DER BESONDERE BÄCKER - Phillip Schnieders - E-Book

DER BESONDERE BÄCKER E-Book

Phillip Schnieders

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Beschreibung

Mike ist Bäcker und hat vor einigen Jahren den Betrieb von seinen Eltern übernommen. Inzwischen steht seine Branche vor immensen Herausforderungen und er muss eine Möglichkeit finden, seine Mitarbeiter und Kunden dauerhaft zu begeistern! Auf seinem Weg in eine erfolgreiche Zukunft zeigt ihm sein Coach Jens Remmers, wie er seine Bäckerei besonders macht. Mike lernt, sein Team besser zu führen und eine neue bewegende Botschaft glasklar zu kommunizieren. Mit neuen Denk- und Arbeitsweisen überwindet er seine Grenzen und kann endlich zeigen, wie besonders seine Bäckerei ist ...

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Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Scan, Kopie oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet vervielfältigt oder verbreitet werden.

Die im Buch veröffentlichten Ratschläge, Strategien und Arbeitsweisen wurden von Verfasser und Verlag sorgfältig erarbeitet und geprüft. Eine Garantie kann dennoch nicht übernommen werden. Sie sind Bestandteile individueller Trainings und dürfen ebenfalls nicht ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert werden. Die Haftung des Verfassers bzw. des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:// dnb.d-nb.de abrufbar.

Auflage: 2 (März 2021)

Autor: Phillip Schnieders

Lektorat: Dr. Ralf Willms

Herausgeber: SUCCESS GmbH, Rodder Damm 50, 48429 Rheine Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN:

Hardcover: 978-3-7482-6152-0

Paperback: 978-3-347-27784-7

e-Book: 978-3-347-27785-4

© 2019

SUCCESS GmbH

[email protected]

Vielleicht möchtest du nicht besonders sein.

Vor allem, wenn du so wie ich solide erzogen

wurdest und die Bodenständigkeit schätzt!

Gerade dann solltest du deiner Bäckerei die Chance

geben, mit jeder einzelnen Seite dieses Buches zu einem

Magnet für dein Team und deine Kunden zu werden!

Du musst einige Dinge meistern, um bei veränderten

Bedingungen auch morgen noch erfolgreich zu sein.

Strategische Begeisterung hilft dir, dein Team erfolgreich

zu führen und den Umsatz deiner Bäckerei zu steigern.

Dieses Buch, der Podcast, unsere Coachings und unsere

gesamte Arbeit ist den besonderen Bäckern gewidmet, die

sich nicht mit „gut“, „normal“ oder „das war schon immer so“

zufrieden geben.

Ich wünsche dir viel SUCCESS auf deiner Reise.

PHILLIP SCHNIEDERS

www.SUCCESS.de

SUCCESS-LESS

Die strahlende Mittagssonne des 14. April 2016 trocknete meine Tränen, als ich den letzten Beitrag in unserem Unternehmens-Messenger schrieb. „Es war mir eine Ehre, mit euch allen zu arbeiten“, tippte ich auf meinem iPhone.

Aus tiefstem Herzen schrieb ich meinem Team einen letzten Gruß und die besten Wünsche für die Zukunft. Ich öffnete das Verdeck meines weißen BMW Z4, um wieder zurück ins Büro zu fahren.

Wenige Minuten zuvor hatte ich den Insolvenzantrag beim Amtsgericht in Münster abgegeben und die Geschichte meines Unternehmens besiegelt.

Heute weiß ich, was zu diesem Fiasko geführt hat: Ich habe keinen Sinn mehr darin gesehen! Anfangs brachte mein Unternehmen zwar viel Geld ein, aber irgendwann wuchs es in eine andere Richtung, als ich mich persönlich entwickelt hatte. Ich hatte mich immer weiter zurückgezogen und meine Firma vernachlässigt. Meine Mitarbeiter mussten alleine klarkommen und für Kunden war ich erst recht nicht erreichbar.

Wir haben Telematiksysteme eines großen Herstellers vertrieben und hatten kein Alleinstellungsmerkmal. Unser Team bestand aus über 20 Mitarbeitern im Vertrieb, dem technischen Service und der Verwaltung.

In den folgenden Wochen verlor ich alles Materielle, was ich mir erarbeitet hatte. Ich baute ein Nachfolge-Unternehmen auf und war dennoch nicht glücklich. Der Grund: Das Unternehmen war austauschbar und die Technik war vollkommen irrelevant für mich! Ich sah keinen Sinn mehr in dem, was ich tat!

Ich bin gescheitert, dachte ich. Damals wusste ich nicht, dass dies die Geburtsstunde einer großen Idee war. Das Streben nach Glück und Erfolg hatte mich schon jahrelang getrieben und wurde durch diesen Rückschlag nur noch größer! Ich erkannte meine Fehler, durfte lernen, wachsen und viel bewegen.

Inzwischen unterstütze ich viele Unternehmer, ihren Sinn zu finden und weiterzugeben. Ich helfe ihnen, den Kunden relevante Produkte zu bieten und klar zu kommunizieren!

Es ist dieser einfache Wunsch, der mich und meine SUCCESS GmbH antreibt.

„Klare Kommunikation für relevante Produkte!“

PHILLIP SCHNIEDERS

SUCCESS

Ich schaue auf meine Zeit als junger Texter und Mediengestalter in einer Werbeagentur zurück, deren Namen ich vor einiger Zeit übernahm.

Damals legte mir mein Chef einen dicken Ordner auf den Tisch und bat mich, weitere Formulierungen für fiktive Sonderverkäufe eines Möbelhauses zu finden. Es handelte sich um einige für die gesamte Branche irreführende Konzepte zur absichtlichen Täuschung potenzieller Kunden. Mit anderen Worten: Betrug - moralisch, nicht juristisch.

Mit diesen wirklich fragwürdigen Formen von „(Auf-)Räumungsverkauf“, „Wir ziehen (uns) um - Alles muss raus!“ usw. wollte ich nicht arbeiten. Es ist billige und manipulative Werbung, wie sie keinem ehrenwerten Unternehmen steht.

Seit dieser Zeit beobachte und hinterfrage ich die manchmal skurrilen, meist jedoch reizlosen bis plumpen Aussagen, mit denen Unternehmen ihre Kunden umwerben.

Wo sich Marken das Vertrauen ihrer Kunden früher durch ein hohes Werbebudget kaufen konnten, müssen sie es heutzutage durch wertvolle Beiträge, gute Qualität und eine solide Geschichte verdienen. Inzwischen funktionieren Anzeigen in Zeitungen ebenso wenig wie Spots in Radio oder Fernsehen. Kommunikation ist schneller geworden, während sich Amazon und die Discounter zu übermächtigen Gegnern entwickelt haben.

Wer als Unternehmer heute seine Aufgabe nicht in der strategischen Begeisterung der Kunden und Mitarbeiter erkennt, wird morgen scheitern! So, wie ich selbst mit meinem ersten Unternehmen gescheitert bin.

Wenn du als Bäcker Erfolg haben willst, musst du dich intensiv und tiefgründig mit deiner Bäckerei, deinen Mitarbeitern und Kunden beschäftigen. Langweilige Aussagen, austauschbare Produkte und mieser Service bringen dich nicht weiter!

Deine Backwaren und das gesamte Einkaufserlebnis müssen für deine Kunden besonders sein! Du brauchst eine klare und deutliche Botschaft, um die Menschen in deiner Region zu begeistern!

ES IST DEINE KOMPROMISSLOSE VERANTWORTUNG,

DIE MENSCHEN DEINER BÄCKEREI STRATEGISCH ZU BEGEISTERN.

„STRATEGISCHE BEGEISTERUNG ist die mit Abstand wichtigste Kompetenz für Bäcker!“

PHILLIP SCHNIEDERS

DEIN WEG ZUM BESONDEREN BÄCKER

Du erhältst in diesem Buch einige wertvolle Methoden der strategischen Begeisterung. Erfahre, wie du dein Team erfolgreich führst und den Umsatz deiner Bäckerei steigerst!

Damit du diese wertvollen Gedanken besser umsetzen kannst, unterstützen wir dich kostenlos jede Woche montags und donnerstags mit dem Podcast zum Buch: DER BESONDERE BÄCKER

Du findest alle Informationen und weitere Angebote auf

BESONDERE-BAECKER.de

Willst du endlich loslegen, wachsen und deine Bäckerei besonders machen? VEREINBARE JETZT DIREKT EINEN TERMIN für dein kostenloses Strategiegespräch auf Besondere-Baecker.de!

WAS DICH ERWARTET

ALLES WIE IMMER

Von der eigenen Bäckerei beherrscht

SO GEHT ES NICHT WEITER

Neue Bedingungen am Markt

EIGENTLICH DOCH GANZ GUUUT

So schlimm ist es nicht

Anderen geht es ähnlich

Kundenversteher & Marktschreier

„Gut“ sind alle

WEGBEREITER DES ERFOLGS

Eine andere Sichtweise

Gewohnheiten & Veränderung

Kunden kaufen Emotionen

AB JETZT KEIN ZURÜCK

Neues Konzept

Der erste Versuch

Solide Arbeit

UNGEAHNTE HERAUSFORDERUNGEN

Vierdimensional

Was nicht passt

Klare Entscheidung

Charaktertypen

Ziele setzen und erreichen

Echtes Leben in vier Dimensionen

Zielkunden

Sehen & Erleben der Kunden

Schönheit für die Augen der Betrachter

Respektvolle Kommunikation

Symbolwert

Respektvolle Sprache

DAS PROBLEM LIEGT TIEFER

Starke Wurzeln

Die Geschichte erleben lassen

Keine klare Botschaft

Die richtige Geschichte

Kunden-unfreundlich

Niemand zwingt dich

Strategische Führung

OHNE MUT KEINE ERLÖSUNG

Anspannung

Feedback der Mitarbeiter

Konsequenz

Mut und Angst

Dein Team und du

Vorbereitungen

Alles geht schief

LANGERSEHNTE FREIHEIT

Kunden begeistern

Die Neueröffnung

Das grüne Herz mit Geschichte

Die Feier

Von Senior zu Junior

EINE BOTSCHAFT VERBREITEN

Die Botschaft

Facebook-Kampagne

Opfer der Mission

Unbewusste Kommunikation

Bereit für den nächsten Schritt

MEISTER DER NEUEN REALITÄT

Gutes wächst zusammen

Story erleben lassen

Unerwartete Expansion

Kundenbindung mit Überzeugung

Strategiefeuer

ANFÜHRER DER BEWEGUNG

Schritt für Schritt

KAPITEL 1

ALLES WIE IMMER

BEVOR ES LOSGEHT:

Du bekommst in diesem Buch viele hilfreiche Strategien und Denkanstöße. Damit du sie noch besser umsetzen kannst, haben mein Team von SUCCESS und ich ein besonderes Angebot für dich: In einem kostenlosen Strategiegespräch helfen wir dir, deinen Weg zu finden und deine Bäckerei besonders zu machen! Vereinbare hierfür einfach einen Termin auf www.Besondere-Baecker.de.

VON DER EIGENEN BÄCKEREI BEHERRSCHT

„Wieso mache ich das hier alles überhaupt?“ höre ich mein Spiegelbild sagen. Es sieht mich irgendwie verzweifelt und gleichzeitig so komisch blöd an, sodass ich schon fast lachen muss. Habe ich das jetzt gerade wirklich laut gesagt? Werde ich jetzt auch noch irre?

Obwohl ich weiß, dass ich alleine bin, schaue ich reflexartig noch einmal in den hinteren Bereich der Toilette. Ich muss mich vergewissern, dass mich wirklich niemand gehört hat. Es wäre echt peinlich, wenn einer meiner Angestellten mich in dieser Situation sieht oder sogar gehört hätte!

Beruhigt drücke ich den Ellenbogen gegen den langen Hebel des Wasserhahns, um mir die klebrigen Teigreste von den Händen zu waschen. Schon komisch: Es war das erste Mal, dass ich diese Frage laut ausgesprochen habe. Sie geisterte in letzter Zeit immer häufiger durch meinen Kopf. Vor drei Tagen habe ich sogar kurz überlegt, was wohl gewesen wäre, wenn ich einen anderen Beruf gelernt hätte. Oder was wäre, wenn ich einfach eines Tages meine Schürze nicht mehr anziehen würde? Und dann verwerfe ich die Gedanken meist wieder als völlig lächerlich, weil ich mir einfach sicher bin, aus tiefstem Herzen Bäcker zu sein.

Es ist ja nicht so, als wäre ich mit meinem Beruf unglücklich. Ich liebe es, in der Backstube zu stehen und mit ein paar Zutaten etwas zu erschaffen, was Anderen schmeckt! Es gibt genug Leute, denen die harte Arbeit nicht liegt. - Mir egal, ich liebe mein Handwerk.

Und gleichzeitig nervt es mich, wie sich meine Bäckerei in den letzten Jahren entwickelt hat. Mit einigen paar Blatt Papier aus dem Wandspender trockne ich meine Hände ab. Ich stütze beide Arme auf das rechteckige Waschbecken, um noch einen Augenblick in mein Spiegelbild zu schauen. „So hat Opa August sich das sicher nicht vorgestellt.“ denke ich halblaut und bin noch einmal froh, dass mich wirklich niemand dabei beobachtet, wie ich mit mir selbst spreche. Ich habe keine Lust, wieder rauszugehen.

Egal wohin ich schaue: Überall im Betrieb brennt es immer wieder und alle Feuer muss ich irgendwie gleichzeitig löschen. Ich bin verdammt noch mal kein Feuerwehrmann - ich bin Bäcker! Vielleicht ist das der Grund, weshalb meine Löschversuche immer wieder eher mit einer Mehlstaubexplosion zu vergleichen sind!

„Apropos Feuer“ denke ich und beschließe, mir erst einmal eine Zigarette zu rauchen. Bevor ich gleich nach vorne in den Laden gehe, muss ich erst einmal kurz in Ruhe meine Gedanken sortieren. Leicht zögernd ziehe ich die Tür zu mir auf und gehe zu meinem Spind. Ich nehme mir gerade das Feuerzeug und eine Zigarette aus der Schachtel, als mein Blick auf das überdimensionale gerahmte Bild an der gegenüberliegenden Wand fällt. Meine Eltern hatten es damals zum 50-jährigen Firmenjubiläum mit allen Angestellten gemacht. Wie sehr sich doch unsere kleine Welt seit 2003 verändert hatte …

Damals wollten die Leute jedenfalls noch Bäcker werden! Discounter und Supermärkte hatten uns nicht den größten Teil des Geschäfts genommen und die ganzen Backshops gab es noch nicht. Außerdem war ich vor 16 Jahren noch Geselle und um einiges dünner!

Ich gehe durch die kleine Seitentür nach draußen und bin erleichtert, dass mich hier niemand erwartet. Ich habe jetzt echt keine Lust, mich zu unterhalten. Noch schlimmer wäre sogar, wenn ich mir jetzt eine Antwort überlegen müsste dazu, was denn los sei und wieso ich so niedergeschlagen wirke. Ich drücke auf mein Feuerzeug und halte die kleine Flamme unter das Ende meiner Zigarette. „Kein Wunder, dass jeden Tag irgendwo in Deutschland eine Bäckerei schließt.“ denke ich, während ich einen tiefen Zug nehme. Unser Handwerk ist mitten im größten Umbruch, den es jemals in der Branche gegeben hat.

„Herr Wickel?“ höre ich eine laute Stimme von drinnen, „Herr Wickel!“ - meine Gedanken enden abrupt.

„Ich bin hier!“ rufe ich, nachdem ich die Tür einen Spalt geöffnet habe.

Es ist Markus Röhrmann, einer unserer Meister. „Ich habe gerade mit Timo geschrieben. Er hat nochmal verlängert. Ist bis Ende nächster Woche krank geschrieben.“

Die Nachricht trifft mich hart. „Das ist bitter.“ seufze ich und verziehe das Gesicht noch mehr. Ich frage ihn, wieso Timo Gehring sich nicht direkt bei mir gemeldet hat. Das wisse er nicht, entgegnet er und macht zwei Schritte zurück, um sich langsam der unangenehmen Situation wieder zu entziehen.

„Moment“, sage ich mit gespielter Lockerheit, „ich muss Sie wegen der schlechten Botschaft jetzt köpfen!“

„Das können wir uns aber echt nicht leisten“ grinst Markus Röhrmann und geht noch ein paar Schritte rückwärts, „wir brauchen nun mal echt jeden Mann!“

Das Schlimme daran: Er hat Recht. Seit Monaten suche ich Verstärkung für die Backstube und finde niemanden! Es hat ja auch niemand mehr Lust, so früh aufzustehen und dann noch die harte Arbeit in der Backstube zu machen! Und in den Filialen sieht es auch nicht besser aus: Kaum noch Verkäuferinnen, die morgens um sechs Uhr und auch am Wochenende arbeiten! Ich bin echt verzweifelt.

Was mich außerdem nervt ist die Tatsache, dass sich meine Angestellten noch nicht mal bei MIR melden, wenn sie krank sind. Es wäre so einfach gewesen - mal schnell den Chef anrufen und in einem kurzen Gespräch abmelden. Jeder kann ja mal krank sein, aber einfach per WhatsApp in die Gruppe „Ey Leute, ich bin krank …“. Was ist das denn für ein beschissenes Verhalten? Und zwei Wochen wegen etwas Erkältung oder Grippe? Das ist doch nicht normal, oder?

"Setz dich doch mal durch!“

Ich will gerade einen tiefen Zug meiner Zigarette nehmen, als ich noch rechtzeitig bemerke, dass ich nur noch den Filter zwischen den Fingern halte. „So eine verdammte Grütze“ überkommt es mich leise. Ich hole mir noch eine Zigarette aus dem Spind. Und wieder fällt mein Blick fast wie von selbst auf dieses verfluchte Jubiläumsbild mit den ganzen grinsenden Gesichtern. Damals waren es noch rund 20 bis 30 Leute. Inzwischen wären knapp doppelt so viele Gesichter auf dem Bild, wenn man auch die Aushilfen mitrechnet!

Doch das größte Grinsen trägt mein Vater. Inmitten der Angestellten sitzt er mit Mama und grinst mich bis über beide Ohren irgendwie boshaft an.

„Mike, wie oft habe ich dir gesagt, dass du zu lasch mit den Leuten bist? So wirst du nie respektiert! Setz dich doch mal durch!“

Ich verkneife mir, dem Foto eine Antwort zu geben, nehme meine Zigarette und gehe wieder nach draußen. Nach ein paar Zügen schließe ich die Augen und lehne mich an die Wand. Die Morgensonne tut gut.

Eigentlich habe ich im Büro noch so viel zu tun: Der Steuerberater fordert irgendwelche Belege, die Angebote für die Sommerreifen müssen entschieden werden und alle möglichen Papiere warten darauf, bearbeitet und abgeheftet zu werden.

„Das ist echt die Krönung eines beschissenen Tages“ denke ich und beschließe, diese wenig würdevollen Aufgaben einfach zu ignorieren. Mir fehlt echt die Kraft und ich werde nach dem Mittagsschlaf nicht wiederkommen. Kurz entschlossen ziehe ich mich um und mache noch schnell die Bestellung.

Danach verabschiede ich mich mit einem an alle in der Backstube Verbliebenen „Tschüss, bis morgen!“ und betrete unseren Verkauf durch die große Pendeltür. Das Geschäft ist voll und ich setze angesichts der vielen Kunden und meiner drei Mitarbeiterinnen ein geübtes Lächeln auf.

Mit froh klingender Stimme gebe ich ein leicht gesungenes „Tschö-höss!“ von mir und gehe ohne eine Antwort abzuwarten durch die sich automatisch öffnende Schiebetür - als würde sie meine Flucht unterstützen. Endlich Ruhe.

Auf der Fahrt ist mein Körper wie im Autopilot. Ich lenke, schalte, bremse und gebe wieder Gas - alles ohne nachzudenken. Zuhause angekommen überlege ich ernsthaft, ob ich durch das Industriegebiet oder über die Kanalstraße gefahren bin.

Beim Schuhe-Ausziehen schaue ich durch den kleinen Glasstreifen neben der Küchentür. Als Steffi mich bemerkt, lächelt sie.

„Guten Morgen, Schatz! Du bist früh!“

„Ja. Ich kann auch nicht mehr“ bekunde ich wehleidig. „Ich fahre heute auch nicht mehr ins Büro. Nachdem wir am Tisch so weit fertig waren, rief Tichelkamp an und wollte mit mir über die Bilanz sprechen. Wir haben nämlich knapp 5 % Rohertrag verloren.“

„Wow, so viel?“

„Ja, so in diese Richtung habe ich schon gerechnet: Die Verkaufsstelle beim OBI geschlossen und überall etwas weniger Kunden … Dazu sind die Personalkosten durch unsere ,Wickel-Rente‘ leicht gestiegen. Das hat die Preiserhöhung nicht mehr aufgefangen. Ach, und die Aktion mit den Berlinern an Silvester war der Knaller!“

Steffi macht einen zerknirschten Gesichtsausdruck und deutet mit einem leichten Nicken in Richtung Schlafzimmer an, dass ich mich erst einmal hinlegen solle. Wir sind schon lange genug verheiratet, als dass sie sich auf meine Versuche, die Situation schön zu reden, einlassen würde. Sie weiß, dass die Zahlen nicht toll sind.

„Ja, ich mach gleich ein Nickerchen. Aber nachdem ich mit dem Tichelkamp fertig war, kam Markus zu mir.“

„Und was wollte der?“

„Hat mir erzählt, dass der Gehring noch bis Ende nächster Woche krankgeschrieben ist.“

„Och nee.“, fällt sie mir fast ins Wort, „Der übertreibt es echt wieder und du kommst aus der Backstube nicht mehr raus. Denk bitte daran, dir für Sonntag frei zu nehmen. Wir sind morgen Abend bei Tuchels eingeladen! … Leg dich jetzt erst mal hin.“

Ich lächle ihr zu und lasse die Jalousien im Schlafzimmer runter.

„Herr Doktor, wenn ich liege, dann geht es mir schon besser.“ denke ich und versuche, die vielen kreisenden Gedanken in meinem Kopf mit einer Folge ‚The Walking Dead‘ zu betäuben. Obwohl ich total erschöpft bin, dauert es eine Weile, bis ich auch innerlich zur Ruhe komme. „Ich bin keiner der Überlebenden“ denke ich, während mir langsam die Augen zufallen. „Ich bin einer der stöhnenden Untoten, die Tag für Tag ohne Ziel durch die Gegend irren.“ Eigentlich ein Wunder, dass ich bei so einem spannenden Gemetzel einschlafen kann.

KAPITEL 2

SO GEHT ES NICHT WEITER

WIR UNTERSTÜTZEN DICH.

Wir coachen Bäcker und helfen ihnen, einen besonderen Weg in eine erfolgreiche Zukunft zu finden. Mit unserer Unterstützung wirst du die neuen Bedingungen am Markt erfolgreich für dich nutzen! Vereinbare jetzt einen Termin für dein persönliches Strategiegespräch auf www.Besondere-Baecker.de.

NEUE BEDINGUNGEN AM MARKT

Es dauert ungewöhnlich lange, bis ich wieder zu Verstand komme. Der Schlaf hat echt gut getan. Ich schalte mein iPhone aus dem Flugmodus und scrolle etwas durch Facebook. Ein Kollege hat sein Profilbild geändert. Obwohl ich es nicht wirklich gelungen finde, drücke ich eher aus Mitleid auf den „Gefällt mir“-Button. Ich müsste auch mal wieder etwas auf der Bäckerei-Wickel-Seite posten.

Ich schleife meinen ausgeruhten, aber immer noch schlaffen Körper in die Küche. Als ich die Taste auf unserer Kaffeemaschine drücke, umarmt Steffi mich von hinten und lehnt ihren Kopf an meine Schulter. Mir ist offenbar entgangen, dass sie schon in der Küche war.

„Hab vorhin mit Andrea telefoniert.“

„Und, wie geht es ihr?“ frage ich, um ihrer Erwartung auf eine Unterhaltung zu entsprechen.

„Nicht so gut.

Der Hilbert macht zu! Hat er ihr vorhin gesagt.“

Steffi hatte Andrea vor vielen Jahren bei ihrer Lehre zur Bäckereifachverkäuferin kennengelernt. Wir hatten damals beide beim Hilbert gelernt. Steffi und Andrea vorne im Verkauf und ich hinten in der Backstube. Es war das einzige Mal, dass ich in einem anderen Betrieb gearbeitet hatte. Obwohl mich mein Vater damals nicht einmal gefragt hat und seine Entscheidung nur wenig komfortabel für mich war, hat sie sich allerdings gelohnt: Ich konnte fremde Luft schnuppern und außerdem habe ich Steffi dort kennengelernt … Obwohl ich es ursprünglich auf Andrea, die Tochter meines alten Lehrherren, abgesehen hatte. Umso schockierender war die Nachricht für mich: Der Hilbert macht zu!

„Ich fasse es nicht. Der Hilbert? Echt?“ frage ich entgeistert, als würde ich meiner eigenen Frau nicht glauben.

„Ja, bis Ende des Jahres. Er ist wohl krank. Andrea ist ziemlich fertig. Die Mitarbeiter wissen es aber noch nicht.“

Irgendetwas verhindert, dass ich den Kaffee in meinem Mund hinunterschlucken kann. Ich muss mich wirklich erst darauf konzentrieren, dann erst setzt der Schluckreflex wieder ein. In mir zieht sich alles zusammen. Die Nachricht ist ein Schock für mich. Mein Ausbildungsbetrieb wird schließen und Paul ist krank!

„Hat Andrea gesagt, was er hat?“

Steffi sagte mir, dass Paul offenbar Krebs habe und es auch nicht so gut um ihn stünde. Er müsse jetzt eine Therapie machen und sich um sich selbst kümmern.

„Das ist echt heftig. Ich habe mir ja heute Nachmittag frei genommen. Ich glaube, ich fahre gleich mal nach Birkdorf und spreche mit ihm.“

„Meinst du wirklich, dass das jetzt eine gute Idee ist?“

„Steffi, ich habe beim Hilbert gelernt. Das ist mein direkter Kollege. Natürlich fahre ich da hin! … Außerdem weiß ich ja noch gar nicht, ob ich ihm irgendwie helfen kann!“

Von Steinmark nach Birkdorf sind es knapp acht Kilometer. Als ich ins Auto einsteige, schalte ich direkt das Radio wieder aus. Ich habe jetzt wirklich keine Lust auf dieses fröhlich-motivierende Gedudel und „Eure Superhits“-Gelaber. Als hätte ich nicht schon genug eigene Probleme, werden sie komplett vom Hilbert überschattet. Unfassbar: Jeden Tag macht irgendwo in Deutschland ein Bäcker zu … aber der Hilbert?!

Beim Betreten des Geschäfts fällt mir auf, dass ich wirklich schon lange nicht mehr hier gewesen bin. Zumindest hatte ich bei meinen früheren Besuchen den Hintereingang zur Backstube genommen. Etwas überrascht stelle ich fest, dass sich hier in den letzten Jahren nicht viel verändert hat. Und es war früher schon nicht modern.

Ich gehe zur linken Seite und stelle mich direkt neben die Theke.

„Ist Paul da?“ frage ich die Verkäuferin, als unsere Blicke sich treffen.

„Ach, Hallo Herr Wickel. Ich habe Sie erst gar nicht erkannt! - Ja, Herr Hilbert ist noch hinten. Gehen Sie ruhig durch.“ lächelt sie mir freundlich zu.

„Hier hat sich wirklich nichts verändert“ gebe ich leise von mir, als ich das Brett zur Wand hochklappe und hinter mir wieder behutsam ablege. Ich muss nicht suchen: Auf halbem Weg kommt mir der Hilbert mit einem Blech aufgetauter Donuts entgegen, die er gerade in den Laden bringen will.

„Mike!“ höre ich ihn rufen, kurz nachdem ich seine Umrisse im kleinen Flur gesehen habe.

„Paul!“ antworte ich in gleicher Tonlage, „Was macht die Kunst?“

Mit freundlichem Gesicht signalisiert er mir, noch einen kleinen Schritt beiseite zu gehen, damit er mit dem Tablett besser an mir vorbeikommt.

„Der Hilbert bringt das nur noch schnell nach vorne, dann gibt‘s einen Kaffee.“

„Gute Idee“ stimme ich ihm zu und trete in den Türrahmen hinter mir.

„Ähhm … schwarz?“

„Ich weiß nicht!,“ tue ich nachdenklich, „Welche Farben hast du denn sonst noch?“

„Witzbold! Ist schon klar.“ prustet er lautstark. „Nimm’ den Hilbert ruhig auf den Arm! Aber es fällt ihm schon wieder ein! Das war … ähhm … etwas Milch und viel Zucker, stimmt’s?“

„Ja, stimmt!“ bestätige ich kurz mit amüsiertem Unterton.

Nach all den Jahren ist es für mich immer noch befremdlich, dass er über sich selbst in der dritten Person spricht. Vermutlich habe ich das Wort „ich“ noch nie aus seinem Mund gehört. Das macht ihn so besonders: Er heißt bei allen nur „Der Hilbert“, weil er sich selbst so nennt.

„Das funktioniert einfach nicht!“

„Ja was soll Hilbert denn machen?“ fragt er mich, ohne eine Antwort hören zu wollen, als wir uns mit Kaffeebechern bewaffnet gegenüberstehen. „Ohne Nachfolger funktioniert keine Bäckerei! Und der Hilbert macht das nicht mehr lange! Stefan will sich das mit Mitte 50 nicht mehr antun und Jonas kann es nicht.“ Ich muss mit dieser skurrilen Situation erst einmal klarkommen. Da stehe ich mit meinem langjährigen Kollegen und muss mir seine Ratlosigkeit anhören.

„Und was ist mit Andrea?“

„Ach, Andrea.“ winkt er ab, „Die kennt die Zahlen und will sich sicher keine Bäckerei ans Bein binden! Auch, wenn es die von ihrem Vater ist. Das funktioniert einfach nicht!“

„Der Hilbert hat in den letzten Jahren einfach gepennt.“

„Was meinst du damit? … Nur, weil der Laden nicht so modern ist?“

„Es ist ja nicht nur das. Der Hilbert ist ja gar nicht mehr gefragt! Mike, die Wahrheit ist: Brote und Brötchen werden immer mehr beim Discounter gekauft und nicht mehr beim Bäcker!“

Versteinert schaue ich ihn an und muss die Worte erst einmal verdauen.

„Und der Hilbert hat keinen Platz, um auch mal ein Frühstück oder ein Stück Kuchen zu servieren … Der Stehtisch vorne in der Ecke reicht da nicht!“

Keine Ahnung, womit ich gerechnet habe. Aber angesichts einer so harten und klaren Abrechnung bin ich sprachlos. Hat er denn Recht mit seiner steilen These? Ohne Zweifel sind wir gerade in der härtesten Veränderung unserer Geschichte und es ist für keinen Bäcker wirklich leicht. Aber die Erkenntnisse vom Hilbert scheinen mir etwas übertrieben selbstkritisch.

„Ich weiß nicht.“, gebe ich unschlüssig von mir. „Klingt für mich alles eine Spur zu hart und übertrieben. Wie sieht’s denn in deiner Filiale aus? - Die läuft doch, oder?“

„Ach, erst recht da nicht!“ wird er energisch. „Von den Zahlen her ist die noch schlechter. Und außerdem ist da ständig jemand krank. Ich kann die ganzen Beschwerden auch nicht mehr hören, dass sie schon wieder für die Kollegin einspringen müssen. - Aber dir geht es da vermutlich auch nicht besser, oder?“

Ich überlege. Natürlich kenne ich das Problem, aber deshalb käme ich nicht auf die Idee, das Geschäft zu schließen.

„Naja, ich kriege ja davon nur die Hälfte mit, weil Inge das bei uns macht. Und so weit ich weiß, hat die alles ganz gut im Griff. Glaube ich zumindest.“

Der Hilbert schaut mich skeptisch an, als müsste er meine Worte noch für sich sortieren und überlegen, welche Bedeutung sie für ihn haben. Eine unangenehme Stille entsteht, als er mich weiter ansieht und nichts sagt.

„Und Andrea hat Steffi erzählt, dass es dir gesundheitlich nicht so gut geht?“ durchbreche ich das Schweigen.

„Ja, ja, ja“ reagiert er, als ob ich ihn wieder in die Realität geholt hätte, „der Hilbert hat Krebs - Volkskrankheit Nr. 1! … Herzlichen Glückwunsch, er hat das goldene Los gezogen. Es geht zu Ende.“

Jetzt schaue ich ihn betroffen an und bin verunsichert, was ich sagen soll. Was ist eine angemessene Reaktion, wenn man so etwas hört? Ein kumpelhaftes „Kann jeden treffen.“ oder „Das Leben endet meistens tödlich.“? Ich mag auch nicht „Kann man da denn nichts machen?“ oder „Ist es denn heilbar?“ fragen. Es klänge so lächerlich. Er scheint meine Gedanken an meinem Gesichtsausdruck abzulesen und erklärt:

„Nein, er ist zu weit fortgeschritten. Wenn er erst mal gestreut hat, sieht es einfach nicht gut aus. Ich muss mich in den nächsten Wochen aus der Backstube zurückziehen und eine Therapie machen. Das kriegen die beiden hier auch irgendwie ohne mich hin … Hoffe ich zumindest.“

Ich nicke ihm anerkennend zu.

„Und wie geht es dann weiter?“

„Nun, die Filiale in der Michaelstraße kann ich zu Ende September kündigen und hier mache ich Ende des Jahres zu. Bis dahin ist ja noch etwas Zeit, damit ich in Ruhe alles abwickeln kann. Außerdem läuft dann der Leasingvertrag für die Maschinen aus.“

Ich fasse kurzerhand meine Gedanken in „Was für eine Scheiße!“ zusammen. „Du bist gerade erst 60, oder?“

„61“ korrigiert er mich prompt.

„OK, 61. Trotzdem hast du noch ein paar Jahre!“

Sein vorher noch künstlich lächelndes Gesicht weicht einer ernsthaften Miene.

„So etwas sucht sich auch keiner freiwillig aus! Mal schauen, was so passiert, aber so kann es nicht weitergehen! Vielleicht zahlt die Krankenkasse oder das Ladenlokal hier kann vermietet werden. Und ein paar Rücklagen für den Ernstfall sind auch vorhanden … Vielleicht lebe ich auch nicht mehr lange!“

Als ich seine Tränen in den Augen bemerke, verkneife ich mir den Kommentar, dass ich zum ersten Mal, seitdem ich ihn kenne, gehört habe, dass er mit „ICH“ über sich selbst spricht.

„Aaach Paul, mal nicht den Teufel an die Wand!“ beschwichtige ich, „kümmere dich erst mal um dich selbst und dann wirst du bestimmt eine gute Lösung finden. Es ist ja wirklich noch eine Menge Zeit.“

„Ja, da hast du recht“ stimmt er mir zu und unterdrückt, dass sich seine Augen noch weiter mit Tränen füllen. „Aber erzähl mal von dir! Wie läuft‘s bei euch? Kommst du inzwischen besser mit deinem alten Herrn zurecht, oder fummelt er immer noch hinter deinem Rücken rum?“

Autsch, das war mein wunder Punkt, auf den ich aber jetzt nicht eingehen will. Ich lenke das Gespräch lieber in Richtung des Betriebs und reagiere irgendwie diplomatisch mit „Du, gut geht es uns allen nicht, oder?“

„Zumindest, wer kein Alleinstellungsmerkmal hat! So wie der Hilbert … an uns ist ja auch nichts Besonderes.“

Da war er wieder, mein alter Lehrmeister. Reagiert hart und selbstkritisch auf meine schwammige Gegenfrage.

„Ja, aber ich dachte, deine Brote und Brötchen kommen gut an …“ hinterfrage ich skeptisch.

„Ja und nein. Sind ja auch nur Backmischungen wie überall anders auch!“

Ich nicke.

„Und das macht es nicht besser oder schlechter als im Discounter! Auch, wenn die Kunden es vielleicht denken, weil sie frische Brötchen vom Bäcker kaufen!“

„Wer nutzt die Mischungen nicht?“ reflektiere ich, „Es ist nun mal einfacher und sie schmecken den Kunden auch. Außerdem ist die Ware haltbarer und sieht gut aus!“

Der Hilbert zögert und legt einen Finger an sein Kinn. „Ja, aber wenn der Hilbert jetzt noch etwas ändern könnte, dann wäre es DAS.“

Ich frage ihn, wie er das meint, und er antwortet mit einer Gegenfrage.

„Wieso kaufen deine Kunden bei euch?“

„Mike, wieso kaufen deine Kunden bei euch?“

Ich schaue ihn fragend an.

„Was glaubst du, ist der Grund für deine Kunden, immer wieder in euren Laden zu kommen und eure Produkte zu kaufen?“

Ehrlich gesagt, habe ich noch nie über diese Frage nachgedacht. „Ich bin halt Bäcker und die Kunden kaufen meine Sachen, weil ich sie backe!“

Der Hilbert lacht. „Ja, das ist schon klar, aber wieso tun sie das, wenn sie auch woanders gute Brötchen und Brote kaufen können?“

Je mehr er lacht, desto ernster schaue ich ihn an. Was will er jetzt von mir?

„Der Hilbert hat in den vergangenen Tagen und Wochen echt viel nachgedacht. Hat überlegt, wie es damals mit 26 war, die eigene Backstube aufzumachen und wie es heute aussieht. Dabei hat er sich gefragt, was sich in den 45 Jahren so alles verändert hat. Und das war so einiges! Sämtliche Erleichterungen in der Backstube und neue Sorten … Aber auch die Anforderungen und der Wettbewerb.“

„Klar“ stimme ich ihm zu.

„Damals gab es noch keine Backshops, keine großen Ketten und erst recht noch keine Discounter oder Supermärkte, die damit werben, ,mehrmals täglich frisch‘ zu backen!“

„Auch klar.“ gebe ich gespannt von mir, um zu erfahren, worauf er hinaus will.

„Wieso änderst du es nicht?“

„Jetzt fangen die sogar noch an, eine Brot-Theke aufzubauen und aufzubacken! Wenn wir nichts Besonderes bieten und unsere Produkte nicht wesentlich besser sind als die bei Aldi oder LIDL oder sonst wo, haben Bäcker keine Daseinsberechtigung mehr. So einfach ist das.“

Seine harten Worte trafen mich. „Das mag ja alles sein. Wieso änderst du es nicht?“

„Mike, schau dir den Hilbert mal an … und dann schau dich mal ganz genau hier um. Macht es wirklich den Eindruck auf dich, als wäre das jetzt noch eine gute Idee?“

Seine realistische Sicht auf die Welt hat mich schon immer beeindruckt, aber nun überkam mich ein lautes Lachen. Angesichts des sonderbaren Gesprächsverlaufs und dieser sarkastischen Frage konnte ich wirklich nicht mehr innehalten.

„Paul, du bist der Hammer. Aber eine bessere Qualität … Premium oder BIO … was auch immer … bedeutet auch höhere Preise. Wie soll man das den Kunden erklären, wenn der Mist im Discounter jetzt schon nur die Hälfte kostet?“

„Aha!“ triumphiert er mit erhobenem Zeigefinger, als hätte ich herausgefunden, dass man die Welt auf Knopfdruck in die andere Richtung drehen lassen könnte. „Genau da ist ja die Aufgabe, die uns die Kunden stellen! Deswegen kaufen sie ja woanders, weil sie den Preisunterschied nicht verstehen! Und das ist ja auch ehrlich überhaupt kein Wunder! Ich habe es dir doch erzählt, woher mein Kollege aus der Erfa-Gruppe seine Teiglinge bezieht! Der hat doch schon lange seine eigene Produktion heruntergefahren und nimmt die Ware aus der Ukraine oder direkt aus China, weil er sich die Lohnkosten nicht mehr leisten kann! … Also nochmal: Mike, wieso kaufen die Kunden bei dir?“

Etwas eingeschüchtert suche ich nach einer Erklärung. „Wir arbeiten halt tradi…“

„Traditionell und handwerklich. Und nicht industriell“ fällt er mir ins Wort, „schon klar. Allerdings interessiert es die Kunden offenbar nicht, sonst könnten die Discounter sich nicht auch noch damit brüsten, mit frischen Backwaren neue Spitzenumsätze zu machen! Entschuldige bitte, ich habe dich unterbrochen.“

Ich weiß nicht, was ich denken oder sagen soll. Reflexartig halte ich den Atem an. Als ich es selbst bemerke, atme ich laut durch die Nase aus.

Mir fällt so schnell keine Antwort ein. „Was ist los mit dir? Haben die dir schon irgendetwas verschrieben, auf das du so allergisch reagierst?“

Der Hilbert lacht. „Nein, mein Lieber. Es sind nur die klaren Gedanken eines alten Mannes. Für den Hilbert ist es jetzt zu spät. Aber vielleicht kannst du etwas mit den Gedanken anfangen. Nicht, dass du in ein paar Jahren an meinem Grab stehst und sagst ,Ach, hätte ich mal auf den Hilbert gehört!‘, das wäre doch doof, oder?!“ lacht er mir zu.

„Ach Mensch, Paul.“ überkommt es mich. „Es tut mir echt leid.“

„Muss es nicht, Mike. Ehrlich. Ich hab‘s mir anders vorgestellt, aber es ist OK wie es ist.“

Er schaut mich mit einem leicht weinerlichen Lächeln an und ich merke, dass er mit sich im Reinen ist.

„Mike, sieh einfach zu, dass du dein Ding machst. Herbert hat dir nicht umsonst alles übertragen - du musst aber deinen Weg in die Zukunft selber finden. Die Zeiten sind für uns Bäcker nicht einfach! Vielleicht kannst du dann ja noch jemanden von Hilbert gebrauchen.“

„Bestimmt.“ bestätige ich und strecke die Hand zum Abschied in seine Richtung.

„Mach‘s gut.“ sage ich, während er mir auch seine Hand reicht. Statt sie allerdings zum Abschied zu schütteln, zieht er mich zu sich heran und umarmt mich herzlich.

„Wie oft hat er mich früher mit seiner unnachgiebigen Art geärgert?!“ denke ich leicht melancholisch, als ich durch die Hintertür zu meinem Auto gehe. Auf dem Rückweg überlege ich, ob er vielleicht sogar Recht haben könnte. So abwegig scheinen seine Gedanken gar nicht zu sein.

Zuhause angekommen fühle ich mich sofort wieder wie in einer anderen Welt. Das kleine Treiben des Alltags hat mich wieder und fängt in Bruchteilen einer Sekunde an, mich zu erdrücken. Es fängt schon damit an, dass ich das Auto nicht unter das Carport stellen kann, weil mein zehnjähriger Sohn Tom sein Fahrrad zu großzügig geparkt hat. Ich bleibe in der Einfahrt stehen und hupe. Kurz darauf bewegt sich die Gardine des Küchenfensters und eine Kinderhand winkt mir fröhlich zu. Ich hupe erneut und deute auf das Fahrrad. Einen kurzen Augenblick später geht die Haustür auf und Tom tritt auf Socken heraus. Seinem Blick nach zu urteilen, hat er den tieferen Sinn meiner Hup-Aktion noch nicht verstanden, weshalb ich „Dein Fahrrad!“ in seine Richtung brülle, anstatt einfach das Fenster zu öffnen. Er versteht mich dennoch und gestikuliert irgendetwas mit seinen Händen, während er zum Carport sprintet, um sein Rad weiter an die Mauer zu stellen.

„Ernsthaft? Dafür hast du mich jetzt angehupt?“ begrüßt er mich, als ich aussteige.

„Ja, genau dafür. - Ist deine Schwester auch schon da?“ frage ich ihn schnell, damit er keine Chance hat, mich zu fragen, weshalb ich nicht einfach ausgestiegen bin und das Fahrrad selbst beiseite gestellt habe.

„Ja, Sophia ist drinnen“, antwortet er, „macht Hausaufgaben.“

Wir betreten gemeinsam das Haus und gehen in die Küche, in der eine gereizte Stimmung zu spüren ist - zumindest wenn ich den Gesichtsausdruck von Steffi und meiner 13-jährigen pubertierenden Tochter richtig interpretiere. Anstatt zu fragen, was los ist, begrüße ich sie vorsichtshalber nur mit einem neutralen „Hi Mädels!“ und einem mitleidigen Blick zu meiner Frau.

„Na dann mach halt morgen weiter“, gibt Steffi nun offenbar nach und Sophia packt grinsend ihre Hausaufgaben in den Schulrucksack. Mit einem „Hi Papa“ geht sie an mir vorbei in Richtung ihres Zimmers. Tom kommt aus dem Wohnzimmer und hält die Spielkonsole in seiner Hand.

„Darf ich Switch spielen?“ fragt er mit einem vorgetäuschten Dackelblick.

„Ja, darfst du. Aber geht bitte in dein Zimmer. Mama und Papa wollen sich mal kurz in Ruhe unterhalten.“

„Wie geht‘s ihm denn?“ will Steffi von mir wissen, während sie die Spülmaschine ausräumt.

„Gut“ grinse ich und nehme ihr die Teller ab, die sie mir entgegenstreckt. „Er hat von seinem direkten Charme nichts verloren!“

„Das wäre ja auch ein Wunder“, kommentiert Steffi auch ihren alten Lehrherrn.

„Stimmt allerdings. Erstaunlich ist, wie vollkommen klar ihm ist, dass seine Zeit und auch die Zeit von Hilbert … also der Bäckerei … abgelaufen ist.“

Ich muss schmunzeln, weil mich ein Gespräch mit „dem Hilbert“ immer an meine Leistungsgrenze bringt.

Steffi dreht sich zu mir um und hält mir nun zwei Tassen vor die Brust: „Und warum verkauft er den ganzen Bumms nicht einfach?“

Ich nehme die Tassen und stelle sie in das Regal hinter mir: „Wer will das denn haben? Ich schau mir gegen Ende des Jahres mal seine Maschinen an - vielleicht ist auch einer der Öfen dann interessant für uns. Aber es gibt zumindest niemanden, der die Bäckerei ernsthaft übernehmen kann oder will. Das passt auch für uns nicht.“ fasse ich zusammen.

„Und spannend find ich ja, dass er denkt, mit noch besserer Qualität und ein paar Tischen könne man mehr Geld verdienen. Für ihn sei es zwar zu spät, weil sich die Umstellung nicht mehr lohne, aber wir könnten es zumindest.“

Steffi klappt die Spülmaschine mit einer gekonnten Handbewegung wieder zu, während sie mit der anderen Hand die Messer in die Lade legt. „Wie meinst‘n das?“

„Nicht ich. Der Hilbert! Er sagt, er hätte in letzter Zeit viel nachgedacht. So über sich und die Bäckerei und so. Da sei ihm wohl klar geworden, dass man als Bäcker nur eine Chance habe, wenn man etwas Besonderes biete und besser sei als die großen Ketten und die Discounter.“

„ Das ist ja viel zu riskant.“

„Klingt ja auch logisch“, kommentiert Steffi und putzt die Arbeitsplatte ab, während ich inzwischen tatenlos daneben stehe und sie bei der Arbeit beobachte.

„Das bedeutet aber auch, dass wir dann wie BIO oder Premium oder was auch immer … höhere Preise verlangen müssen.“

Als hätte ich irgendetwas Falsches gesagt, raunt Steffi mich nun an: „Ja, aber das kannst du nicht bringen. Das ist ja viel zu riskant. Wir haben im Juli ja schon einige harte Gespräche geführt, weil die Kunden es teilweise nicht verstanden haben, wieso wir drei Cent mehr für ein Weizenbrötchen nehmen! Und ich will nicht, dass wir irgendwann keine Kunden mehr haben. Dann kannst du deine Premium-BIO-Brötchen nämlich alleine futtern!“

Uhhh, das hat gesessen. Am besten halte ich nun einfach meinen Mund. Ich will heute Abend keinen Streit provozieren - der Tag war schon blöd genug. Auch wenn es mir schwerfällt: Ich lächle und nicke, während ich mir innerlich auf die Zunge beiße, um nicht zu sagen, dass ich es gerne mal ausprobieren würde. Der Hilbert hat nicht ganz Unrecht, denke ich. Besonders sein und eine bessere Qualität … Warum nicht?

KAPITEL 3

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SO SCHLIMM IST ES NICHT

Als ich in der Nacht zur Bäckerei fahre, lässt mich das Gespräch mit dem Hilbert nicht los. Ist es dem Kunden wirklich egal, ob eine Hand oder eine Maschine seine Lebensmittel herstellt? Es legen viele Menschen noch wert auf ehrliches Handwerk, denke ich. Kaufen denn so viele Leute dieses billige Zeug?

Ich bin um kurz vor eins im Betrieb. Ein paar Minuten nach mir kommt Markus Röhrmann durch die Tür und streift sich seine Umhängetasche von den Schultern.

„Na, Chef? Geht‘s wieder?“

Ich gebe einen nicht so richtig identifizierbaren Laut von mir und nicke ihm mit einem Lächeln zu. Der Mann ist wirklich gut. Er ist seit vier Jahren als Meister bei uns und kümmert sich um alles, was ich nicht schaffe.

Als die Gesellen und Azubis später eine kurze Pause machen, ist die Situation günstig, mich am Backtisch nach seiner Meinung zu erkundigen.

„Herr Röhrmann, ich habe heute mit meinem alten Freund, dem Hilbert gesprochen“ eröffne ich das Gespräch.

Aus seiner Richtung kommt ein gleichgültig klingendes „Aha“ zurück.

„Er meint, dass vielen Kunden egal ist, ob sie beim Bäcker oder vom Discounter kaufen. Der Hilbert sagt, dass es eigentlich egal ist, ob traditionell handwerklich gearbeitet oder industriell gefertigt wird, weil das Produkt für den Kunden in vielen Fällen vergleichbar ist.“

Ich lasse diese Aussage so stehen und schaue ihn an, während ich die Teigstücke weiter beisetze.

„Wieso das denn? Wir machen doch gute Arbeit! Das wissen unsere Kunden auch - und deswegen kommen sie zu uns!“ Er wird energischer. „Wenn wir jetzt das Sortiment verändern, Preise noch weiter erhöhen oder irgendwas umstellen … das finden die Kunden ganz sicher nicht gut. Und außerdem ist es gar nicht nötig.“ betont er mit einem Faustschlag auf den Tisch. „Never change a running system!“

„Da haben Sie Recht. Gute Arbeit machen wir auf jeden Fall. Die Frage ist nur, wie lange und wie gut das System läuft! Ich wollte mal einfach hören, was Sie dazu denken“ bedanke ich mich bei ihm und drehe mich um, weil das Signal des Ofens ertönt.

Wenn ich jetzt wirklich alles umstellen würde …, denke ich, wie sollte das gehen? Ich kann ja nicht einfach komplett andere Zutaten nehmen und dem Kunden schmeckt es auf einmal nicht mehr! Und wenn ich das dann noch mit einer Preiserhöhung verbinden würde … Das ist echt riskant.

Der restliche Morgen verläuft routiniert. Mit den Laugenstangen sind wir heute zwar ein paar Minuten später fertig, aber das fällt nur unserer guten Inge vorne im Laden auf. Eigentlich heißt sie Ingeborg Sundermann und ist unsere treue Seele des Betriebs. Ich glaube sogar, dass viele nicht einmal ihren Nachnamen kennen, weil jeder sie nur mit Inge anspricht. Sie ist unsere Inge - Frau der Dinge. Jeder braucht so eine gute Seele, die alles zusammenhält und der Firma eine persönliche Ausstrahlung gibt, oder? Inge ist bei Wickel, seitdem ich denken kann. Früher hat sie mir immer einen Nugatring gegeben, wenn ich nach der Berufsschule direkt zur Bäckerei ging. Jeden Morgen um exakt 4:58 Uhr schließt sie den Laden auf und bereitet den Verkauf vor, obwohl wir erst eine Stunde später öffnen.

Als meine Arbeit am Tisch erledigt ist, ziehe ich mich um und rauche meine fünfte Zigarette an diesem jungen Tag. Ich genieße die aufgegangene Sonne und schaue auf unseren Parkplatz. Mir fallen die vielen Familienväter auf, die an diesem Samstagmorgen vermutlich von ihren Frauen zu uns geschickt werden, um frische Brötchen für den Frühstückstisch zu erjagen. Ich zünde mir noch eine Zigarette an, um mich schon mal auf die anstehende Arbeit in meinem Büro vorzubereiten. Als ich die Zigarette nach wenigen Minuten in den Aschenbecher drücke, beschließe ich kurz, mit Inge über die Idee vom Hilbert zu sprechen. Mich lässt der Gedanke nicht los, etwas tun zu müssen, und gleichzeitig weiß ich nicht, ob es der richtige Weg für uns ist.

„Inge? Hast du mal eine Minute?“ frage ich in den Laden hinein, während ich nur meinen Kopf durch die Pendeltür gesteckt habe.

„Och Mike, muss das unbedingt jetzt sein? Du siehst doch, was hier los ist. Geht das nicht auch um zehn?“

Hat sie mir jetzt einen Korb gegeben? „OK“, gebe ich dennoch verständnisvoll von mir. „Kommst du dann gleich zu mir hoch?“

„Na klar“ bestätigt Inge, während sie halblaut die Brötchen zählt, die sie routiniert in die Tüte wirft.

„Wie sehr ich Büroarbeit liebe!“ denke ich ironisch, als ich kurze Zeit später an meinem Schreibtisch sitze. Es ist unordentlich. Überall verteilt liegen Angebote, Rechnungen, alte Bewerbungen und Prospekte von irgendwelchen Firmen, die mir etwas verkaufen wollen. Ich nehme ein paar Broschüren und werfe sie in den Papierkorb. Ich habe jetzt echt keine Lust, irgendetwas zu kaufen. Mir ist es wichtiger, die Ausgaben etwas zu reduzieren, um damit auf weniger Kunden zu reagieren … Wenn wir überhaupt weniger Kunden kriegen sollten. Davon bin ich noch nicht überzeugt.

Ich packe die Produktproben in eine Kiste und sortiere die Zettel weiter. Zentimeterweise kämpfe ich mich durch den Papierkram und alles andere, was noch auf meinem alten rustikalen Schreibtisch liegt.

„Vielleicht hätte ich gestern doch einfach meinen Job hier gemacht, dann wäre der Aufwand jetzt nicht so groß.“ denke ich etwas reumütig. Es dauert nicht lange, bis ich mein Zeitgefühl verliere. Ein lautes Klopfen an meiner Tür erschrickt mich. Ist es wirklich schon zehn Uhr?

Inge öffnet die Tür: „So, ich habe jetzt Zeit, Mike. Was gibt‘s denn?“

Sie platziert ihren voluminösen Körper in einen der beiden auf einmal sehr gebrechlich anmutenden Schwingstühle vor meinem Schreibtisch.

„Ich habe da mal eine Frage an dich.“

„Schieß los!“

„Inge, was denkst du: Wenn wir hier ein paar Dinge verändern … zum Beispiel eine bessere Qualität bieten … vielleicht BIO oder wirklich Premium-Produkte … und dafür sorgen, dass man bei uns auch gut frühstücken oder nachmittags einen Kuchen essen kann … würden wir dadurch ein Alleinstellungsmerkmal für unsere Kunden schaffen?“

Inge schaut mich mit einem irritierend schmerzverzerrten Gesicht an.

„Aber Mike, das sage ich dir ja schon seit langem! Das ist es doch, was ich die ganze Zeit sage!“

Die gerade gebildeten Falten auf der Stirn scheinen sich magisch aufzulösen, um zu einem Lächeln in den Mundwinkeln wieder zu erscheinen. Offensichtlich gefällt ihr der Gedanke, dass ich dieses Thema nicht länger ignoriere und sie endlich erhöre. Nachdem ich den schnellen Wandel ihrer Gesichtsausdrücke für mich interpretiert habe, schaue ich sie fragend an. Scheinbar gebe ich ihr damit die heiß ersehnte Einladung, dem Schwall an Wörtern, der sich wohl nicht länger von ihr unterdrücken lässt, freien Lauf zu lassen.