Der Behandlungsvertrag nach §§ 630a-h BGB - Erik Hahn - E-Book

Der Behandlungsvertrag nach §§ 630a-h BGB E-Book

Erik Hahn

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Beschreibung

Dieses Werk erläutert in systematischer Darstellung die rechtlichen Grundsätze des Behandlungsvertrages. Dabei werden u.a. die folgenden Themengebiete behandelt: Vertragspartner und Wesen des Behandlungsvertrages, öffentlich-rechtliche Sonderverhältnisse, Vertragsschluss, Behandlung, Dokumentation, Haftung und Beweislast sowie die ärztlichen und patientenseitigen Pflichten. Materien wie das IPR des Behandlungsvertrages, Sonderbereiche spezieller Behandlungsformen sowie die ärztliche Schweigepflicht in der Arztpraxis und im Krankenhaus bilden weitere Schwerpunkte. Die mit Fragen des Patientenrechtegesetzes und der Arzthaftung befassten Rechtsanwälte, Richter, Krankenhausträger und -verwaltungen, die Mitarbeiter von gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen ebenso wie Ärzte oder Studenten der Rechtswissenschaft oder Medizin finden, so wie Pflegepersonal oder Patienten, alle wichtigen rechtlichen Bereiche erläutert. Das Werk eignet sich daher zur Einarbeitung in die behandelten Themen sowie als Nachschlagewerk zur konkreten Beantwortung von Einzelfragen und schließlich als Ausbildungslektüre für den Schwerpunkt an der Universität, den Fachanwaltslehrgang Medizinrecht oder die Pflegeberufe. Auf dem Stand 2024 bietet das Handbuch eine grundlegende Darstellung sämtlicher medizinrechtlicher Fragestellungen. Herr Professor Bernd-Rüdiger Kern ist emeritierter Professor für Zivilrecht an der Universität Leipzig und Begründer sowie langjähriger wissenschaftlicher Leiter des LL.M. Studienganges Medizinrecht an der Dresden International University. Er ist als einer der führenden Begründer des Medizinrechts durch zahlreiche Publikationen auf diesem Gebiet ausgewiesen und anerkannt und führt gemeinsam mit den zahlreichen weiteren praxiserfahrenen, spezialisierten und namhaften Autoren dieses Werk konkret als Praktikerhandbuch ein.

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Der Behandlungsvertrag nach §§ 630a–h BGB

Herausgegeben von

Prof. Dr. Bernd-Rüdiger KernProfessor (em.) an der Universität Leipzig

Claudia Holzner, LL.M. (Dresden International University)Rechtsanwältin, Fachanwältin für Medizinrecht, Hamburg

Weitere Autoren:

Prof. Dr. Dr. Erik HahnProfessor Gesundheitsrecht und Sozialrecht an der Hochschule Zittau/Görlitz, Stellvertretender Institutsdirektor

Dr. Anja HoubenRechtsanwältin, Fachanwältin für Medizinrecht, Leipzig

Lucia KretschmerRechtsanwältin Leipzig

Dr. Andreas Manok, LL.M. (Dresden International University)Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Ravensburg

Dr. Marcel ReuterRichter am Amtsgericht Döbeln

Dr. Denise Wiedemann, LL.M. (Lissabon)Wissenschaftliche Referentin Leiterin des Kompetenzzentrums Lateinamerika, Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, Hamburg

Verlag W. Kohlhammer

1. Auflage 2024

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-035330-5

E-Book-Formate:

pdf: ISBN 978-3-17-035331-2

epub: ISBN 978-3-17-035332-9

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro­verfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

Dieses Werk erläutert in systematischer Darstellung die rechtlichen Grundsätze des Behandlungsvertrages. Dabei werden u.a. die folgenden Themengebiete behandelt: Vertragspartner und Wesen des Behandlungsvertrages, öffentlich-rechtliche Sonderverhältnisse, Vertragsschluss, Behandlung, Dokumentation, Haftung und Beweislast sowie die ärztlichen und patientenseitigen Pflichten. Materien wie das IPR des Behandlungsvertrages, Sonderbereiche spezieller Behandlungsformen sowie die ärztliche Schweigepflicht in der Arztpraxis und im Krankenhaus bilden weitere Schwerpunkte.

Die mit Fragen des Patientenrechtegesetzes und der Arzthaftung befassten Rechtsanwälte, Richter, Krankenhausträger und -verwaltungen, die Mitarbeiter von gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen ebenso wie Ärzte oder Studenten der Rechtswissenschaft oder Medizin finden, so wie Pflegepersonal oder Patienten, alle wichtigen rechtlichen Bereiche erläutert. Das Werk eignet sich daher zur Einarbeitung in die behandelten Themen sowie als Nachschlagewerk zur konkreten Beantwortung von Einzelfragen und schließlich als Ausbildungslektüre für den Schwerpunkt an der Universität, den Fachanwaltslehrgang Medizinrecht oder die Pflegeberufe.

Das Autorenteam setzt sich aus renommierten Fachexperten auf dem Gebiet des Medizinrechts zusammen, die ihr profundes Wissen und ihre langjährige Erfahrung in dieses Werk einfließen ließen.

Vorwort zur Ersten Auflage

Vor zehn Jahren wurde das Patientenrechtegesetz erlassen. Nunmehr erscheint ein Handbuch dieses Gesetzes auf dem Büchermarkt, nicht als erstes, aber mit dem Anspruch, Dogmatik und Praxis zu vereinen. Als Gemeinschaftswerk hat es mehr Zeit erfordert als ursprünglich vorgesehen. Die arbeitsmäßige Belastung der Autoren und mannigfache berufliche Veränderungen waren dem Projekt nicht förderlich. Einige geplante Verfasser verließen das Vorhaben, neue kamen hinzu. Auch wenn das Patientenrechtegesetz im Wesentlichen auf der älteren Rechtsprechung und Literatur beruht, gab es doch einige neue Probleme, die nunmehr schon berücksichtigt werden konnten, ohne alle Irrwege nachzeichnen zu müssen. Da es sich um ein Gemeinschaftswerk handelt, lassen sich einzelne Überschneidungen und unterschiedliche Meinungen nicht immer vermeiden und sollen es auch nicht.

Dank schulden Herausgeber und Autoren Frau Alexandra Steppacher für ihre immer einmal wieder erforderliche Geduld und Aufmunterung. Wertvolle Hilfe in vieler Hinsicht leistete Frau Rechtsanwältin Lucia Kretschmer.

Herbst 2023 Hamburg und TauchaClaudia Holzner und Bernd-Rüdiger Kern

Inhaltsverzeichnis

Vorwort zur Ersten Auflage

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Teil A:Grundlagen

Kapitel I:Das Patientenrechtegesetz

Kapitel II:Vertragspartner

A.Behandelnder

I.Grundlagen

II.Erfasste Berufsgruppen

III.Ambulante Behandlung

IV.Stationäre Behandlung

B.Patient

I.Grundlagen

II.Kassen- und Privatpatient, sonstige öffentlich-rechtliche Kostenträger

III.Mitverpflichtete/-berechtigte Ehegatten und Lebenspartner nach § 1357 BGB und § 8 LPartG

IV.Minderjährige Personen

Kapitel III:Behandlungsvertrag und internationales Privatrecht

A.Grundlagen

B.Anwendbares Recht nach der Rom I-VO

I.Grundanknüpfung nach Art. 4 Abs. 1 lit. b) Rom I-VO

II.Behandlungsvertrag als Verbrauchervertrag nach Art. 6 Rom I-VO

III.Zulässigkeit und Grenzen einer Rechtswahl

IV.Verhältnis des Vertragsstatuts nach der Rom I-VO zum Deliktsstatut

V.Reichweite des Vertragsstatuts und Spezialanknüpfungen für medizinrechtliche Sonderfragen

Kapitel IV:Wesen des Vertrages

A.Wesen des Behandlungsvertrages nach der älteren Rechtsansicht

B.Wesen des Behandlungsvertrages nach dem Patientenrechtegesetz

I.Einleitung

II.Privatrechtliches Rechtsverhältnis

III.Behandlungsvertrag als Dienstvertrag

IV.Werkvertragsrecht im Rahmen von Gesundheitsbehandlungen

C.§ 630b BGB

I.Art und Systematik des Behandlungsvertrages

II.Anwendbare Vorschriften

D.Besondere Formen des Behandlungsvertrages

I.Einleitung

II.Der Zahnarztvertrag

III.Die Schönheitsoperationen und die wunscherfüllende Medizin

IV.Die Sterilisation

V.Die Kastration

VI.Die Geschlechtsumwandlung/Die Einwilligung des Minderjährigen hierzu gemäß § 1631e BGB

VII.Der Schwangerschaftsabbruch

VIII.Die Schwangerschaftsberatung zur Indikationsfeststellung

IX.Der Schwangerschaftsbetreuungsvertrag/Pränatale Diagnostik

X.Die Präimplantationsdiagnostik (PID)

XI.Die Schwangerschaftsverhütung

XII.Die künstliche Befruchtung

XIII.Das Humanexperiment

XIV.Die Organentnahme

XV.Die Implantation künstlicher Organe

XVI.Der verkürzte Versorgungsweg

E.Öffentlich-rechtliche Sonderverhältnisse

I.Hoheitliche oder privatrechtliche Tätigkeit des Arztes

II.Das dualistische Anspruchssystem des Schadensausgleichs und die Amtshaftungstatbestände bei hoheitlichem ärztlichem Handeln

Kapitel V:Vertragsschluss

I.Allgemeines

II.Vertragsschlusskompetenz/Stellvertretung/Vertrag zugunsten Dritter

III.Vertragsschlussfreiheit/Kontrahierungszwang

IV.Form

V.Nichtigkeit des Vertrages gemäß §§ 134, 138 BGB

VI.Anfechtbarkeit

VII.Bestätigung eines nichtigen Behandlungsvertrages

VIII.Einbeziehung von AGB

Teil B:Pflichten des Behandlungsvertrages

Kapitel VI:Pflichten des Arztes

A.Die Pflicht des Arztes zur Behandlung nach Standard gem. § 630a Abs. 1 BGB

I.Die Behandlung nach Standard

II.Die Problematik von Leitlinien

III.Der sozialrechtliche Standard im Behandlungsvertrag

B.Die Behandlung außerhalb des Standards gem. § 630a Abs. 2, 2. Halbsatz BGB

I.Einleitung

II.Freie Therapiewahl

III.Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB’s) und die Grundsätze der Rechtsprechung

IV.Auswirkungen der Rechtsprechung zum „Off-Label-Use“

V.„Off-Label-Use“ im stationären Bereich

VI.Ergebnis und Ausblick

C.Einzelne Behandlungspflichten des Arztes gem. § 630a BGB

I.Einleitung.

II.Persönliche Leistungserbringung.

D.Organisationspflichten

I.Einleitung

II.Allgemeine Organisationspflicht

III.Besondere Organisationspflichten

IV.Folgen bei Organisationspflichtverletzungen

E.Die ärztliche Informationspflicht gem. § 630c BGB

I.Das Zusammenwirken beider Vertragsparteien gemäß § 630c Abs. 1 BGB

II.Die ärztliche Informationspflicht gemäß § 630c Abs. 2 Satz 1 BGB

III.Die Information über eigene Behandlungsfehler des Arztes gemäß § 630c Abs. 2 Satz 2 BGB

IV.Keine Informationspflicht des Arztes über eigene Behandlungsfehler im Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren gemäß § 630c Abs. 2 Satz 3 BGB

V.Ärztliche Informationspflicht bezüglich der Behandlungskosten gemäß § 630c Abs. 3 Satz 1 BGB

VI.Die Subsidiarität hinsichtlich Formanforderungen gemäß § 630c Abs. 3 Satz 2 BGB

VII.Der Verzicht auf die Informationspflicht gemäß § 630c Abs. 4 BGB

VIII.Das Verhältnis von § 630c BGB „Die Mitwirkung der Vertragsparteien; Ärztliche Informationspflichten“ zu § 630e BGB „Aufklärungspflichten“

IX.Die Informationspflicht bei ausschliesslich fremdsprachigen Patienten

F.Einwilligung nach Aufklärung („informed consent“)

I.Einwilligung

II.Einwilligung durch einen Vertreter

III.Einwilligung mittels einer Patientenverfügung

IV.Einwilligung in Notfällen

V.Widerruf der Einwilligung

VI.Aufklärung

VII.Aufklärender, § 630e BGB – Aufklärungspflichten

VIII.Aufzuklärender

IX.Form der Aufklärung

X.Zeitpunkt der Aufklärung

XI.Verständlichkeit der Aufklärung gemäß § 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB

XII.Inhalt und Umfang der Aufklärung

XIII.Unterlagenaushändigung

XIV.Verständlichkeit der Aufklärung gemäß § 630e Abs. 4 BGB i. V. m. 630d Abs. 1 Satz 2 BGB

XV.Entbehrlichkeit der Aufklärung gemäß § 630e Abs. 3 BGB

G.Die ärztliche Dokumentationspflicht gem. § 630f BGB

I.Begriff

II.Rechtslage

III.Rechtsgrundlagen

IV.Zweck, Funktionen, Entstehung und Verständlichkeit der ärztlichen Dokumentation

V.Umfang der Dokumentation

VI.Form der Dokumentation

VII.Zeitpunkt der Dokumentation

VIII.Pflegeakte

IX.Aufbewahrung der Krankenunterlagen

X.Unterlassene Dokumentation

XI.Rechtsfolgen der Verletzung der Dokumentationspflichtverletzung

H.Das Einsichtnahmerecht des Patienten gem. § 630g BGB

I.Das Einsichtnahmerecht des Patienten gemäß § 630g BGB

II.Einsichtsberechtigte Personen

III.Der Umfang des Einsichtsrechtes des Patienten

IV.Der Schuldner des Einsichtnahmeanspruchs

V.Die Grenzen des Einsichtsrechtes des Patienten gemäß § 630g Abs. 1, 2. Halbsatz BGB

VI.Die Art und Weise der Einsichtnahme in die ärztliche Dokumentation

VII.Der Anspruch auf Einsichtnahme in die ärztliche Dokumentation gemäß Art. 15 Abs. 1, 2. Halbsatz, Variante 1 DSGVO

VIII.Das postmortale Einsichtsrecht

I.Die ärztliche Schweigepflicht gem. §§ 203 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 204 StGB

I.Die ärztliche Schweigepflicht gemäß §§ 203 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 204 StGB

II.Der Tatbestand des § 203 StGB – Verletzung von Privatgeheimnissen

III.Die Rechtswidrigkeit der Straftat

IV.Ergebnis

J.Sonstige ärztliche Pflichten

I.Verwahrung

II.Testamentserstellung

Kapitel VII:Pflichten des Patienten

A.Zahlungspflicht des Patienten gem. § 630a Abs. 1 BGB

I.Die Bezahlung der ärztlichen Vergütung

II.Ärztliche Zahlungsklage

III.Ärztliche Rechnung

IV.Konstellationen des vertrags- und privatärztlichen Abrechnungsbetruges

B.Sonstige Pflichten des Patienten gem. § 630c Abs. 1 BGB

I.Einleitung

II.Pflichten gegenüber dem Behandler

III.Pflichten gegenüber Kranken-, Sozialversicherung

Teil C:Die Haftung des Behandelnden

Kapitel VIII:Haftung

A.Einführung

B.Haftungsgrundlagen

I.Vertragliche Haftungsgrundlagen

II.Deliktische Haftung

C.Haftungstatbestände

I.Behandlungsfehler

II.Haftung wegen unwirksamer Einwilligung

III.Haftung infolge unzureichender wirtschaftlicher Aufklärung

IV.Verletzung der Offenbarungspflicht

V.Dokumentationsmängel

D.Kausalität, Zurechnungszusammenhang

I.Haftungsbegründende Kausalität

II.Haftungsausfüllende Kausalität

III.Zurechnungszusammenhang

E.Geschützter Personenkreis

F.Rechtsweg, Aktivlegitimation

G.Haftungsbeschränkungen

H.Haftungsumfang

I.Grundsätze

II.Materieller Schaden

III.Immaterieller Schaden

I.Mitverschulden des Patienten

J.Verjährung

K.Prozessuale Besonderheiten im Arzthaftungsprozess

I.Amtsermittlungsgrundsatz

II.Einholung medizinischer Sachverständigengutachten

III.Spezialkammern für Arzthaftungssachen

IV.Berufungsverfahren

L.Ausblick

Kapitel IX:Beweislastregeln

A.Kausalität

I.Einführung

II.Äquivalenz/Adäquanz/Schutzzweck der Norm

III.Das rechtmäßige Alternativverhalten

IV.Grenzen der Einstandspflicht bei einer späteren Zweitschädigung

V.Haftung für psychische Verläufe/besondere Anfälligkeit des Patienten

VI.Kausalität und Mitverschulden

VII.Medizinischer Gutachter und Kausalität

B.Beweislastregeln

I.Beweislast bei voll beherrschbaren Risiken

II.Beweis des Vorliegens der Einwilligung und der Aufklärung

III.Hypothetische Einwilligung

IV.Beweiserleichterung bei unvollständiger Dokumentation

V.Beweislast bei mangelnder Befähigung des Behandelnden

VI.Beweislastumkehr bei grobem Behandlungsfehler

Stichwortverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

a. A.andere Auffassungabl.ablehnendABlAmtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Abs.AbsatzAcPArchiv für civilistische Praxis a. F.alte FassungAHRSArzthaftpflicht-RechtsprechungArt.ArtikelArztRArztrecht BAGEEntscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bamberger/RothH. G. Bamberger/H. Roth, Kommentar zum Bürgerlichen GesetzbuchBecker/Kingreen, SGB V Komm.GKV Kommentar zum SGB V – Gesetzliche KrankenversicherungBeckOGKBeck’scher Online-Großkommentar zum ZivilrechtBeckOK-ÄrzteZVBeck'scher Online-Kommentar zur Zulassungsverordnung von VertragsärztenBeckOK-BGBBeck’scher Online-Kommentar zum BGBBeckOK-StGBBeck'scher Online-Kommentar zum StGBBeckOK-STPOBeck'scher Online-Kommentar zur StPOBeckOK-StVollzGBeck'scher Online-Kommentar zum Strafvollzugsrecht BundBeckOK-ZPOBeck'scher Online-Kommentar zur ZPOBeckRS BeckRechtsprechung, abrufbar in der Online-Datenbank des C. H. Beck-Verlags (www.beck-online.de)Bergmann/Wever, Die ArzthaftungK. O. Bergmann u. C. Wever, Die ArzthaftungBGBl IBundesgesetzblatt Teil I BGHStEntscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen BR-Drs.Drucksache des Deutschen Bundesrates BRegBundesregierungBRJBonner Rechtsjournal Brüggemeier, HaftungsrechtG. Brüggemeier, Haftungsrecht: Struktur, Prinzipien, SchutzbereichBSGEEntscheidungen des Bundessozialgerichts BStBlBundessteuerblatt BVerfGEEntscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Clausen/Schroeder-Printzen, MHbBs. MünchAnwHdb MedRDeutsch/Spickhoff, MedR-HdBE. Deutsch u. A. Spickhoff, MedizinrechtDMWDeutsche Medizinische Wochenschrift DÖDDer Öffentliche Dienst ErmanW. Erman, Handkommentar zum Bürgerlichen GesetzbuchFrahm/Walter, ArzthaftungsrechtW. Frahm u. A. Walter, ArzthaftungsrechtFranzki, Der BehandlungsvertragD. Franzki, Der BehandlungsvertragGeiß/Greiner, ArzthaftpflichtrechtK. Geiß u. H.-P. Greiner, ArzthaftpflichtrechtGrünebergGrüneberg (vormals: Palandt) Bürgerliches Gesetzbuch u. EGBGB, Kurzkommentar 82. Aufl. 2023GuPGesundheit und Pflege HK-AKMHeidelberger Kommentar zum Arztrecht, Krankenhausrecht, Medizinrecht, hrsg. V. H.-J. Rieger, F. J. Dahm, Ch. Katzenmeier, M. H. Stellpflug u. O. ZieglerHolzner, DatenschutzC. Holzner, Datenschutz, Dokumentations- und Organisationspflichten in der ärztlichen Praxis, 2020HRRJuristische RundschauHuster/Kaltenborn, KrankenhausrechtPraxishandbuch Krankenhausrecht, hrsg. V. St. Huster u. M. KaltenbornIgl/Welti/Nebendahl, GesundheitsRG. Igl, F. Welti, M. Nebendahl u. a., GesundheitsrechtJaeger, PatientenrechtegesetzL. Jaeger, Kommentar zum PatientenrechtegesetzJansen, Der Medizinische StandardCh. Jansen, Der Medizinische StandardJauernigKommentar zum BGB, hrsg. V. R. StürnerJRJuristische RundschauJorzig, ArzthaftungHandbuch des Arztrechts, hrsg. v. A. Jorzig Jura, JURAJura – Juristische AusbildungjurisPK-BGBJuris Praxiskommentar zum BGB, hrsg. V. M. HerbergerJuSJuristische Schulung, Zeitschrift für Studium und Ausbildung JZJuristenzeitung Katzenmeier, ArzthaftungCh. Katzenmeier, ArzthaftungKern/Laufs, AufklärungA. Laufs, B.-R. Kern, Die ärztliche Aufklärungspflicht Kern, GenDGGendiagnostik Kommentar, hrsg. v. B.-R. KernKröber/Dölling/Leygraf/Saß Handbuch der forensischen Psychiatrie H.-L. Kröber, D. Dölling, N. Leygraf u. H. Saß, Handbuch der forensischen PsychiatrieKrV, KritVKritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und RechtswissenschaftLackner/Kühl, StGB Kommentarbegr. v. E. Dreher, fortgef. v. K. Lackner u. K. Kühl, Kommentar zum StrafgesetzbuchLarenz, SchuldRK. Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. 1: Allgemeiner Teil, Bd. 2: Besonderer TeilLaufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrechtbegr. v. A. Laufs, fortgef. v. Ch. Katzenmeier, u. V. Lipp, ArztrechtLaufs/Kern/Rehborn, HdB ArztRHandbuch des Arztrechts, begr. v. A. Laufs u. W. Uhlenbruck, hrsg. v. B.-R. Kern u. M. RehbornLK-StGBLeipziger Kommentar zum StGB, hrsg. v. G. Cirener, H. Radtke, R. Rissing van Saan, Th. Rönnau u. W. SchluckebierLMKKommentierte BGH-Rechtsprechung, hrsg. v. F. Lindenmaier u. P. MöhringMartis/Winkhart, ArzthaftungsrechtR. Martis u. M. Winkhart-Martis, ArzthaftungsrechtMBO-Äs. Ratzel/Lippert/Prütting, MBO-Ä KommentarMDRMonatsschrift für Deutsches Recht MedRMedizinrecht MedstraZeitschrift für Medizinstrafrecht MünchAnwHdb MedRMünchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, begr. v. M. Terbille, hrsg. v. T. Clausen u. J. Schroeder-PrintzenMünchKommMünchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, hrsg. v. F. Säcker, R. Rixecker, H. Oetker, B. Limperg, Band 5MünchKomm-ZPOMünchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, hrsg. v. G. Lüke/P. WaxMusielak/Voit, ZPOKommentar zur Zivilprozessordnung, hrsg. v. H. J. Musielak u. W. Voitm. weit. Bsp.mit weiteren Beispielenm. w. N. mit weiteren Nachweisenm. zust. Anm.mit zustimmender AnmerkungNJOZNeue Juristische Online-Zeitschrift NJWNeue Juristische Wochenschrift NJW-RRNJW-Rechtsprechungsreport Zivilrecht NJW-SpezialNeue Juristische Wochenschrift Spezial NStZNeue Zeitschrift für Strafrecht NStZ-RRNeue Zeitschrift für Strafrecht, Rechtsprechungs-Report NWBNWB Steuer- und Wirtschaftsrecht NZANeue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht NZA-RRNZA-Rechtsprechungsreport NZFamNeue Zeitschrift für Familienrecht NZSNeue Zeitschrift für Sozialrecht OLG, OLGZEntscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen einschl. der freiwilligen Gerichtsbarkeit openJurJuristische Rechtsprechungsdatenbank, abrufbar unter www.openjur.dePauge/Offenloch, ArzthaftungsrechtB. Pauge u. Th. Offenloch, ArzthaftungsrechtPrütting, MedizinrechtMedizinrecht Kommentar, hrsg. v. D. PrüttingQuaas/Zuck/Clemens/Gokel, MedizinrechtM. Quaas, R. Zuck, Th. Clemens u. J. M. Gokel, MedizinrechtRaap, WehrrechtWehrrecht, hrsg. v. Ch. RaapRatzel/Lippert/Prütting, MBO-KommR. Ratzel, H.-D. Lippert u. J. Prütting, Kommentar zur MBO-Ä Ratzel/Lissel, Hdb d MedizinschadensrechtsHandbuch des Medizinschadensrechts, hrsg. v. R. Ratzel u. P. M. LisselRatzel/Luxenburger, HdBMedRechtHandbuch Medizinrecht, hrsg. v. R. Ratzel u. B. LuxenburgerRDGRechtsdepesche für das Gesundheitswesen RDVRecht der Datenverarbeitung RGRKDas Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes. Kommentar, hrsg. v. Mitgliedern des BundesgerichtshofesRGStEntscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen RGZEntscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Schnapp/Wigge, HdB d VertragsarztrechtsHandbuch des Vertragsarztrechts – das gesamte Kassenarztrecht, hrsg. v. F. E. Schnapp u. P. WiggeSchönke/Schröder, StGBKommentar zum StGB, begr. v. A. Schönke u. H. SchröderSimitis/Hornung/Spiecker, DatenschutzrechtKommentar zur DSGVO und zum BDSG, hrsg. v. Sp. Simitis, G. Hornung u. I. SpieckerSozialrecht aktuellSozialrecht aktuell Spickhoff, MedizinrechtMedizinrecht Kommentar, hrsg. v. A. SpickhoffStauf, Wehrrecht IIIW Stauf, Wehrrecht IIITerbille/Clausen/Schroeder-PrintzenMedizinrecht s. MünchAnwHdb MedRUleer/Miebach/Patt, GOÄ-KommentarAbrechnung von Arzt- und Krankenhausleistungen, hrsg. v. Ch. Uleer, bearb. v. J. Miebach u. J. PattUlsenheimer/Gaede, Arztstrafrecht Arztstrafrecht in der Praxis, begr. v. K. Ulsenheimer, fortgef. v. K. GaedeVersR VersicherungsrechtJuristische Rundschau für die IndividualversicherungVSSRVierteljahresschrift für Sozialrecht VuRVerbraucher und Recht Wenzel, HdB Fachanwalt MedizinrechtHandbuch des Fachanwalts Medizinrecht, hrsg. v. F. WenzelZEuPZeitschrift für Europäisches Privatrecht ZEVZeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge ZJSZeitschrift für das Juristische Studium ZMGRZeitschrift für das gesamte Medizin- und Gesundheitsrecht Zöller, ZPO KommentarKommentar zur ZPO, begr. v. R. ZöllerZRPZeitschrift für Rechtspolitik Zust.zustimmend

Literaturverzeichnis

Diesbezüglich wird auf die einzelnen Kapitel verwiesen.

Teil A:Grundlagen

Kapitel I:Das Patientenrechtegesetz

Schrifttum:

Bundesministerium der Justiz und des Bundesministeriums für Gesundheit, Stellungnahme der maßgeblichen Patientenorganisationen nach SGB V § 140f zum Referentenentwurf für ein Patientenrechtegesetz, 6.2.2012, https://www.bag-selbsthilfe.de/aktuelles/nachrichten/detail/news/stellungnahme-der-massgeblichen-patientenorganisationen-nach-140-f-sgb-v-zum-referentenentwurf-fuer-ein-patientenrechtegesetz-des-bundes-ministeriums-der-justiz-und-des-bundesministeriums-fuer-gesundheit, zuletzt abgerufen am 13.4.2023; Deutsch, Deutsche Sonderwege zur Arzthaftung, NJW 2012, 2009; Hart, in: Rieger (Hrsg.), Heidelberger Kommentar Arztrecht, Krankenhausrecht, Medizinrecht Loseblatt, Stand: Dezember 2021, 68. Aktualisierung, April 2017, Patientenrechte (Nr. 4015); Kern, in: Jorzig (Hrsg.), Handbuch Arzthaftungsrecht. Fehlerkategorien, Schadensregulierung, Mandats- und Verfahrensgestaltung, Praxistipps, 2. Aufl. 2021; Katzenmeier, Die Rahmenbedingungen der Patientenautonomie, MedR 2012, 576; Preis/Schneider, Das Patientenrechtegesetz – eine gelungene Kodifikation?, NZS 2013, 281; Rehborn/Gescher, in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020; Reuter/Hahn, Der Referentenentwurf zum Patientenrechtegesetz – Darstellung der wichtigsten Änderungsvorschläge für das BGB, Versicherung und Recht, 2012, 247; Spickhoff, Patientenrechte und Patientenpflichten – Die medizinische Behandlung als kodifizierter Vertragstypus, ZRP 2012, 65; Thole/Schanz, Die Rechte der Patienten – transparent, verlässlich und ausgewogen, RDG 2013, 64; Wagner, Kodifikation des Arzthaftungsrechts?, VersR 2012, 789; Wagner, in: Saecker/Rixecker/Oetker/Limperg (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Band 5, 8. Aufl. 2020; Walter, Das neue Patientenrechtegesetz. Praxishinweise für Ärzte, Krankenhäuser und Patienten, 2013.

1Bisher existierten in Deutschland die Patientenrechte in zahlreichen Einzelgesetzen. Noch größere Bedeutung kam indessen der Rechtsprechung zu. Dieser Zustand wurde durch das am 26. Februar 2013 in Kraft getretene „Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten“1 (Patientenrechtegesetz)2 beendet, das die bereits bestehenden Rechte der Patienten in einem Gesetz bündelte. Ein Patientenrechtegesetz in dem Sinne, dass unter diesem Titel ein Gesetz gefunden werden kann, gibt es nicht. Vielmehr handelt es sich dabei um ein sogenanntes Artikelgesetz, dessen Artikel Änderungen anderer Gesetze enthalten. Im Wesentlichen wurden die §§ 630a–630h in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) eingefügt. Weitere Änderungen betreffen das SGB V. Diese Vorschriften sind für den Patienten von weitaus größerer Bedeutung als für den Arzt.3

2In der lang andauernden Diskussion um die Notwendigkeit eines solchen Gesetzes und seine Vorstellungen über den Inhalt wichen diese durchaus stark voneinander ab. Unter Patientenrechten können zum einen die Rechte des Patienten in der Behandlung beim niedergelassenen Arzt oder in der Klinik verstanden werden. Im Jahr 2021 wurden in Deutschland rund 78,4 Millionen Personen ambulant von Ärzten behandelt; geschätzt wurden 715,8 Millionen Behandlungsfälle gezählt. Insbesondere die Patientenschutzverbände verstehen unter den Patientenrechten indessen die Rechte des Patienten im Konfliktfall. Gemessen an dieser Gesamtzahl der Behandlungsfälle liegt die Zahl der durch die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen, aber auch durch andere Stellen festgestellten Fehler mit 10.000 Fällen pro Jahr zwar im Promillebereich. Gutachter der Krankenkassen stellten in 3.221 Fällen ärztliche Behandlungsfehler mit gesundheitlichen Schäden für Patienten fest. In 2.696 Fällen war der Fehler auch Ursache für den Schaden. Die Dunkelziffer hingegen dürfte beträchtlich höher liegen.4 Je nach Definition können und müssen daher andere Forderungen an den Inhalt eines Patientenrechtegesetzes gestellt werden. Die Reform hat sich zu Recht dafür entschieden, die Arzt-Patienten-Beziehung im normalen Ablauf zu regeln, weniger die Konfliktfälle. Sie sind in den Beweislastregeln des § 630h BGB enthalten.

3Kontroverser als der Inhalt wurde bisher die Frage diskutiert, ob ein solches Gesetz notwendig sei, zumal es weithin nur den bestehenden, durchaus ausreichenden Rechtszustand in Gesetzesform gieße.5 Die Begründung der Bundesregierung lautete, dass die Patienten durch die ausdrückliche Aufnahme ihrer Rechte in das BGB besser über ihre Rechte informiert seien; eine Annahme, die nach der Vorlage der ersten Entwürfe in Fachkreisen bezweifelt wurde. Das primäre Ziel des Patientenrechtegesetzes war es, das Informationsgefälle zwischen Arzt und Patient einzuebnen sowie die Appellfunktion und die Präventivwirkung der Haftung zu stärken.6 In der Gesetzesbegründung wurde ausdrücklich klargestellt, dass „sämtliche in den BGB-E §§ 630a bis 630h dargelegten Pflichten bereits durch die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Arzthaftung, durch das Grundgesetz, durch die Berufsordnung der Ärzte sowie durch weitergehende besondere Gesetze geregelt sind.“7

4Aus Sicht der Ärzteschaft stand ein anderer Gesichtspunkt im Vordergrund, nämlich der, dass die gesetzgeberischen Unwägbarkeiten unter einer anderen Regierungskoalition grösser hätten ausfallen können und dass das Vorhandensein des Gesetzes in der aktuellen Fassung wahrscheinlich eine weitere zeitnahe Beschäftigung mit dem Thema verhindern würde.8

5Das Patientenrechtegesetz selber hat weder wesentliche Neurungen des Arztrechtes im engeren Sinne noch des Medizinrechts im weiteren Sinne hervorgebracht, sondern sich auf das Arzthaftungsrecht konzentriert. Dies bezieht sich fast ausschließlich auf das im Rahmen der allgemeinen Deliktshaftung nach §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB ff. i. V. m. Schutzgesetz gebildete Richterrecht. Die Stellung des Patienten hat es dabei allenfalls marginal verbessert.9

6Die Aufnahme des Behandlungsvertrages durch die §§ 630a ff. BGB hat auch durch die vorgenommenen Änderungen im Sozialrecht10 nur einen unwesentlichen Zuwachs an Rechten für die Patienten beinhaltet, was nicht zuletzt die Ursache der geteilten Reaktionen hierauf war.11 Vielfach gerügt wurde, dass die Kodifizierung eher eine Momentaufnahme des Richterrechts darstellen würde, wodurch die „Entwicklungsoffenheit des Arzthaftungsrechts in bedauerlicher Weise beschnitten“ werden würde.12 Die Ziele des Gesetzgebers, Rechtssicherheit, Transparenz und Rechtsdurchsetzung zu bewirken, oder die Hoffnung, durch eine Kodifizierung zur Rechtsdurchsetzung beizutragen, seien jedenfalls durch oder nach einigen Jahren des Patientenrechtegesetzes nicht erreicht worden.13

7Eine Reform wird somit bereits seit dem Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes konträr diskutiert. Ein wesentlicher Ansatz zur Stärkung der Patientenrechte könnte darin gesehen werden, die Beweisführung bei Behandlungs- und Aufklärungsfehlern zu erleichtern und zu diesem Zweck entweder die Beweislast umzukehren oder das Beweismaß abzusenken. Derzeit ist die beweisrechtliche Situation der Patienten gegenüber ihren Vertragspartnern im Haftungsprozess schwieriger als in Rechtsstreitigkeiten bei anderen Verträgen. So werden Patienten, die dem Arzt einen Fehler nachweisen, im Prozess diesen verlieren, auch wenn der Gutachter z. B. im Rahmen der Kausalität eine Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent bestätigt, dass der Fehler für den eingetretenen Gesundheitsschaden ursächlich war. Erforderlich wäre deswegen mindestens eine Angleichung an Regelungen anderer Vertragsbereiche, in denen im Rahmen einer Haftung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ausreicht. Zudem stellt die derzeitige ärztliche Verpflichtung, nur auf Nachfrage der Patienten den Behandlungsfehler nach § 630c BGB aufzuklären oder, falls dieses zur Abwehr gesundheitlicher Gefahren erforderlich sein sollte, durchaus eine ungerechtfertigte Benachteiligung dar. Aufgrund der Unwissenheit der Patienten wird diesen so die Möglichkeit genommen, diesbezüglich rechtliche Maßnahmen ergreifen zu können. Hier wäre z. B. an die Regelung einer gesetzlichen Aufklärungspflicht zu denken, um gesetzlichen Vernebelungstaktiken wirksam begegnen zu können.

8Jedenfalls könnte z. B. eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ für den Nachweis des Ursachenzusammenhangs zwischen Fehler und Schaden für die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen genügen und ein Abrücken von der bisher „weit überwiegenden Wahrscheinlichkeit“ nötig werden. Ob eine Reform sowohl die vollständige Beweislastumkehr zugunsten des Patienten oder auch nur die Absenkung des Beweismaßes zum Gegenstand haben wird – wenn eine der Alternativen denn überhaupt umgesetzt wird – bleibt nach dem derzeitigen Stand der Diskussion in der Rechtslehre unklar.

Kapitel II:Vertragspartner

Übersicht

Rn.  

A.

Behandelnder

9–37

I.

Grundlagen

9–12

II.

Erfasste Berufsgruppen

13–23

III.

Ambulante Behandlung

24–34

1.

Einzelpraxis

24

2.

Gemeinschaftliche Berufsausübung und Kooperation

25–34

a)

Organisationsgemeinschaft/Berufsausübungsgemeinschaft/Praxisverbund

25–28

b)

Kooperation in Form von Partnerschafts- oder Kapitalgesellschaften

29

c)

Behandlung in einem medizinischen Versorgungszentrum (MVZ)

30

d)

Ambulante Behandlung in Eigeneinrichtungen der Kassenärztlichen Vereinigungen, Kommunen oder Krankenkassen

31, 32

e)

Ambulante Behandlung in/durch Krankenhäuser(n), Sozialpädiatrische Zentren, Pflegeeinrichtungen und Behandlungszentren

33, 34

IV.

Stationäre Behandlung

35–37

1.

Einheitlicher/totaler Krankenhausaufnahmevertrag

35

2.

Totaler Krankenhausaufnahmevertrag mit Arztzusatzvertrag

36

3.

Gespaltener Krankenhausaufnahmevertrag

37

B.

Patient

38–55

I.

Grundlagen

38–41

II.

Kassen- und Privatpatient, sonstige öffentlich-rechtliche Kostenträger

42

III.

Mitverpflichtete/-berechtigte Ehegatten und Lebenspartner nach § 1357 BGB und § 8 LPartG

43, 44

IV.

Minderjährige Personen

45–55

Schrifttum:

Bäune, Die Persönliche Leistungserbringung im Krankenhaus, MedR 2014, 76 ff.; Bayer, Ärztliche Dokumentationspflicht und Einsichtsrecht in die Patientenakten, 2018; Bayer, Anmerkung zu BSG, Urt. v. 8.9.2015 – B 1 KR 36/14 R (LSG Bad.-Württ.), MedR 2016, 213 f.; Bender, Das Verhältnis von ärztlicher Schweigepflicht und Informationsanspruch bei der Behandlung Minderjähriger, MedR 1997, 7 ff.; Braun, Die Zulässigkeit von ärztlichen Fernbehandlungsleistungen nach der Änderung des § 7 Abs. 4 MBO-Ä, MedR 2018, 563 ff.; Braun, U.K. Limited – eine Rechtsform für Ärzte?, MedR 2007, 218 ff.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, 7. Aufl. 2014; Ehmann, Praxisgemeinschaft/Gemeinschaftspraxis, MedR 1994, 141 ff.; Erb, Die Kodifikation des Behandlungsvertragsrechts im BGB, 2017; Geiß/Greiner(Hrsg.), Arzthaftpflichtrecht, 8. Aufl. 2022; Hahn, Bleaching, professionelle Zahnreinigung und Zahnschmuck – Ästhetisch motivierte Maßnahmen und der Begriff der „Zahnheilkunde“, MedR 2010, 485 ff.; Hahn, Telemedizin und Fernbehandlungsverbot – Eine Bestandsaufnahme zur aktuellen Entwicklung, MedR 2018, 384 ff.; Hahn/Reuter, Der Referentenentwurf zum Patientenrechtegesetz – Darstellung der wichtigsten Änderungsvorschläge für das BGB, VuR 2012, 247 ff.; Hebecker/Lutzi, Omnis definitio periculosa est, MedR 2015, 17 ff.; Henssler/Krüger (Red.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 4, Schuldrecht Besonderer Teil II, 7. Aufl. 2016; Heller, Telemedizinische Behandlungen – Dokumentationspflichten und Haftungsfragen, KH-J 2018, 101 ff.; Huster, Leistungserbringung an den Schnittstellen der Versorgung, VSSR 2018, 1 ff.; Huster/Kaltenborn (Hrsg.), Krankenhausrecht, 2. Aufl. 2017; Janda, Medizinrecht, 3. Aufl. 2016; Kaeding/Schwenke, Medizinische Behandlung Minderjähriger – Anforderungen an die Einwilligung, MedR 2016, 935 ff.; Katzenmeier, in: Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK-BGB, 65. Ed. v. 1.3.2023; Katzenmeier, Der Behandlungsvertrag – Neuer Vertragstypus im BGB, NJW 2013, 817 ff.; Katzenmeier, Kapitalgesellschaften auf dem Gebiet der Heilkunde, MedR 1998, 113 ff.; Kern, Einwilligung in die Heilbehandlung von Kindern durch minderjährige Eltern, MedR 2005, 628 ff.; Koch, Beweislastumkehr bei grobem Behandlungsfehler eines Tierarztes, NJW 2016, 2461 ff.; Lauf/Birck, Minderjährige als Partei des Behandlungsvertrags, NJW 2018, 2230 ff.; Laufs†/Kern/Rehborn (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, 5. Aufl. 2019; Laufs†/Katzenmeier/Lipp (Hrsg.), Arztrecht, 7. Aufl. 2015; Mäsch, Umkehr der Kausalitätsbeweislast bei einem groben Pflichtenverstoß – Gefährliche Ausdehnung der BGH-Rechtsprechung, NJW 2017, 2080 ff.; Neelmeier, Einvernehmliche Unterschreitung medizinischer Behandlungsstandards, NJW 2015, 374 ff.; Preis/Schneider, Das Patientenrechtegesetz – eine gelungene Kodifikation?, NZS 2013, 281 ff.; Prütting/Prütting, Medizin- und Gesundheitsrecht, 2018; Quaas/Zuck/Clemens/Gokel, Medizinrecht, 4. Aufl. 2018; Ratzel/Möller/Michels, Die Teilgemeinschaftspraxis – Zulässigkeit, Vertragsinhalte, Steuern –, MedR 2006, 377 ff.; Rehborn, Sind „Behandelnde“ immer „Behandelnde“? Zum Begriff des Behandelnden im Sinne der §§ 630a ff. BGB, in: Steinmeyer/Roeder/von Eiff (Hrsg.), Medizin – Haftung – Versicherung, Festschr. für Bergmann, 2016, 209 ff.; Rehborn, Patientenrechtegesetz 2013 – Behandlungsvertrag, Mitwirkung, Information, Einwilligung, Aufklärung, MDR 2013, 497 ff.; Rehborn, Das Patientenrechtegesetz, GesR 2013, 257 ff.; Schinnenburg, Passivlegitimation im Arzthaftungsprozeß bei ambulanter Behandlung, MedR 2000, 311 ff.; Reuter, Der Abschluss des Arztvertrages durch einen minderjährigen Patienten, 2017; Schlosser, Der gespaltene Krankenhausaufnahmevertrag bei wahlärztlichen Leistungen, MedR 2009, 313 ff.; Schnapp/Wigge (Hrsg.), Handbuch des Vertragsarztrechts, 3. Aufl. 2017; Stürner (Hrsg.), Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch – Kommentar, 17. Aufl. 2018; Spickhoff, Aktuelle Rechtsfragen des medizinischen Behandlungsverhältnisses: Zivilrechtsdogmatische Überlegungen de lege lata und de lege ferenda, 2004; Spickhoff (Hrsg.), Medizinrecht, 3. Aufl. 2018; Spickhoff, Einwilligungsfähigkeit und Geschäftsfähigkeit von Minderjährigen im Kontext medizinischer Behandlungen, FamRZ 2018, 412 ff.; Spickhoff, Wahlärztliche Leistungen im Krankenhaus: Leistungspflicht und Haftung, NZS 2004, 57 ff.; Spickhoff/Seibl, Die Erstattungsfähigkeit ärztlicher Leistungen bei Delegation an nichtärztliches Personal, NZS 2008, 57 ff.; Terbille/Clausen/Schroeder-Printzen (Hrsg.), Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, 2. Aufl. 2013; Wagner, in: Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2020; Walter, Das neue Patientenrechtegesetz, 2013; Wigge, Medizinische Versorgungszentren nach dem GMG, Zulassung, Rechtsformen, Trägerschaft, MedR 2004, 123 ff.

A.Behandelnder

I.Grundlagen

9§ 630a Abs. 1 BGB bezeichnet den Vertragspartner1 des Patienten als „Behandelnden“ und beschreibt ihn zugleich als denjenigen, der „die medizinische Behandlung eines Patienten“ zusagt. Er wird zur Leistung der versprochenen Behandlung verpflichtet, sodass die tatsächliche Ausführung durch die rechtliche Ebene überlagert wird. Kommen mehrere Personen als Versprechende in Betracht, ist der „Behandelnde“ nach den allgemeinen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln.2 Charakteristisch für den Behandelnden i. S. v. § 630a Abs. 1 BGB ist nach dem Gesetzeswortlaut nicht die unmittelbare persönliche Leistungserbringung, sondern die subjektive vertragliche Verpflichtung zur Behandlung.3 Beide Eigenschaften können, müssen aber nicht in derselben Person vereinigt sein.4 Dieser Weg wurde durch den Gesetzgeber des Patientenrechtegesetzes 2013 bewusst gewählt, um auch weiterhin eine Personenverschiedenheit von Zusagendem und Ausführendem zu ermöglichen.5 Er war zudem – ungeachtet der faktischen Wirkung der §§ 630a ff. BGB als neue Zentralnormen des Medizinrechts und der damit verbundenen Ausstrahlung auf andere Bereiche – durch die systematische Stellung der Vorschriften im Bereich der vertraglichen Schuldverhältnisse auch geboten.6 Eine abweichende Interpretation des „Behandelnden“ im Kontext von Vertrags- und im Deliktsrecht sowie bei einer ausschließlich öffentlich-rechtlich organisierten Behandlung ist daher möglich. Gleichzeitig entfernt sich der gesetzliche Begriff dadurch vom allgemeinen Sprachgebrauch, nach dem der ausführende Arzt regelmäßig als Behandelnder angesehen wird.7

10Neben § 630a Abs. 1 BGB enthalten auch die §§ 630c bis 630h BGB den Begriff des „Behandelnden“, verwenden diesen aber nicht immer konsistent.8 Während die in den §§ 630c bis 630g BGB enthaltenen Pflichten und die in § 630h Abs. 4 BGB geregelte Beweislastumkehr bei mangelnder Befähigung9 – etwa durch Einbindung eines Erfüllungsgehilfen10 nach § 278 BGB – an den Versprechenden gerichtet sein können,11 werfen insbesondere die Fehleroffenbarungspflicht des „Behandelnden“ und das daran anknüpfende Verwertungsverbot zugunsten des „Behandelnden“ aus § 630c Abs. 2 BGB Fragen nach dem richtigen Adressaten der Norm auf.12 Eine Ausrichtung allein am Vertragspartner würde den „nur“ ausführenden Behandelnden von der Offenbarungspflicht freistellen und die Norm durch dessen individuelle Sachkenntnis erheblich entwerten. Solche Konsistenzbrüche finden sich bereits in den Materialien zum Patientenrechtegesetz: Dort wird der Behandelnde einmal als „derjenige [bezeichnet], der die medizinische Behandlung eines Patienten zusagt“,13 während nur drei Sätze später davon ausgegangen wird, dass „der Behandelnde behandelt“.14 Noch deutlich schwerer mit dem Gesetzeswortlaut in Einklang zu bringen ist die Aussage des Gesetzgebers, „dass sich die eine Vertragspartei zu der medizinischen Behandlung […] durch einen Behandelnden verpflichtet“.

11Weithin unerheblich ist diese Unterscheidung etwa bei der von einem Einzelarzt selbst betriebenen Praxis, da dieser regelmäßig alle genannten Merkmale in sich vereint.15 Er schließt den Behandlungsvertrag, wird zur Leistung verpflichtet und führt diese weithin selbst aus. Im Falle der gemeinschaftlichen Berufsausübung (z. B. in einer Gemeinschaftspraxis) oder bei einer Behandlung in einer Einrichtung (z. B. in einem Krankenhaus) besteht dagegen – abweichend von der Vermutung nach den §§ 630b, 613 BGB –16 regelmäßig keine Identität zwischen dem Behandlungsverpflichteten und der unmittelbar ausführenden Person.

12Obwohl der Hauptanwendungsbereich der §§ 630a ff. BGB bei der ärztlichen und zahnärztlichen Tätigkeit liegen dürfte und weite Teile der mit dem Patientenrechtegesetz in das BGB gelangten Regelungen der Kasuistik des Arzthaftungsrechts entnommen wurden,17 ist ihre Geltung nicht auf eine bestimmte Personengruppe begrenzt. Entscheidend ist vielmehr die konkrete Pflichtenlage. Mit Ausweitung telemedizinischer Anwendungen durch die berufsrechtliche Öffnung in § 7 Abs. 4 MBO-Ä18 dürften zudem künftig neue Schwierigkeiten bei der Identifikation des Behandelnden zu erwarten sein.19

II.Erfasste Berufsgruppen

13Durch den Verzicht auf eine Aufnahme des Arztbegriffs in § 630a BGB ist dieser gegenüber anderen Berufsgruppen offen. Ebenso wurde auch in allen weiteren durch das Patientenrechtegesetz eingeführten Regelungen von einer Nennung des Arztes als zentrale Figur abgesehen. Nicht ganz konsequent ist hier allein § 630f Abs. 2 S. 2 BGB, der die Aufnahme von „Arztbriefen“ in die Patientenakte vorschreibt. Das gilt insbesondere für die Bereiche, in denen auch anderen Berufsgruppen – wie etwa psychologischen Psychotherapeuten – eine selbstständige Ausübung der Heilkunde (ohne vorherigen Arztkontakt) gestattet ist. Zumindest in der Gesetzesbegründung wird aber deutlich, dass § 630a Abs. 1 BGB grundsätzlich professionsoffen zu verstehen ist.20 Neben Ärzten und Zahnärzten werden dort psychologische Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (allesamt zur selbstständigen Heilkundeausübung berechtigt: § 2 BOÄ, § 1 ZHG und § PsychThG) ausdrücklichen dem Anwendungsbereich der Norm zugeordnet.21 Dasselbe gilt auch für den nicht approbierten Heilpraktiker nach § 1 HPG.22

14Neben den klassischen Heilberufen sollen auch die von Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG ebenso erfassten Angehörigen der Heilhilfsberufe23 bzw. Gesundheitsfachberufe zu den Behandelnden i. S. d. § 630a Abs. 1 BGB zählen.24 Ungeachtet der damit aufgeworfenen Frage25 nach der uneingeschränkten Übertragbarkeit der in das BGB überführten Rechtsprechung zum „Arztvertrag“ auf andere (abweichend qualifizierte) Berufsgruppen ist zumindest zu berücksichtigen, dass diese häufig (aber nicht ausschließlich) in die von einem Dritten zugesagte Behandlungsausführung eingebunden sind. In diesem Fall werden nicht sie, sondern der leistungsversprechende Dritte zum Behandelnden. Entscheidend ist auch hier die Person, die sich zur Ausführung der Behandlung verpflichtet.

15Zur genannten Berufsgruppe zählen z. B.:

–  Hebammen und Entbindungspfleger (HebG)

–  Masseure und medizinische Bademeister (MPhG)

–  Physiotherapeuten (MPhG)

–  Ergotherapeuten (ErgThG)

–  Logopäden (LogopG)

–  Diätassistenten (DiätAssG)

–  Podologen (PodG)

16Insgesamt erweist sich eine Beschreibung des Behandelnden durch die Typisierung von Berufsgruppen nicht als zielführend und löst sich zudem von der durch den Wortlaut vorgegebenen Orientierung an der vertraglichen Pflichtenlage. Maßgeblich sind nach § 630a Abs. 1 BGB nicht die subjektiven Eigenschaften des Zusagenden, sondern das von dieser Person Versprochene. Handelt es sich dabei um eine „medizinische Behandlung“, ist der qualifikationsoffene Begriff „Behandelnder“ unabhängig von der Berufsgruppe erfüllt.

17Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollen vom Begriff der „Behandlung“ nicht nur präventive, diagnostische, kurative oder lindernde Heilbehandlungen, sondern auch kosmetisch/ästhetisch veranlasste medizinische Maßnahmen erfasst werden. Wer diese zusagt, kann ebenfalls Behandelnder sein.26 Gleiches gilt auch für rein religiös motivierte Eingriffe ohne medizinische Indikation.27 Behandelnder ist daher auch der Versprechende einer Knabenbeschneidung i. S. v. § 1631d BGB.28

18Die Aufnahme der Heilhilfsberufe/Gesundheitsfachberufe in den Anwendungsbereich von § 630a Abs. 1 BGB und die Orientierung an einer nicht mit dem Heilkundebegriff des § 1 Abs. 2 HPG gleichzusetzende „medizinische Behandlung“ führt allerdings zu erheblichen Unschärfen des Tatbestands. Eine „medizinische Behandlung“, insbesondere, wenn sie auch von den Angehörigen der Heilhilfsberufe zugesagt werden kann, ist etwas anderes als eine, hauptsächlich durch ihre Gefährlichkeit für den Patienten charakterisierte,29 Heilkundeausübung. Auch wenn etwa die in der Literatur angesprochene Zusage von „Friseurleistungen“30 sicher aus dem Tatbestand herausfällt, verläuft die Untergrenze der „medizinischen Behandlung“ doch fließend. Das zeigt sich etwa an der im Schrifttum vorgeschlagenen formalen Abgrenzung, nach der (zumindest) das nichtärztliche Tätowieren oder Piercen nicht als versprochene Behandlung einzuordnen sei,31 obwohl diese – abhängig von der Ausführung im Einzelfall – als erlaubnispflichtige Heilkunde i. S. v. § 1 Abs. 2 HPG eingestuft werden kann.32 Ebenso soll es sich bei einem (Schwangeren-)Yoga-Kurs – vorbehaltlich zusätzlicher Abreden –33 regelmäßig nicht um die Ausführung eines Behandlungsvertrags nach § 630a BGB handeln, da diesem „konkrete anamnestische, diagnostische oder einzeltherapeutische Vorgehensweise […] gerade nicht immanent, sondern fremd“34 seien. Ein Rettungssanitäter handelt bei der Entscheidung, „einen Notarzt hinzuzuziehen oder den Kläger umgehend in das nächstgelegene Krankenhaus zu transportieren“,35 medizinisch i. S. d. Anwendungsbereichs der §§ 630a ff. BGB, während dieses bei der „Herstellung der Transportfähigkeit des Patienten und dessen anschließender Beförderung“36 nicht der Fall sei.

19Insgesamt ist die Berufsoffenheit der Regelung aber unverzichtbar. Zum einen schützt sie den Patienten durch die Regelungen des Behandlungsvertragsrechts auch (oder insbesondere) dann, wenn der Versprechende keine hinreichende Qualifikation für die von ihm zugesagte Behandlung aufweist.37 Ist dem Patienten dieser Umstand beim Vertragsschluss bekannt, kann sich das aber im Einzelfall auf den einzuhaltenden (ggf. abgesenkten) Standard nach § 630a Abs. 2 BGB auswirken.38 Zum anderen ist der Verzicht auf besondere Berufsqualifikationen beim Behandelnden erforderlich, um auch institutionelle Versprechende (z. B. Krankenhäuser oder medizinische Versorgungszentren) zu erfassen, die über keine subjektive (allenfalls derivative) Berufsqualifikation verfügen (können). Aus diesem Grund kann etwa auch ein Arbeitgeber, der seinen Mitarbeitern eine Grippeschutzimpfung durch seine angestellten Betriebsärzte verspricht, im Einzelfall zum Behandelnden i. S. v. § 630a Abs. 1 BGB werden.39 Erforderlich ist der weite Anwendungsbereich auch für die Leistungserbringung in der arbeitsteiligen Medizin,40 bei der der Versprechende nicht immer selbst über alle zur Leistungsausführung erforderlichen Qualifikationen verfügt.

20Der Begriff des „Behandelnden“ in § 630a Abs. 1 BGB verlangt keine Legalität des Versprechens. Aus diesem Grund fällt etwa auch die selbstständige Ausübung der Heilkunde i. S. v. § 1 II HPG durch eine dazu nicht berechtigte Person in den Anwendungsbereich der Norm. Eine Begrenzung erfolgt hier allenfalls durch das Verbot sittenwidriger Verträge nach § 138 Abs. 1 BGB41 und den – aber nicht in jedem Fall zur Nichtigkeit führenden – Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB.42

21Keine unmittelbare Anwendung finden die Regelung auf Personen, die reine Pflege- und Betreuungsleistungen zusagen.43 Zu diesen zählen etwa – vorbehaltlich eines Auftretens als Versprechender und nicht nur als Delegationsempfänger im Rahmen einer von Dritten zugesagten medizinischen Hauptleistung – Gesundheits- und Krankenpfleger nach dem KrPflG, Altenpfleger44 nach dem AltPflG (gemeinsam ab 1.1.2010 im PflBG) und die Berufsgruppe der Pflegehelfer. Ungeachtet dieser ausdrücklichen Begrenzung wendet die Rechtsprechung einzelne der eigentlich nur für Behandelnde i. S. v. § 630a Abs. 1 BGB gedachten Regelungen des BGB bzw. deren tragende Grundsätze entsprechend auf andere Personen an. Das betrifft etwa das Einsichtsrecht45 nach § 630g BGB in die Patientenakte einer Eigeneinrichtung der Krankenkasse (§§ 76 Abs. 1 S. 3, 140 SGB V) sowie die Beweislastumkehr nach § 630h Abs. 5 BGB bei grober Verletzung von Pflichten aus einem Hausnotrufvertrag,46 bei grob pflichtwidriger Aushändigung47 von Medikamenten durch einen Apotheker, bei grober Vernachlässigung der Badeaufsicht48 in einem Schwimmbad und beim groben Behandlungsfehler eines Tierarztes.49 Dagegen sei eine analoge Anwendung auf einen klassischen Yoga-Kurs50 oder unterlassene Erste-Hilfe-Maßnahmen des Lehrers51 im Sportunterricht ausgeschlossen.

22Bereits in der Gesetzesbegründung ausdrücklich vom Anwendungsbereich ausgeschlossen wurden Apotheker und Tierärzte.52 Dies folgt bei Tierärzten aus dem Umstand, dass es sich – insbesondere wegen der Ausrichtung der §§ 630a ff. BGB am Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen –53 bei den Patienten des Behandelnden i. S. v. § 630a Abs. 1 BGB nur um Menschen handeln soll.54 Der Ausschluss für Apotheker folgt dagegen aus der ihnen fehlenden Befugnis zur Behandlung von Patienten.55 Die im letztgenannten Argument angelegte Bezugnahme auf die Berechtigung ist jedoch nicht konsistent. Überzeugend ist es vielmehr, den Ausschluss von Apothekern auf den Umstand zu stützen, dass diese (zumindest im Regelfall) keine medizinische Behandlung versprechen.56 Wird eine solche Leistung – verbotenerweise – trotzdem versprochen,57 kann auch der Apotheker ein Behandelnder i. S. v. § 630a Abs. 1 BGB sein.58 Dasselbe gilt etwa für einen Tierarzt, der nach abgelegter Akkupunkturprüfung für den Bereich der Tiermedizin auch Menschen behandelt.59

23Die Sinnhaftigkeit des Tatbestandsausschlusses von Tierärzten ist zweifelhaft, da das Recht der Tiermedizin schon vor Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes die übertragbaren Grundsätze des Humanmedizinrechts nachvollzogen hat.60 Es war daher zu erwarten61 und in der Gesetzesbegründung zudem angelegt,62 dass die Rechtspraxis den partiellen Gleichlauf beider Bereiche beibehält. Der BGH63 hat diese Möglichkeit inzwischen aufgegriffen und damit den unbefriedigenden Zustand zementiert, dass von zwei weithin parallel ausgerichteten Behandlungssystemen eines tiefgreifend gesetzlich reguliert ist, während das andere seine rechtlichen Grundlagen weiterhin in der Kasuistik suchen muss.64

III.Ambulante Behandlung

1.Einzelpraxis

24Der niedergelassene, in einer Einzelpraxis tätige Arzt ist bis auf wenige Ausnahmefälle sowohl versprechende als auch behandlungsausführende Person.65 Sein in die Praxisabläufe eingebundenes Unterstützungspersonal – einschließlich der von ihm angestellten Assistenten –66 wird dabei grundsätzlich als Erfüllungsgehilfe nach § 278 BGB tätig.67 Das gilt auch für eine Urlaubsvertretung des Behandelnden,68 die ebenfalls „nur“ in die Erfüllung des Primärvertrags einschaltet wird.69 Eigenständige Verträge mit Dritten sind dagegen etwa bei extern erbrachten Pathologie-70 oder Laborleistungen71 möglich, bei denen der Erstbehandler – im Rahmen seiner regelmäßig auf das medizinisch Notwendige begrenzten Vertretungsmacht –72 als Stellvertreter des Patienten tätig wird.73 Behandlungen durch einen anderen Facharzt aufgrund einer Überweisung erfolgen ebenfalls auf der Grundlage eines eigenständigen Behandlungsvertrags.74 Bei der Beteiligung eines Konsiliarius ist nach der Art der Hinzuziehung zu unterscheiden.75 Erfolgt diese nur intern durch den Behandelnden ohne Rücksprache mit dem Patienten, so wird kein weiterer Behandlungsvertrag begründet.76 Anderes gilt jedoch, wenn die Hinzuziehung mit Einverständnis des Patienten erfolgt. In diesem Fall wird auch der Konsiliarius „Behandelnder“ i. S. v. § 630a Abs. 1 BGB.77

2.Gemeinschaftliche Berufsausübung und Kooperation

25a) Organisationsgemeinschaft/Berufsausübungsgemeinschaft/Praxisverbund. Bei der gemeinschaftlichen Berufsausübung ist entscheidend, ob die Vergemeinschaftung auch die Behandlung selbst und damit das Außenverhältnis zum Patienten betrifft (Gemeinschaftspraxis/Berufsausübungsgemeinschaft), oder ob es sich „nur“ um eine Kostengemeinschaft mit gemeinsamer Sachausstattung und/oder gemeinsamem Personal handelt, bei der aber jeder Beteiligte seine eigenen Patienten behandelt (Praxisgemeinschaft/Organisationsgemeinschaft).

26Behandelnder i. S. v. § 630a Abs. 1 BGB ist bei der Praxisgemeinschaft bzw. Organisationsgemeinschaft i. S. v. § 18 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 MBO-Ä nicht der Zusammenschluss als solcher, sondern der einzelne Arzt.78 Das gilt unabhängig von der rechtlichen Verbindung ihrer Mitglieder in Form einer GbR nach den §§ 705 ff. BGB oder auf andere Weise, da es sich bei dem Korporationsverhältnis entweder nur um eine Innen-GbR79 handelt oder die Zweckbestimmung bei Vorliegen einer Außengesellschaft gerade nicht das Verhältnis80 zum individuellen Patientenstamm betrifft. Anderes kann gelten, wenn die Mitglieder der Praxisgemeinschaft – durch ihr insoweit maßgebliches Auftreten nach außen –81 gegenüber dem Patienten den Eindruck erweckt haben, die Behandlung werde von der Gemeinschaft versprochen.82

27Ist der niedergelassene Arzt in einem Praxisnetz bzw. Praxisverbund i. S. v. § 23d MBO-Ä organisiert, der auf die Erfüllung eines bestimmten Versorgungsauftrags oder auf andere Formen der Zusammenarbeit zur Patientenversorgung (z. B. im Bereich der Qualitätssicherung oder Versorgungsbereitschaft) gerichtet ist, wird ebenfalls nur der einzelne Arzt Vertragspartner des Patienten und damit „Behandelnder“ nach § 630a Abs. 1 BGB.83

28Unter dem traditionellen Begriff der „Gemeinschaftspraxis“ wird „die gemeinsame Ausübung ärztlicher Tätigkeit durch mehrere Ärzte der gleichen oder verwandter Fachgebiete in gemeinsamen Räumen mit gemeinschaftlichen Einrichtungen und mit einer gemeinsamen Büroorganisation und Abrechnung verstanden, wobei die einzelnen ärztlichen Leistungen für den jeweiligen Patienten während der Behandlung von einem wie von dem anderen Partner erbracht werden können“.84 Die neuere Bezeichnung der Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) i. S. v. § 18 Abs. 2a S. 1 MBO-Ä setzt einen Zusammenschluss von Ärzten untereinander sowie von Ärzten mit Ärztegesellschaften oder mit ärztlich geleiteten Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) zur gemeinsamen Berufsausübung voraus. Dieser kann nach § 18 Abs. 3 MBO-Ä und den §§ 98 II Nr. 13a SGB V, 33 Ärzte-ZV örtlich oder überörtlich organisiert sein. Das Merkmal der gemeinschaftlichen Berufsausübung, die nach § 18 Abs. 2a S. 2 MBO-Ä in Form einer Gesellschaft (regelmäßig als GbR)85 erfolgt und zumeist durch ein gemeinsames Auftreten86 nach Außen (z. B. einheitliches Praxisschild) kenntlich wird, verdeutlicht die Rolle der Gemeinschaft als Partner des Behandlungsvertrags. Dabei folgt aus der inzwischen auch für die (Außen-) GbR anerkannten Rechtsfähigkeit,87 dass Vertragspartner/Behandelnder die Gemeinschaftspraxis/BAG und nicht die in ihr vereinigten Personen sind.88 Für ihre Verbindlichkeiten haften deren Gesellschafter aber nach § 128 HGB analog gesamtschuldnerisch und unbeschränkt.89

29b) Kooperation in Form von Partnerschafts- oder Kapitalgesellschaften. Nach § 1 Abs. 2 S. 2 PartGG können sich Ärzte und andere freiberuflich tätige Heilberufsangehörige zu einer Partnerschaftsgesellschaft zusammenschließen. Diese ist nach § 7 Abs. 2 PartGG i. V. m. § 124 HGB rechtsfähig und wird daher durch das Versprechen der Behandlung regelmäßig selbst Vertragspartner.90 Die Besonderheit der Haftung nach § 8 Abs. 2 PartGG besteht darin, dass bei einer Beteiligung von nur einigen Gesellschaftern oder nur eines Gesellschafters an der Behandlung auch nur diese/dieser – neben der Gesellschaft selbst – haften/t.91 Nach § 23a MBO-Ä ist die gemeinschaftliche Berufsausübung auch in der Form einer juristischen Person des Privatrechts zulässig.92 Das betrifft zumeist die GmbH mit ihrer nach § 13 Abs. 2 GmbHG auf das Gesellschaftsvermögen beschränkten Haftung, schließt aber auch andere privatrechtliche Organisationsformen wie die Limited nicht unbedingt aus.93 Eine Zulassungsfähigkeit nach § 95 SGB V i. V. m. der Ärzte-ZV zur vertragsärztlichen Versorgung ist damit nicht zwingend verbunden.94 Vertragspartner und damit „Behandelnder“ nach § 630a Abs. 1 BGB ist in diesen Fällen die Gesellschaft.95

30c) Behandlung in einem medizinischen Versorgungszentrum (MVZ). Nach § 95 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Abs. 1a SGB V können auch medizinische Versorgungszentren (MVZ) an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen. Bei diesen handelt es sich nicht um juristische Personen, sondern um eine „besondere Organisations- und Kooperationsform im Rahmen der vertragsärztlichen Tätigkeit“.96 Rechtsfähig und damit i. d. R. auch Vertragspartner des Patienten ist der MVZ-Rechtsträger in den Formen nach § 95 Abs. 1a S. 1 Hs. 2 SGB V.97 Davon abweichend ist es möglich, dass ein im MVZ beschäftigter Arzt auf Basis einer Genehmigung des MVZ selbstständig einen Behandlungsvertrag schließt, um etwa die GOÄ direkt zur Anwendung kommen zu lassen.98 Nur in diesen Fällen ist der einzelne Arzt und nicht das MZV Behandler i. S. v. § 630a Abs. 1 BGB.99

31d) Ambulante Behandlung in Eigeneinrichtungen der Kassenärztlichen Vereinigungen, Kommunen oder Krankenkassen. Nach § 105 Abs. 1c SGB V können Kassenärztlichen Vereinigungen allein, miteinander oder in Kooperation mit Krankenhäusern eigene Einrichtungen betreiben, die der unmittelbaren medizinischen Versorgung von Versicherten dienen. Der Behandlungsvertrag kommt hier mit dem Träger der Einrichtung – d. h. in der Regel der KV – zustanden. Ähnliches gilt für die nach § 105 Abs. 5 SGB V in begründeten Ausnahmefällen zulässigen kommunalen Eigeneinrichtungen. Werden diese in der Form eines Eigenbetriebs geführt, ist die Kommune Vertragspartner.100 Anderenfalls ist der jeweilige Träger als Behandelnder i. S. v. § 630a Abs. 1 BGB anzusehen.101

32Für den Betrieb von Eigeneinrichtungen der Krankenkassen nach den §§ 76 Abs. 1 S. 3, 140 SGB V hat das BSG auch nach Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes – allerdings für eine zeitlich davor liegende Behandlung – den Abschluss eines Vertrags mit der Begründung abgelehnt, die Leistungen würden allein ­aufgrund des zwischen dem Versicherten und seiner Krankenkasse bestehenden ­sozialversicherungsrechtlichen Rechtsverhältnisses erbracht werden, sodass es „keiner Fiktion eines besonderen privatrechtlichen Behandlungsvertrages“102 ­bedürfe. Diese Argumentation verfängt seit 2013 jedoch nicht mehr, da § 630a Abs. 1 letzter Hs. BGB sowohl nach seinem Wortlaut als auch nach der zugrunde liegenden gesetzgeberischen Intention103 nichthoheitliche104 Behandlungen von GKV-Versicherten einbezieht. Wie bei der Behandlung eines gesetzlich Versicherten beim niedergelassenen Vertragsarzt ist auch in dieser Konstellation zwischen der öffentlich-rechtlich ausgestalteten Leistungsbeziehung zur GKV und der Verabredung der konkreten Leistungsausführung zwischen Patient und Leistungserbringer zu unterscheiden. Bei der Letztgenannten dürfte es sich ebenfalls um einen privatrechtlichen Vertrag handeln, in dessen Konsequenz die Krankenkassen zum Behandler i. S. v. § 630a BGB werden.105

33e) Ambulante Behandlung in/durch Krankenhäuser(n), Sozialpädiatrische Zentren, Pflegeeinrichtungen und Behandlungszentren. Neben stationären können in Krankenhäusern auch ambulante Leistungen erbracht werden.106 Das betrifft in erster Linie Krankenhausärzte, die nach § 116 SGB V zur vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt sind. Sind sie innerhalb ihrer Ermächtigung tätig, werden sie selbst Vertragspartner des Patienten.107

34Wird die Leistung durch eine am Krankenhaus angesiedelte Ambulanz erbracht, ist deren honorarberechtigter Betreiber der Behandelnde i. S. v. § 630a Abs. 1 BGB.108 Das ist bei Hochschulambulanzen (§ 117 SGB V), psychiatrischen Institutsambulanzen (§ 118 SGB V) und geriatrischen Institutsambulanzen (§ 118a SGB V) regelmäßig der Krankenhausträger.109 Bei ambulanten Behandlungen durch sozialpädiatrische Zentren (§ 119 SGB V), Einrichtungen der Behindertenhilfe (§ 119a SGB V), stationäre Pflegeeinrichtungen (§ 119b SGB V) und medizinische Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen (§ 119c SGB V) kommt der Behandlungsvertrag ebenfalls mit dem jeweiligen Betreiber zustande.110 Erfolgt die ambulante Behandlung in einer etwa vom Chefarzt der Abteilung betriebenen Privatambulanz, ist dieser der verpflichtete Behandler i. S. v. § 630a Abs. 1 BGB.111 Außerdem gestattet das SGB V unter engen Voraussetzungen dem Krankenhaus selbst eine Teilnahme an der ambulanten Versorgung. Das gilt für vor- und nachstationäre Leistungen (§ 115a SGB V), das ambulante Operieren (§ 115b SGB V), die ambulante Behandlung durch Krankenhäuser bei Unterversorgung oder zusätzlichem lokalem Versorgungsbedarf (§ 116a SGB V) und die ambulante spezialfachärztliche Versorgung (§ 116b SGB V). In diesen ­Fällen ist – neben möglicherweise bestehenden Arztzusatzverträgen zumindest auch –112 der Krankenhausträger Vertragspartner des Patienten.113

IV.Stationäre Behandlung

1.Einheitlicher/totaler Krankenhausaufnahmevertrag

35Die stationäre Aufnahme und Behandlung eines Patienten erfolgt i. d. R. auf der Grundlage eines totalen Krankenhausaufnahmevertrags.114 Durch diesen verpflichtet sich das Krankenhaus zu allen mit der stationären Behandlung verbundenen Leistungen (allgemeine Krankenhausleistungen und Wahlleistungen i. S. v. § 2 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 KHEntgG).115 Hierzu zählen insbesondere die in § 39 Abs. 1 S. 3 SGB V, § 2 BPflV und § 2 Abs. 1 S. 1 KHEntgG genannten Beispiele: ärztliche Behandlung, Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung. Dieser breite – deutlich über klassisch medizinische Leistungen hinausgehende – Pflichtenkatalog verdeutlicht, dass die vom Gesetzgeber ausdrücklich vertretene Subsumierbarkeit der Krankenhäuser unter den Begriff des „Behandelnden“ i. S. v. § 630 Abs. 1 BGB zumindest nicht uneingeschränkt gelten kann.116 Teilweise wird daher die Notwendigkeit einer extensiven Auslegung der Regelung bzw. sogar einer Analogie angenommen.117 Das ist jedoch zumindest für den Behandelnden nicht unbedingt erforderlich. Bereits vor Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes war anerkannt, dass es sich beim Krankenhausaufnahmevertrag um „einen typengemischten Vertrag mit miet-, dienst- und werkvertraglichen Elementen“118 handelt. Daher ist hinsichtlich der versprochenen Leistungspflichten zu differenzieren: Soweit diese eine medizinische Behandlung zum Gegenstand hat, richtet sich das Pflichtenprogramm uneingeschränkt nach den §§ 630a ff. BGB.119 Im Übrigen ist auf die jeweilige vertragliche Vereinbarung abzustellen.

2.Totaler Krankenhausaufnahmevertrag mit Arztzusatzvertrag

36Der totale Krankenhausaufnahmevertrag mit Arztzusatzvertrag ist dadurch gekennzeichnet, dass sich der Träger des Krankenhauses zwar ebenfalls zu den allgemeinen Krankenhausleistungen nach § 2 Abs. 2 KHEntgG und den Wahlleistungen nach § 17 KHEntgG verpflichtet,120 die letztgenannten aber von einem liquidationsberechtigten Arzt ausführen lässt. In diesem Fall schließt der Patient mit dem behandelnden Arzt – gegebenenfalls vertreten durch das Krankenhaus –121 zusätzlich einen Behandlungsvertrag über die jeweilige Wahlleistung ab.122 Diese Doppelung hat i. d. R. zur Konsequenz, dass sich gleich zwei Parteien gegenüber dem Patienten zur Erbringung der medizinischen Behandlungsleistungen verpflichtet haben.123 In diesem Fall sind beide „Behandelnde“ i. S. v. § 630 Abs. 1 BGB.124 Zwar ist eine abweichende Gestaltung durch vertragliche Herausnahme der Wahlleistungen aus dem Pflichtenbereich des Krankenhausträgers – verbunden mit einer vollständigen Überführung zum individuellen Arzt – grundsätzlich möglich, begegnet aber zumindest in allgemeinen Geschäftsbedingungen erheblichen Hürden.125 Auch die Rechtsprechung geht bei der Vereinbarung von Wahlleistungen im Zweifel von einem totalen Krankenhausaufnahmevertrag mit Arztzusatzvertrag aus.126 Soweit sich die Leistungspflichten von Krankenhaus und Wahlarzt decken, haften diese als Gesamtschuldner.127

3.Gespaltener Krankenhausaufnahmevertrag

37Beim gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrag wird die stationäre Leistung auf der Grundlage von (mindestens) zwei separaten Verträgen erbracht. Das Krankenhaus schuldet dabei alle „allgemeinen Krankenhausleistungen“128 ohne die ärztliche Behandlung, einschließlich der Grund- und Funktionspflege.129 Die medizinische Behandlung wird dagegen nur aufgrund einer eigenständigen Vereinbarung mit einem liquidationsberechtigten Arzt erbracht.130 Hierbei kann es sich um angestellte131 (aber liquidationsberechtigte) Ärzte des Krankenhauses oder um Belegärzte132 handeln. Letztgenannte sind nach § 18 Abs. 1 S. 1 KHEntgG nicht am Krankenhaus angestellte Vertragsärzte, die berechtigt sind, ihre Patienten (Belegpatienten) im Krankenhaus unter Inanspruchnahme der hierfür bereitgestellten Dienste, Einrichtungen und Mittel stationär oder teilstationär zu behandeln, ohne hierfür vom Krankenhaus eine Vergütung zu erhalten. Ihre Leistungen gehören nach § 2 Abs. 1 S. 2 BPflV nicht zu den Krankenhausleistungen. Belegärztliche Leistungen dürfen auch von MVZ erbracht werden.133 Behandelnder i. S. v. § 630a Abs. 1 BGB ist auch hier derjenige, der die medizinische Behandlung zusagt.134

B.Patient

I.Grundlagen

38Nach § 630a Abs. 1 BGB ist der Patient „der andere Teil, […der] zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet“ ist. In dieser Beschreibung treten zwei Merkmale hervor. Zum einen wird der Patient als der Andere und damit als vertraglicher Gegenspieler des Behandelnden charakterisiert. Er ist der Adressat des Behandlungsversprechens, nicht jedoch (unbedingt) unmittelbarer Empfänger der tatsächlichen Behandlungsleistung.135 Gleichzeitig ist er regelmäßiger Schuldner der vereinbarten Vergütung. An dieser Pflichtenverteilung und damit auch am Patientenbegriff ändert auch eine Stellvertretung nach § 164 BGB durch gesetzliche (z. B. Eltern oder Betreuer) oder gewillkürte (z. B. Vorsorgevollmacht) Vertreter grundsätzlich nichts.136

39Wie der „Behandelnde“ wird auch der Begriff des „Patienten“ in den §§ 630a bis 630h BGB nicht einheitlich gebraucht.137 Es handelt sich mithin um einen „juristischen Patientenbegriff“,138 der regelungsabhängig zu interpretieren ist. Das wird bereits in § 630c Abs. 1 BGB deutlich, der ein Zusammenwirken von Behandelndem und Patienten zur Durchführung der Behandlung verlangt. Diese Regelung ist an den Patienten im allgemeinen Sprachgebrauch139 und damit an den Empfänger der tatsächlichen Behandlungsleistung adressiert. Er lässt sich im Sinne eines im BGB nicht ausdrücklich verankerten medizinischen140 Patientenbegriffs als „Behandelter“ bezeichnen.

40Derselbe Befund gilt für die in § 630c Abs. 2 BGB verankerten Informationspflichten gegenüber dem Patienten sowie die Notwendigkeit seiner Einwilligung141 (§ 630a BGB) und Aufklärung (§ 630e Abs. 1 S. 1 BGB). Diese begriffliche Differenz zum „Vertragspartner“ lässt sich auch durch einen Verweis auf die in den §§ 630d Abs. 1 S. 2 und § 630e Abs. 4 BGB verankerte Ersatzzuständigkeit des Vertreters bei Einwilligungsunfähigkeit nicht für jede Konstellation befriedigend lösen. Selbst bei einwilligungsunfähigen Minderjährigen muss es sich schließlich bei Zahlungsschuldner und Vertreter nicht zwingend um dieselbe Person handeln. Die originäre Einwilligungszuständigkeit bleibt hier bei der behandelten Person bzw. deren Vertreter und nicht beim Vergütungsschuldner.142 Dagegen ist die in § 630c Abs. 3 BGB geregelte Informationspflicht zu einer nicht vollständig durch Dritte gesicherten Kostenübernahme für den (subsidiär) Zahlungsverpflichteten und damit für den Patienten als Vertragspartner i. S. v. § 630a Abs. 1 BGB bedeutsam. Das Einsichtsrecht in die Patientenakte nach § 630g Abs. 1 BGB ist wiederum an den tatsächlich „Behandelten“ und (in Grenzen) dessen gesetzliche Vertreter adressiert.143 Diese Grundrichtung gilt auch für das postmortale Einsichtsrecht, das nicht den Erben und nächsten Angehörigen des Zahlungsverpflichteten, sondern denen des Behandelten (Gegenstand der Patientenakte) zusteht.144 Der Patient muss – ungeachtet einer systematisch ebenso notwendigen Pflichtverletzung i. S. v. § 280 Abs. 1 BGB gegenüber dem Vertragspartner oder einem vom Vertrag geschützten Dritten (Behandlungsfehler) –145 auch der tatsächlich Verletzte i. S. d. § 630h Abs. 1 BGB sein. Insgesamt ist daher der Annahme zuzustimmen, dass der Gesetzgeber in § 630a Abs. 1 BGB eher ein Regelbeispiel als eine Legaldefinition des „Patienten“ geschaffen hat.146 Fallen Vertragspartei und tatsächlich behandelte Person auseinander, kommt ein Vertrag des Behandelnden mit dem Patienten i. S. v. § 630a Abs. 1 BGB zugunsten Dritter (§ 328 BGB)147 oder mit Schutzwirkung148 für Dritte („Behandelte“) in Betracht.149

41§ 630a BGB nennt die Gewährung der „vereinbarten Vergütung“ als zentrale Hauptpflicht des Patienten aus dem Behandlungsvertrag, setzt die Vergütungsabrede selbst aber nicht voraus. Patient i. S. v. § 630a Abs. 1 und § 630c Abs. 3 BGB kann daher auch der Ersatzverpflichtete einer Behandlungs-GoA nach §§ 683, 670 BGB sein.150 Im Übrigen bezieht sich der Patientenbegriff aus den §§ 630a ff. BGB auch hier überwiegend auf die tatsächlich behandelte Person.

II.Kassen- und Privatpatient, sonstige öffentlich-rechtliche Kostenträger

42Durch den Verweis auf eine gegebenenfalls bestehende Zahlungspflicht eines Dritten trägt der Gesetzgeber der Situation gesetzlich Versicherter Rechnung, bei den – mit Ausnahme von Sonderkonstellationen wie etwa IGEL-Leistung151 oder einer Wahl der Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V – die Zahlungspflicht des Patienten durch das insoweit vorrangige Sachleistungssystem des GKV-Rechts überlagert wird.152 Damit wird zugleich der alte Disput153 um das Vorliegen eines zivilrechtlichen Behandlungsvertrags bei Kassenpatienten zugunsten des Vertragsmodells entschieden.154 Dieser Entwicklung wird sich auch die sozialrechtliche Rechtsprechung – trotz gegenläufiger Tendenzen –155 nicht dauerhaft verschließen können. Die Beschreibung des Patienten in § 630a Abs. 1 BGB kehrt außerdem das tatsächlich bestehende Regel-Ausnahme-Verhältnis um und erklärt die Ersatzpflicht Dritter zum Ausnahmefall, obwohl der weit überwiegende156 Teil der Bevölkerung gesetzlich krankenversichert ist. Damit betont der Gesetzgeber nicht nur die generelle Bedeutung des Behandlungsvertrags für die Arzt-Patienten-Beziehung, sondern schafft zugleich den Raum, um den Vertragsschließenden („der andere Teil“) auch dann als Patienten i. S. v. § 630a Abs. 1 BGB zu verstehen, wenn dieser nicht zur Honorarzahlung verpflichtet ist. Das gilt unabhängig von der Frage, ob etwa die gesetzliche Krankenversicherung nach dem SGB V, die Sozialbehörde nach dem SGB XII oder der Leistungsträger nach dem AsylbLG die Behandlungskosten zu tragen hat. Privat krankenversicherte Patienten haben dagegen ohnehin nur einen Erstattungsanspruch nach § 192 Abs. 1 VVG gegen den Versicherer und sind damit – ebenso wie Nichtversicherte und Selbstzahler – im Verhältnis zum Behandelnden Patienten i. S. v. § 630a Abs. 1 BGB.

III.Mitverpflichtete/-berechtigte Ehegatten und Lebenspartner nach § 1357 BGB und § 8 LPartG

43Güterstandsunabhängig berechtigt § 1357 Abs. 1 S. 1 BGB jeden Ehegatten, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen. Nach § 1375 Abs. 1 S. 2 BGB werden durch solche Geschäfte beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet, es sei denn, dass sich aus den Umständen etwas anderes ergibt. Das gilt für die vor dem 1.10.2017 begründeten Lebenspartnerschaften gemäß § 8 Abs. 2 LPartG entsprechend. Zumindest „medizinisch gebotene, [unaufschiebbare] ärztliche Behandlung[en] ohne Inanspruchnahme von Sonderleistungen“157 werden unter diese Regelung gefasst, solange sie „die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Familie“158 nicht übersteigen. Im Einzelfall können aber auch zusätzliche Leistungen – wie etwa Wahlleistungen –159 eine Mitverpflichtung des Partners auslösen, wenn diese den ehelichen Lebensverhältnissen entsprechen.160 Die Mitverpflichtung gilt gleichermaßen161 für stationäre und ambulante Behandlungen sowie für den Abschluss von Behandlungsverträgen zugunsten gemeinsamer Kinder.162 Ungeachtet der Rechtsqualität163 der Mitverpflichtung nach § 1357 Abs. 1 BGB wird der Ehegatte aber allenfalls dem „Patienten“ als Vertragspartner des Behandelnden i. S. v. § 630a Abs. 1 BGB gleichgestellt. Soweit der Patientenbegriff der §§ 630a ff. BGB dagegen an die Eigenschaft der tatsächlich behandelten Person anknüpft, kommt es auf die Drittverpflichtung oder -berechtigung nicht an.

44Ist die vertragsschließende und behandelte Person selbst gesetzlich krankenversichert, wird sie wegen des vorrangigen Sachleistungsprinzips nach § 630a Abs. 1 BGB regelmäßig164 nicht zur Entrichtung der Vergütung verpflichtet. Damit scheidet auch die akzessorische Mitverpflichtung des Ehegatten oder Lebenspartners aus.165 Bei getrennt lebenden Ehegatten/Lebenspartnern findet § 1357 Abs. 1 nach den §§ 1357 Abs. 3, 1567 Abs. 1 BGB keine Anwendung. Gleiches gilt nach § 1357 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB, wenn sich aus den Umständen etwas anderes ergibt. Das kann etwa der Fall sein, wenn der Patient beim Vertragsschluss ausdrücklich die Mithaftung seines Ehegatten/Lebenspartners ausschließt.166 Darüber hinaus können auch die individuelle versicherungsrechtliche Absicherung167 des Vertragsschließenden und die Einkommens- und Vermögenslage des Partners solche Umstände begründen. In diesem Sinne hat etwa das OLG Köln angenommen, dass nach den Umständen die Mitverpflichtung eines einkommenslosen Ehegatten zu Tragung von Behandlungskosten i. H. v. ca. 25.000 EUR ausscheidet, wenn die Kosten zu 80 % durch die Beihilfe und im Übrigen (wohl) durch die private Krankenversicherung des Vertragsschließenden übernommen werden.168

IV.Minderjährige Personen

45Soweit Eltern beim Abschluss des Behandlungsvertrags (zugunsten Dritter)169 für ihre minderjährigen Kinder handeln, werden diese selbst zum Patienten i. S. v. § 630a Abs. 1 Hs. 2 BGB.170 Das betrifft sowohl die Zahlungsverpflichtung als auch den Behandlungsanspruch. In jedem Fall ist das Kind – auch das noch nicht geborene –171 aber als Dritter in die Schutzwirkung des Vertrags einbezogen.172 Zumindest bei bestehender Einwilligungsfähigkeit des Kindes ist zudem davon auszugehen, dass dieses nach § 328 Abs. 1 BGB einen eigenen Behandlungsanspruch erwerben soll.173 Im Übrigen ist das Bestehen eigener Ansprüche des Kindes nach den Umständen des Einzelfalls zu ermitteln. Sucht nur ein Elternteil (gemeinsam mit dem Kind) den Arzt auf, wird grundsätzlich auch nur dieser zum Vertragspartner des Behandelnden.174 Eine Mitverpflichtung des anderen Elternteils kommt aber entweder über die Konstruktion der Untervollmacht oder über § 1357 Abs. 1 BGB175 in Betracht.176

46In Ausnahmefällen177 ist es denkbar, dass der zu behandelnde Minderjährige durch die Eltern im Wege der Stellvertretung unmittelbar selbst berechtigt und verpflichtet wird. In diesem Fall ist er selbst „Patient“ i. S. v. § 630a Abs. 1 BGB; Behandelter und damit Patient i. S. d. medizinischen Begriffs wird er ohnehin. Bei geschäftsunfähigen Volljährigen ist dagegen regelmäßig von einer Stellvertretung kraft (Vorsorge-)Vollmacht oder gesetzlicher Vertretung (§ 1902 BGB) und damit von einer eigenen Stellung als Vertragspartner (Patient) auszugehen.178 In Ausnahmefällen kommt hier aber ebenfalls ein Vertrag nach § 328 BGB in Betracht. Zu einer Personenverschiedenheit von Patient i. S. v. § 630a Abs. 1 BGB und Behandeltem kann es auch kommen, wenn ein Volljähriger zugunsten eines anderen geschäftsfähigen Volljährigen vertraglich die Vergütungspflicht aus dem Behandlungsverhältnis übernimmt.179

47Sucht ein beschränkt geschäftsfähiger (§ 106 BGB) Minderjähriger mit Einverständnis180 seines gesetzlichen Vertreters den Behandelnden allein auf, kommt in erster Linie ein Vertrag zugunsten Dritter in Betracht, bei dem der Minderjährige als Bote seiner gesetzlichen Vertreter auftritt.181 Handelt er mit Zustimmung (§§ 107 f. BGB) seiner Eltern ausnahmsweise182 für sich selbst, wird er auch selbst Vertragspartei und damit Patient i. S. v. § 630a Abs. 1 BGB. Umstritten ist, inwieweit ein minderjähriger GKV-Versicherter in der Lage ist, den Behandlungsvertrag als lediglich rechtlich vorteilhaftes Rechtsgeschäft ohne Zustimmung seiner gesetzlichen Vertreter allein abzuschließen, da er zumindest im Regelfall keinen Zahlungspflichten ausgesetzt ist und zumindest die Sozialrechtsmündigkeit nach § 36 Abs. 1 S. 1 SGB I auf die Vollendung des 15. Lebensjahres vorverlagert wird.183 Grundsätzlich gilt, dass ein Kind bzw. Jugendliche/r zwischen dem 7. und 18. Lebensjahr wegen der sogenannten beschränkten Geschäftsfähigkeit den Behandlungsvertrag nicht selbst abschließen kann, da dieser für ihn nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Vgl. zu den Einzelheiten nachfolgende Rn. 302, 303 ff.

48Die Einwilligung hierfür, zumindest die eines Elternteiles, ist somit erforderlich. Während der Arzt einerseits den einwilligungsfähigen Jugendlichen behandeln kann, ist ihm andererseits die Rechnungslegung an den Jugendlichen verwehrt. Vgl. zu den Einzelheiten der Rechnungsstellung bei Minderjährigen nachfolgende Rn. 1354.

49Bei Kassenpatienten ist dies – zumindest im Hinblick auf die Kostenübernahme – unproblematischer, da per Krankenversicherungskarte abgerechnet werden kann, § 36 Abs. 1 S. 1 SGB I.184 Insoweit führt der Abschluss des Behandlungsvertrags bei minderjährigen GKV-Versicherten zu keinem rechtlichen Nachteil, sondern ist als lediglich rechtlich vorteilhaft anzusehen, was die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter nach § 107 BGB überflüssig macht.185 Seit dem 1.1.1989 hat der über die Familie mitversicherte Minderjährige einen eigenen Leistungsanspruch nach § 10 SGB V. Diesen Leistungsanspruch kann der Minderjährige mit Vollendung des 15. Lebensjahres gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 SGB I (Sozialmündigkeit) selbstständig geltend machen.

50Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch der sog. „Taschengeldparagraf“ gem. § 110 BGB. Hier handelt es sich um Fälle, in denen der Minderjährige die Leistung mit Mitteln bewirkt, die ihm von den gesetzlichen Vertretern zur freien Verfügung oder deren Zustimmung von einem Dritten überlassen worden sind.

51Ist der Minderjährige zwischen 15 und 18 Jahre alt und im Rahmen einer privaten Krankenversicherung versichert, wird der Behandlungsvertrag wiederum nur nach Zustimmung der Eltern geschlossen,186 da der Vertragsschluss für den Minderjährigen nicht lediglich rechtlich vorteilhaft wäre, es sei denn, der Minderjährige ist selber abschlussfähig. Minderjährige Patienten werden einen honorarpflichtigen Behandlungsvertrag auch als gesetzlich (Mit-) Krankenversicherte in der Regel gemäß §§ 107, 1629 Abs. 1 BGB; § 36 Abs. 1 SGB I durch ihre sorgeberechtigten gesetzlichen Vertreter abschließen.187 Es gilt das sog. Verursacherprinzip, das heißt, der Auftraggeber bezahlt und da dies aufgrund der mangelnden Geschäftsfähigkeit nicht der Jugendliche selbst sein kann, bleibt das vollendete 18. Lebensjahr die Voraussetzung hierfür.

52Die Frage, ab welchem Alter ein Patient selbst die Einwilligung zu einer Behandlung abgeben kann, hängt nicht vom Eintritt der Geschäftsfähigkeit mit 18 Jahren ab.188 Es kommt auf die tatsächliche Einsichts- und Entscheidungsfähigkeit an, die auch schon vor Erreichen der Volljährigkeitsgrenze gegeben sein kann. Es ist aber davon auszugehen, dass die Einsichtsfähigkeit regelmäßig etwa ab dem 14. Lebensjahr,189 jedenfalls aber ab dem 15. Lebensjahr vorliegt.

53Feste Altersgrenzen gibt es im BGB nicht, solche sind aber bspw. im Transplantationsgesetz (TPG) genannt. Wer schon frühzeitig Organspenden für sich selber ablehnt, kann nach § 2 Abs. 2 Satz 3 TPG mit 14 Jahren einen Widerspruch erklären, den auch die Eltern nicht überstimmen dürfen. Für eine Zustimmung zur Organspende nach dem eigenen Tod muss der Jugendliche 16 Jahre alt sein. Die Spende einer Niere ist nur bei Volljährigkeit rechtlich zulässig, § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a TPG. Eine Zwischenlösung gibt es bei der Knochenmarks- oder auch Stammzellspende, hier bedarf es bei Minderjährigen stets der Zustimmung der Eltern. Ist der Jugendliche einwilligungsfähig, erkennt er also Wesen, Bedeutung und Tragweite der Entnahme, muss auch er aktiv einwilligen. Erkennt er dies nicht, ist nur ein etwaiger Widerspruch zu beachten; eine Einwilligung ist nicht nötig, die Eltern bleiben die Entscheidungsträger, § 8a TPG. Eine ähnliche Regelung findet sich bei klinischen Arzneimittelprüfungen nach § 40 Abs. 4 des Arzneimittelgesetzes (AMG).

54Für Minderjährige gänzlich ausgeschlossen ist das Verfassen einer Patientenverfügung nach § 1827 BGB, da der Wortlaut von § 1827 Abs. 1 Satz 1 BGB von einem einwilligungsfähigen Volljährigen ausgeht. Diese Regelung gilt ausnahmslos. Auch Minderjährige, die eine lange Leidensgeschichte hinter sich haben sollten, dürfen nicht über den zukünftigen Abbruch etwaiger lebenserhaltender Maßnahmen rechtsverbindlich verfügen.190

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