich dazu, um mich von ihnen inspirieren zu lassen. Vielleicht erinnere ich mich durch ihre Geschichten zum glücklichsten Tag an meinen eigenen.

So befinde ich diesen Gedanken sofort als gute Idee, denn eines ist klar, ich werde mit sehr, sehr vielen Menschen ins Gespräch kommen. So bietet sich mir eine einmalige Gelegenheit, einen Querschnitt des glücklichsten Tages zahlreicher Bürger fast ganz Europas kennenzulernen, denn mein Weg, ein Teilstück des Jerusalemweges, bringt mich quer durch den Kontinent. So stehe ich momentan nervös und angespannt nur wenige Tage vor dem Aufbruch zu meiner dritten, längsten und anstrengendsten Langstreckenwanderung. Sie soll über mehrere tausend Kilometer durch Europa führen. In meinen Vorstellungen gehe ich ein großes Teilstück des erst letzten Jahres von mir ausgewählten Jerusalemweges. Zwei Pilgerinnen vom Franziskusweg erzählten mir von ihm und meinten, es sei überhaupt der Pilgerweg schlechthin. Eben die Mutter aller Pilgerwege! Er schlängelt sich über sagenhafte 7500 Kilometer durch 15 unterschiedliche, sehr differente Länder des europäischen Kontinentes und endet in Israel, genauer gesagt in der Stadt Jerusalem. Die letzten Schritte marschiert man über die Via Dolorosa, dem Leidensweg Jesu.

Doch ich werde von der originalen Streckenführung abweichen, um ihn, gestartet aus Budapest am Kilometerstein Null oder Monumentum Zero in Richtung Finisterre zu marschieren, wo ebenfalls ein Kilometerstein Null steht. Vor dem hatte ich mich schließlich schon am Ende des Jakobsweges ablichten lassen.

Vom Nullpunkt zum Nullpunkt ist meine augenzwinkernde Devise!

Der Kilometerstein in Budapest, der 1975 von Miklós Borsos gestalteten Skulptur befindet sich am Clark-Ádám-tér direkt am Budaer Brückenkopf der berühmten Kettenbrücke, die sich über den Fluss spannt und damit über die Donau führt.

Von dort aus gestartet, will ich den Weg, entgegen der Ursprungsrichtung, rückwärts wandern, da es eben momentan weder eine Möglichkeit gibt, die Türkei als Pilger zu durchqueren, noch eine heile und gesunde Wanderung durch das Kriegsgebiet Syriens möglich ist.

Sicher wird meine Befragung nach dem glücklichsten Tag kein statistischer Querschnitt zum Meinungsbild der Europäer sein, jedoch befrage ich Ungarn, Menschen aus der Slowakei, Österreicher, Deutsche, Liechtensteiner, Schweizer, Franzosen und Spanier, zusammen insgesamt immerhin acht Nationen. Und da ich aus Porto in Portugal zurückfliegen möchte, kommt eventuell noch eine neunte hinzu. So bin ich gespannt, welche Geschichten ich zu hören bekomme.

Somit werde ich auch dem eigenen Glückstag nachjagen, treibe ihn vom eben beschriebenen Nullpunkt zum Nullpunkt vor mir her in die Ecke, suche ihn, um ihn letzten Endes zu stellen, damit ich endlich meinen glücklichsten Tag finde, denn wie gesagt, es ist mir seltsamerweise extrem wichtig geworden ihn zu kennen. Und allein das Nachdenken darüber bereitet mir jetzt schon außerordentlich gute Laune.

Wie es eine Berliner Kodder-Schnauze sieht

Berlin - Deutschland

Schon kurz nach mir stiegen in Berlin Pauleen und ihr Mann in den Fernbus ein und setzten sich zu mir an den Vierertisch. Sie begrüßten mich höflich und verstauten, wie es ältere Herrschaften nun einmal so machen, recht umständlich und zeitintensiv ihre für die Gepäckablage zu großen Gepäckstücke in die obere Ablage. Nachdem wir schon eine Weile fuhren, stellten wir uns einander vor. Als sich der Smalltalk dem Ende näherte, sah ich meine Chance gekommen und formulierte die Frage nach dem ultimativen, glücklichsten Tag ihres Lebens. Pauleen lachte lautschallend auf, dass die Mitfahrerschar des kompletten Busses zu uns herübersah.

„Der glücklichste Tag im Leben, na, da fragst du jerade die Richtige!“

„Ikke sehe dat nämlich so, wer wie ikke, jeden Tag glücklich ist, der kann sich doch kaum an den allerglücklichsten erinnern. Was meinst du, wie schwer, jeradezu unmöglich es ist, den enen herauszufiltern. Ikke habe schließlich tausende, wenn nicht gar abertausende tolle Tage, wie soll ikke mich da bloß an diesen enen entsinnen können?

Ikke sage es mal andersherum: Mene Schwester dahem ist en Depri, damit mene ikke, sie ist ziemlich depressiv drauf und dat schon seit ihrer Kindheit. Die…, ja, jenau die, wird sich mit Leichtigkeit an ihren glücklichsten Tag erinnern können, denn sie hatte ja schließlich nicht so viele wie ikke davon.“

Jetzt fing sie sogar vor Überschwang an, mich zu duzen, und redete sich regelrecht in Rage.

„Mene Schwester, jenau, die hatte in ihrem Leben vielleicht ein bis zwei Hände voll dieser Tage. Ja, da bin ikke mir sicher, die wird sich an ihren schönsten janz bestimmt erinnern. Aber ikke, mit den vielen tausend toller Tage habe es doch dadurch och tausendmal schwerer als sie. Mene Schwester, die könnte dir aus dem Effeff jarantiert sogar dat jenaue Datum, den Wochentag, höchstwahrscheinlich och die jenaue Uhrzeit dazu sagen, zusätzlich alle anwesenden Personen und was diese an diesem Tag angezogen hatten, obendrein noch dat jenaue Wetter beschreiben.

Aber ikke, wie soll ikke dat schaffen?

Nee, nee men Lieber, dat kann ken Mensch von mir erwarten. Doch jetzt, wo ikke so lang herumquatsche, habe ikke vielleicht doch ne Idee. Denn enes ist mir im Gehirn jespeichert jeblieben, schließlich fahren wir ja heute wieder nach Budapest, unsere jeliebte Stadt, nicht wahr men Schatz?“

„Ja!“, kam deutlich hörbar aus dem Munde des Gatten.

Das war das erste Mal seit einer geschlagenen Stunde, dass ihr Mann auch etwas zum Geschehen melden durfte. Nur ein einziges Wort, aber wenigstens durfte er.

„Früher, als wir noch Staatsbürger der Deutschen Demokratischen Republik waren, ja, in der Zeit durften wir nicht wie heute überall hinfahren. Nee, nee, der Staat hat da schön auf unser ener, eben seine Volksgenossen, uffjepasst. Damals durften wir nur in ausgesuchte Nachbarstaaten in den Urlaub reisen. Nur in solche, die uns natürlich och wieder in die „jeliebte“ DDR zurückließen, darauf legte unser „Honnie“ nämlich großen Wert. Der wollte uns mit seinem Staatsapparat davor schützen, dat irgendwelche westlichen „Schurkenstaaten“ wie die BRD uns dabehielten und uns nicht etwa zurück zu unseren Familien und Beruf rückreisen ließen. Nee, nee, dat wollte unser „Honnie“ janz bestimmt nicht. Klener Witz am Rande, du weißt schon wie ikke dit mene!“

Und schon wieder lachte sie lautbellend los, dass alle Fahrgäste hersahen, zwinkerte mir zu, was wohl die Zweideutigkeit ihrer Aussage noch deutlicher für Begriffsstutzige, für den sie mich offensichtlich hielt, unterstreichen sollte.

„Früher, damit mene ich vor Grenzöffnung, da machten wir bereits einmal Urlaub in Ungarn, och mit einem Zwischenstopp in der Hauptstadt. Es waren schon von jeher recht zahlreiche Westbürger auf Ferien dort. Die hatten allerdings Westwährung, wir jedoch nur unsere wertlose Ostmark, die dort kener haben wollte.

Ikke erinnere mich an en schickes Straßencafé, in dit mich damals men Schatz einlud. Nicht wahr Schatz?“

„Ja!“

Das ist schon das zweite Mal, dass er zu Wort kam.

„Wir nippten vorsichtig und recht sorgsam an unseren unbezahlbar teuren Kaffees, denn die sollten ene Weile halten. Doch die „Wessis“ am Nachbartisch ließen es ordentlich krachen und jenehmigten sich schon am frühen Vormittag wie Lottomillionäre en Gläschen Sekt nach dem anderen.

Tja, vornehm jeht die Welt zu Grunde, sag ikke nur!

Für uns war es unvorstellbar teuer und wir hätten es uns im Leben nicht leisten können, och nur en Gläschen zu naschen. Man…, was wir die „Wessis“ am Nebentisch beneidet haben! Die kamen für unser ener aus ener janz anderen Welt. Wir haben uns, nicht einmal im Traume darauf zu hoffen jetraut, es uns och enes Tages leisten zu können. Und was soll ikke sagen, als wir dann 2006 wieder unseren Urlaub in Budapest verbrachten, jab es dit Straßencafé noch immer. Mich konnten kene 10 Pferde daran hindern, mir dieses Mal och en Sektchen zum Frühstück zu jenehmigen, wenigstens ein winziges „Piccolöchen“. Näh Schatz, dit haben wir doch och jemacht, oder?“

„Ja!“

Da war es schon wieder, sein mittlerweile recht einsilbiger Beitrag zur Konversation … sein ja.

„Ikke erinnere mich jenau daran, wie glücklich ikke an jenem Tage jewesen bin. Nicht nur, dit wir reisen durften, wohin wir wollten, wir konnten mit unserem hartverdienten Jeld och etwas anfangen.

Komisch, es fällt mir erst jetzt jerade uff, wo ikke es erzähle, dit wir hinfahren können, wohin wir wollen, aber trotzdem erneut in Ungarn landen. Aber egal!

Ikke fühlte mich an jenen denkwürdigen Tag unendlich reich, frei, unabhängig und überglücklich es den damaligen „Wessis“ gleichzutun. Nicht wahr Schatz?“

Was jetzt zum vierten Mal in Folge aus seinem Mund kam, darauf gehe ich hier nun nicht mehr ein.

Aber es war für mich, bei meiner „Jagd“ eine spannende Erkenntnisse, dass der, der nur wenige glückliche Tage erleben durfte, sich angeblich leichter und auch besser an diesen Tag rückerinnern kann.

Merke: Wer wenige schöne Tage hat, kann sich besser an den glücklichsten erinnern!

Am Ende der Fahrt war ich recht erfreut aussteigen zu dürfen, denn Pauleen hat mich mit ihrem bereitwilligen Redefluss förmlich geflutet und überfordert. Jedoch bin ich ihr auch für meine Erkenntnis überaus dankbar.

Merke: Zum Glücklichsein genügt oft wenig, manchmal nur ein Glas Sekt.

Mit Oma verreisen, puh, wie langweilig!

Györ - Ungarn

Tamara Fuchs traf ich im Hotel in Ungarn, in dem wunderschönen Ort Györ. Als ich sie nach ihrer Geschichte ausfragte, fingen ihre Augen sofort an zu strahlen und zu leuchten. Meine Neugierde war spontan geweckt.