Der Cannabis-Irrsinn - Mischa Hauswirth - E-Book

Der Cannabis-Irrsinn E-Book

Mischa Hauswirth

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Beschreibung

Egal, ob Sie in Euro oder Franken rechnen - europaweit werden Jahr für Jahr Hunderte von Millionen in die Cannabis-Repression gepumpt. Ändert das etwas am Angebot oder an der Nachfrage? Verbessert sich dadurch der Konsumenten- oder Jugendschutz? Das Gegenteil ist der Fall. Während die Konsumenten kriminalisiert und schikaniert werden, profitieren Dealer, kriminelle Banden und international operierende Kartelle. Jahr für Jahr teilen sie sich die Milliardengewinne, während der Staat leer ausgeht. Der Journalist Mischa Hauswirth zeigt in seiner Analyse anhand von neuesten Zahlen auf, wie die europäische Verbotspolitik gescheitert ist und weshalb nur ein Ende der Prohibition verbunden mit dem Einstieg in ein Regulationsmodell den Teufelskreis zu durchbrechen vermag. Wer heute über Cannabis diskutiert, sollte wissen, welchen finanziellen Aufwand die aktuellen Gesetze nach sich ziehen, wie der sinnvolle medizinische Einsatz von Hanf unnötig erschwert wird und wie ein Wirtschaftskomplott aus den 1930er Jahren gegen eine wertvolle Nutzpflanze die Cannabispolitik bis heute bestimmt. "Das Buch von Mischa Hauswirth ist wertvoll, weil es dazu beiträgt, mittels einer eingehenden und objektiven Analyse die Dogmen und Vorurteile, die schon viel zu lange die Diskussionen beherrschen, umzustoßen." "Cannabis ist ebenso ein Symbol der Absurdität wie des Mangels an Glaubwürdigkeit der aktuellen Drogenpolitik." Aus dem Vorwort von Dick Marty (Jurist, Tessiner Alt-Ständerat und ehemaliger Staatsanwalt) www.cannabis-irrsinn.info

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Der Cannabis-Irrsinn

Vorwort Dr. jur. Dick Marty

Impressum

 

Verlegt durch:

 

NACHTSCHATTEN VERLAG AG

Kronengasse 11

CH-4500 Solothurn

Tel: 0041 32 621 89 49

Fax: 0041 32 621 89 47

[email protected]

www.nachtschatten.ch

 

© 2015 Nachtschatten Verlag AG

© 2015 Mischa Hauswirth

 

Umschlaggestaltung: Sven Sannwald, Lüterkofen

Layout: Reto Wahlen, Solothurn

Lektorat: Jutta Berger, Felsberg-Beuern (D)

Korrektorat: Nina Seiler, Zürich

 

E-Book: Schwabe AG, www.schwabe.ch

 

eISBN 978-3-03788-351-8

 

 

Der Verlag wollte das ganze Buch auf Hanfpapier drucken. Leider wird der Hanfpapierpreis von den großen Papierhändlern künstlich hoch gehalten, damit Hanf nach wie vor nicht dem ihm gebührenden Platz als schnell nachwachsender Rohstoff bekommt. Dieser Preis ist für einen Kleinverlag zu teuer. Trotzdem haben wir wenigstens den Umschlag auf Hanfpapier (Gmund ActGreen Cannabis 250 g/m2) und den Inhalt auf 100 % Recycling-Papier (CircleMatt white) gedruckt.

 

Alle Rechte der Verbreitung durch Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art, elektronischer digitaler Medien und auszugsweiser Nachdruck nur unter Genehmigung des Verlages erlaubt.

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort

Teil 1 – Grasland Europa oder die ernüchternde Bilanz nach 50 Jahren Marihuanaverbot

Das Wichtigste in Kürze – Teil 1

Teil 2 – Wie der Staat mit dem Cannabis-Verbot Steuergelder verbrennt

Das Wichtigste in Kürze – Teil 2

Teil 3 – Die Hanf-Verschwörung

Das Wichtigste in Kürze – Teil 3

Teil 4 – Die zaghafte Rückkehr von Marihuana in die Medizin

Die Sicht eines Cannabis-Forschers, Interview mit Prof. Dr. R. Brenneisen

Das Wichtigste in Kürze – Teil 4

Teil 5 – Das Teufelskraut oder Wie gefährlich ist Cannabis wirklich?

Gefährlichkeitsstudien im Check

Das Wichtigste in Kürze – Teil 5

Teil 6 – Kein Happy-Kifferland, sondern ein Ausweg aus dem Hanflabyrinth

Das Wichtigste in Kürze – Teil 6

Zitate zum Cannabis-Verbot

Quellenverzeichnis

VORWORT

Als junger Staatsanwalt sah ich mich sehr schnell mit dem Drogenproblem konfrontiert. In jenen Jahren fing die Presse damit an, mehr und mehr über Prozesse gegen Jugendliche zu berichten, die Cannabis konsumiert oder ihren Freunden verschafft hatten. Ein paar beschlagnahmte Gramm Drogen machten damals große Schlagzeilen. Die Emotionen waren ziemlich heftig, da es sich ganz oft um gewöhnliche Jugendliche ohne irgendwelche Probleme handelte, und die öffentliche Meinung forderte unnachgiebig eine starke Reaktion der Strafverfolgungsbehörden. Der Sprachgebrauch der Politiker, der Medienschaffenden sowie der Verantwortlichen der Justiz erinnerte an eine militärische Operation – Krieg gegen Drogen – oder beschrieb eine Naturkatastrophe – die Drogenplage. Eine Sprache und eine Aufregung, die sonst nur selten und im Hinblick auf beängstigende Phänomene verwendet wird, oder bei schlimmen Ereignissen, die das menschliche Leben beeinflussen: Es genügt, Alkoholismus oder Tabakkonsum zu erwähnen – um beim Konsum von Substanzen zu bleiben, die eine Abhängigkeit hervorrufen –, oder Verkehrsunfälle. Die Drogendebatte ist also dominiert von den Emotionen, und sie wird es noch für lange Zeit sein. Das Thema Drogen war ein wichtiges Argument der Kampagnen der US-amerikanischen Präsidenten: Die Absichtsbekundung, den Krieg gegen die illegalen Drogen von allen Seiten her zu führen, löste enthusiastischen Beifall aus und wurde zum wichtigen Punkt der Wahlprogramme. In diesem Punkt hat das amerikanische Modell bei uns Schule gemacht.

Während die Prohibition und die Repression in der politischen Agenda die Oberhand gewannen, setzte sich die Droge unweigerlich im Markt fest. In meinem Büro kam es zu einer langen Schlange von Jugendlichen, die wegen Konsum oder geringfügigem Handel angeklagt waren. Ich war also überzeugt von den Argumenten, die eine Kriminalisierung des Konsums rechtfertigten. Auf der einen Seite wurde beteuert, dass die Bestrafung des Konsums eine verhindernde Wirkung habe und helfe, die Jugend zu schützen. Auf der anderen Seite wurde behauptet, dass es, wenn man Konsumenten anklage, die Polizei leichter habe, die Netzwerke der Drogenhändler aufzudecken.

Ich habe ziemlich rasch gemerkt, dass diese Rechtfertigungen jeglicher Grundlage entbehren. Die Kriminalisierung des Konsums von Drogen stellt übrigens einen Fremdkörper im Strafsystem dar. Letzteres wurde entwickelt, um sich gegen einen widerrechtlichen Eingriff wehren zu können. Trunkenheit als solches hingegen ist nicht strafbar; sie ist es nur, wenn man ein Fahrzeug lenkt, weil man dann eine Gefahr für den Straßenverkehr und die Integrität der anderen darstellt. Produktion und Handel mit Absinth war bis vor kurzem strafbar, nicht aber Absinth zu trinken. Der Selbstmordversuch war in gewissen Rechtssystemen strafbar, weil man der Ansicht war, dass es sich um einen Akt gegen Gott und seine Schöpfung handelt. Sich absichtlich ein Bein zu brechen, ist kein Delikt; zu einem solchen wird es erst, wenn man damit die Absicht hat, sich dem Militärdienst zu entziehen.

Abgesehen von diesen rechtlichen Überlegungen: Die Kriminalisierung des Konsums ist nicht nur komplett gescheitert, was die Erwartungen des Gesetzgebers betrifft – Jugendschutz und Wirksamkeit der Repression gegen Drogenhandel –, sie ist auch äußerst ungerecht. Ich erinnere mich an eine Episode, die mich ziemlich erschüttert hat: Einmal, als ich einer jungen Frau in Untersuchungshaft eine Moralpredigt hielt, blickte sie mir in die Augen und sagte: «Ich bin im Gefängnis, weil ich drogenabhängig bin. Aber warum ist mein Vater nicht hier? Denn er ist jeden Abend besoffen, und sein Alkoholismus hat unsere Familie zerstört. Er schlägt meine Mutter, und sie wagt es nicht, dagegen aufzubegehren, aus Angst, dass er sie beim nächsten Mal noch heftiger schlägt.» Ich wusste nicht, was ich ihr hätte antworten sollen.

In Wirklichkeit ist die Kriminalisierung des Konsums nicht nur ineffizient und ungerecht, sie stellt außerdem für die Prävention ein Hindernis dar, insbesondere für eine frühzeitige Prävention. Das Wissen darum, eine strafbare Handlung begangen zu haben, sowie das Risiko, es mit der Polizei zu tun zu bekommen oder bestraft zu werden, hält viele Jugendliche davon ab, sich dem Umfeld anzuvertrauen, über den Drogenkonsum zu sprechen und Rat zu suchen. Insbesondere jene, bei denen es sich um die ersten Erfahrungen mit Drogen handelt. Diese Jugendlichen sind somit gezwungen, ihren Konsum im Verborgenen zu halten.

Unter Berücksichtigung dieser Gründe empfahl ich der «Subkommission Drogen» der Eidgenössischen Kommission für Drogenfragen die Straffreiheit für Drogenkonsum. Mein Vorschlag schockierte, gerade weil er von einem Repräsentanten der Repression kam. Auch wenn die Mehrheit am Anfang skeptisch war – am Ende von leidenschaftlich geführten Diskussionen, die mehrere Sitzungen lang dauerten, wurde meine Empfehlung einstimmig angenommen. Das war in den 1980er-Jahren. Die Empfehlung wurde jedoch immer noch nicht in die Tat umgesetzt. Im Jahr 2003 schlug der Bundesrat die Entkriminalisierung des Hanfkonsums vor. Der Ständerat trat darauf ein, der Nationalrat hingegen lehnte ab. Am Tag vor dieser emotionalen Debatte im Nationalrat (wir befanden uns einige Wochen vor den eidgenössischen Wahlen) akzeptierten die beiden Stände die Liberalisierung von Absinth, nach mehr als einem Jahrhundert des Verbots und trotz der Opposition der illegalen Produzenten aus dem Val de Travers, die nach wie vor von der Prohibition profitierten. Heute gibt es immer noch Staats- beziehungsweise Regierungsräte sowie andere Politiker, die für eine stärkere Repression gegen den Drogenkonsum plädieren. Ja, offensichtlich zahlt es sich politisch aus, sich als Champions der Muskel-Methode zu präsentieren – mag es auch nichts bringen, so scheint es doch zu beruhigen. Um Wählerstimmen zu gewinnen, ist man sich offensichtlich für keinen Schwindel zu schade.

Dennoch hat die schweizerische Politik im Bereich Drogenpolitik auf Veranlassung von Alt-Bundesrat Flavio Cotti und vor allem von Alt-Bundesrätin Ruth Dreifuss beachtliche Fortschritte gemacht. Die Vier-Säulen-Politik war sehr innovativ und ist bei zahlreichen Ländern auf großes Interesse gestoßen. Die Krankheit Aids hat sicherlich zu diesem Richtungswechsel beigetragen.

Jenseits der Frage, ob Konsum bestraft werden soll, gilt es, Sinn und Zweck des Verbots als solches zu diskutieren. In meinem Büro musste ich mich oft mit Jugendlichen auseinandersetzen. In den Augen des Gesetzes waren sie sicher alle Delinquenten, aber sie waren meistens Opfer der Drogen und stammten aus schwierigen sozialen Verhältnissen oder zerrütteten Familien. Meistens führte das System der herkömmlichen Strafuntersuchung tatsächlich zur Bestrafung des schwächsten Gliedes in der langen Kette der Drogenmarktteilnehmer. Fast alle der sehr jungen Angeklagten waren in doppelter Hinsicht Opfer: zunächst einmal der Drogen, insbesondere der sogenannten «harten Drogen», an denen sie zerbrachen; und dann Opfer der Repression, welche die Ausgrenzung, die sie erlebten, nur noch schlimmer machte, auch wenn der Anspruch bestand, diese Jugendlichen zu resozialisieren.

Die Bestrafung war – und ist es noch zu oft – die einzige Antwort, die man auf das Phänomen der Drogenabhängigkeit zu geben weiß. Ein Gefängnis war und ist selbstverständlich nicht in der Lage, die Aufgabe zu übernehmen, die ihm eine hilflose und unfähige Gesellschaft aufträgt, weil sie keine geeignete Behandlung anzubieten vermag. Der sehr hohe Anteil an Drogenabhängigen bei Gefängnisinsassen im Strafvollzug hat unüberwindbare Probleme geschaffen, und dieser sieht sich mit einer Aufgabe konfrontiert, die nicht die seine sein kann. Das Gefängnis hat enorm darunter gelitten, sodass die von Michel Foucault in «Überwachen und Bestrafen» (1975) vertretene These wieder eine dramatische und einleuchtende Aktualität erhielt: «Statt festzuhalten, dass es dem Gefängnis nicht gelingt, Verbrechen zu reduzieren, sollte man vielleicht die Hypothese aufnehmen, dass das Gefängnis erfolgreich Kriminalität verursacht.»

Die kriminellen Organisationen können von dieser Sachlage nur profitieren. Wichtige Teile der Polizeiressourcen werden so im Kampf gegen die kleinen Fische der Kriminalität eingesetzt, und es bleibt keine oder nur wenig Kapazität, um gegen die Hintermänner vorzugehen. Wenn andererseits kleine Dealer (meistens auch Konsumenten) regelmäßig aus dem Weg geräumt werden, ersetzen kriminelle Banden diese schnell und ohne Schwierigkeiten, was wiederum nur zur Erstarkung der undurchdringlichen Strukturen so-wie der verheerenden Wirkung solcher Gruppen beiträgt.

Eines Tages rief ich frustriert den Chef der Drogenfahndung an: Wir können nicht auf diese Weise weitermachen, es braucht einen Strategiewechsel, sagte ich. Man muss nicht mehr auf alles schießen, was sich bewegt, man muss beobachten, infiltrieren, sich umhören, man muss versuchen zu verfolgen, wohin das Geld fließt. Die Ergebnisse haben nicht auf sich warten lassen. Es wurden keine kleinen Konsumdosen mehr aufgegriffen, dafür Hunderte von Gramm, ebenso mehrere Kilo und 1987 in Bellinzona 100 Kilo Heroin; auch wurden ohne Schwierigkeit beachtliche Finanzkanäle aufgedeckt, in denen Drogengelder von einem Land problemlos ins nächste transferiert wurden.

Diese neue Strategie ist nicht von allen geschätzt worden. Warum sich in die internationalen Untersuchungen einmischen? Warum sich nicht einfach auf seine Seite des Gartens konzentrieren? Sich um die kleinen Dealer zu kümmern, hatte den Vorteil, dass man am Ende des Jahres exzellente Statistiken vorweisen konnte. Diese erlaubten, scheinbar stattliche Dossiers vorzuweisen und eine Personalaufstockung zu beantragen. Große Er-mittlungen hingegen, bei der Agenten in Mafiakartelle eingeschleust wurden, brauchten viel Zeit, führten zu Kollateralschäden, und man musste die Finanzinstitute durcheinanderbringen, um die Kanäle der Geldwäsche verfolgen zu können. Und jemand musste in Fünf-Sterne-Hotels Informationen über bestimmte gute Gäste sammeln. Das wurde nicht geschätzt, wichtiger war – wie man uns erwiderte –, sich um junge Ganoven zu kümmern, die schmutzig und schlecht gekleidet in gewissen Quartieren herumhingen und der Stadt ein schlechtes Image gaben.

Die zahlreichen bisher durchgeführten Ermittlungen, lokal wie international, haben mich definitiv davon überzeugt, dass die Drogenprohibition eine Sackgasse ist und direkt zum wichtigsten kriminellen Phänomen aller Zeiten beiträgt. Letzteres nährt jede Art von anderen Formen illegalen Handels, es untergräbt die Wirtschaft durch einen Zerfall der Moral und fördert in großem Umfang die Korruption. Die Repression erreicht fast nie die oberen Etagen des organisierten Verbrechens, wo die großen Drogendeals abgewickelt werden. Die Repression der kleinen Fische dient aber dazu, ein bestimmtes Preisniveau zu halten und einem kleinen Kreis von Unantastbaren fantastische Profite zu sichern.

Das leichte Geld aus dem Drogenbusiness ist zu einem ökonomischen Faktor von großer Wichtigkeit geworden, das erklärt auch, warum das Problem nicht bei den Wurzeln angepackt wird. Wenn man bedenkt, dass der internationale Drogenhandel auf ungefähr 300 Milliarden Dollar pro Jahr geschätzt wird, ist es offensichtlich, dass dieses Geld zu einem bedeutenden Faktor von geopolitischer Tragweite geworden ist. Er unterstützt zahlreiche Konflikte, erlaubt die Finanzierung von massiven Käufen ausgeklügelter Waffen, und er beeinflusst die Wahlen zahlreicher Regierungen sowie die sozioökonomischen Strukturen. Ich habe kürzlich einen Forscher gehört, der behauptete, dass die Mehrheit der Familien rund um die Stadt Marseille nicht mehr in der Lage wäre, die Mieten für ihre Wohnungen zu bezahlen, wenn der Drogenhandel eliminiert würde.

Enorme Mittel fließen in die Repression, während das Verbrechen, das den Drogenhandel kontrolliert, boomt. In zahlreichen Ländern sind staatliche Strukturen und die soziale Ordnung durch Narcodollars und Drogenhändler erschüttert. Mexiko ist ein dramatisches Beispiel dieser Wirklichkeit, eine Realität, die durch eine erschreckende Gewalt, eine weit verbreitete Korruption sowie die Zerstörung des sozialen Gefüges charakterisiert wird. Das, was in Ländern wie Mexiko geschieht, ist nur dank zahlreicher Staaten möglich, die gegenüber Kapitalverflechtungen, undurchsichtigen Finanzkonstrukten und Steuerparadiesen die Augen verschließen.

Eine groß angelegte weltweite Sensibilisierungsaktion ist nötig, obwohl diese Arbeit seit langem im Gange ist. Schon 1984 hat Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman geschrieben, dass das Drogenverbot lediglich das Verbrechen begünstigt und der Gesellschaft abwegig hohe Kosten beschert, ohne aber den Konsum zu verringern. Eine ähnliche Haltung hat später die bekannte Zeitschrift The Economist eingenommen, was einer Sensation gleichkam. Mehrere ehemalige Staatsoberhäupter haben sich in einer Arbeitsgruppe zusammengeschlossen und Position für eine neue Drogenpolitik und gegen die Prohibition bezogen. Es ist kaum nötig, in diesem Zusammenhang an die wichtige Rolle von Alt-Bundesrätin Ruth Dreifuss zu erinnern. Sie leistet eine schwierige Arbeit, die viel Energie und Zeit benötigt.

Man muss Politiker auf der ganzen Welt wirklich von der Notwendigkeit einer Änderung überzeugen. Die aktuelle Drogenpolitik ist in internationalen Abkommen (UNO-Konventionen) verankert, ja sie kristallisiert sich dort geradezu, sodass nur eine Übereinkunft von den einflussreichsten Ländern die heutige Situation zu verändern vermag. Heute aber bestimmt nach wie vor die Angst vor Drogen die Debatte, ebenso wie kriegerisch gehaltene Reden, welche die Repression, die immer noch in der Gunst zahlreicher Politiker steht, anpreisen. Diese Art von Reden eignet sich hervorragend, um demagogische und populistische Tiraden abzufeuern, und sie sind mehr denn je in Mode.

Leider zeigt die Parlamentsgeschichte, dass jedes Mal, wenn in der Gesellschaft Probleme auftauchen, sich immer eine Mehrheit findet, die verschärfte Sanktionen oder die Schaffung neuer Bestrafungsformen fordert. Ohne dass eine seriöse Studie vorgewiesen wird, welchen Einfluss die Abschaffung von kurzen Gefängnisstrafen (aufgehoben bei der letzten Strafgesetzbuch-Revision) auf die Rückfallquote von Delinquenten hat, gehört es links wie rechts inzwischen zum guten Ton, eine Rückkehr von kurzen unbedingten Gefängnisstrafen zu fordern. Das ist natürlich einfacher, als zu versuchen, die tiefer liegenden Gründe gewisser Verhaltensweisen zu verstehen, und dort mit einer wirksameren Behandlung anzusetzen. Es sind genau 250 Jahre vergangen, seit Cesare Beccaria sein berühmtes Werk Dei delitti e delle pene (Von Verbrechen und von Strafen) publizierte. Er zeigte darin auf, dass nicht die Strafe, die eine Person bei der Begehung eines Deliktes zu erwarten hat, sie von einer Tat abhält, sehr wohl aber die Wahrscheinlichkeit, gefasst zu werden; ein Grundsatz, der eine erstaunliche Aktualität aufweist. Diese Wahrheit sollte den heutigen Entscheidungsträgern in Erinnerung gerufen werden, da sie letztlich genau das Gegenteil tun: Reduktion der staatlichen Mittel für Soziales, Erziehung und Prävention, und andererseits werden die strafrechtlichen Maßnahmen verschärft.

Die Jugendlichen hingegen brauchen angepasste und glaubwürdige Modelle. Ich würde sogar sagen, dass diese Erwartung einen fundamentalen Pfeiler der Prävention darstellt. Die Drogenpolitik braucht also diese Kohärenz und Glaubwürdigkeit, um effektiv sein zu können. Heute ist man allerdings weit davon entfernt. Die Unterscheidung zwischen legalen und illegalen Drogen erscheint willkürlich, ungerecht und heuchlerisch. Ich denke, dass es notwendig ist, eine globale Strategie zu entwickeln, welche alle psychotropen Substanzen umfasst, die Abhängigkeiten erzeugen können. Das bedeutet nicht, dass man alle Substanzen gleich behandeln soll. Man muss sich nach und nach in Richtung kontrolliertem Markt begeben – so wie er bereits für Tabak, Alkohol und Medikamente besteht –, wo die Bestimmungen nach der Gefährlichkeit der Substanz und dem Alter des Konsumenten erfolgen.

In mehreren Ländern beginnen sich die Dinge zu bewegen. Die kontrollierte Heroin-Abgabe hat am Anfang schockiert, aber es hat sich gezeigt, dass das Gesundheitsrisiko abnimmt und die Kriminalität sinkt, wenn sie gut durchgeführt wird, und dass sie eine soziale Wiedereingliederung erlaubt, die zuvor kaum möglich schien.

Einige Staaten haben Cannabis zugelassen. Der US-Bundesstaat Kalifornien gestattet den Verkauf von medizinischem Marihuana und hat diesen mit einem Katalog von Verordnungen versehen. In Wirklichkeit kommt das einer Liberalisierung gleich. Nach 15 Jahren Erfahrung kommen die durchgeführten Studien zum Schluss, dass der Preis von Marihuana zurückgegangen ist, was einen potenziellen Anstieg des Konsums vermuten lässt. Diese Entwicklung ist deshalb interessant, weil auch ein Rückgang des Alkoholkonsums und eine erhebliche Reduktion der Verkehrsunfälle festgestellt werden konnten. Man wird weitere Studien abwarten müssen, um eine wirkliche Bilanz ziehen zu können.

Was die Sucht anbelangt und die Art und Weise, wie man ihr begegnet, habe ich etliche Zweifel, und sie werden immer mehr, je mehr ich über das Phänomen der Abhängigkeit in Erfahrung bringe. Angebliche Gewissheiten schmelzen so rasch dahin wie Schnee auf der Sonne. Ich habe aber eine Überzeugung: Das Verbot, wie wir es umsetzen, ist nicht nur gescheitert, sondern es hält auch auch das wichtigste kriminelle Phänomen aller Zeiten in Gang. Dieses hat eine Dimension angenommen, in welcher der Kampf gegen den Drogenhandel, den wir aktuell führen, nie gewonnen werden kann und auch nie gewonnen werden wird.

Warum? Weil sich die Interessen des organisierten Verbrechens bereits mit jenen von ökonomischen, politischen und sozialen Akteuren vermischt haben, sodass ein Wegfallen des Drogengelds eine desaströse Kettenreaktion auslösen würde. Antonio Maria Costa, Direktor des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung, hat betont, dass Narcodollars während der weltweiten Finanzkrise 2008 maßgeblich dazu beigetragen haben, den Bankrott von mehreren Banken abzuwenden. Ich belasse die Verantwortung für diese Aussage beim Autor, der nicht der Letzte war, der sich so geäußert hat. Was auf jeden Fall stimmt – mit dem Drogenverbot wurde der Drogenhandel TOO BIG TO FAIL!

Nur ein Paradigmenwechsel ist in der Lage, uns eine bessere Perspektive zu eröffnen. Man muss den Drogenhandel auf jenem Gebiet angreifen, wo er fantastische Erfolge verzeichnet, und das bedeutet im Bereich des Marktes. Eines Marktes, den wir unterstützt, finanziert und unterhalten haben und der Substanzen von geringem Wert eine enorme Wertsteigerung verliehen hat. Anstatt zu versuchen, diesen illegalen Markt zu eliminieren – alle anderen bislang unternommenen Versuche hatten keinen anderen Effekt, als ihn zu stärken – muss man die Existenz dieses Marktes als Realität akzeptieren, sich mit ihm beschäftigen und ihn regulieren. Das ist schließlich genau das, was man mit Alkohol und Tabak getan hat.

Die Drogen sind vor allem ein Gesundheitsproblem, und man fürchtet sie auch als solches.

Gewiss, ein solcher fundamentaler Wechsel in der Drogenpolitik ist nicht einfach und nicht ohne Risiken; Fehler werden unvermeidbar sein. Bereits werden interessante Erfahrungen gesammelt; das Desaster, das vorausgesagt wurde, ist jedoch nicht eingetroffen. Kürzlich hat ein französischer Forscher gesagt, das Ausmaß der aktuellen Katastrophe sei so groß, dass das Risiko, etwas zu verschlimmern, sehr gering sei.

Auf dem eingeschlagenen Weg zu bleiben würde bedeuten, den Sieg des organisierten Verbrechens anzuerkennen und ihm eine bequeme Zukunft zuzusichern. Der illegale Drogenmarkt würde weiter florieren und überall präsent sein, in allen Bereichen, auch in den geschlossenen und am besten überwachten Strukturen. Wie wir gesehen haben, nähren Narcodollars die Korruption in den höchsten Etagen der Hierarchie. Meiner Ansicht nach ist es diese Korruption, welche unsere Demokratien am ernsthaftesten bedroht. Mehr noch als der Terrorismus.

Es geht weder darum, sich eine drogenfreie Gesellschaft vorzustellen, noch darum, eine solche zu realisieren – ohnehin hat eine solche nie existiert. Die echte Herausforderung besteht darin, die Existenz von Drogen zu akzeptieren und zu lernen, mit ihnen umzugehen. Die Regulierung des Marktes – mit einer Kontrolle von Produktion und Handel, unter Berücksichtigung der Gefährlichkeit der jeweiligen Substanzen – würde es erlauben, Drogenhändler und ihre Gewinne empfindlich zu treffen. Und sie würde dazu beitragen, die Risiken für die Konsumenten deutlich zu reduzieren. Die meisten durch Drogenkonsum hervorgerufenen Todesfälle sind nicht von der Substanz selber verursacht, sondern vom Umstand, dass die Drogen mit anderen Substanzen verunreinigt oder versetzt sind.

Die finanziellen Mittel, die man im Bereich der Repression und der Strafverfolgung einsparen könnte, würden es erlauben, mit mehr Effizienz im Bereich der Nachfrage zu intervenieren. Nicht mit Polizei und Gefängnis, aber mit einer geeigneten Prävention. Ich wiederhole es gerne nochmals: Die beste Prävention, die man in Bezug auf Jugendliche umsetzen kann, ist, ihnen glaubwürdige Modelle und Werte anzubieten. Das dürfte eigentlich nicht so schwer sein, und dennoch …

Cannabis ist ebenso ein Symbol der Absurdität wie des Mangels an Glaubwürdigkeit der aktuellen Drogenpolitik. Hanf wird weit verbreitet in allen sozialen Milieus konsumiert und ist sicherlich nicht gefährlicher, als die als legal eingestuften Drogen. Die weiterhin praktizierte Strafverfolgung sichert den kriminellen Banden einen Markt mit hohen Profiten. Der Staat verzichtet auf diese Weise darauf, die Kontrolle über den Markt zu übernehmen, obwohl er sehr genau weiß, dass er – im Gegensatz zu seinen Beteuerungen – es nie schaffen wird, diesen zu beseitigen. Er verursacht auf diese Weise absurde und unnötige Ausgaben, zudem verzichtet er auf wichtige Einnahmen und wirksame Mittel der Prävention, die er durch die Marktkontrolle erhalten würde. Ein Irrsinn, wie es der Titel dieses Buches treffend festhält!

Ja, das Buch von Mischa Hauswirth ist wertvoll, weil es dazu beiträgt, mittels einer eingehenden und objektiven Analyse die Dogmen und Vorurteile, die schon viel zu lange die Diskussionen beherrschen, umzustoßen. Die Debatte über Drogen, insbesondere über Cannabis, hat nämlich viel zu oft Stil und Ton eines Religionskrieges: Glauben, Überzeugung, sogar Fanatismus dominieren anstelle von Vernunft und Realitätssinn. Dieses Werk war also dringend nötig.

Dr. jur. Dick Marty, Fescoggia, im März 2015

Dick Marty (geb. 1945) ist Politiker, Jurist und Träger eines Ehrentitels der Universität Genf. Als ehemaliger Staatsanwalt des Kantons Tessin war Marty unter anderem für die Strafverfolgung von Drogendelinquenten verantwortlich. Von 1989 bis 1995 saß er für die FDP in der Tessiner Regierung und von 1995 bis 2011 vertrat er den Südkanton als Ständerat im Eidgenössischen Parlament. Von 1998 bis 2012 war er Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarats und präsidierte die Kommission für Menschenrechte. Marty war in seiner Zeit als Bundesparlamentarier mehrfach Vizepräsident und Präsident eidgenössischer Kommissionen.

«Sicherlich ist Marihuana eher harmlos. Aber die Sache war ein Beispiel dafür, dass ein Verbot die Autorität des Staates stärkt.»

Harry J. Anslinger (1892 – 1975), Begründer des Bureau of Narcotics and Dangerous Drugs, Vater des weltweiten Cannabis-Verbots, der 1937 in den USA erlassenen «Marijuana Tax Act», in einem seiner letzten Interviews vor seinem Tod

TEIL 1

GRASLAND EUROPA ODER DIE ERNÜCHTERNDE BILANZ NACH 50 JAHREN MARIHUANAVERBOT

«Wenn wir auf das letzte Jahrhundert zurückblicken, sehen wir etliche nicht gewollte Konsequenzen der Anwendung des Kontrollsystems, sie waren unvorhergesehen oder auch nicht, jedenfalls waren sie nicht beabsichtigt.

Die erste nicht gewollte Konsequenz ist ein riesiger krimineller Schwarzmarkt; dieser prosperiert durch die Übermittlung verbotener Substanzen von den Produzenten zu den Verbrauchern; dabei spielt keine Rolle, ob Angebotsdruck oder Nachfrage Grund sind. Die finanziellen Anreize zu der Beteiligung an diesen Geschäften sind enorm. Es gibt genug Kriminelle, die einen Teil ergattern wollen von einem Markt, der mit hundertfachen Preissteigerungen auf dem Weg vom Produzenten bis zum Endverbraucher lockt.

Die zweite nicht gewollte Konsequenz ist die Strategieverlagerung. Das eindeutig vorrangigste Ziel der Drogenkontrolle, die öffentliche Gesundheit, ist in den Hintergrund gerückt.

Die dritte nicht gewollte Konsequenz ist die geografische Verdrängung. Man spricht oft vom Schneeballeffekt. Druck auf einen Standort (durch engmaschige Kontrollen) führt zu einem Anstieg an anderem Ort (mit gesteigerter Produktion).»

Antonio Maria Costa, italienischer Ökonom und Executive Director des UN Office on Drugs and Crime 2002 bis 2010

Gut möglich, dass Sie immer noch der Überzeugung sind, was Polizei und Staatsanwaltschaft in Sachen Cannabis tun, hilft, Schlimmeres zu verhindern. Vielleicht ist Ihnen aber die ganze Sache einfach egal, und Sie sagen sich, wer wegen Marihuana Probleme mit der Justiz hat, ist selber schuld. Schließlich wird ja niemand gezwungen, das Zeug zu nehmen. Wer etwas Gesetzeswidriges tut, muss nicht über eine Strafe jammern. Und ist es so, dass Sie die Frage, ob Cannabis legalisiert werden soll, nicht interessiert, da Sie weder kiffen noch Hanf als Medizin anbauen möchten?

Falls die Antwort «Ja» lautet, gibt es eine schlechte Nachricht für Sie: Das Cannabis-Verbot betrifft uns alle.

Wohin die Reise dieses Verbots geht, wenn es in letzter Konsequenz aufrecht erhalten und durchgesetzt wird, zeigt das Beispiel Mexikos. Dort machen Drogenbanden, Gangster und mit Marihuana dealende Pistoleros den Alltag zum Alptraum. Gewalt, Entführungen und Morde gehören zum Repertoire jener, welche im Drogengeschäft mitmischen. Nicht von ungefähr steht in der Einladung zur nächsten internationalen UN-Drogenkonferenz von 2016, die kriminelle Gewalt habe in vielen Teilen der Welt, auch in Zentralamerika, einen «verheerenden Einfluss».

Die Gewaltspirale dreht sich bereits

Wer nun lächelt und meint, Lateinamerika sei weit weg, der sollte seinen Blick auf Marseille richten. Die einst stolze und freie Hafenstadt am Mittelmeer gerät immer mehr in die Fänge von Drogenbanden, Dealern und der damit verknüpften Gewalt. Aber das ist nur die eine Seite. Denn auf der anderen Seite rüstet die Polizei im Kampf gegen den illegalen Handel und die blutigen Abrechnungen auf. Im Norden von Marseille, in den dortigen Beaulieus, toben bereits Bandenkriege. Dealer, die Cannabis und Kokain verkaufen, duellieren sich um die besten Plätze. Diese blutigen Konflikte sind bereits auf andere Städte wie Toulouse, aber auch Paris übergeschwappt. Für ein paar Euro mehr Gewinn und die Vorherrschaft im Revier wird das Messer gezückt, die Kalaschnikow in den Anschlag genommen, überfallen, geraubt und werden Mitglieder von konkurrierenden Drogenbanden ans Lenkrad gefesselt, bevor das Auto dann angezündet wird. «Barbecue» wird diese Hinrichtung sarkastisch genannt. Oft handelt es um Abrechnungen unter den Kleindealern, meist Jugendlichen und jungen Erwachsenen.1

14 Tote in acht Monaten und viele Verletzte sowie vom Mob errichtete Straßenbarrikaden rüttelten 2012 das Volk wach. Angst ging um. Mütter fürchteten um ihre Kinder, wenn diese auf die Straße gingen. Die Auswirkungen der Drogengewalt wurden plötzlich die Angelegenheit aller. Gegenüber der Zeitung La Provence sagte Samia Ghali, eine Senatorin aus Marseille, dass angesichts der angewandten Kriegsmethoden nur noch die Armee intervenieren könne. Zuerst müsse man die Dealer entwaffnen.2 Natürlich wurde die Politik aus dem fernen Paris auf die Auswüchse im Süden aufmerksam, und natürlich kamen markige Worte des französischen Präsidenten François Hollande. Er versprach bei einem Be-such den Kampf gegen die durch Drogenbanden verursachte Kriminalität. Doch der Kampf dauert bis heute an, und die Aussichten, ihn je zu ge-winnen, sind miserabel.

Frankreich ist mit diesem Schicksal nicht alleine. Die ersten Vorboten zeigen sich bereits in Deutschland und der Schweiz. Die Berliner Polizei wird immer wieder in den Görlitzer Park gerufen, weil die vielen Cannabis-Dealer, meist illegale Einwanderer aus Afrika, sich beim Verkauf von Marihuana nicht so friedlich verhalten, wie sich das einige erträumen. Es gibt aufdringliche Dealer, es kommt zu aggressiven Szenen, es gibt kleine oder größere Schlägereien; es gibt Messerstechereien, Tötungsversuche und Raubüberfälle, Taschendiebstähle und eine große Zahl von belästigten Anwohnern.3 Und wo das Geschwür der organisierten Drogenkriminalität aufbricht, da kommt es bald zu wüsten Szenen: In Berlin Kreuzberg sah ein Wirt rot, nachdem er mehrfach versucht hatte, Cannabis dealende Afrikaner vor seiner Gaststätte zu vertreiben und 70 mal innert weniger Wochen die Polizei gerufen hatte. Diese kam zwar, aber da waren die Dealer bereits verschwunden – und kamen zurück, sobald die Beamten wieder weg waren. Der türkischstämmige Wirt rastete aus und stach zwei Flüchtlinge aus Guinea nieder.4

In der Stadt Biel im Schweizer Kanton Bern kommt es auf dem Parkplatz vor dem alternativen Jugend- und Kulturzentrum «Kessel» öfter zu Schlägereien und Gewalt unter Drogendealern. Diese stammen auch hier hauptsächlich aus Nigeria, Angola und der Elfenbeinküste. In Biel hat dieser berüchtigte Ort bereits den Übernamen «Bermudadreieck». Der grün-liberale Stadtrat Hans-Ulrich Köhli hat eine klare Ansicht darüber, was diese Entwicklung begünstigt. Er macht eine Zunahme des Kokainkonsums unter Jugendlichen dafür verantwortlich, der auf die verstärkte Repression gegen Cannabis und die gestiegenen Marihuana-Preise zurückzuführen ist.5

Der unheimliche Mix aus Straßendealern, Cannabis, Kokain und Angst hat auch Genf erreicht. Seither läuft ein Katz-und-Maus-Spiel, das die Polizei beschäftigt und die Bewohner wütend macht. Wenn die Polizei einen Dealer festnimmt, stehen eine Stunde später zwei neue dort. Rolin Wavre, ehemaliger Generalsekretär der Genfer Freisinnigen, ließ vor einer Kamera seinen Frust raus: «In Genf ist es nach 22 Uhr einfacher, Cannabis zu kaufen als eine Zahnpasta. Man sieht hier gut, dass der Schwarzmarkt völlig ungehindert gedeiht, obwohl er illegal ist. Das fördert die Kleinkriminalität, die der Genfer Bevölkerung zu schaffen macht.»6 Um diese Zustände zu ändern, will eine überparteiliche Gruppe im Kanton Cannabis-Clubs ermöglichen.7

Banden und Kartelle, bitte Geschäft nicht hergeben!

Quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit hat sich im Schweizer Handel ein gefährlicher Wandel vollzogen: Das Geschäft mit Cannabis gerät zunehmend in die Hände von Kriminellen, die auch im Heroin- und Kokainmarkt tätig sind. Das geht aus einem Lagebericht der Schweizer Bundespolizei Fedpol vom Frühling 2014 hervor. Beobachtungen, dass die europäischen Länder keineswegs vom Mexiko-Syndrom verschont bleiben, nehmen zu. So machen in Europa albanische Banden mit Serben, Bulgaren oder Rumänen Geschäfte, und auch Rockergruppen mischen im Drogenhandel kräftig mit.

Es gibt aber noch weitere Gruppen: Der 2014 veröffentlichte deutsche Bericht «Lagebilder Organisierte Kriminalität» zeigt, dass die Vietnamesen als große Hanfproduzenten auftreten. Bei den richtig großen Produktionsstätten ab 1000 Pflanzen sind sie dabei, daneben organisieren sie noch den Schmuggel von Menschen nach Deutschland.

Helvetische Drogenfahnder registrieren die Auswirkungen, welche die Repression auf den Straßen gegen Kiffer nach sich zieht. Im großen Stil wird Marihuana aus Albanien in die Schweiz importiert. Das Balkanland gehört seit längerem zu den größten Cannabisproduzenten Europas.8 So verwunderte es auch niemanden mehr, als die Kantonspolizei Luzern 2014 eine Gruppe aufdeckte, die sich mit zwei Reisecars aus dem Kosovo insgesamt 150 Kilogramm in Salontischen verstecktes Marihuana liefern ließ. Verkaufswert: knapp zwei Millionen Franken.9 Im sogenannten «Königreich des Cannabis», in der Nähe des albanischen Dorfes Lazarat, befindet sich einer der größten Hanfgärten Europas. Wenn die mitteleuropäischen Politiker es so gerne sehen, dass jeder Kiffer verfolgt wird, und die Polizei gegen die Besitzer weniger Hanfpflanzen Verfahren einleitet, hat das nur eine Folge: Die organisierte Kriminalität übernimmt die Produktion. Im Dorf Lazarat, im Süden Albaniens, wachsen jährlich Hunderttausende von Hanfpflanzen. Mehrere Großfamilien sorgen für rund 900 Tonnen Cannabis jährlich, das auf dem europäischen Markt dann 4,5 Milliarden Euro steuerfrei einbringt. Natürlich ist da nichts mit bio, sondern es wird einfach schön drauflos gespritzt mit chemischem Dünger und Schädlingsbekämpfungsmitteln. Das alles landet ja bloß in den Lungen der jugendlichen und erwachsenen Konsumenten, welche unsere Politiker durch ihr Verbot zu schützen vorgeben.10 Und dass diese «Hanfbauern» auf dem Balkan dann noch Drogenlabore unterhalten und die Polizei gleich mit Panzerfäusten, automatischen Waffen und Mörsergranaten empfangen, wenn sie eine Razzia durchführt, ist ein ziemlich deutlicher Hinweis darauf, dass die Schattenwelt nebst Waffen, Menschenhandel, Kokain und Heroin nun auch das Cannabis für sich entdeckt hat. Garniert wird das Ganze mit der ziemlich konkreten Vermutung der italienischen Guardia di Finanza, wonach die italienische Mafia den Drogenanbau und die damit verbundenen Geschäfte steuert, geschützt von Justiz und Politik in Albanien, die dafür Schweigegelder kassieren.11