Der Aufruhr um den Junker Ernst - Jakob Wassermann - E-Book
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Der Aufruhr um den Junker Ernst E-Book

Jakob Wassermann

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Beschreibung

In 'Der Aufruhr um den Junker Ernst' von Jakob Wassermann wird die Geschichte eines jungen Junkers erzählt, der in eine politische Intrige verwickelt wird. Der Roman spielt im späten 18. Jahrhundert und verwebt geschickt historische Ereignisse mit fiktiven Charakteren. Wassermanns detaillierte Beschreibungen und seine ausgefeilte Charakterentwicklung machen das Buch zu einem Meisterwerk der deutschen Literatur. Der Autor verwendet eine elegante Sprache, die die Leser in die Welt des Adels einführt und sie gleichzeitig mit politischen Themen konfrontiert. Wassermanns Werk zeigt einen tiefen Einblick in die Gesellschaft seiner Zeit und übt zugleich subtile Kritik an den herrschenden Strukturen.

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Jakob Wassermann

Der Aufruhr um den Junker Ernst

Historischer Roman - Die Zeit der Hexenprozesse

Books

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2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-0857-9

Inhaltsverzeichnis

I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
IX
X
XI
XII
XIII
XIV
XV

I

Inhaltsverzeichnis

An einem Aprilnachmittag im dritten Jahr seiner Regierung erhielt der Bischof Philipp Adolph von Würzburg durch einen reitenden Boten die Meldung, daß seine Schwägerin, die Freifrau Theodata von Ehrenberg, am Ostersonntag auf Schloß Ehrenberg eingetroffen sei.

Eine unerwartete Botschaft; die Freifrau war acht Jahre lang beinahe verschollen gewesen. Ihr Gemahl, der Bruder des Bischofs, Chambellan gentilhomme am kaiserlichen Hof in Prag, war im Todesjahr des Kaisers Mathias beim Zweikampf mit einem Baron Wrbna verblieben und hatte nichts hinterlassen als eine Börse mit Dukaten, die man in seiner Tasche fand, außerdem Schulden über Schulden, zu deren Tilgung Philipp Adolph, damals noch Abt zu Rimpar und Domkapitular von Würzburg, angerufen wurde. Er wollte aber nicht zahlen; sein Geiz war noch größer als der Zorn gegen die leichtfertige Lebensführung des Bruders und der Schwägerin.

Die Freifrau, die sich nicht anders zu helfen wußte, schickte ihren sechsjährigen Sohn Ernst mit seiner Aja, der tauben Lenette, und dem Magister Onno Molitor auf den fränkischen Stammsitz der Familie, das am Rande des Spessarts gelegene Ehrenberger Schloß, und empfahl ihn der Obsorge des reichen Prälaten und leiblichen Oheims. Der zog saure Mienen, mußte sich aber trotz seines Ärgers in das Übel finden, da er es für seine Christenpflicht erkannte, sich des verlassenen Neffen anzunehmen. Das geschah in der Art, daß er dem Wirtschafter Wallork, dem schon seit dreißig Jahren die Verwaltung des Schlosses samt Pflege des Viehs und Einbringung der Zehnten oblag, mageres Vieh und einer notleidenden Bauernschaft mühselig erpreßter Zehnter übrigens, daß er dem also monatlich fünf Gulden rheinisch aus seiner Schatulle überweisen und dem Magister Molitor, der ihm an jedem Neujahrstag über die Fortschritte des Neffen, namentlich im Hinblick auf seine Erziehung zum rechtgläubigen Christen mündlichen Bericht erstatten mußte, fünfzehn Gulden rheinisch als jährlichen Gehalt durch den Bruder Säckelmeister auszahlen ließ. Auf Ehrenberg selbst hatte er den Fuß noch nicht gesetzt in all den Jahren; seinen Neffen gesehen oder sich sonstwie seiner angenommen hatte er auch nicht.

Von der Freifrau war ihm in der Folge nur erzählt worden, daß sie sich abenteuernd in der Welt herumtreibe. Ob es damit seine Richtigkeit hatte oder nicht, unterließ er zu erforschen, schon deswegen, weil er ihren Namen am liebsten nicht hörte. Auch den Leuten in Ehrenberg wurden nur unsichere Gerüchte über sie zugetragen, und das Auffallendste war, daß sie sich um ihren leiblichen Sohn nicht mit einem Atemzug und Federstrich kümmerte, so daß es fraglich schien, ob sie überhaupt wußte, daß er noch am Leben war. Seit ungefähr drei Jahren waren auch die jeweiligen Nachrichten über sie verstummt, und der Bischof hielt dafür, nicht ohne innere Erleichterung, daß sie in der Fremde das Zeitliche gesegnet habe.

Und nun war sie wieder da.

II

Inhaltsverzeichnis

Damit hatte es nicht sein Bewenden, daß sie dem Bischof ihre Ankunft meldete. Das hätte ihn nicht um die Ruhe gebracht, deren er zur Ausübung seines hohen Amtes und zur Auffindung, Geständigmachung und Aburteilung der Ketzer, Hexen und Zauberer so dringend bedurfte; schoß doch das grausame Unheil mit jeder Woche üppiger aus dem fluchbeladenen Boden des Landes, so daß der strafende und rettende Arm schier erlahmen wollte. Was geht ihn die Frau an, Witwe eines langverstorbenen Lüderjahns von Bruder? Mag sie kommen; mag sie wieder verschwinden; was geht ihn die an? Doch kaum vierundzwanzig Stunden später erschien abermals ein Bote, brachte abermals ein Sendschreiben, eigenhändig und dringlich von der Freifrau abgefaßt, Seine Gnaden der Herr Schwager möge dem Überreicher des Briefes fünfzig Dukaten mitgeben, zu Ehrenberg fehle es am Nötigsten, es seien unaufschiebbare Zahlungen zu leisten, wie zum Beispiel an den Fuhrknecht, der die Freifrau von Kassel bis Ehrenberg befördert habe und nun, da er auf die Entlohnung warten müsse, im Schloßhof greulich randaliere, sodann an den Medikus, den sie wegen einer Magenübelkeit aus Rimpar habe kommen lassen; bei den Leuten im Schloß aber herrsche solche Armut, daß ihr niemand aus der schlimmen Lage helfen könne.

Die kleinen hellen unruhigen Augen des Bischofs röteten sich an den Rändern, als er die Epistel gelesen hatte. Entrüstet warf er sie auf den Tisch zwischen die Arme Michel Baumgartens, des Sekretarius, eines Franziskaners, und fuhr ihn an, er solle schreiben, was er ihm diktiere, er solle keine Silbe auslassen, solle genau niederschreiben, was er ihm vorsage. Mit hastigen Schrittchen lief er ein paarmal im Zimmer querüber, zupfte mit den dürren, mit vielen Ringen geschmückten Fingern an dem schütteren Ziegenbart, der ihm vom Kinn abstand, und begann mit der kreischenden Stimme eines alten Weibes: »Euer Liebden jetzo und fürder zur Kenntnis, daß wir mit nichten gesonnen sind, dero unberechtigte Ansprüche an unsere Munifizenz zu erfüllen. Habt Ihr das? Erfüllen. Punktum. Weiter: Euer Liebden zur sachdienlichen Erinnerung … Nein. Streicht es wieder aus. Wir wollen das besser formulieren. Wollen ihr zu verstehen geben, daß wir sie als die gott-und ehrvergessene Person prästieren, die sie ist. Daß ihr Wandel unserm christlichen Ansehen zur Schande gereicht und wider Pflicht und Sitte geht. Wir wollen ihr die Prätensionen und Arroganzen an der Wurzel kürzen. Wir sind kein Leihamt. Wir halten keinen Dukatenscheißer im Spind. Wir haben genug getan, indem wir den Neveu, den sie uns aufgehalst, und seinen verschlafenen Mentor seit Jahr und Tag von unsern Ersparnissen gefüttert haben. Habt Ihr Euch das gemerkt?«

Der Mönch ließ ein devotes Knurren hören.

Aber als der Bischof fortfahren wollte, kam eine lehmige Stimme aus dem Hintergrund des Raumes. »So nicht, Herr Bischof. Ihr könnt es nicht tun. In der Weise nicht«, sagte die Stimme.

Ein großer hagerer Mann war leise durch eine Tapetentür eingetreten, der Jesuitenpater Gropp, Beichtiger und Vertrauter des Bischofs, seine rechte Hand, Exekutor seines Willens und eigentlicher Richter in allen Prozessen wider die Hexen und Magier, durch das Collegium an ihn delegiert.

Der Bischof, eingeschüchtert wie stets, wenn er sich dem Pater gegenüber befand, fragte stockend: »Wie denn sonst, Gropp? Wie sonst soll man sich solchen anverwandten Weibes entledigen? Was sonst ist Euer Rat?«

Ein verächtliches Zucken spielte um die Lippen des Paters, die aussahen als sei die Haut mit einem Messer entzweigeschnitten worden und eben im Begriff, wieder zusammenzuwachsen. Er hatte eine kegelförmig sich verjüngende Stirn, in die steife schwarze Haare hereinhingen, und ein fahlgelbes Gesicht.

»Ihr könnt die Frau nicht in expressis verbis verschimpfieren, Herr Bischof«, erwiderte er nach gemessenem Schweigen, ohne die Lider zu heben. »Ihr müßt ihr im Gegenteil dem Scheine nach die schuldige Reverenz erweisen; sie war die angetraute Gattin Eures leiblichen Bruders. Ich sage nicht, daß Ihr so weit gehen sollt, ihr das Geld zu schicken, damit hat es gute Weile, wird sie doch morgen oder übermorgen mit einem neuen Anliegen kommen, stillt man die Begehrlichkeit, so ermuntert man sie. Mich dünkt, wenn ich mich solchen Rates unterfangen darf, Ihr müßt ihr auf Ehrenberg einen Besuch abstatten. Es empfiehlt sich, dort nach dem Rechten zu schauen. Es wäre nicht unangebracht, bei der Gelegenheit einmal den Junker in Augenschein zu nehmen, über den mir allerlei verdrießliche Dinge zu Ohren gelangt sind. Vielleicht könnt Ihr dadurch eine Seele retten, die schon am Abgrund hängt. Ich gebe es nur zu bedenken, nichts anderes. Ihr könnt es nach Euerm Bessermeinen halten.«

Er verbeugte sich kalt. Er kannte die Macht seines Wortes. Er hatte Erfahrung darin, die flackernden Willensausbrüche des Bischofs erst abzukühlen und sie dann so zu unterschüren, daß sie zu folgerechtem Wirken führten.

Der Bischof strich mit den Fingerspitzen über die von Speiseresten befleckte Soutane. »Wenn Ihr glaubt, es ist vernünftig, daß ich hinüberfahre, gut, so wollen wir hinüberfahren«, murmelte er verwundert; »so wollen wir am Walpurgistag hinüberfahren. Aber bisher hat es Euch nicht von Vorteil geschienen, daß ich meinen Neveu zu mir kommen lasse oder gar ihn aufsuche …« Die Bemerkung klang schüchtern, der Bischof zerbrach sich den Kopf über die heimlichen Beweggründe des Paters. Doch der gab sich die Miene, als nehme er die Bemühung nicht wahr, und erwiderte trocken: »Bislang nicht, aber nunmehr dünkt es mich an der Zeit. Wollt nicht vergessen, daß der Junker Ernst fünfzehn Jahre alt wird und daß Ihr anfangen müßt, für seine Zukunft christliche Sorge zu tragen.«

Ein schrilles hohes Klingeln unterbrach das Gespräch zwischen dem Kirchenfürsten und dem Jesuiten. Michel Baumgarten erhob sich, schlug das Kreuz und ließ sich auf die Knie nieder, in welcher Haltung er verblieb, solang das unheimliche Glockenzirpen währte. Auch der Bischof und der Pater schlugen das Kreuz, und als vom Domplatz herauf der leiernde Gesang des Misereres in das Gelaß drang, neigten sie ihre Häupter, der Bischof in erschrockener Andacht, Pater Gropp in gewohnheitsmäßiger Düsterkeit.

Es war die Armesünderglocke, die Sänger waren Dominikanermönche, die unter Führung des Paters Gassner drei verurteilte Frauen auf den Hexenschuß vors Tor geleiteten, um ihrem Brand beizuwohnen und ihnen den geistlichen Zuspruch zu spenden.

III

Inhaltsverzeichnis

Einfach in Gewohnheiten und einfältig von Sinn und Art, ähnelte der Bischof Philipp Adolph in nichts den großen geistlichen Herren seiner Zeit. Er lebte frugal, kleidete sich ärmlich, bewohnte in dem uralten Palast hinterm Dom bloß zwei finstere Räume und nahm die Besuche vornehmer Reisender, die in seine Residenz kamen, nur an, wenn ihnen der Ruf der Frömmigkeit vorausging und sie sich frommen Trostes für bedürftig erklärten. Allem Luxus und Schaugepränge war er abhold, die kristallnen Lüster und venezianischen Spiegel in den Empfangs-Sälen hatte er bei seinem Amtsantritt mit schwarzen Tüchern verhängen lassen; das silberne und goldene Tafelgeschirr seiner Vorgänger wurde in Truhen versperrt; den meisten Dienern und Beamten des Hauses gab er den Abschied, und die Gelder für die Wirtschaft wurden auf das Unerläßliche eingeschränkt. Er haßte die öffentlichen Festlichkeiten, Volksbelustigungen, Umzüge, Fackelzüge, Musik, Tanz und Maskeraden, und da der unterfränkische Menschenschlag immer schon lebhaft und den sinnlichen Vergnügungen ergeben war, glich bereits der Anfang seiner Herrschaft einem Frosteinbruch in einen blühenden Garten.

Er war ein grundeinsamer Mann. Aber die Ursache der Einsamkeit lag nicht in philosophischer Versenkung, ebensowenig in der Weltentsagung eines von den irdischen Dingen enttäuschten und den himmlischen zugewendeten Gemüts. Furcht hatte sie erzeugt. Beschränkten Geistes und dumpfen Herzens, hatte er sich gänzlich in den Wahn verloren, daß der Mensch rundum von Dämonen umstellt sei. Früh war das gewachsen, genährt von der Zeit, begünstigt von allem, was in ihr schrecklich und verworren war, und schlug seine Wurzeln in Denken und Traum hinein. Wenn solcher Hang in ihm gebändigt geblieben war, solang er das behagliche Dasein eines Kloster-Prälaten geführt hatte, jetzt, als Beherrscher eines Landes, Gebieter über viele Tausend Seelen, war ihm keine Grenze gesetzt und kannte er keine Schonung in dem Kampf.

Er war von Dämonenangst und Dämonenglauben so umfangen, daß er bei jedem Schritt, den er tat, vor dem nächsten zitterte. Der Stein unter seinem Fuß, der Balken über seinem Kopf hatten das Aussehen der Bezauberung. Die Luft, die er atmete, konnte magisch vergiftet sein, das Buch, in dem er las, das Kissen, auf dem er schlief. Weder Gebet noch Kasteiung boten Schutz. Das wollte aber noch nichts bedeuten gegen die von Menschen drohende Gefahr, von denen, die sich zur Vernichtung des Reiches Gottes verschworen hatten, die das Vieh behexten, verderbliche Sprüche wußten, zum Opfermahl der Baalim flogen, die ihre unmündigen Kinder unter die Botmäßigkeit des geschwänzten Teufels zwangen, rasend machende Tränke in den Wein mischten, die heilige Hostie mißbrauchten, die Herden des Sabbats hüteten, mit Scheingold zahlten und mit dem Incubus grausige Fratzen zeugten.

Erwog er das Treiben der Menschen, so festete sich nur die Gewißheit von der um sich greifenden Macht Luzifers. Das Volk vom Unheil zu erretten, darauf allein stand sein Sinn. Mißernte, Hagelschlag, Dürre, Überschwemmung, Aufruhr, Hungersnot, Krieg, Pestilenz: alles hatte nur Eine Quelle, alles Übel und Verbrechen, aller Hader, alle Krankheit und zugefügte Kränkung, häuslicher Verdruß, eheliche Untreue, Ketzerei und Häresie, Trunkenheit, Wollust, Diebstahl und Wucher. Es kam immer nur darauf an, den Schuldigen zu finden, den, der mit den Dämonen im Bunde war, der das Mal an sich trug, den Gezeichneten, den Vermaledeiten, Mann oder Weib oder Kind oder Greis oder Jud oder Christ.

Konnte es schwer sein, ihn zu finden, da doch allenthalben Finger auf ihn wiesen? Auf wen? Nun auf den, der sich gerade hervortat. Auf den besten Schützen zum Exempel. Auf den geschicktesten Uhrmacher zum andern. Auf einen Bücherwurm oder friedlichen Herumstreicher. Auf einen, der bösen Gewissens schien, einen, dem Hoffart zu Kopf gestiegen war. Auf den armen Häusler, der den reichen Nachbar haßte, den Reichen, der dem Bettler das Almosen weigerte, die Jungfrau, die zudringliche Bewerber ausschlug, den Studenten, der im Geruch der Freigeisterei stand, das alte Weib, das Mann, Sohn und Enkel überlebte, den Gelehrten, der nach griechischer Weisheit forschte, die Dirne, die den Ehefrauen ihre Männer abspenstig machte, die züchtige Gattin, die einem frechen Galan die Tür gewiesen, den Bauern, der in der Scheune geflucht hatte.

Das Holz im Ofen wollte nicht brennen, im Haus wohnte eine mißliebige Person, sie hatte das Holz verhext, sie war die Hexe, wachsame Augen haben sie nachts durch das Schlüsselloch schlüpfen sehn. Der Blitz versehrt die Mauer, die Magd hat ihn gerufen, manche wußten freilich, daß sie vom Herrn geschwängert war und daß er sie los wurde, wenn er sie den Hexenrichtern anzeigte. Leicht konnte ein Mann begangene Untat verschleiern, wenn er ein Weib bezichtigte, daß es mit dem Satan Buhlerei trieb. Dabei wurde die Habsucht gereizt, da er drei Gulden Angeberlohn bekam und vom Nachlaß der Justifizierten, was Ketzergericht, weltliches Gericht, Kirche und Profoß übrig ließen. Es machte sich bezahlt, obschon es ihn vor gleichem Los nicht schützte.

Verdacht war auf allen Wegen. In schreckensvoller Erwartung waren die Augen gegeneinander gekehrt. Neid wurde Schrecken (für den Beneideten), Bewunderung erzeugte Schrecken (für den Bewunderten), Liebe konnte auf dem Scheiterhaufen enden, in jeder fröhlichen Geselligkeit lauerte der Verräter, bis es schließlich keine Geselligkeit mehr gab und die Menschen einander mieden.

Viele natürlich glaubten nicht an Zauberkunst und Hexenspuk, oder glaubten nur halb und sicherten sich durch Schweigen und Mittun. Im Volk aber war kein Licht, kein besser belehrtes Herz. Sie mußten es über sich ergehen lassen, ihre Geschäfte betrieben sie im Brandgeruch der Leichen, wenn sie nicht über den Geständigen jubelten, schleifte sie der Henker selber auf den Richtplatz, von der Arbeit weg, aus dem Ehebett heraus, gleichviel. Am unerschütterlichsten glaubte der Bischof. In den Schlupflöchern seines Aberwitzes, drin er wühlte wie eine hungrige Ratte, fahndete er nach den von den Schwarmgeistern der Hölle verführten Seelen. Sie verübten Raub an Gott und an der Kirche, ihm war auferlegt, das Geraubte wieder einzubringen, auch die Seelen selber. Die Seelen mußten aus der dämonischen Umklammerung befreit werden, hiezu gab es kein anderes Mittel als Verhör, Folter und Feuertod. So war die Übung im ganzen römischen Reich. Der heilige Vater gebot es, der Kaiser bewilligte es, die geistlichen Kollegien priesen es, erleuchtete Tribunale und hochgelehrte Codices legitimierten es, und die protestantische Welt war darin mit der katholischen nicht nur eines Sinnes, sondern übertraf sie noch im Eifer der Verfolgung. Es war ein eisenfingriges System, dem keine vom Teufel besessene Fliege entschlüpfen konnte.

IV

Inhaltsverzeichnis

Das Treiben des Bischofs wäre wahrscheinlich planlose Raserei geblieben wie das so vieler anderer, gelegentlich aufflammende Leidenschaft ohne Steigerung ins Äußerste, wäre der Pater Gropp nicht gewesen, der die wild schießende Saat in die Scheune brachte und auf der großen Mühle mahlte, deren Räder durch das ganze Jahrhundert donnerten, denn es waren Menschenseelen, aus denen da Ewigkeitsbrot gebacken werden sollte.