Der Besuch - Jeremias Gotthelf - E-Book

Der Besuch E-Book

Jeremias Gotthelf

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Beschreibung

Der Besuch gehört zu den unbekannteren Texten von Jeremias Gotthelf, ist aber trotzdem eine Leseempfehlung für alle, die tiefer in sein Werk eintauchen wollen.

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Der Besuch

Der BesuchAnmerkungen zu dieser WerkausgabeImpressum

Der Besuch

Sommer war's, nach dem Heuet ungefähr, denn die Wiesen waren frisch gemäht, und im Felde stund noch das Korn. Gegen Abend gings, aber noch brannte die Sonne heiß, und dunkle Wolken stocketen am Himmel. Da saß auf einem Abweissteine an einer staubichten Landstraße ein junges Weib, hatte ein Kind an der Brust, und ein Kinderwägelchen stund vor ihr. Es war offenbar kein arm Weib, denn im Wägelchen war schönes, reines Bettzeug, und es selbst trug ländliche Tracht, zwar nicht hoffärtige, aber reiche, und doch schien es unglücklich; denn so munter, als der Bube auf seinem Schoße sog, ebenso stark weinte es gar bitterlich. Als der Junge endlich seinen Durst gestillt, wischte es, so gut es ging, die Tränen ab, packte ihn sorgfältig ins Wägelchen und zog fürbaß, aber mühsam, offenbar ermatteten Schrittes.

Das war eine junge Baurenfrau, die Frau des Sohnes des Tanzbodenbauers, welche heimwollte zum Besuch über den Sonntag; denn es war Samstagsnachmittag. Stüdeli war da aus den Dörfern herauf, wie man im Emmental zu sagen pflegt, hatte auf dem Tanzboden sich eingemannet. Der Tanzboden ist dem Weibervolk sonst ein sehr beliebter Aufenthaltsort, wie bekannt, und dieser Tanzboden, von dem hier die Rede ist, noch dazu ein recht schöner Hof und der Bauer nicht verschuldet und doch Stüdeli da oben nicht wohl; denn das Heimweh wollte ihns nicht loslassen. Wenn schon nicht die Worte, so doch die Töne klangen ihm immer und immer im Herzen: »Herz, mys Herz, warum so trurig, und was soll das Ach und Weh? 's ist so schön im fremden Lande, Herz, mys Herz, was witt de meh? Was mr fehlt? Es fehlt mr alles, bi so gar verlasse hie, möcht zum Ätti, möcht zum Müetti, ha nit Lust und ha nit Fride, bis ih i mym Dörfli bi.« Nun, in fremdem Lande war das Fraueli noch lange nicht. Der Tanzboden war kaum vier Stund von Straudachigen, wo Stüdeli daheim gewesen, entfernt, und doch schien es ihm, es sei auch so, wie es im gleichen Liede heißt: »Es ist wohl schön da oben, doch zur Heimet wird es nie!« Dieses Weh nach einer Heimat, die nicht zwei Stunden weit entfernt liegt, findet man oft im Schweizerland. Ja, es gibt Bauern, denen es nicht wohl wird, bis sie wieder auf den Hof, in das Haus, in welchem sie geboren wurden, eingezogen. Drei Stunden sind eine große Weite im Schweizerlande; wo innige Liebe ist, sind hundert Ellen eine grausame Weite.

Stüdeli war auf den Tanzboden gekommen, es wußte kaum, wie, fast wider Willen. Stüdeli hatte auch ein Meitschiherz, flinke Buben gefielen ihm wohl. Einen Kurs in der spekulativen Philosophie hatte es nicht durchgemacht, es war noch viel zu jung, um was dran zu begreifen. Es fragte nicht nach Geld und Sachen, die Lüstigsten waren ihm die Liebsten, eines Geißenhändlers Bub war der Allerlüstigste, der war ihm auch der Allerliebste. Nit eben so, was man sagt, im Ernste; von Heiraten war keine Rede, aber drTüfel sei immer ein Schelm gewesen und werd noch immer einer sein, dachten die Alten, ungsinnet könnts fehle. Da kam einmal eine Bettlerfrau, es war im Winter, und fragte, ob sie nicht hineinkommen und sich wärmen dürfe? Dieses schlägt man in der Regel nicht ab; so eine weiß was zu erzählen, und gerade die war eine der Rechten. Hauptsächlich drehte sich ihre Rede um den Tanzboden herum und vergaß dabei Peter nicht, den Sohn. »Das wär einer für dich«, sagte sie zu Stüdeli, »werchbar, huslig, hübsch, frein wär er, kurz alles, was einem Burschen wohl ansteht und Meitschene sonst anständig ist.« Stüdeli verlachte diese Reden, aber der Mutter gingen sie in die Ohren. Das schickte sich, wenn die zusammenzubringen wären, dachte sie. Das Meitschi sei ihr nicht erleidet, aber man wäre doch dann Kummers los.

Als die Bettlerin endlich ging, ging die Mutter ihr nach, und korbeten die Sache zusammen, so gut, daß es allerdings einen Käs gab, wie man zu sagen pflegt. Stüdeli wehrte sich nicht auf Leben und Tod; die Bäurin stach ihm doch noch tiefer im Kopf als des Geißenhändlers Bub, und da Geißenhändlers Buben wohl selten zu Bauern werden, so zog der Baurensohn vor. Übrigens war Peter, wenn auch nicht der lüstigste, so doch gar kein übler Bursche, hatte Verstand, einen tüchtigen Körper. Am meisten war es Stüdeli zuwider, daß es so weit vo Müetti wegmüßte und dazu noch ins Emmental hinauf in die wüsten, schwarzen Berge hin. Daß es so hell und heiter im Emmental ist wie irgendwo, sieht man ihm freilich von ferne nicht an. Des Geißenhändlers Bub tat anfangs wüst, erst redete er von Erschießen, dann von zKrieggehen, und endlich machte er es wie die meisten in ähnlichen Fällen, er nahm eine andere.

Stüdeli war recht hellauf als Braut, freute sich sogar auf die Hochzeit wie die andern auch, wenn sie es zuweilen auch nicht erzeigen wollen, und blieb als junge Frau noch einige Zeit recht wohlgemut daheim. Da begehrten aber die Schwiegereltern ernstlich, daß es zu ihnen käme. Es sei ja dumm, sagten sie, und die Leute würden ihnen wenig darauf halten, wenn sie eine Schwiegertochter hätten und, statt diese ins Haus zu nehmen, einer Jungfrau den Lohn gäbten, für ihre Sache zu machen. Daneben verlauf drJung eine Zeit, es sei nicht zu sagen, und wenn man schon die Zeit nicht achten wollte, so sei dann erst noch von den Schuhen zu reden.