Denn nur du bist meine Welt - Rachael Stewart - E-Book

Denn nur du bist meine Welt E-Book

Rachael Stewart

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Beschreibung

Als Sebastian Dubois ihr kleines Guesthouse betritt, setzt Felicitys Herz für einen Schlag aus. Vor sechzehn Jahren hat sie ihn zuletzt gesehen! Damals war sie unsterblich in den Jungen aus dem Herrenhaus gegenüber verliebt, mittlerweile ist er ein vermögender Hotelmogul. Mehr denn je trennen sie Welten von ihm, trotzdem ist sofort die unwiderstehliche Anziehungskraft wieder da. Aber kann sie Sebastian verzeihen, dass er nach ihrer letzten, unvergesslichen Liebesnacht spurlos verschwand? Und was, wenn sie ihm ihr Geheimnis gesteht?

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Seitenzahl: 201

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IMPRESSUM

JULIA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2022 by Rachael Stewart Originaltitel: „Secrets Behind the Billionaire’s Return“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA, Band 2575 12/2022 Übersetzung: Christine Svenson

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 12/2022 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751510141

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

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1. KAPITEL

Sebastian Dubois starrte auf das massive Eisentor vor sich und wünschte sich sehnlichst, irgendwo anders zu sein.

Der Eingang zum Familienanwesen der Familie Dubois wirkte noch immer genauso abweisend, wie er ihn in Erinnerung hatte. Das Tor und auch die hohen Mauern zu beiden Seiten waren mit Metallspitzen versehen und signalisierten mehr als deutlich, dass Fremde hier nicht willkommen waren.

Familienmitglieder auch nicht, dachte Sebastian zähneknirschend.

Er fasste den Schlüsselbund in seiner Hand fester, und die scharfen Kanten drückten sich schmerzhaft in seine Handinnenfläche, während er mit sich rang.

Es war sechzehn Jahre her, seitdem er zuletzt hier gewesen war. Er war noch ein Teenager gewesen, als er seiner Heimat und seinem Zuhause den Rücken gekehrt hatte, um endlich selbst über sein Leben und seine Zukunft bestimmen zu können. Die Verantwortung, die man ihm hier hatte aufbürden wollen, hatte ihm eine Heidenangst gemacht. Außerdem hatte er damals herausgefunden, dass alles, was er über seine Familie zu wissen geglaubt hatte, eine Lüge war.

Zumindest fast alles.

Der Regen, der für Yorkshire so typisch war, prasselte gnadenlos gegen die Windschutzscheibe des Range Rovers. Das hastige Hin und Her der Scheibenwischer passte zu dem stetig zunehmenden Pochen in Sebastians Kopf.

Du bist kein unsicherer Sechzehnjähriger mehr, niemandem Rechenschaft schuldig und kein Feigling. Also drück jetzt endlich auf diesen verdammten Knopf und fahr weiter.

Es war nur ein Haus. Ein Gebäude aus Stein und Mörtel, leer und seelenlos.

Das Anwesen stand bereits seit über einem Jahr leer, und es gab niemanden mehr, vor dem er sich fürchten musste. In zwölf Monaten würde das Haus komplett umgestaltet sein, als Vorzeigeobjekt der luxuriösen Dubois-Hotelkette aus dem Dornröschenschlaf wachgeküsst.

Seiner eigenen Hotelkette.

Bei dieser Reise ging es vor allem darum, sich endlich der Vergangenheit zu stellen, um mit ihr abzuschließen. Im Grunde war es simpel – er musste ein letztes Mal sein Elternhaus besuchen, um Raum für die Zukunft zu schaffen.

Zumindest hatte es einfach gewirkt, als er sich auf den Weg hierher gemacht hatte.

Mit dem Unterarm fuhr sich Sebastian über die feuchte Stirn und musterte skeptisch den dunklen Himmel. Er war später als erwartet hier angekommen, weil sein Privatjet wegen des schlechten Wetters in New York verzögert gestartet war. Es war zwar erst halb sieben, aber durch das regnerische Wetter in Yorkshire sah es bereits aus, als wäre tiefe Nacht.

Außerdem meldete sich der Jetlag langsam bei ihm, denn er war in der vergangenen Woche beruflich auf mehreren Kontinenten gewesen. Dementsprechend war er müde, schlecht gelaunt und erschöpft – so wie Theo es vorhergesehen hatte.

Sein jüngerer Bruder, der auch sein Geschäftspartner war, hatte ihm in einem seltenen Anfall von Vernunft geraten, sich erst mal ein Hotelzimmer zu nehmen, um sich frisch und ausgeruht der Aufgabe zu stellen.

Darüber hatte Sebastian nur gelacht und behauptet, das sei reine Geldverschwendung und völlig unnötig. Und jetzt saß er hier.

„Verdammt!“ Wütend schlug er aufs Lenkrad. Er ärgerte sich über sich selbst, weil er diesen Besuch so lange vor sich hergeschoben hatte, genau wie darüber, dass die Vergangenheit noch immer solche Macht über ihn hatte.

Denn der Schriftzug auf dem Eisentor vor ihm ließ ihn innerlich erstarren.

The Ferrington Estate.

Ferrington war sein Geburtsname. Sebastian hatte ihn abgelegt, als er nach Frankreich gegangen war, um seinem Großvater, dem autoritären Familienoberhaupt, zu entkommen.

Warum stehe ich jetzt hier vor dem Eingangstor und lasse zu, dass der alte Mann noch immer Macht über mich hat?

Fluchend öffnete Sebastian das Handschuhfach und warf den Schlüsselbund wieder hinein. Er ärgert sich über seine Schwäche, aber seine Abneigung gegenüber dem alten Anwesen und seiner Vergangenheit war weitaus größer. Entschieden legte er den Rückwärtsgang ein und spürte, wie der schier unerträgliche Druck auf seiner Brust nachließ, als das Eisentor langsam in der Dunkelheit verschwand.

Doch seine Erleichterung war nur von kurzer Dauer. Sein Handy verkündete den Eingang einer Nachricht von seinem jüngeren Bruder. Er hielt an und schaute aufs Display.

Na, wie ist die alte Hütte?

Sebastian verzog das Gesicht und fuhr weiter. Darauf werde ich ganz sicher nicht antworten, Brüderchen, dachte er grimmig. Er hatte das Haus gegen Theos Rat für seine Ankunft vorbereiten lassen, der Kühlschrank war voll, die Betten gemacht, und das Personal stand bereit. Die Genugtuung, dass er es sich im letzten Moment doch anders überlegt hatte, würde er ihm nicht gönnen.

Er fuhr die gewundene Landstraße entlang und überlegte, was er jetzt tun sollte. Die Lichter des nahe gelegenen Dorfes Elmdale erschienen vor ihm in der Dunkelheit, und plötzlich musste er lächeln. Noch eine Erinnerung an seine Jugend, aber diesmal eine gute. Eine, der er sich stellen konnte.

Er drückte auf das Gaspedal, wusste jetzt, wohin er wollte. Die Scheibenwischer kämpften gegen den starken Regen, und sein Herz klopfte aufgeregt. Er erreichte den Ort am Fuß des Hügels und spähte durch den Wolkenbruch. Elmdale sah immer noch genauso aus wie damals. Zu beiden Seiten der Straße lagen Pubs und kleine Geschäfte, die rote Telefonzelle stand wie eh und je vor dem Postgebäude, der Bäcker nebenan war noch da, genau wie der Lebensmittelladen am Marktplatz, das Kriegsdenkmal und das majestätische Rathaus. In Kübeln blühten Blumen und nahmen dem durch die Jahrhunderte schwarz gewordenen Yorkshire-Sandstein das düstere Aussehen. Die Straßen lagen in der Dunkelheit und dem Regen verwaist vor ihm. Alle waren bei diesem Wetter in der gemütlichen warmen Stube.

Und dort, direkt vor ihm am Marktplatz, stand das altehrwürdige Gardner Guest House.

Ihr Zuhause, dachte er.

Der Ort, der ihm so viele Jahre ein zweites Zuhause und eine sichere Zuflucht gewesen war.

Er lehnte sich vor, um besser sehen zu können. Er war neugierig, was sich alles verändert hatte. Die Zierkirsche vor dem Haus war größer geworden und stand gerade in voller Blütenpracht. Die Eingangstür und die Fenster waren noch immer taubenblau gestrichen, und auch das alte Holzschild mit dem Namen des Gasthofs schwang noch immer davor im Wind.

Ob das Gardner Guest House noch immer ihrer Familie gehörte?

War sie vielleicht sogar hier?

Er fuhr auf den kleinen Parkplatz an der Seite des Gebäudes und parkte neben einem sehr vertraut aussehenden alten VW Käfer. Sebastian musterte das kleine gelbe Auto, das eindeutig schon bessere Tage gesehen hatte, und spürte, wie sein Puls sich beschleunigte. Da hatte er seine Antwort: Wenn ihr Auto hier stand, dann war sie sicherlich auch da.

Willst du wirklich da reingehen?

Er betrachtete das dreigeschossige Gebäude. Ein warmer Lichtschein drang aus den Fenstern, und das Haus wirkte wesentlich einladender als das Eisentor vor seinem Familienanwesen. Hier wurden Gästezimmer vermietet, und er brauchte ein Bett für die Nacht. Weshalb zögerte er also?

Die Wahrheit war – er wollte sie wiedersehen.

Dabei konnte er selbst nicht genau sagen, weshalb. Vielleicht war es Neugierde oder das Gefühl, etwas Unerledigtes beenden zu müssen, oder auch nur Erleichterung über die willkommene Ablenkung.

Er schlüpfte in seinen Mantel und stieg aus. Schnell zog er sich auch noch die Kapuze seines Pullovers über, denn es regnete mittlerweile wolkenbruchartig. Das Wetter in Yorkshire hatte er wahrlich nicht vermisst. Das Mädchen, das hier wohnte, dafür umso mehr. Er ignorierte das sonderbare Gefühl in seiner Magengegend und eilte zur Vorderseite des Gebäudes. Hastig riss er die Eingangstür auf und trat ein. Bereits auf der Schwelle konnte er das Feuer im Kamin riechen, und wohlige Wärme umhüllte ihn. Er hörte die gedämpften Stimmen und das Lachen der anderen Gäste. Doch als sie ihn bemerkten, wurde es still. Er verdrängte das unangenehme Gefühl, zu stören, und schob sich die Kapuze aus dem Gesicht, nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte.

Sebastian spürte die Blicke der Anwesenden. Vor dem Kamin saßen zwei ältere Herren und tranken Bier. Sie nickten ihm kurz zu, bevor sie sich wieder in ihr Gespräch vertieften. Ein Pärchen am Fenster nahm seine Unterhaltung ebenfalls wieder auf, und die Eltern einer fünfköpfigen Familie, die gerade in ein Brettspiel vertieft gewesen waren, lächelten Sebastian freundlich an.

Sein Blick fiel auf den verwaisten Empfangstresen.

Die Frau bemerkte seinen Blick und sagte: „Sie kommt gleich wieder, sie macht nur gerade heiße Schokolade für diese Bande.“ Sie zeigte auf ihre drei Kinder.

Sein Lächeln gelang ihm nicht so recht. Das Flattern in seiner Magengrube lenkte ihn zu sehr ab. War mit „sie“ Flick gemeint oder ihre Großmutter? Wie würden sie auf ihn reagieren? Ob sie ihn womöglich rauswarfen? Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar.

Was hatte er sich nur dabei gedacht? Hier nach sechzehn Jahren einfach unangekündigt aufzutauchen und nach einem Gästezimmer zu fragen. Er sehnte sich nach der Wärme und Geborgenheit, die er an diesem Ort früher immer verspürt hatte. Dies war immer ein freundlicher, liebevoller Ort gewesen, an dem er sich dazugehörig gefühlt hatte. Doch unangemeldet hier aufzutauchen, war ein Fehler.

Er wollte sich gerade umdrehen, um wieder zu gehen, als die Küchentür aufschwang.

„Dreimal heiße Schokolade mit allem Drum und Dran für …“

Die Frau blieb abrupt stehen und starrte Sebastian aus ihren großen blauen Augen fassungslos an.

Er wollte etwas sagen, aber sein Gehirn war wie leer gefegt.

Das Tablett, das sie in den Händen hielt, neigte sich gefährlich. Die Becher darauf begannen zu rutschen. Sebastian sprang nach vorn, aber es war zu spät. Die Becher stürzten zu Boden und zerbrachen alle drei mit lautem Krachen.

Sämtliche Gäste schraken auf.

„Du liebe Güte, Felicity, ist alles in Ordnung?“, rief einer der älteren Männer und stand auf, um ihr zu helfen.

„Alles halb so schlimm, Bill“, winkte sie ab und kniete sich hin, um die Scherben einzusammeln.

Sebastian kam ihr zu Hilfe, aber sie sah ihn nicht an. Sie schließt mich aus, dachte er. Dagegen hatte er nur Augen für sie, während er die verstreuten Porzellanscherben einsammelte.

„Ich bin gleich für Sie da, Sir“, murmelte sie. „Am besten, Sie warten solange an der Rezeption.“

Sir? Stirnrunzelnd betrachtete er sie.

„Flick?“, fragte er schließlich leise.

Endlich sah sie zu ihm auf und wiederholte schroff: „Am Tresen. Bitte.“

Sie zuckte plötzlich zusammen, und Sebastian sah, wie ein Blutstropfen aus ihrem Finger quoll. Er fühlte sich schrecklich und wollte ihr helfen, doch sie zog ihre Hand weg.

„Ich habe alles im Griff“, fauchte sie, und ihre Augen funkelten.

Sebastian wand sich innerlich, als eine Flut an Emotionen ihn überrollte. Zögernd stand er auf. „Okay, ich warte an der Rezeption.“

Sie saugte vorsichtig an ihrem verletzten Finger. Ihre Wangen waren gerötet, während sie ihm nachblickte. Dann schaute sie wieder zu Boden und schloss ihn erneut aus. So als wäre er ein Fremder. Aber vermutlich verdiene ich es nicht anders, dachte er zerknirscht.

Felicity eilte zurück in die Küche. Sie schob die Tür seitlich mit der Hüfte auf und zuckte zusammen, als sich der Türgriff schmerzhaft in ihre Seite bohrte.

Sebastian.

Er war hier – in ihrem Haus. Sie bildete es sich nicht nur ein, er war wirklich hier.

„Sebastian“, flüsterte sie ungläubig. Hastig warf sie die Scherben in den Mülleimer und versorgte ihren Finger.

Er hatte sie Flick genannt. So war sie schon ewig nicht mehr genannt worden. Nicht mehr, seitdem alle ihre Schulfreunde weggezogen waren, um ihre Träume zu verwirklichen.

Felicity presste sich die Handflächen auf die erhitzten Wangen und atmete tief durch. Sie konnte nicht fassen, dass er es war. Nach der langen Zeit.

Doch es nützte nichts, sie konnte nicht einfach hier herumstehen, sondern musste die Bescherung wegwischen und sich um ihre Gäste kümmern. Also holte sie Eimer und Wischmopp aus dem Schrank und erstarrte erneut mitten in der Bewegung, als sie sich an die stahlgrauen Augen erinnerte, die sie so durchdringend angesehen hatten. Sein kurzes dunkelblondes Haar, seine Grübchen …

In ihrem Bauch kribbelte es, wenn sie daran dachte, wie nah er ihr gewesen war.

„Mum, ist alles okay? Ich habe etwas klirren gehört.“

Felicity wirbelte herum. Sie hatte nicht damit gerechnet, gerade jetzt ihrer Tochter zu begegnen.

Angel musterte ihre Mutter aufmerksam, und ihren blauen Augen blieb natürlich nicht verborgen, wie aufgelöst sie wirkte.

„Was ist passiert?“, erkundigte sie sich besorgt.

„Nichts! Ich … ich habe ein Tablett fallen gelassen.“

„Soll ich dir helfen, das Chaos zu beseitigen?“

„Nein!“ Felicity zuckte bei ihrer schroffen Antwort selbst zusammen. Sie bemühte sich, sanfter zu klingen, als sie weitersprach: „Du hast mir diese Woche schon genug geholfen, und du musst für die Schule lernen.“

„Kein Problem, ich wollte sowieso gerade eine Pause machen.“

Felicity zwang sich zu einem Lächeln „Nein, wirklich nicht. Es ist alles in Ordnung, Süße. Ehrlich.“

Zwar sah Angel skeptisch aus, doch dann lenkte sie seufzend ein. „Na gut, wenn du meinst … Ich mache mir eine heiße Schokolade und nehme sie mit nach oben.“

„Würdest du noch drei zusätzliche machen? Mit Sahne und Topping, bitte.“

„Oh nein, sind dir die Kakaos für die O’Brien-Kinder runtergefallen?“

„Ja“, gab Felicity zu und schaute zur Tür. Sie musste wieder an Sebastian denken, der auf der anderen Seite auf ihre Rückkehr wartete.

Warum war er hier?

„Ist wirklich alles in Ordnung, Mum?“

Felicity schluckte und setzte ein munteres Lächeln auf. „Aber ja, ich bin nur etwas müde. Es war eine anstrengende Woche.“

„In einer Woche sind die Osterferien vorbei, dann kehrt wieder Ruhe ein. Dann sind wir wieder zu zweit. Nur du und ich.“

Vielleicht auch nicht …

Felicitys Gedanken wanderten zu Sebastian.

„Lass die heißen Schokoladen einfach hier stehen, ich bringe sie dann raus.“

„Mache ich.“ Angel ging zum Herd und vertiefte sich dabei schon wieder in ihr Schulbuch. Sie hatte ja keine Ahnung, wer dort im Schankraum stand, und Felicity war froh darüber. Am liebsten hätte sie selbst auch einfach so getan, als wäre alles wie immer.

Wie sollte sie Angel das alles nur erklären?

Und Sebastian?

Felicity hatte nie beabsichtigt, aus der ganzen Sache ein Geheimnis zu machen, aber Sebastian hatte ihr keine Wahl gelassen. Er war damals einfach spurlos verschwunden.

Und jetzt war er plötzlich wieder da.

Sie musste es ihm sagen.

Ihm und Angel. Beide mussten die Wahrheit erfahren.

Entschlossen öffnete Felicity die Tür zum Gastraum. Sofort spürte sie Sebastians Blick. Ihr Körper prickelte von Kopf bis Fuß, und ihr Herz klopfte wie verrückt. Ihre Gedanken rasten, und am liebsten hätte sie laut geschrien, während sie den verschütteten Kakao vom Fußboden aufwischte.

Warum war er vor sechzehn Jahren einfach verschwunden, und warum tauchte er jetzt ohne Vorankündigung wieder auf? Ausgerechnet jetzt, wo Angel sich auf ihre Abschlussprüfungen konzentrieren musste. Sie hätte ihn damals wirklich gebraucht, aber jetzt war definitiv kein guter Zeitpunkt.

Felicity versuchte, die aufsteigende Panik zu unterdrücken, und überlegte, wie sie Sebastian und Angel die ungeheuerliche Neuigkeit beibringen sollte. Was sollte sie nur sagen, um kein Chaos heraufzubeschwören? Wie überbrachte man so eine Nachricht möglichst schonend?

Sie seufzte.

Vermutlich war es völlig egal, was sie sagte – die Neuigkeit würde ihrer aller Leben ohnehin komplett durcheinanderwirbeln.

Doch sie konnte immerhin dafür sorgen, dass es in einem geschützten Rahmen stattfand. Dafür brauchten sie kein unnötiges Publikum.

„So, ihr Lieben …“, erklang da eine fröhliche Stimme.

Felicitys Herz machte einen panischen Satz, als sie Angel mit einem Tablett in der Hand aus der Küche hereinkommen sah.

„Dreimal heiße Schokoladen mit allem Drum und Dran!“

Felicity spürte, wie ihr alle Farbe aus dem Gesicht wich, während sie ihre Tochter beobachtete.

Warum hören Kinder nie, wenn man ihnen etwas sagt?

Ihre Blicke begegneten sich.

Angel schien zu bemerken, dass etwas nicht stimmte. Es bildete sich eine kleine senkrechte Falte zwischen ihren Augenbrauen, aber sie hatte jahrelange Erfahrung im Service und ließ sich nichts anmerken. Noch immer lächelnd stellte sie die Becher vor den drei Kindern auf den Tisch, was mit begeistertem Dank quittiert wurde. Sie drehte sich um, musterte ihre Mutter, dann fiel ihr Blick auf Sebastian.

„Ich bin gleich bei Ihnen“, sagte sie freundlich zu ihm. Ihr professionelles Lächeln stand im deutlichen Widerspruch zu ihrem aufmerksamen Blick. Sie ging zu ihrer Mutter.

„Mum, bringst du den Wischmopp zurück in die Küche, während ich mich um den neuen Kunden kümmere?“, fragte sie leise.

„Er ist kein … Er … Aber …“ Felicity brachte keinen zusammenhängenden Satz heraus. Sie musste sich zusammenreißen, aber Angel und Sebastian zusammen in einem Raum zu sehen, brachte sie völlig aus dem Konzept.

„Na gut, dann übernehme ich das hier, und du kümmerst dich um den Kunden, der keiner ist“, sagte Angel und nahm ihrer Mutter sanft den Mopp aus der Hand.

„Ich … Du…“

„Mum, er wird dich schon nicht beißen. Er sieht zwar echt gut aus, aber du musst doch nicht gleich so panisch aussehen“, flüsterte Angel.

„Es ist nicht …“

Wie um Himmels willen sollte sie Angel erklären, weshalb sie so reagierte? Dass es nicht an seinem guten Aussehen lag, sondern an etwas ganz anderem?

„Wer weiß, vielleicht ist er genau das, was du brauchst“, wisperte Angel mit einem Augenzwinkern, drehte sich um und ging zurück in die Küche.

Felicity atmete tief durch und wappnete sich innerlich für das Gespräch mit Sebastian. Sie hatte sich so oft ausgemalt, wie sie ihm die wichtige Neuigkeit erzählte – aber dabei war immer sie diejenige gewesen, die zu ihm gekommen war, und nicht andersherum. Dass er irgendwann wie aus dem Nichts auftauchen könnte, damit hatte sie nicht gerechnet. Darum war sie jetzt entsprechend nervös und durcheinander.

Insgeheim wünschte sie sich weit weg von hier.

Doch stattdessen musste sie einem Mann, der ihr mittlerweile völlig fremd war, erklären, dass er der Vater ihrer Tochter war.

2. KAPITEL

Sebastian hätte Flick zu gern geholfen, die Bescherung aufzuräumen, aber er biss die Zähne zusammen und hielt sich zurück. Ein schlechtes Gewissen war kein guter Ratgeber und half niemandem.

Er würde sich bei ihr entschuldigen, ihr alles erklären, und dann trennten sich ihre Wege wieder.

Mit dem Ferrington-Anwesen war es nicht anders. Er würde sich seiner Vergangenheit stellen und anschließend sein gewohntes Leben normal fortsetzen.

Während er Felicity beobachtete, regte sich allerdings ein leiser Zweifel in ihm. Sie löste ein Prickeln unter seiner Haut aus – etwas, das er schon ewig nicht mehr gespürt hatte. Es war ganz und gar nicht unangenehm. Ob er ihr so einfach wieder den Rücken kehren konnte?

„Du bist also zurück …“, sagte sie, als sie schließlich zu ihm kam. Ein paar Strähnen ihres langen kastanienbraunen Haares hatten sich aus ihrem Pferdeschwanz gelöst und umrahmten ihr blasses Gesicht.

„Ja, das bin ich.“

„Und warum?“ Sie umrundete den massiven Holztresen der Rezeption, brachte ihn wie eine Barriere zwischen sich und ihn.

Sebastian atmete tief ein.

Hieß es nicht, dass Düfte einen durch die Zeit reisen ließen? Hier stimmte das auf jeden Fall. Er war auf einmal wieder der Junge, der vor seinem Großvater und einer gehörigen Strafe davongelaufen war und sich hier versteckte. Nach dem Tod seines Vaters hatte er lange von einem schöneren Leben geträumt – so einem wie Flicks zum Beispiel.

„Nun?“, hakte Felicity nach und riss ihn damit aus seinen Gedanken.

Als er in ihre großen, aufmerksamen Augen sah, hatte er das Gefühl, darin zu versinken. Er räusperte sich. „Du vermietest doch Gästezimmer, richtig? Ich bräuchte eins.“

Ihre Augen weiteten sich überrascht. „Du … du willst hier übernachten?“

Er fuhr sich nervös mit der Hand durchs Haar. Sein Hals wurde auf einmal eng. „Ja, am besten ein paar Nächte, wenn das möglich ist.“

Sie schnaubte und schüttelte unwirsch den Kopf.

„Außerdem schulde ich dir eine Erklärung, Flick“, fügte er leise hinzu.

„Eine Erklärung?“, wiederholte sie ungläubig.

Zum Glück schenkte ihnen keiner der anderen Gäste Beachtung. Sie beugte sich dennoch etwas vor, als sie weitersprach. „Das ist nicht dein Ernst, oder? Nach sechzehn Jahren willst du mir noch irgendetwas erklären?“

„Ich möchte, dass du weißt, warum ich damals gehen musste.“

Sie stieß ein ungläubiges Lachen aus. „Okay. Einzel- oder Doppelzimmer?“

„Doppelzimmer.“

Ohne ihn anzusehen, streckte sie die Hand aus. „Ich brauche für die Buchung eine Kreditkarte.“

Er reichte ihr die Karte. Ihm fiel auf, wie sich ihre Stirn kurz in Falten legte, als sie den Namen darauf las.

„Dubois?“, erkundigte sie sich.

Er nickte.

Er sah ihr an, dass sie dazu Fragen hatte, doch sie zog nur schweigend die Karte durch das Gerät und konzentrierte sich auf die Zimmerbuchung. Dabei biss sie sich auf die Unterlippe, und Sebastian beobachtete sie fasziniert. Sie waren zwar gleich alt, aber Felicity wirkte viel frischer und jugendlicher als er. Allerdings etwas blass, seitdem sie ihn erblickt hatte.

Sie hatte einen hellen, ebenmäßigen Teint – wie eine englische Rose. Ihr Haar trug sie länger als früher, und ihre von langen schwarzen Wimpern umrahmten Augen erinnerten ihn immer noch an den strahlend blauen Himmel an einem Sommertag.

Sie trug eine enge schwarze Jeans und dazu einen kuscheligen übergroßen rosa Pullover.

Ihm war plötzlich ganz heiß.

„Ich zeige dir dein Zimmer“, sagte sie, als sie mit der Buchung fertig war.

Sebastian brauchte einen Moment, um in die Gegenwart zurückzukehren. Die Gefühle, die sie in ihm wachrief, waren ungewohnt für ihn.

Sie reichte ihm den Zimmerschlüssel, und er war froh, dass seine Finger nicht zitterten.

Was ist nur mit mir los?

Erst schaffte er es nicht, das Anwesen zu betreten, und jetzt das hier. Es musste am Jetlag liegen.

Felicity führte ihn die Treppe nach oben. Er erinnerte sich noch genau an alles. Im ersten Stock lagen rechts und links des Flures die Gästezimmer. Ob Felicity noch immer im Dachgeschoss wohnte, so wie früher? Und wo war ihre Großmutter? Er hatte hier so viel Zeit verbracht und häufig zusammen mit Flick an den Wochenenden und in den Ferien ausgeholfen. Wie oft war er diese Treppe hinauf- und hinuntergelaufen. Doch die Mühe hatte sich jedes Mal gelohnt, wenn sie am Ende mit selbst gebackenen Scones oder Shortbread von Flicks Großmutter Annie belohnt worden waren.

„Wie geht es Annie?“

Felicity strauchelte, und Sebastian befiel eine ungute Vorahnung.

„Sie ist vor zwei Jahren gestorben“, sagte sie knapp und eilte die restlichen Stufen nach oben.

Sebastian beeilte sich, hinter ihr herzukommen. „Das tut mir leid, Flick.“

Er sah die tiefe Traurigkeit in ihrem Blick.

„Sie war lange krank. Es war eigentlich eine Erlösung, als sie starb. Sie hatte starke Schmerzen.“

Sebastian hatte das Gleiche bei seiner Mutter durchlebt. Es war schlimm gewesen, zuzusehen und nichts tun zu können.

„Was hatte sie?“

„Krebs. Sie ging ja nie zum Arzt, egal wie schlecht es ihr ging. Sie hat einfach weitergearbeitet, bis … Egal. Hier ist dein Zimmer.“ Felicity blieb vor der ersten Zimmertür auf der rechten Seite stehen und beendete damit das Gespräch.

Felicity schloss die Tür auf, überreichte ihm die Schlüsselkarte und ließ ihn eintreten.

„Frühstück gibt es von acht bis zehn. Fürs Mittagessen kann man bei uns ein Picknick vorbestellen, und für abends kann ich das The Black Bull gegenüber empfehlen. Wenn du es etwas feiner möchtest …“ Sie musterte ihn.

Sofort wurde ihm eng um die Kehle, und er hätte am liebsten seine Krawatte gelockert.

„Adam and Eve’s am Ortseingang rechts ist sehr empfehlenswert. Aber in den Ferien sind sie meistens ausgebucht. Ich würde auf jeden Fall vorher anrufen.“

„Adam und Eve’s?“, erkundigte er sich mit einem amüsierten Schmunzeln.

„Ja. Erinnerst du dich noch an Nadine aus der Schule?“

„Die, die so verrückt nach romantischen Gedichten war?“