Der Birshammerhai und andere Flussgeschichten - Corinne Maiocchi - E-Book

Der Birshammerhai und andere Flussgeschichten E-Book

Corinne Maiocchi

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Beschreibung

2013 rief Corinne Maiocchi den Birsblog ins Leben. Seither erzählt sie - mal heiter bis tiefgründig, mal witzig bis wütend - über ihren Alltag an Birs und Rhein. Nach Einzug des Terriers Kimi muss sie sich ihre Schreibstube allerdings teilen: Der Hund entpuppt sich schnell als talentierter Blogger, der gerne seine ganz eigene Sicht auf die Geschehnisse am Wasser kundtut.

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Verliebte Fische, stille Wassermänner und tapfere Sündenböcke…

Von ihnen und vielen andern erzählen die Flussfrau und der König im Duett. Wer sich auf diese zarten und liebevollen Geschichten rund um den Fluss einlässt, dem öffnet sich das Herz, versprochen!

Für meine geliebten Wassermänner

Kapitel

Watership down

Gelandet

Wasserlinie

Frühling im Flussbau

Date mit Mark Knopfler

Knut von der Birchmatt

Kimi von der Birs (Ein König Kimi-Blog)

Flussflegel (Ein König Kimi-Blog)

Romeo and Juliet (Ein König Kimi-Blog)

Jetzt redet die Flussfrau

Es war einmal... (Eine wahre Birs-Legende)

Schnipp Schnapp (Ein König Kimi-Blog)

Advent, Advent oder ein Weihnachts-Übel kommt selten allein

Schneekönig (Ein König Kimi-Blog)

Alterswarzen und sonstige Widrigkeiten des Menschseins

Tour des jardins (Ein König Kimi-Blog)

Schnauze voll

Ganz guter Hund (Ein König Kimi-Blog)

Tage wie dieser...

Acqua calda...

Na endlich... (ein König Kimi-Blog)

Auf zu neuen Ufern

Landeier (Ein König Kimi-Blog)

Reiche Ernte

Die Saga vom Sündenbock

Die Saga vom Sündenbock (Episode 2)

A Lucca, amore mio

Home-Office (Ein Corona-Blog)

Trattoria «da Tiziano» (Ein Corona-Blog)

Corona Cut (Ein Corona-Blog)

Glücklicher Hund (Ein König Kimi-Corona-Blog)

1. Watership down

«Unten am Fluss» von Richard Adams

«Der kleine Wassermann» von Ottfried Preussler

«Der Lauf des Wassers» von Alan Watts

Gelesen, verschlungen und geliebt. Zwei Kinderbücher und eine Einführung in den Taoismus. Standardwerke einer jeden gemeinen Flussfrau.

Und sind somit bereits verstaut in den Kisten. Obwohl die Selektion diesmal hart war. Viele Bücher haben’s nicht geschafft. Nicht mehr. Wurden aussortiert. Nach Jahren und Jahrzehnten. Weils Zeit war. Und weil der Platz weniger wird an der neuen Adresse.

Direkt am Fluss.

Seit langer Zeit gehegter Traum.

Keine Strasse, kein Haus, kein Garnichts verstellt uns mehr die Sicht. Auf unser geliebtes Gewässer. Die Birs und wir. Von morgens bis abends. Frühling, Sommer, Herbst und Winter.

Unglaublich.

Wünsche haben tatsächlich die Tendenz in Erfüllung zu gehn.

Obwohl ich keine Bestellungen beim Universum aufgebe.

Und kann es noch immer nicht recht fassen.

Mit dem grossen Glück verhält es sich wie mit dem grossen Unglück.

Man braucht Zeit um es zu begreifen.

Werden somit wohl noch ein Weilchen staunen.

Über diese freudige Fügung, die uns unserm Bach so nahe bringt.

Unten am Fluss.

Watership Down.

Da werde ich alt werden, hoffentlich.

Und nie mehr wegziehen, zumindest nicht freiwillig.

Aus dem kleinen, verwunschenen Daheim am fliessenden Wasser.

2. Gelandet

Es waren mindestens zweitausend Kisten. Alles in allem. Der grosse Wassermann meint, das sei mal wieder völlig übertrieben. Egal. Angefühlt hat es sich wie zweitausend Stück. Oder auch mehr. Der kleine Wassermann geht mit der Flussfrau einig: Es waren auf jeden Fall Berge von Kisten, hohe Berge, puh, was für ein Krampf so eine Züglete.

Aber jetzt sind sie alle ausgepackt und somit Geschichte. Und wir haben uns eingelebt und eingenistet. Genüsslich Stück für Stück die Räume erobert. Und haben tatsächlich für jedes wichtige und unwichtige Teil einen passenden Platz gefunden. Unglaublich, was der Mensch alles hortet. Und mit sich herumschleppt. Zum Glück nun unwichtig. Denn uns geht das nichts mehr an, wir packen, wie gesagt, keine Kisten mehr. Nicht in diesem Leben.

Wir sind angekommen. Am Fluss und mitten im Grünen. Haben jetzt eine eigene Hausspinne, Kleopatra heisst sie. Und ein namenloses Büsi, welches dreimal täglich zum Fenster rein mauzt. Sind von Weiden umgeben und von Licht und Sonne. Und frischer Luft. Und Nachbarn, die dem Fluss guten Tag und gute Nacht sagen. Wie wir.

Der kleine Wassermann meinte gestern, das sei hier wie im Paradies. Und hat natürlich recht. Während sich die Flussfrau kneift. Immer und immer wieder. Um sicher zu gehn, dass sie nicht träumt. Sondern wach und wahrhaftig unten am Fluss gelandet ist.

3. Wasserlinie

Kommt mir als erstes in den Sinn, wenn ich auf der Redingbrücke stehe. Auch wenn keine Schiffe die Birs hinunterfahren. Zumindest keine grossen. Gummiboote manchmal. Aber nur im Sommer. Beladen mit abenteuerlustigen Jugendlichen. Oder Luftmatratzen und Autoreifen. Bestückt mit staunenden Kindern. Auch leere Bierflaschen schwimmen zu fast jeder Jahreszeit zahlreich Richtung Rhein. Und… der Birshammerhai natürlich. Dieses furchteinflössende Geschöpf, wird jeweils in den Monaten Juli und August des Nachts gesichtet. Zwischen Redingbrücke und Birsstegweg. Das zumindest wird von Flussfreaks hartnäckig beteuert. Wissenschaftlich erwiesen ist jedoch nichts. Im Gegenteil. Böse Zungen behaupten, der Hai sei frei erfunden wie das Nessi, und die selbsternannten Zeugen stünden jeweils unter grappäischem Einfluss. Wie dem auch immer sei.

Die Enten im Lauf des Flusses kennt dann wieder jeder. Wie die Wintermöwen auch. Ebenso die Reiher und die Ratten, die im und ums Wasser auszumachen sind. Und die Taucherli natürlich, Kopf und Rumpf fast immer im Nass verborgen.

Nur auf die ganz grossen Schiffe, auf die mit der Wasserlinie, wartet man vergebens. Kein Wunder bei diesem Bächli. Meinen einige etwas abschätzig. Die aber haben nichts begriffen. Denn das Bächli lockt die ganz grossen Gefühle. Obwohl es klein ist. Steht man auf der Redingbrücke, steht man am Tor zur Welt. Das geht auch ohne Frachter, Kreuzfahrtschiffe und Fähren.

Freiheit, Weite, Aufbruch. Wie in Hamburg, Rotterdam, Genova. Kein Vergleich zu hoch gegriffen. Zumindest nicht mir.

Das Herz weit. Die Seele fliegend. Wie die Möwen. Ohne Ziel. Einfach Sein. Und alles möglich.

Lieber Fluss, für all dies sei dir von Herzen gedankt!

4. Frühling im Flussbau

Und dann war der Lenz plötzlich da.

Früh zwar, aber wer beklagt sich schon über einen frühen Frühling?

Die Weiden ums Haus grünen, die Osterglocken in der Birsmatte öffnen sich, und unsere blassen Gesichter ergattern sich einen Hauch von Farbe. Die Möwen sind vor ein paar Tagen nach Russland zurückgekehrt. Schade eigentlich, dass sie den Sommer nicht mit uns teilen. Dafür hat der grosse Wassermann gestern den Grill angeworfen und der kleine Wassermann macht seine Hausaufgaben seit Neustem auf der Gartenliege.

Und ich stehe zweitausend Mal täglich vor unserm Bau. Schaue auf den Fluss und kann nicht aufhören zu staunen. Lass es gut sein, endlich! Sag ich mir. Irgendwann sollte man sich doch auch an diesen Zustand von Glück gewöhnen. Ihn als Alltag empfinden und den Zauber ziehen lassen. Zusammen mit den Möwen.

Doch nichts dergleichen. Vielleicht liegt’s am Wasser, das immer in Bewegung ist. Vielleicht am zunehmenden Alter der Flussfrau. Und der wachsenden Sentimentalität. Wer weiss. Jeder Morgen ist voller Verheissung und ich kann mich nicht sattsehen und nicht sattriechen an all den lauen Launen der Natur.

Und erinnere mich zwischendurch, dass da noch ein anderer Samen keimt. Tag für Tag grösser wird und wächst. Und zusammen mit unserer Vorfreude und Aufregung reift...

Aber halt, keine Eile! Wie wir wissen, wächst das Gras, während wir stillsitzen, von allein (nicht von mir, aber von Buddha). Und so lassen wir es noch ein bisschen spriessen, und melde mich wieder, wenn das neue Abenteuer beginnt…

5. Date mit Mark Knopfler

Das geht nun schon seit über dreissig Jahren so mit uns.

Damals war ich siebzehn. Die Klassenreise war eine Katastrophe und La Grande Motte war es ebenso. Hoffnungslos verschandelt schon vor drei Jahrzehnten, ein bauliches Verbrechen an das nächste gereiht. Die Strände aber waren eine Offenbarung. Vor allem im Oktober, kein Mensch mehr da, ausser uns.

Wir gingen ohne Ziel und Richtung. Einfach immer geradeaus. Die Vorderste hatte den Ghettoblaster geschultert. Eros Ramazzotti, adesso tu. Ja, das hörten wir zu jener Zeit und wir hörten es mit Hingabe. Irgendwann wechselte jemand unter grossem Protest das Tape. Und was dann kam, war Liebe auf den ersten Klang. Zumindest für mich. Un colpo di fulmine, wie Eros sagen würde, aber dem hörte ja längst niemand mehr zu.

Da war diese Gitarre, und plötzlich erstarb das Backfischgeschnatter. Weil alle lauschten. Und Eros vergassen. In einer einzigen Sekunde. Träumten. Abhoben. In unbekannte Welten abtauchten. Und dabei hatten wir weder gekifft noch getrunken. Nur die nackten Füsse im Sand, dann und wann von einer Welle umspielt.

Dire Straits. So hiessen die Magier, und der Oberzauberer war Mark Knopfler.

Nach der Reise hab ich mir als erstes die Platte gekauft. Später die CDs. Eine nach der andern. Jedes Mal ein Fest. Und Song für Song mehr Kitt. Wie in einer althergebrachten Ehe.

Seit jenem Tag in La Grande Motte habe ich mindestens hundert Mal meinen Wohnort gewechselt. Ein dutzend Mal meine Vorlieben.

Einige Male gar meine grosse Liebe.

Mark aber ist geblieben.

Ist sozusagen meine immerwährende Liebe geworden.

So verlässlich wie Ebbe und Flut.

Weil das einfach passt. Mit uns. Und wir zusammen älter werden. Genussvoll. Eine unkomplizierte Beziehung führend: Er spielt Gitarre und ich bin davon hingerissen. Und dazwischen macht jeder, was er will.

Morgen treffen wir uns wieder. Auf der Piazza von Locarno. Nach sechs Jahren Pause. Romeo and Juliet. Wir werden uns blind verstehen wie immer. Obwohl das nicht mein Lieblingssong von ihm ist. Schon eher Tunnel of Love. Oder Telegraph Road. Wobei gerade Waterline mich auch immer und immer wieder aufs Tiefste berührt.

Das Wasser, Mark und ich.

Da ist das letzte Kapitel noch nicht geschrieben.

6. Knut von der Birchmatt

zog am 29. März mit seinem edlen Köfferchen in unsern Flussbau. Da war sie also, die Frucht des keimenden Samens.

Als Sohn von Dragonheart Gigi und Lucky from Jucar ist Knut ein veritabler Blaublüter. Zum Glück ist er trotz Adelstitel ein bodenständiger Typ, und so nennen wir ihn, unsern bescheidenen Gepflogenheiten entsprechend, kurz und bündig Kimi. Überhaupt ist der Herrschaftliche von der Birchmatt ein Naturbursche, der sich um Titel und entsprechende Manieren nicht schert. Sein Element ist das Flussufer, welches er mit Vorliebe umgräbt, bis die edlen, weissen Pfoten schwarz sind vor Dreck. Und seine Leibspeise ist die gemeine Bellwurst, dafür lässt er gar den grössten Tunnelbau stehn und liegen und steht in Rekordzeit bei Fuss. Der grosse Wassermann sagt, er sei mindestens so schnell wie sein berühmter Namensvetter Kimi Raikkönen. Und der kleine Wassermann findet, er komme so flink und leichtfüssig daher wie das Rennschwein Rudi Rüssel.

Das sind natürlich ziemlich hochtrabende Vergleiche, wenn man bedenkt, dass Kimi momentan eine Schulterhöhe von gerade mal zehn Zentimetern misst und dabei ganze neun Wochen alt ist. Und natürlich so putzig und knuffig ist, dass man alles andere vergisst und vernachlässigt: Haushalt, Schreibstube, einfach alles, ja manchmal gar den eigenen, kleinen Wassermann. Dafür den ganzen Tag auf dem Boden sitzt und spielt und schmust. Oder eben mit dem Winzling dem Fluss entlang geht. Wo Kimi täglich neue Bekanntschaften schliesst. Bobby, Trolly, Zucki, Pinky. Unglaublich wie viele verschiedene Fellnasen es gibt. Grösser als Kimi sind sie allesamt. Einige sogar ziemlich viel. Aber Kimi ist das egal. Jeder Hund sein Freund und wird in aufrechter Haltung begrüsst. Womit einmal mehr bewiesen wär, dass mentale Grösse wahre Grösse ist. Was den burschikosen Winzling schlussendlich doch wieder adelt.

Und so ist mit Kimi auch die Heiterkeit zu uns in die Flussstube gezogen. Ein Sonnenstrahl von morgens bis abends. Willkommen Kimi, Lebenskünstler und Charmeur! Jetzt ist die Flussfamilie komplett.

7. Kimi von der Birs (Ein König Kimi-Blog)

Als Knut von der Birchmatt bin ich vor vier Wochen aus dem Schlosshof Dangern ausgezogen und als Kimi von der Birs im Flussbau gelandet. Einige Spaziergänger hier nennen mich auch König Kimi oder Schnüggel von der Birs. Mir gefallen alle Titel. Und ich gefalle allen Menschen. «Jö, nei», «so siess», «ühh, putiput», «ei isch dä härzig!»

Die meisten Zweibeiner kommen völlig aus dem Häuschen, wenn sie mich sehen. Wollen mich knuddeln, streicheln, knutschen. In ihre Taschen packen, mitnehmen, gar stehlen oder der Flussfrau auf der Stelle abkaufen. So hat sie letzte Woche mit der Züchterin von der Birchmatt telefoniert und hundert Kimis nachbestellt. Mit diesem Modell machen wir den grossen Reibach, hat sie gesagt, und dann konnten beide nicht mehr aufhören zu lachen. Ein typischer Menschenwitz halt.

Meine neuen Ländereien an der Birs sind allerdings ausserordentlich herrschaftlich: Geht man nach dem Tor des Flussbaus nach rechts, kann man bis zur Mündung des kleinen Flusses in den grossen Strom laufen. Dort hat es Steine und Sandbänke und seit neustem auch einen langen Tunnel. Er geht noch nicht ganz bis China. Aber bis zum Herbst bin ich locker durch.

Biegt man jedoch vom Flussbau aus nach links ab, geht man unglaublich lange, bis man zum Ende der Welt kommt. Das Ende der Welt heisst «Crazy Horse Bar». Das dachte ich zumindest bis vor einigen Tagen, weil ich immer völlig erledigt war, bis wir dort ankamen. Keinen einzigen Schritt konnte ich mehr tun, so dass mich der grosse Wassermann dann jeweils nach Hause zurücktragen musste. Aber seit Kurzem bin ich, wenn wir bei der Bar ankommen, noch fit und habe gesehen und gerochen, dass der Flussweg dahinter tatsächlich weitergeht. Viel, viel weiter. Selbstverständlich werde ich die Fortsetzung des Endes der Welt raschmöglichst erkunden.

Als adliger Freigeist geh ich immer ohne Leine. Na ja, fast immer. Vor einigen Tagen lag eine herrliche Bratwurst auf einem Grill. So wie die dalag, war sie selbstverständlich für mich bestimmt. Flink, schnell und höflich wie ich bin, hab ich die Wurst nicht lange warten lassen. Schön warm war sie und knusprig. Und obwohl sie doch ganz offensichtlich meine Wurst war, hatte die Flussfrau ganz entschieden etwas dagegen, dass ich sie frass. Das war unschwer aus ihrem erbosten «Nein» zu erkennen. Zudem hat sie sich anschliessend sehr ausführlich bei der Bratwurstfrau entschuldigt. Und mich danach, ja eben so ein Mist, an die Leine genommen. Das war schade, denn weiter vorne gab’s