Der Cicerone: Eine Anleitung zum Genuß der Kunstwerke Italiens - Jacob Burckhardt - E-Book

Der Cicerone: Eine Anleitung zum Genuß der Kunstwerke Italiens E-Book

Jacob Burckhardt

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Beschreibung

Jacob Burckhardts Buch 'Der Cicerone: Eine Anleitung zum Genuß der Kunstwerke Italiens' bietet eine umfassende und detaillierte Anleitung für Kunstreisende, die Italien besuchen. Burckhardt präsentiert seine Betrachtungen der Kunstwerke und Denkmäler Italiens auf anspruchsvolle und kenntnisreiche Weise, die den Leser dazu ermutigt, die Schönheit der Kunst in ihrem historischen Kontext zu verstehen. Sein literarischer Stil ist klar und prägnant, während er dennoch eine tiefgreifende Analyse der Kunstwerke bietet, die den Leser dazu anregt, die Kunst auf einer tieferen Ebene zu erleben. 'Der Cicerone' zeigt Burckhardts herausragende Schreibkunst und sein tiefes Verständnis für die Kunstgeschichte.

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Jacob Burckhardt

Der Cicerone: Eine Anleitung zum Genuß der Kunstwerke Italiens

Books

- Innovative digitale Lösungen & Optimale Formatierung -
2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-1321-4

Inhaltsverzeichnis

Vorrede
An Franz Kugler in Berlin
Erster Teil Architektur
Zweiter Teil Skulptur
Dritter Teil Malerei
Ortsregister
Register der Künstler und anonymen Kunstwerke

Haec est Italia Diis sacra Plin. H. N.

Vorrede

Inhaltsverzeichnis

Die Absicht des Verfassers ging dahin, eine Übersicht der wichtigern Kunstwerke Italiens zu geben, welche dem flüchtig Reisenden rasche und bequeme Auskunft über das Vorhandene, dem länger Verweilenden die notwendigen Stilparallelen und die Grundlagen zur jedesmaligen Lokalkunstgeschichte, dem in Italien Gewesenen aber eine angenehme Erinnerung gewähren sollte. Absichtlich ausgeschlossen blieb alles bloß Archäologische. Im einzelnen wird man sehr verschiedene Gesichtspunkte befolgt finden; oft durfte ich nur eine erläuternde Bemerkung, eine geschichtliche Notiz, oft auch nur Inhalt und Ort angeben; das Beschreiben war nur insoweit meine Aufgabe, als es dazu dienen konnte, auf wesentliches Detail aufmerksam zu machen, oder die Auffindung und Erkennung der betreffenden Gegenstände zu erleichtern; sonst rechnete ich durchgängig darauf, daß der Leser das in Rede Stehende gesehen habe oder sehen werde. In den Ortsbestimmungen suchte ich so deutlich und vollständig zu sein, als bei dem Umfang des Werkes möglich war1.

Nun ist es meine erste Pflicht, die wesentlichsten Lücken des Werkes zu bezeichnen. Diejenigen Orte und Gegenden, welche ich entweder gar nicht, oder nur auf flüchtiger Durchreise, oder in unreifem Alter besucht habe, sind folgende:

Turin und ganz Piemont.

Cremona, Lodi, Pavia.

Mantua, Treviso, Udine.

Imola, Faenza, Cesena, Rimini.

Pesaro, Urbino, Loreto.

Volterra, S. Gimignano, Monte oliveto, Pienza.

Subiaco, Palestrina.

Vom Königreich Neapel alles, was südlich über Pästum, östlich über Capua und Nola hinaus liegt.

Sodann sind ganze Gattungen von Kunstgegenständen übergangen, entweder weil das Interesse daran ein allzu spezielles ist (die etruskischen Altertümer), oder weil nordische Sammlungen für das betreffende Fach ungleich wichtiger erscheinen (die ägyptischen Skulpturen), oder weil die Gegenstände sehr beweglich, oder schwer sichtbar und nur für ein besonderes Studium ergiebig sind (Sammlungen von Kupferstichen, Gemmen und Münzen; auch viele Privatsammlungen von Gemälden). Die Miniaturen der Handschriften ließ ich weg, weil deren häufige Besichtigung ihren Untergang beschleunigt. Endlich wird es nicht befremden, daß die ganze Darstellung nicht über das Ende des vorigen Jahrhunderts herabreicht. Für die moderne Kunst bringt fast jedermann feste Maßstäbe mit.

Die Anordnung des Buches, an welche sich der Leser mit Hilfe des sorgfältigen Registers bald gewöhnen wird, war die einzig mögliche, wenn der Hauptzweck, die Behandlung der Denkmäler nach ihrem Kunstgehalt und ihren Bedingungen, auf so engem Raum erreicht werden sollte. Für schnelle Orientierung sorgen die Reisehandbücher, deren trefflichstes, von Ernst Förster, auch mir an manchen Stellen von großem Nutzen gewesen ist. – Das Raisonnement des »Cicerone« macht keinen Anspruch darauf, den tiefsten Gedanken, die Idee eines Kunstwerkes zu verfolgen und auszusprechen. Könnte man denselben überhaupt in Worten vollständig geben, so wäre die Kunst überflüssig, und das betreffende Werk hätte ungebaut, ungemeißelt, ungemalt bleiben dürfen. Aber auch bis an die erlaubten Grenzen bin ich nicht gegangen; schon die notwendige Kürze verbot dies. Das Ziel, welches mir vorschwebte, war vielmehr: Umrisse vorzuzeichnen, welche das Gefühl des Beschauers mit lebendiger Empfindung ausfüllen könnte.

Mit mancherlei Ungleichheiten der Darstellung wird man Nachsicht üben bei einem Buche, welches zu zwei Drittteilen während der Reise geschrieben wurde. Den Stil gebe ich preis. Mancher Satz wurde überfüllt, damit der Band nicht um ein paar Bogen dicker und schwerer gerate, als er leider schon ist. – Wenn ich etwas häufig in der ersten Person rede, so geschieht dies fast ausschließlich, um zu bekennen, daß ich dieses oder jenes Kunstwerk nicht gesehen habe, oder um irgendeine von der Tradition abweichende Ansicht pflichtgemäß zu vertreten.

Bei der Architektur habe ich mich nur im seltensten Fall der Kupferwerke und Abbildungen bedient. (Z. B. bei Anlaß der Kirche von Montepulciano.) Es bleibt bedenklich, auch nach den besten Abbildungen auf den Eindruck zu schließen, den das Nichtgesehene vermutlich machen müsse. Gerne hätte ich z. B. aus den Werken von Percier und Fontaine eine Nachlese gehalten, namentlich für das Kapitel von den römischen Villen, wo dann jene verführerische kleine Villa Sassetti jenseits Monte Mario einzureihen gewesen wäre. Allein es hätte mir begegnen können, von Anlagen zu sprechen, deren eine Hälfte schon vom Zeichner ergänzt, deren andere Hälfte aber jetzt ohnedies nicht mehr vorhanden ist.

Die Dekoration des Renaissancestils hat hier einen eigenen Zwischenabschnitt erhalten, damit nicht die Darstellung der sämtlichen drei Künste beständig durch dieses vierte Element unterbrochen würde. Wen dasselbe nicht interessiert, der braucht nur im Register die mit D. bezeichneten Zitate zu überschlagen.

In dem Abschnitt über Skulptur sind die Antiken vorherrschend nach demjenigen System geordnet, welches dem zweiten Teil von Ottfried Müllers »Archäologie« zugrunde liegt. Das betreffende Stück ist hauptsächlich für die vielen geschrieben, welche zwar mit genußfähigem Auge begabt, allein nur auf ganze, harmonische Eindrücke vorbereitet und dem Fragmentarischen und Bedingten (das hier so sehr vorherrscht) abgeneigt sind2. – Bei der neuern Skulptur ist der Abschnitt über den Barockstil (wie die entsprechenden Abschnitte der beiden andern Künste) etwas lang ausgefallen. Allein es erscheint mir als Tatsache, daß eine genaue und besonnene Mitbetrachtung dieser Epoche den Genuß der vollkommenen Werke der goldenen Zeit wesentlich steigern hilft. Allerdings gilt dies nur für uns Laien, denn der Künstler soll eigentlich nur das Beste anschauen. Bei der Malerei konnte es am wenigsten meine Aufgabe sein, den geistigen Inhalt erschöpfen zu wollen, der ja quantitativ unendlich reich sein kann; ich durfte nur der Betrachtung hier und da die Wege weisen und auf die Voraussetzungen hindeuten, unter welchen das einzelne Werk zustande kam. In den Namengebungen, deren Kritik überhaupt nicht Sache dieses Buches ist, folge ich den gewöhnlichen Annahmen, wo nicht meine besondere Ansicht als solche gegeben wird. – Für diejenigen endlich, welchen nur das Rarste und Unzugänglichste Freude macht, ist hier wenig gesorgt. Solche suchen im Grunde nicht die Kunst, sonst würde ihnen das vermeintlich allbekannte mehr zu denken geben.

Möge dieses kleine dicke Buch mit seinem bunten Inhalt als ein nicht unerwünschter Reisebegleiter erscheinen. Wenn es, weit entfernt alle Wünsche zu befriedigen, wenigstens vielen etwas gewährt, so wird der Verfasser glauben, nicht umsonst gearbeitet zu haben.

Fußnoten

1Die Ausdrücke »rechts« und »links« sind immer im Sinne des Kommenden gebraucht, also z. B. in Kirchen nicht vom Hochaltar, sondern vom Portal aus verstanden. Das Portal ist immer das der Hauptfronte, wo das Gegenteil nicht ausdrücklich bemerkt wird.

2Das Werk Brauns: »Die Ruinen und Museen Roms« ist nur für wenige Stellen benutzt worden, welche ohne Ausnahme mit der Chiffre [Br.] bezeichnet sind. Ich halte es für unrecht, ein neues Buch dieser Art umständlich auszubeuten, vollends wenn dies ohne Nennung des Verfassers geschieht. – An das Schicksal eines gewissen Autors in per Viola del pensiero, Jahrgang 1839, will ich gar nicht erinnern.

An Franz Kugler in Berlin

Inhaltsverzeichnis

Die Frucht eines abermaligen längern Aufenthaltes in Italien, welche ich Dir, liebster Freund, hier überreiche, gehört Dein von Rechts wegen. Ich könnte sie Dir widmen, weil ich vier Jahre in Berlin als ein Kind Deines Hauses gelebt und große Arbeiten von Dir anvertraut erhalten habe, oder weil ich überhaupt den besten Teil meiner Bildung Dir verdanke; am liebsten aber soll diese Widmung Dich erinnern an unsre friedlichen Spaziergänge durch den sommerlichen Flugsand wie durch die Winternässe und den Schnee Eurer Umgegend. Ich weiß, daß mir nichts mehr die geistige Mitteilung ersetzen wird, deren ich damals teilhaftig wurde.

Auch in diesem Buche ist das Gute, was man finden mag, eine Frucht Deiner Anregung. Für das Übrige wünsche ich selber verantwortlich gemacht zu werden. Du siehst, wie ich mit unsrer schon etwas bejahrten ästhetischen Sprache gekämpft habe, um ihr ein eigentümliches Leben abzugewinnen, wie aber die Notwendigkeit des gedrängten Aufzählens und die Gleichartigkeit der Kunstwahrnehmungen mich zu manchen leblosen Stellen und zu einigen stereotypen Ausdrücken gezwungen hat. Dafür weißt auch Du allein, wo und wie oft hier Gedanken und Betrachtungen, die mir am Herzen liegen, dem Zweck und der Kürze des Buches zu Gefallen unterdrückt oder nur in flüchtiger Andeutung gegeben worden sind. Ebenso errätst Du hinwiederum am besten die wirklichen Lücken, welche in der Befangenheit meines Urteils und in dem anfänglichen Schwanken über den Plan des Werkes ihren Grund haben. Jetzt, da es fertig vor mir liegt, empfinde ich deutlich, daß ein solches Unternehmen nicht bloß einen Schreibenden, sondern einen teilnehmenden Reisegefährten verlangen würde, mit welchem Tatsachen und Urteile durchgesprochen und daraufhin geprüft werden müßten, ob sie genau richtig und ob sie an der betreffenden Stelle notwendig sind. Zwar hatte ich mannigfach das Glück, in der Unterredung mit geistvollen und strebenden Künstlern Aufklärung und Ermunterung zu finden; in welchen Partien ich denselben am meisten verdanke, kann Dir am wenigsten ein Geheimnis bleiben. Aber es verging kein Tag, da ich nicht empfunden hätte, welche ganz andre Gestalt eine fortdauernde Beratung mit Dir dem Geschriebenen geben würde.

Mögest Du, liebster Freund, wenn Dich Dein Weg noch einmal nach Italien führt, in diesem Stationenbuch wenigstens Deine Schule gerne wiedererkennen.

Erster Teil Architektur

Inhaltsverzeichnis

Die Baukunst beginnt in Italien viel früher als bei den Tempeln von Pästum, mit welchen wir hier den Anfang machen.

Schon die Urvölker, dann das durch Einwanderung entstandene Mischvolk der Etrusker haben Bauten hinterlassen, welche nicht bloß durch Massenhaftigkeit, sondern auch schon durch Anfänge eines höhern Formgefühles ausgezeichnet sind. Allein in ihrem jetzigen Zustande gehören sie doch mehr der Archäologie an; sie liegen meist seitab von den üblichen Straßen und sind auch dem Verfasser dieses Buches größtenteils unzugänglich geblieben. Überdies ist zwischen ihnen und den Bauten der vollendeten antiken Kunst eine große Lücke. Der Zweck unseres Buches verlangt, daß wir sie übergehen, um uns auf solche Denkmäler zu beschränken, in welchen die höhere Kunstform das Wesentliche, der Hauptausdruck der monumentalen Absicht ist. Welchem Gebäude des italischen Festlandes hier die erste Stelle gebührt, darüber wird wohl kein Zweifel herrschen.

Von den drei erhaltenen Tempeln der alten Poseidonia sucht das Auge sehnsüchtig den größten, mittlern. Es ist Poseidons Heiligtum; durch die offenen Trümmerhallen schimmert von fern das blaue Meer.

Ein Unterbau von drei Stufen hebt das Haus des Gottes über die Fläche empor. Es sind Stufen für mehr als menschliche Schritte. An den Resten des alten dorischen Heraklestempels in Pompeji sieht man, daß für den Gebrauch eine Treppe von gewöhnlichen Stufen vorgesetzt wurde.

Den ältesten griechischen Tempeln, wie z. B. demjenigen von Ocha auf Euböa, genügte ein Bau von vier Steinmauern. Als aber eine griechische Kunst erwachte, schuf sie die ringsum gehende Säulenhalle mit dem Gebälk, zuerst vielleicht von Holz, bald von Stein. Diese Halle ist, abgesehen von ihren besondern Zwecken, nichts als ein idealer, lebendig gewordener Ausdruck der Mauer selbst. In wunderbarer Ausgleichung wirken strebende Kräfte und getragene Lasten zu einem organischen Ganzen zusammen.

Was das Auge hier und an andern griechischen Bauten erblickt, sind eben keine bloßen Steine, sondern lebende Wesen. Wir müssen ihrem innern Leben und ihrer Entwicklung aufmerksam nachgehen. Die dorische Ordnung, welche wir hier in ihrer vollen altertümlichen Strenge an einem Gebäude des 6. Jahrhunderts v. Chr. vor uns haben, läßt diese Entwicklung reiner und vollständiger erkennen als ihre jüngere Schwester, die ionische.

Der Ausdruck der dorischen Säule mußte hier, dem gewaltigen Gebälke gemäß, derjenige der größten Tragekraft sein. Man konnte möglichst dicke Pfeiler oder Zylinder hinstellen, allein der Grieche pflegte nicht durch Massen, sondern durch ideale Behandlung der Formen zu wirken. Seine dorische Ordnung aber ist eine der höchsten Hervorbringungen des menschlichen Formgefühls.

Das erste Mittel, welches hier in Betracht kam, war die Verjüngung der Säule nach oben. Sie gibt dem Auge die Sicherheit, daß die Säule nicht umstürzen könne. Das zweite waren die Kannelierungen. Sie deuten an, daß die Säule sich innerlich verdichte und verhärte, gleichsam ihre Kraft zusammennehme; zugleich verstärken sie den Ausdruck des Strebens nach oben. Die Linien aber sind wie im ganzen Bau nirgends, so auch in der Säule nicht mathematisch hart; vielmehr gibt eine leise Anschwellung das innere schaffende Leben derselben auf das Schönste zu erkennen. So bewegt und beseelt nähert sich die Säule dem Gebälk. Der mächtige Druck desselben drängt ihr oberes Ende auseinander zu einem Wulst (Echinus), welchen hier das Kapitell bildet. Sein Profil ist in jedem dorischen Tempel der wichtigste Kraftmesser, der Grundton des Ganzen. Nach unten zu ist er umgeben von drei Rinnen, gleich als verschöbe sich hier eine zarte, lockere Oberhaut der Säule. Ihnen entsprechen und antworten etwas weiter unten, an der Säule selbst, drei Einschnitte ringsum. – Eine starke viereckige Deckplatte isoliert die Säule vom Gebälk.

(An vielen Stellen dieses Tempels scheinen die Säulen auf viereckigen Untersätzen zu stehen, allein nur weil Steine dazwischen weggenommen worden sind. Die dorische Säule, als erdgeborne Kraft, bedarf der Basis nicht; unmittelbar aus der obersten Tempelstufe steigt sie empor.) Es folgt zunächst ein Band von hier sehr mächtigen Quadern, der sog. Architrav, ganz glatt und schmucklos. Es sind die Balken, welche über die Säulen hingehen. Was aber von Bewegung übrig ist, setzt sich fort in dem darauf folgenden Gliede, dem Fries. Die von innen kommenden Querbalkenenden sind in der Mitte zweimal und an beiden Seiten senkrecht eingekerbt zu »Triglyphen«, die Zwischenräume (Metopen) aber ausgefüllt mit Steinplatten, die ohne Zweifel mit Gemälden oder Reliefs geschmückt werden sollten. Wir wissen nämlich nicht, ob dieser Tempel je ganz vollendet wurde. – Im Architrav entspricht jeder Triglyphe ein kleines Band mit sechs daran hängenden sog. Tropfen.

Ein hier besonders weit vorragendes Kranzgesimse deckt das Ganze. Von unten erkennt man daran eine ideale Darstellung der schrägen Dachsparren, deren jeder drei Reihen von je sechs Nägeln aufweist. An den beiden Hauptseiten des Tempels ragen darüber die Giebel empor, die zwar jetzt (und vielleicht von jeher) leer stehen, ohne jene Gruppen von Statuen, welche einst die attischen Tempel zierten, dabei aber durch das schönste, gerade für diesen Bau passendste Verhältnis der Höhe den Blick erfreuen. Der stumpfe Winkel des Giebels nämlich ist das Schlußergebnis jener ganzen idealen Rechnung zwischen Kräften und Lasten; er deutet genau an, wieviel von strebender Kraft am Ende übriggeblieben ist.

Eine ganze Anzahl feinerer Gliederungen, welche man an den dorischen Bauten Athens vorfindet, fehlen hier entweder ursprünglich oder durch die Verwitterung. Der Eindruck des Strengen und Mächtigen wird dadurch noch gesteigert.

Vom Innern fehlt fast die ganze Mauer, welche das längliche Haus, die Zella des Gottes ausmachte. Wahrscheinlich lockten die glatten Quadern den kirchenbauenden Normannen zum Raub. Doch ist die innere Vorhalle, zwei Säulen zwischen zwei Mauerpfeilern (Anten), erhalten. Diese letztern sind als Teil der Mauer behandelt, also weder kannelliert, noch verjüngt, noch geschwellt, doch deutet ein eigenes Kapitell, welches bedeutsam mit dem Echinus der Säulen kontrastiert, auf ihre Teilnahme am Tragen hin. Von den Steinbalken und deren vertieften viereckigen Zwischenfeldern (Kassetten), welche den Raum zwischen Säulenhalle und Tempelmauer bedeckten, ist nichts mehr erhalten. Das Gebälk der Säulenhalle scheidet sich, auch von innen gesehen, in Architrav und Fries, nur daß letzterer hier glatt ist. Am Gebälk der Zella dagegen, soviel davon vorhanden ist, hat der Fries seine Triglyphen und Metopen, nur niedriger als am Außenbau.

Das Innere des Heiligtums erhielt einst sein Licht durch eine große Dachöffnung, ohne welche die fensterlosen griechischen Tempel durchaus dunkel gewesen wären. An den bedeutendem Tempeln wurde gleichsam als Einfassung und Stütze dieses offenen Daches eine innere Säulenordnung angebracht, und zwar eine doppelte, weil einfache dorische Säulen allzu groß und dick hätten gebildet werden müssen im Verhältnis zu dem so beschränkten Raum. Die Bauten der höchsten Blütezeit scheinen meist eine untere dorische und eine obere ionische Ordnung gehabt zu haben, zu deutlicher Scheidung der ineinander überleitenden Kräfte. Hier dagegen ist auch die obere Ordnung dorisch und dabei noch von etwas ungeschickter Bildung, als wäre die kleine obere Säule unmittelbar die durchs Zwischengesims hindurchgehende Fortsetzung der größern untern; überdies wirkt der breit auseinandergehende Echinus der kleinen Säule nicht gut3.

Nur in dürftigen Andeutungen haben wir das, was die Seele dieses wunderbaren Baues ausmacht, bezeichnen können. Obwohl eines von den besterhaltenen Denkmälern seiner Art, verlangt er doch ein beständiges geistiges Restaurieren und Nachfühlen dessen, was fehlt und dessen, was nur für die aufmerksamste Pietät noch sichtbar ist. Wie ganz anders würde er auch zum äußern Auge sprechen, wenn er noch mit allen Skulpturen seiner Giebel und Metopen, mit den Dachzierden (Akroterien) von Laubwerk und Statuen, mit den Löwenköpfen des Kranzgesimses, mit dem jetzt so fraglichen Farbenschmuck, innen aber mit dem Bild Poseidons und den Weihgeschenken geretteter Seefahrer geschmückt wäre! Unsere Vorstellung von Kunstvermögen der Griechen steigert er aber schon in seinem jetzigen Zustande auf das höchste.

Vielleicht blickt ein scharfes Auge die einzelnen Seiten im Profil entlang und findet, daß keine einzige mathematisch gerade Linie an dem ganzen Bau ist. Man wird zunächst an ungeschickte Vermessung, an die Wirkung der Erdbeben und anderes der Art denken. Allein wer z. B. sich der rechten Ecke der Vorderseite gegenüberstellt, so daß er das obere Kranzgesimse der Langseite verkürzt sieht, wird eine Ausbeugung desselben von mehrern Zollen entdecken, die nur mit Absicht hervorgebracht sein kann. Und ähnliches findet sich weiter. Es sind Äußerungen desselben Gefühls, welches die Anschwellung der Säule verlangte und auch in scheinbar mathematischen Formen überall einen Pulsschlag innern Lebens zu offenbaren suchte.

Die beiden andern dorischen Tempel von Pästum sind aus einer viel spätern, ausgearteten Epoche der dorischen Baukunst, die man der Zeit nach vielleicht in das 3. Jahrhundert v. Chr. verlegen kann. Der Eindruck ist indes immer ein solcher, daß sie ohne die Nachbarschaft des Poseidontempels zu den herrlichsten Bauten des italischen Festlandes gehören würden. Sie sind weniger gut erhalten, besitzen aber wenigstens den ganzen äußern Säulenkranz und Architrave ohne Unterbrechung.

An dem sog. Cerestempel fällt zunächst eine abweichende Bildung der Säule auf, welche wie aus weicherm, minder elastischem Stoffe geschaffen scheint. Dies drückt sich aus in der viel stärkern Ausbauchung des Schaftes und in der breitwulstigen Bildung des Echinus, welche letztere durch eine ganz eigentümliche Zusammenziehung (Hohlkehle) am Oberende des Schaftes zwar erklärt, aber auch durch das Grelle des Überganges um so viel fühlbarer wird. Diese gewaltige Breite des Echinus zieht dann eine verhältnismäßige Vergrößerung der Deckplatte nach sich. (Die Intervalle der Deckplatten sind etwa gleich der Hälfte ihres Durchmessers.) Zu der geringern innern Kraft der Säule paßt dann ganz gut der schmalere Architrav. Statt der Triglyphen und Metopen, welche von besserm Stein eingesetzt waren, sieht man jetzt fast bloß deren leere Lücken. An den einst herabgestürzten und in neuerer Zeit wieder aufgesetzten Giebeln ist das Obergesimse mit vertieften Kassetten verziert, die das Alter zum Teil sogar durchlöchert hat. Von der Zella ist wenig mehr erhalten, als die Grundmauern. Noch deutlicher erscheint die Ausartung des dorischen Stiles in der sog. Basilika. Trotz auffallender Abweichungen, wie z. B. die ungerade Neunzahl der Säulen an den beiden Fronten, ist dies Gebäude ebenfalls ein Tempel gewesen; Gestalt, Lage, Stufen, Enge des Raumes im Innern lassen den Gedanken an eine andere Bestimmung, wie z. B. die der Basiliken war, gar nicht aufkommen. Wiederum sind die Säulen stark geschwellt und von dem sehr weichen und runden Echinus durch eine ähnliche Hohlkehle getrennt wie am Cerestempel. Von dem Gebälke ist ein schmaler Architrav ganz erhalten, teilweise auch ein stark zurücktretender Fries, an welchem ohne Zweifel skulpierte Triglyphen und Metopen aus besserm Stein angenietet waren (oder werden sollten; denn mit der Vollendung solchen Tempelschmuckes verhielt es sich nur zu oft wie mit dem Ausbau unserer gotischen Kathedralen).– Innen beginnt die Zella mit einer Vorhalle von drei Säulen und zwei Mauerpfeilern (Anten), welch letztere, als stärkstes Merkmal der Entartung, die Verjüngung sowohl als die Anschwellung der Säulen mitmachen; auch ihr Kapitell – eine Hohlkehle – ist von gefühlloser Bildung. – Im Innern steht auffallenderweise eine Säulenreihe der mittlern Achse des Gebäudes entlang; drei Säulen sind ganz, von zweien die Kapitelle erhalten. Welchen Zweck und welche Bedachung man sich dabei vorzustellen habe, läßt sich um so weniger entscheiden, da dieser Innenbau vielleicht nicht einmal der ursprüngliche ist.

Neben der dorischen Ordnung entwickelte sich als deren schönstes Gegenbild die ionische; anfänglich in andern Gegenden entstanden, auch wohl für gewisse Zwecke vorzugsweise angewandt, wurde sie doch mit der Zeit ein völlig frei verwendbares Element der griechischen Gesamtbaukunst. Leider ist in den griechischen Kolonien Italiens kein irgend beträchtlicher Überrest echter ionischer Ordnung erhalten, und die römischen Nachahmungen geben bei aller Pracht doch nur ein dürftiges, erstarrtes Schattenbild von dem Formgefühl und dem feinen Schwung des griechischen Vorbildes. – Die Grundlage ist im wesentlichen dieselbe wie bei der dorischen Ordnung, die Durchbildung aber eine verschiedene. Die ionische Säule ist ein zarteres Wesen, weniger auf den Ausdruck angestrengten Tragens als auf ein reiches Ausblühen angelegt. Sie beginnt mit einer Basis von zwei Doppelwulsten, einem weitern und einem engern, deren inneres Leben sich durch eine schattenreiche Profilierung verrät. (An den römischen Überresten entweder glatt oder mit reichen, aber beziehungslosen Ornamenten bekleidet.) Ihr Schaft ist viel schlanker und weniger stark verjüngt als der dorische; seine Ausbauchung ein ebenso feiner Kraftmesser als bei diesem. Die Kannelierungen nehmen nicht die ganze Oberfläche des Schaftes ein, sondern lassen schmale Stege zwischen sich, zum Zeichen, daß sich die ionische Säule nicht so anzustrengen habe wie die dorische. (An den römischen Überresten fehlen hier wie bei allen Ordnungen die Kannelierungen oft, ja in der Regel; mit großem Unrecht, indem sie kein Zierat, sondern ein wesentlicher Ausdruck des Strebens sind und auf die bewegte Bildung des Kapitells und Gesimses notwendig vorbereiten.) Das ionische Kapitell, an den alten athenischen Bauten von unbeschreiblicher Schönheit und Lebendigkeit, setzt über einem verzierten Hals mit einem Echinus an; dann aber folgt, wie aus einer weichen, ideal-elastischen Masse gebildet, ein oberes Glied, gleichsam eine Blüte des Echinus selbst, die auf beiden Seiten in reich gewellten Voluten (Schnecken) herniederquillt und sich, von vorn gesehen in zwei prächtigen Spiralen aufrollt. Die Deckplatte, welche bei einer ernsten, dorischen Bildung dieses ganze reiche Leben töten würde, ist nur als schmales, verziertes, ausgeschwungenes Zwischenglied zwischen das Kapitell und das Gebälk hineingeschoben. (An den römischen Überresten: Hals und Echinus schwer und mäßig verziert, die Voluten auf den Seiten mit schuppenartigem Blattwerk bedeckt, ihre Spiralen schwunglos und mathematisch, die Deckplatte überreich.)4 – Das Gebälk ist leicht und der Säule gemäß gestaltet; der Architrav in drei übereinander hervortretende Riemen geteilt; der Fries ohne Unterbrechung durch Triglyphen zu fortlaufenden Reliefs eingerichtet; alle Zwischenglieder und alle Teile des Obergesimses zart und reich gebildet. (An den römischen Überresten wohl ebenso prachtvoll, aber lebloser.)5

Endlich schuf noch die griechische Kunst das korinthische Kapitell. An den Bauten Griechenlands selbst können wir dasselbe nur in seinen Anfängen nachweisen, Anfänge, die freilich Größeres verheißen, als es später unter römischer Hand wirklich erfüllt hat. (Die sog. Laterne des Demosthenes, richtiger: das choragische Denkmal des Lysikrates in Athen.)

Indes haben die Römer diese Ordnung mehr geliebt und richtiger verstanden und behandelt als die beiden andern; ja wenn man die Trefflichkeit der korinthischen Formen am Pantheon und am Tempel des Mars Ultor neben der sonstigen Tätigkeit so zahlreicher griechischer Künstler im damaligen Rom in Erwägung zieht, so wird auch wohl der Gedanke erlaubt sein, daß hier noch eine ziemlich unmittelbare griechische Tradition, wenigstens stellenweise, zu uns spricht.

Form, Verhältnisse, Dichtigkeit der Stellung hat die korinthische Säule im ganzen mit der ionischen gemein; Basis und Kannelierungen, wo diese sich vorfinden, sind dieselben. Das Kapitell aber bildet einen runden Kelch, der mit zwei Reihen von Akanthusblättern ringsum bekleidet ist. Aus diesen Blättern sprießen Stengel hervor, aus welchen sich mächtig gerollte Voluten entwickeln; diese, je zwei sich aneinanderdrängend, bilden die weit vorspringenden vier Ecken des Kapitells. Ihnen folgt die ausgeschwungene Deckplatte, deren einwärtsgehende Rundungen in der Mitte durch eine Blume unterbrochen sind.

Wer an den bessern römischen Bauten ein wohlerhaltenes Kapitell mit der nötigen Geduld verfolgt, wird über die Fülle idealen Lebens erstaunen, die sich darin ausdrückt. Der Akanthus ist wohl ursprünglich die bekannte Pflanze Bärenklau; man pflücke sich aber, z. B. auf den Wiesenhöhen der Villa Pamfili, ein Blatt derselben und überzeuge sich bei der Vergleichung mit dem architektonischen Akanthus, welch ein Genius dazu gehörte, um das Blatt so umzugestalten. In einem neuen, plastischen Stoff gedacht, gewinnt es eine Spannkraft und Biegsamkeit, einen Reichtum der Umrisse und der Modellierung, wovon im grünen Bärenklau nur die halbversteckten Elemente liegen. Die Art, wie die Blätter über- und nebeneinander folgen, ist ebenfalls der Bewunderung wert, und so auch ihre höchste und letzte Steigerung in Gestalt der Eckvoluten; diese, als (scheinbarer) Hauptausdruck der Kraft, sind mit Recht freier, d. h. weniger vegetabilisch gebildet, haben aber ein Akanthusblatt, das mit ihnen aus dem gleichen Stengel sprießt, zur Unterlage und Erklärung mit sich. Und jeder einzelne Teil dieses so elastisch sprechenden Ganzen hebt sich wieder klar und deutlich von den übrigen ab; reiche Unterhöhlungen, durch welche der Kelch als Kern des Kapitells sichtbar wird, geben zugleich dem Blattwerk jene tiefen Schatten zur Grundlage, durch welche es erst völlig lebendig wirkt.

Eine bloße Spielart des korinthischen ist das sog. Kompositakapitell, erweislich zuerst an dem Titusbogen angewandt. (Der Drususbogen bei Porta S. Sebastiano in Rom ist wahrscheinlich falsch benannt; sonst wäre er ein noch älteres Beispiel.) Die Mischung aus den zwei untern Blattreihen des korinthischen Kapitells und einem darübergesetzten unecht ionischen mit vier Eckvoluten (demselben etwa, welches oben, in der Anmerkung zu Seite 9 beschrieben wurde) ist eine unschöne, mechanische. Es ließe sich schwer begreifen, wie man gerade den glänzend lebendigen obern Teil des korinthischen Kapitells opfern mochte, wenn die Mode nicht stärker wäre als alles.

Bei der nun folgenden Übersicht der römischen Bauwerke in Italien möge man ja im Auge behalten, daß wir das rein Archäologische absichtlich beseitigen und auf eine Ergänzung desselben aus den Reisehandbüchern und aus sonstigen Studien rechnen. Auch unsere Vorbemerkungen werden nicht aus Notizen bestehen, sondern einige allgemeine Gesichtspunkte festzustellen suchen.

Römerbauten der bessern und noch der mittlern Zeit haben ein Königsrecht selbst neben dem Massivsten, was Italien aus dem Mittelalter und der neuen Bauperiode besitzt. Selbst ein kleiner Rest bemeistert in seiner Wirkung ganze Gassen, deren Häuser doppelt und dreimal so hoch sind. Dies kommt zunächst von dem Stoffe, aus welchem gebaut wurde; in der Regel ist es der beste, der zu haben war. Sodann wurde von allem Anfang an bei öffentlichen Gebäuden nicht gepfuscht und nicht jeder Rücksicht nachgegeben; man baute etwas Rechtes oder gar nichts. Endlich ist die antike Architektur mit ihren plastisch sprechenden, bedeutsam abwechselnden Einzelteilen, Säulen, Gebälken, Giebeln usw. imstande, jeder andern baulichen Gliederung die Spitze zu bieten, selbst der gotischen, so wie sie in Italien auftritt.

Nun sind einige zeitliche und technische Unterschiede zu beobachten. Zur Zeit der römischen Republik und auch der frühern Kaiser wurden die öffentlichen Bauwerke aus Quadern desjenigen Steines erbaut, welcher unter den nächst zu habenden der beste war. Für Rom z. B. mußte die Wahl auf den grüngrauen Peperin und den gelblichen Travertin fallen. Allein schon seit Augustus gewann man den fernab liegenden weißen Marmor so lieb, daß mit der Zeit wenigstens Säulen und Gebälk vorzugsweise daraus gebildet wurden, während man die Wände mit Platten dieses und anderer kostbarer Stoffe bekleidete; das Innere der Mauern aber bestand fortan aus Ziegeln.

Marmorbauten jedoch waren das ganze Mittelalter hindurch die beliebtesten und bequemsten Steinbrüche, wo man die schönsten Säulen, in der Regel aus einem Steine, fertig vorfand, um hundert Basiliken damit auszustatten. Von den Mauern löste man mit Leichtigkeit die vorgesetzten Platten ab und verwandte sie auf alle Weise; Gebäude, deren Mauern aus vollen durchgehenden Quadern bestanden hätten, würde man gewiß eher respektiert und, so gut es ging, zu neuen Bestimmungen eingerichtet haben.

So kommt es nun, daß der Reisende, auf einen einigermaßen vollständigen Anblick wenigstens der Bruchstücke antiker Tempel, Thermen und Paläste gefaßt, durch scheinbar ganz formlose Ziegelhaufen enttäuscht wird. So schön die Ziegel namentlich des ersten Jahrhunderts gebrannt, so sorgfältig sie aufeinandergeschichtet sein mögen, so glühend ihre Farbe in der Abendsonne wirken mag, bleibt es eben doch ein bloß zufällig zutage getretener innerer Kern ehemaliger Gebäude, den einst, als das Gebäude vollständig war, kein Auge erblickte, weil ihn eine leuchtende Hülle und Schale umgab. Wir werden im folgenden sehen, auf welche Weise sich das einigermaßen forschungsfähige Auge entschädigen kann.

Bekanntlich brachten die Römer zu den entlehnten griechischen Formen aus der etruskischen Baukunst den Bogen und das Gewölbe hinzu, letzteres als Tonnengewölbe (wie ein gebogenes Blatt), als Kreuzgewölbe (zwei sich schneidende Tonnengewölbe) und als Kuppel. Schwere und Druck verlangen sog. Widerlager, welche entweder durch verhältnismäßige Dicke der Mauer oder durch Strebepfeiler an den dem stärksten Druck ausgesetzten Stellen dargestellt werden müssen; die Römer ließen es im ganzen bei dicken Mauern bewenden (vgl. das Pantheon). – Wie man sieht, handelte es sich um ganz neue Aufgaben. Die griechischen Säulen, Gebälke und Giebel, ursprünglich auf einen wesentlich andern Kernbau berechnet und nur ihrer schönen Wirkung wegen beibehalten, mußten nun die römischen Bauten »akkompagnieren« helfen, wenn uns dies Wort erlaubt ist. Man zog Säulenreihen vor den Mauern, Halbsäulenreihen an den Mauern – sowohl im Innern als am Äußern – hin; man gab den Mauerpfeilern (Anten) und den Pilastern überhaupt dieselben Kapitelle wie den Säulen, nur zur Fläche umgebildet; man stellte Peristyle als Eingangshallen bisweilen sehr unvermittelt vor ein Gebäude von beliebiger Form; man ließ das griechische Gesimse ohne Unterschied über Säulenreihen oder Mauermassen – geradlinige oder runde – dahinlaufen. Kein Wunder, daß sein fein abgewogener konstruktiver Sinn, daß die Fülle von Andeutungen auf das Ganze, dem es einst gedient, verloren gingen und daß man sich mit möglichster Pracht der dekorativen Ausbildung zufrieden gab.

Hierin aber zeigt sich die römische Kunst wahrhaft groß. Sobald man es vergißt, wieviel mißverstandene und umgedeutete griechische Formen unter den römischen versteckt liegen, wird man die letztern um ihrer prachtvollen, höchst energischen Wirkung willen bewundern müssen.

Von dem korinthischen Kapitell ist schon die Rede gewesen als von einer noch wesentlich griechischen Schöpfung. Am Gebälk findet sich zunächst ein bereicherter Architrav, dessen drei Bänder mit Perlstäben u. dgl. eingefaßt sind; bisweilen besteht das mittlere aus lauter Ornamenten. (Später: oft nur zwei Bänder.) Eine zierliche, nur zu weit vorwärts profilierte Blattreihe scheidet den Architrav vom Fries, welcher die Inschriften und Reliefs oder Pflanzenzieraten enthält. (Später: der Fries in der Regel konvex und auf irgendeinen nicht mehr aufweisbaren, etwa aufgemalten Schmuck berechnet.) Über dem Fries eine mannigfach variierte Aufeinanderfolge vortretender, reich dekorierter Glieder: Reihen von Akanthusblättern mit gefälligem Wellenprofil, Eierstäbe, Zahnschnitte, und als Übergang zu dem mit Löwenköpfen und Palmetten geschmückten Kranzgesimse: die Konsolen. Diese sind eine römische Umdeutung jener schrägen Dachsparren, die wir beim großen Tempel von Pästum erwähnten, und verdienen als Höhepunkt alles römischen Formgefühls eine besondere Aufmerksamkeit. Unter das wellenförmig gebildete, architektonisch verzierte Sparrenende legt sich, ebenfalls in Wellenform, ein reiches Akanthusblatt; sodann wird der Zwischenraum zweier Konsolen von einer reich eingefaßten Kassette eingenommen, aus deren schattiger Tiefe eine Rosette hell herabragt. (Später: das Akanthusblatt kraftlos an die Konsole angeschmiegt; die elastische Bildung beider vernachlässigt; die Kassetten flach, die Rose leblos gebildet.) Am Giebel ist ein Teil des Hauptgesimses mit den Konsolen wiederholt, welche hier trotz des schrägen Ansteigens an den besten Bauten senkrecht gebildet werden. (Vorhalle des Pantheon.) Ein vielleicht nur allzureicher Schmuck von Statuen, Gruppen und andern Zieraten war auf der Höhe des Giebels und auf den Ecken angebracht. (Ein paar gute Akroterien oder Eckzierden aus römischer Zeit in der Galeria lapidaria des Vatikans.) Die Anwendung großer plastischer Freigruppen in den Giebeln selbst ist auch für die Römer wahrscheinlich, doch nicht mit Beispielen zu belegen.

Es versteht sich, daß nur eigentliche Prachtgebäude diesen Schmuck vollständig aufwiesen und auch diese nicht durchgängig; zudem sind sie fast ohne Ausnahme nur in geringen Fragmenten erhalten. Außer den noch an Ort und Stelle befindlichen Bauresten wird man deshalb zur Ergänzung auch die verschleppten und in die Museen geretteten Fragmente studieren müssen, indem sich stellenweise gerade an ihnen das Schönste und Reichste, auch wohl das Zierlichste, wenn sie von kleineren Bauten herstammen, erhalten hat. Im Vatikan enthält namentlich die schon genannte Galeria lapidaria und auch das Museo Chiaramonti einen Schatz von solchen Bruchstücken; ebenso das Museum des Lateran; von den Privatsammlungen ist die Villa Albani besonders reich daran; von den christlichen Basiliken Roms bieten der ältere Teil von S. Lorenzo fuori le mura und das Hauptschiff von S. Maria in Trastevere ganze bunte Mustersammlungen dar. Eine Sammlung von Abgüssen in der Académie de France. In Florenz (äußere Vorhalle der Uffizien) nur ein Stück von einer Türgewandung und ein anderes von einem Fries; aber beide von hohem Werte.

Hier wie überall muß der Beschauer jene restaurierende Tätigkeit in sich entwickeln, ohne welche ihm die antiken Reste wie lauter Formlosigkeit und die Freude daran wie lauter Torheit erscheinen. Er muß aus dem Teil das vermutliche Ganze ahnen und herstellen lernen und nicht gleich einen »Eindruck« verlangen bei Überresten, deren Schönheit sich erst durch das Hinzugedachte ergänzen kann. Das ganze Gebäude aus Trümmern zu erraten, wird wohl nur dem Forscher möglich sein, allein aus ein paar Säulen mit Gebälkstücken wenigstens auf die Wirkung einer ganzen Kolonnade zu schließen ist Sache jedes nicht rohen oder abgestumpften Auges.

Wir beginnen mit den Tempeln. Hier ist das Verhältnis der Säulenhalle zur Zella fast durchgängig ein anderes als bei den Griechen. Jene dient nicht mehr zum Ausdruck dieser und entspricht ihr nicht mehr in derselben Weise. Die Halle ist jetzt ein Vorbau der Zella und wird nur aus Prachtliebe etwa noch ringsum geführt; sonst bequemt sich die römische Kunst sehr leicht, nur einen Anklang davon in Gestalt von Halbsäulen ringsum anzugeben oder auch die Wand ganz unverziert zu lassen. Ein weiterer Unterschied ist die jetzt übliche Bedeckung des Innern mit einem kassettierten Tonnengewölbe, während man doch außen den griechischen Giebel, d. h. den Ausdruck eines Balkendaches, beibehielt. Wahrscheinlich brachte man, wie einst im Dach des griechischen Tempels, so hier im Gewölbe eine große Lichtöffnung an, ohne welche die Beleuchtung ganz zweifelhaft bliebe; Seitenfenster finden sich fast nirgends. Echt römisch ist endlich die Zerteilung der Wandflächen durch einwärtstretende Nischen und die Errichtung einer hintern Hauptnische für das Bild der Gottheit; dieses ganze Nischenwerk aber muß man sich bekleidet und umgeben denken von besondern Säulenstellungen mit Gebälken und Giebeln, wodurch die ganze Mauer ein prachtvoll abwechselndes Leben erhielt und die griechische Ruhe total einbüßte. – Das Dach der Vorhalle bestand wie bei den griechischen Tempeln aus Steinbalken verschiedener Lagen und verschiedenen Ranges, deren Zwischenräume mit Steinplatten zugedeckt waren. Allein die Durchführung ist eine andere als in den (sehr wenigen) erhaltenen Beispielen der griechischen Zeit; von der Balkenlage wird nur eine Reminiszenz beibehalten und die ganze Innensicht des Daches als erwünschter Anlaß zum Aufwand von Ornamenten benützt. Die Untenseiten der Balken bekommen Reliefarabesken, ihre Zwischenräume werden zu reich profilierten Kassetten, welche große, gewaltig wirksame Rosetten enthalten.

Mit der dorischen Ordnung hatten die Römer entschiedenes Unglück. Sie wollten die ernsten Formen derselben mit den leichten Verhältnissen der ionischen verbinden und fielen dabei notwendig in das Magere und Dürftige. In Rom selbst ist kein dorischer Tempel mehr erhalten; an den zwanzig Säulen in S. Pietro in vincoli nämlich, welche vom Tempel des Quirinus entlehnt sein sollen, ist die ursprüngliche Höhe fraglich, und die Kapitelle sind modern. – Das einzige Beispiel, welches eine ungestörte Anschauung des Römisch-Dorischen gibt, möchte wohl in der Vorhalle des Herkulestempels zu Cora (drei Stunden von Velletri) bestehen; Lage, Material und Ernst der Formen (so übereinfach sie sein mögen) sichern diesem Gebäude noch immer eine große Wirkung. Dasselbe wird etwa in die Zeit Sullas versetzt; eine noch ältere Anwendung des Dorischen findet man an dem Sarkophag des Scipio barbatus (Vatikan, Belvedere, Gemach des Torso). Außerdem bietet Pompeji eine Anzahl zerstörter dorischer Bauten, welche noch zwischen dem Griechischen und dem Römischen die Mitte einzunehmen scheinen, meist Hallen, welche Plätze und Höfe (z. B. den des verschwundenen, einst griechisch-dorischen Heraklestempels und den des Venustempels) umgeben, und welche ihrer Detailbildung wegen am besten hier zu erwähnen sind. Die Säulen sind für diese Ordnung sehr schlank und dünn, ihre Kannelierungen demnach schmal; die letztern beginnen meist erst in einer gewissen Höhe über der Erde, weil sie sich weiter unten rasch abgenützt hätten. Der Echinus ist durchgängig schon ziemlich trocken und klein, die Deckplatte dünn gebildet. Am Gebälk ist der Architrav schon nicht mehr glatt, sondern in zwei Riemen geteilt, der Fries mit den Triglyphen ohne den griechischen Nachdruck. Noch am meisten griechisch ist das einzige Fragment der schon erwähnten Halle um den Hof des Heraklestempels, des sog. Foro triangolare; hier hat der Echinus noch die drei Riemen, unter welchen dann die Kannelierungen mit runden Ansätzen beginnen; anderwärts sind diese Ansätze wagrecht und die Riemen durch irgendein empfindungsloses Zwischenglied ersetzt. So am sog. Soldatenquartier und an den ältern Säulen des großen Forums; die Jüngern haben einen ganz sinnlosen, wellenförmigen Echinus. Die Halle um den Hof des Venustempels war ebenfalls von einer geringen dorischen Art, wie die Stellen zeigen, wo die spätere Überarbeitung mit Stukko abgefallen ist. (Wie weit das Dach noch über sie hervorragte, zeigen die wohl vier Fuß außerhalb angebrachten Regenrinnen am Boden.) Das spätere Rom, mit seiner Neigung für prächtige Detailverzierung, gab die dorische Ordnung beim Tempelbau bald ganz auf und behielt sie nur bei zur Bekleidung des Erdgeschosses an mehrstöckigen Bauten (z. B. Theatern). Hier tritt sie wiederum viel entstellter auf, nämlich in ihrer ganz zweideutigen Verschmelzung mit der sog. toskanischen Ordnung, welche in selbständigen Exemplaren nicht mehr nachzuweisen ist. Sie verliert ihre Kannelierungen und gewinnt unten eine Basis und oben (kurz vor dem roh gebildeten Echinus) einen Hals, über welchem sich bisweilen einige Zieraten zeigen. Auch ihr Gebälk fällt mehr oder weniger der Willkür anheim.

Von römisch-ionischer Ordnung besitzen wir noch ein gutes und frühes, aber sehr durch Verwitterung und moderne Verkleisterung entstelltes Beispiel, den sog. Tempel der Fortuna virilis zu Rom. Die Voluten, seitwärts mit Blattwerk verziert, haben allerdings schon ziemlich tote, unelastische Spiralen; dafür zeigt der Fries noch anmutige Laubgewinde und das Kranzgesimse seine Löwenköpfe. Der kleine Sibyllentempel in Tivoli hat noch seine viersäulige Vorhalle. – Der schon erwähnte Tempel Vespasians, am Aufgang zum Forum, ist bei einer höchst nachlässigen Restauration des 3. oder 4. Jahrhunderts mit jenen oben (S. 9, Anm. 2) geschilderten ionischen Bastardkapitellen versehen worden. Seine Granitsäulen, schon früher nie kanneliert, wurden in ungehöriger Aufeinanderfolge der Stücke zusammengeflickt. Von den Bauten in Pompeji ist wenigstens die innere Säulenstellung des Jupitertempels leidlich ionisch; sonst herrscht dort die Bastardordnung fast ausschließlich vor.

Die schönern römisch-ionischen Tempel leben fast nur noch in jenen Sammlungen verschleppter Fragmente fort. Man wird wohl nirgends mehr eine solche Auswahl guter ionischer Kapitelle beisammen finden, wie über den Säulen von S. Maria in Trastevere; einzelne haben noch einen fast griechischen Schwung, andere sind durch reiche Zieraten, ja durch Figuren, welche aus den Voluten und an der Deckplatte herausquellen, interessant. Ob die Menge verschiedener antiker Konsolen, welche am Gebälke derselben Kirche angebracht sind, von denselben Gebäuden herrühren, ist begreiflicherweise nicht zu ermitteln. (Ein schönes römisch-ionisches Kapitell unter anderm im großen Saal des Palazzo Farnese. Zu den besten Bastardkapitellen dieser Ordnung mit vier Eckvoluten gehören diejenigen in S. Maria in Cosmedin, an der Wand links.)

Weit das Vorherrschende im ganzen römischen Tempelbau, ja im Bauwesen überhaupt, ist die korinthische Ordnung. So selten ihre Formen in vollkommener Reinheit auftreten, so oft wird man dafür das dekorative Geschick der Römer bewundern müssen, welche ihr, und vorzüglich ihrem Kapitell eines um das andere aufzuladen wußten, bis es endlich doch zuviel wurde. Sie unterbrachen das Blattwerk des Kapitells mit Tierfiguren, Trophäen, Menschengestalten, endlich mit ganzen Historien, wie zur Zeit des romanischen Stiles im Mittelalter. (Ein historienreiches Kapitell der Art im Giardino della Pigna des Vatikans.) Sie lösten auch die letzten glatt gebliebenen Profile des Gebälkes in Reihen von Blätterzieraten auf. (Diokletiansthermen, jetzt S. Maria degli Angeli zu Rom.) Das Ende war eine definitive Ermüdung und plötzlich hereinbrechende Roheit.

Das schönste Beispiel korinthischer Bauordnung ist anerkanntermaßen das Pantheon in Rom; ein Gebäude, welches zugleich so einzig in seiner Art dasteht, daß wir es hier vorweg behandeln müssen. Ursprünglich von Agrippa als Haupthalle seiner Thermen gegründet und erst später von ihm als Tempel ausgebaut und mit der Vorhalle versehen, hat es nach allen Restaurationen und Beraubungen seine außerordentliche Wirkung im wesentlichen gerettet, doch nicht ohne schwere Einbuße. Wir wollen nur dasjenige anführen, was die ehemalige, ursprüngliche Wirkung zu veranschaulichen geeignet ist.

Zunächst denke man sich den jetzt stark ansteigenden Platz viel tiefer und eben fortlaufend; denn fünf Stufen führten einst zur Vorhalle hinauf. So erhält der jetzt etwas steil und hoch scheinende Giebel erst sein wahres Verhältnis für das Auge. Man fülle ihn mit einer Giebelgruppe oder wenigstens mit einem großen Relief an und kröne ihn mit den Statuen, die einst der Athener Diogenes für diese Stelle fertigte. (Die gewaltigen Granitsäulen sind allerdings ihres Stoffes halber großenteils unberührt geblieben; leider wagte sich die augusteische Zeit selber nicht gerne an diese Steinart und ließ die Säulen dem Stoff zu Ehren unkanneliert, während die marmornen Pilaster ihre sieben Kannelierungen auf jeder Seite erhielten.) Ferner entschließe man sich, aus den durchgängig mehr oder minder entblätterten Kapitellen in Gedanken ein ganzes, unverletztes zusammenzusetzen; gehören sie doch in ihrer Art zum Schönsten, was die Kunst geschaffen hat6. (Die Schneidung des Kelchrandes mit der Deckplatte, vermittelt durch die darüber emporsprießende, durch zwei kleinere Voluten mit Akanthusblättern vorbereitete Blume, sowie die Bildung der größern Eckvoluten hat nicht mehr ihresgleichen.) Man vervollständige die innere und äußere Wandbekleidung am hintern Teil der Vorhalle, mit ihren anmutigen Querbändern von Fruchtschnüren, Kandelabern usw. Man denke sich die drei Schiffe der Vorhalle mit drei parallelen, reichkassettierten Tonnengewölben bedeckt, über welchen sich noch jener Dachstuhl von vergoldetem Erz erhob, den Urban VIII. einschmelzen ließ. Vor allem vergesse man Berninis Glockentürmchen. – Bei aller Pracht fand sich an dieser Vorhalle auch die Einfachheit an der rechten Stelle ein. Der innere wie der äußere Architrav hat nur die Profile, die ihm gehören; an seiner Untenseite ist nur eine Art von Rahmen als Verzierung angebracht; das äußere Hauptgesimse7 besteht nur aus den unentbehrlichen Teilen. Die Türeinfassung, wahrscheinlich die ursprüngliche8, ist bei einem gewissen Reichtum doch einfach in ihren Profilen; die Bronzetür selbst mag zwar noch antik, doch aus beträchtlich späterer Zeit sein.

Am Hauptgebäude scheint außen eine ehemalige Bekleidung von Stukko zu fehlen. Diesem Umstand verdanken wir den Anblick des vortrefflichen Ziegelwerkes, dergleichen beim Abfallen des Putzes von neuern Gebäuden wohl selten zum Vorschein kommen wird. Ob die Konsolen, welche die Absätze der Stockwerke bezeichnen, die ursprünglichen sind, wissen wir nicht anzugeben.

Im Innern überwältigt vor allem die Einheit und Schönheit des Oberlichtes, welches den riesigen Rundbau mit seinen Strahlen und Reflexen so wunderbar anfüllt. Die Gleichheit von Höhe und Durchmesser, gewiß an sich kein durchgehendes Gesetz der Kunst9, wirkt doch hier als geheimnisvoller Reiz mit.– Im einzelnen aber möchte die Gliederung der Wand durch abwechselnd halbrunde und viereckige Nischen fast das einzige sein, was von Agrippas Bau noch übrig ist. Die Säulen und Pilaster dieser Nischen tragen zwar Kapitelle von großer Schönheit, doch nicht mehr von so vollendet reiner Bildung wie die der Vorhalle; auch die allzureiche, neunfache Kannelierung der Pilaster deutet wohl auf eine jener Restaurationen, deren von Domitian bis auf Caracalla mehrere erwähnt werden. Die beiden Gesimse, das obere und das untere, haben ihrer Einfachheit wegen noch eher Anspruch auf die Zeit Agrippas, obwohl der Porphyrfries einiges zu denken gibt. Entschieden spät, vielleicht aus der Zeit des Septimius Severus, sind die Säulen und Giebel der Altäre, wenn auch schon ursprünglich ähnliche an ihrer Stelle standen, als entsprechender Kontrast zu den Nischen, wie es der römische Bausinn verlangte. Aus welcher Zeit die Bekleidung der untern Wandflächen mit Streifen und Rundflächen verschiedenfarbiger Steine herrühren mag, läßt sich schwer entscheiden; man hat sie z. B. in der Madeleine zu Paris etwas zu vertrauensvoll nachgeahmt. Die jetzige Bekleidung der Wandfläche des obern Stockes ist notorisch erst aus dem vorigen Jahrhundert; die ältern Abbildungen zeigen dort eine Pilasterreihe, als natürliche und wohltuende Fortsetzung des Organismus im untern Stock10. Endlich sind die Kassetten ihres jedenfalls prächtigen Metallschmuckes beraubt, doch auch noch in ihrer jetzigen Leere und Farblosigkeit von großer Wirkung. Die Verschiebung ihrer Tiefe nach oben zu erscheint ursprünglich. Wer füllt aber das flache Rund, welches das Fenster umgibt, mit den wahren alten Formen aus? Hier war für die ernste, monumentale Dekoration der Anlaß zur meisterlichsten Schöpfung gegeben. – Zum Beschluß machen wir noch auf eine Disharmonie aufmerksam, welche schon dem Baumeister Agrippas zur Last fällt. Die Türnische und, ihr gegenüber, die Altarnische mit ihren runden Wölbungen schneiden in das ganze Rund auf eine üble Weise ein; es entsteht eine doppelt bedingte Kurve, die das Auge nicht erträgt, sobald es sie bemerkt hat.

Nachbildungen des Pantheon können nicht gefehlt haben, und vielleicht wußten die römischen Nachahmer besser als Bianchi, der S. Francesco di Paolo zu Neapel stückweise nach diesem Muster baute, auf was es im Wesentlichen ankam, nämlich auf die Einheit des Lichtes. Der runde Vorbau von SS. Cosma e Damiano am Forum ist ein antiker Tempel (wahrscheinlich der Penaten) mit ehemals reinem Oberlicht, aber kaum mehr kenntlich durch hohe Auffüllung im Innern (welche wahrscheinlich das scharfe Echo in der Mitte hervorgebracht hat) und durch eine im Mittelalter aus antiken Fragmenten an willkürlicher Stelle eingesetzte Tür. Von Thermenräumen u. dgl. mit Oberlicht wird weiter die Rede sein.

Der Ansatz der geradlinigen Vorhalle an den Rundbau ist an sich betrachtet immer disharmonisch, und das Pantheon dürfte nicht als entschuldigendes Beispiel gelten, weil die Vorhalle erst ein späterer Gedanke, ein Pentimento ist, weil zwischen dem Rundbau und ihr die Bestimmung des Gebäudes verändert wurde. Wir werden sehen, wie bei spätern Gebäuden dieser Gegensatz aufgelöst und versöhnt wurde.

Die überwiegende Mehrzahl der römischen Tempel ist oder war, wie bemerkt, von der länglich viereckigen Art. An den vorhandenen Fragmenten soll hier nur das künstlerisch Bemerkenswerte hervorgehoben werden.

Weit der edelste Bau dieser Art ist der Tempel des Mars Ultor, welchen Augustus nach dem Siege über Antonius an der Rückwand seines Forums errichtete. Seine Mauern waren nicht aus Ziegeln, sondern aus mächtigen Travertinblöcken konstruiert mit einer Marmorbekleidung, von welcher noch der Sockel und einige der weitern Schichten erhalten sind. Die drei erhaltenen Säulen bestehen glücklicherweise nicht aus Granit, sondern aus Marmor und sind von mustergültiger Kannelierung, ihre Kapitelle trotz aller Entblätterung noch von überraschender Schönheit. Vom Gebälk ist nur der Architrav erhalten, der schönste aller römischen Bauten, an der Untenseite mit Recht unverziert. Unvergleichlich in ihrer Art ist die Innensicht der Decke des Portikus; die Querbalken mit einfacher Mäanderverzierung, die Kassetten dagegen mit reichprofilierter Vertiefung, aus welcher mächtige Rosetten niederschauen.

Es folgen die drei Säulen am Forum, früher als Tempel des Jupiter Stator, jetzt bis auf weiteres als Tempel der Minerva benannt11. Die Kapitelle sind noch immer schön, doch nicht mehr von dem Lebensgefühl durchdrungen wie die obenerwähnten; der Architrav hat schon eine stark verzierte Untenseite und im mittlern seiner drei Bänder eine Blätterreihe. Die obern Teile des Gebälkes dagegen verdienen ihren Ruf vollständig.

Zu rein für die Zeit des Restaurators Septimius Severus und zu unrein für das Jahr der ursprünglichen Erbauung (12 v. Chr.) sind die drei Säulen am Abhang des Kapitols gebildet, welche die Ecke des Saturntempels ausmachten. (Früher als Jupiter tonans benannt.) Die Kapitelle sind noch sehr schön, haben aber bereits eine Blätterverzierung an der Deckplatte, deren Funktion nur ein einfaches Profil verlangt und erträgt. An der Vorderseite ist wie bei mehrern Kaiserbauten, der Organismus des Gebälkes einer großen Inschrift aufgeopfert, mit welcher moderne Baumeister ähnliches zu rechtfertigen glaubten. – Zwischen den Säulen sind, der steilen Lage wegen, Stufen angebracht, die den Anschein eines Piedestals hervorbringen.

Schon eine beträchtliche Stufe niedriger steht der Tempel der Schwester Trajans, Marciana, die jetzige römische Dogana di terra12; der Architrav ist bloß zweiteilig, der Fries konvex, das Zwischenglied zwischen beiden sehr schwer, die Untenseite des Architrav mit nichtssagenden Ornamenten bedeckt. (Das Obergesimse scheint dermaßen modern überarbeitet, daß wir kein Urteil darüber haben. Die Ansicht von der Seite, den elf Säulen entlang, ist belehrend für die Anschwellung und Ausbauchung römischer Ordnungen. Der Unterbau muß sehr hoch gewesen sein, da er noch jetzt aus dem Boden ragt.)

Von dem Wunderwerk Hadrians, dem Tempel der Venus und Roma, sind nur Stücke der beiden mit dem Rücken aneinander gelehnten Zellen erhalten, nebst einem Teil der ungeheuern Unterbauten und Treppenrampen und einer Anzahl von Säulenfragmenten. Man fragt sich nur, wo der Rest hingekommen? Was wurde aus der 500 Fuß langen und 300 Fuß breiten Halle von Granitsäulen, welche den Tempelhof umgab? Was aus den 56 kannelierten Säulen von griechischem Marmor (jede 6 Fuß dick), welche, zehn vorn und zwanzig auf jeder Seite (die Ecksäulen beide Male gerechnet), das Tempeldach trugen, wozu noch acht innerhalb der vordern und der hintern Vorhalle kamen? Wie konnte das Gebälk bis auf ein einziges, jetzt auf der Seite gegen das Kolosseum eingemauertes Stück gänzlich verschwinden? – Wenn irgendwo, so äußert sich hier die dämonische Zerstörungskraft des mittelalterlichen Roms, von welcher sich das jetzige Rom so wenig mehr einen Begriff machen kann, daß es beharrlich die nordischen »Barbaren« ob all der greulichen Verwüstungen anklagt. Wenn auch die 5½ Fuß dicke Marmormauer (denn hier waren es keine bloßen Platten), welche die Ziegelmauer umgab, wenn die porphyrne Säulenstellung im Innern der beiden Zellen mitsamt dem Schmuck aller Nischen und der Bodenbekleidung geraubt wurde, so ist dies noch eher zu begreifen, weil es eine leichtere Aufgabe war. – Hadrian hatte bekanntlich den Tempel selber komponiert und dabei auf einen höhern Totaleffekt des so wunderlich in zwei Hälften geteilten Innern aus irgendwelchen Gründen verzichtet. Wenn aber der Tempel selbst 333 Fuß lang und 160 Fuß breit war, so blieb, bei der oben angegebenen Ausdehnung der Halle des Tempelhofes, auch für die Wirkung von außen nur ein verhältnismäßig schmaler Raum übrig; der Beschauer konnte sich vorn oder hinten kaum 80 Fuß von einer Fassade entfernen, die vielleicht doppelt so hoch war (nämlich etwa so hoch als breit). Für den Anblick aus der Ferne war dies wohl gleichgültig, indem der Tempel mit seiner enormen Masse alles überragte. – Welcher Ordnung seine Kapitelle gewesen, ist unbekannt; der Wahrscheinlichkeit nach wird er hier bei den korinthischen aufgezählt. Die Halbkuppeln der beiden Nischen haben nicht mehr quadratische, sondern rautenförmige Kassetten, welche mit denjenigen des Schiffes der Zella in offenbarer Disharmonie stehen, dennoch aber fortan kunstüblich wurden.

Der Tempel des Antoninus und der Faustina, ein Bau Marc Aurels, ist für diese Zeit ein sehr schönes Gebäude. Die Cipollinsäulen sind zwar, um den prachtvollen Stoff ungestört wirken zu lassen, unkanneliert geblieben, tragen aber Kapitelle, die bei einer fast totalen Entblätterung noch eine einst ganz edle Form ahnen lassen. Der Architrav ist nur noch zweiteilig, an der Unterseite mäßig (mit Mäandern) verziert; der Fries, soweit er erhalten ist, enthält treffliche Greife, Kandelaber und Arabesken; das Obergesimse, statt der Konsolen mit einer weit vorragenden Hohlrinne versehen, ist noch einfach großartig gebildet (nur an den Seiten sichtbar). Der Kernbau bestand wie beim Tempel des rächenden Mars aus Quadern (hier von Peperin), welche mit Marmorplatten überzogen waren.

Von den Gebäuden dieser Gattung außerhalb Roms gehört der schöne Minerventempel von Assisi mit seiner vollständig erhaltenen sechssäuligen Fronte noch in die bessere Zeit der korinthischen Bauordnung; die Formen sind noch einfach und ziemlich rein, der Giebel niedrig. Auch hier sind zwischen den Säulen Stufen angebracht, welche den Säulen das Ansehen geben, als ständen sie auf Piedestalen. Und in der Tat hat man diesen Zwischenstücken der Basis ein besonderes kleines Gesimse gegeben, welches besagten Anschein noch erhöht. Allein an keinem einzigen Tempel haben die Säulen wirkliche Piedestale; diese entstehen erst, wo weit auseinanderstehende Säulen zur Dekoration einer dazwischenliegenden Bauform, z. B. eines Bogens dienen müssen und doch, um anderweitiger Gründe willen, nur mäßige Dimensionen haben dürfen, welchen man durch einen Untersatz nachzuhelfen genötigt ist. Außer den genannten Tempeln wird man noch an vielen altern Kirchen Italiens einzelne Säulen und Gebälkstücke von Tempelruinen in die jetzige Mauer aufgenommen finden, allein sehr selten an ihrer echten alten Stelle und kaum irgendwo so, daß sich auf den ersten Anblick der ehemalige Organismus und seine Verhältnisse erraten ließen. An S. Paolo in Neapel stehen von der Kolonnade des Dioskurentempels, die noch im 17. Jahrhundert fast vollständig zu sehen war, nur noch zwei korinthische Säulen. Den Dioskurentempel in Cora muß man aus zwei korinthischen Säulen mit einem Gebälkstücke ergänzen. Der große Fortunentempel von Palestrina ist mit all seinem Terrassen- und Treppenwerk von einem Teil des jetzigen Städtchens völlig überbaut; ehemals vielleicht eine der prächtigsten Anlagen der alten Welt. Der Dom von Terracina ist in die Trümmer eines korinthischen (?) Tempels, wahrscheinlich des Jupiter Anxur, hineingebaut, von welchem noch der Unterbau und zwei Halbsäulen (hinten) eine bedeutende Idee geben. Vorzüglich durch die Anlage bedeutend ist der ebenfalls korinthische Herkulestempel zu Brescia; an einen Abhang gelehnt und deshalb mehr Breitbau als Tiefbau, ragt er mit seinen drei Zellen auf hohen Substruktionen; der Portikus tritt in der Mitte um zwei Säulen vor, und an diesen Vorbau setzt dann die breite Treppe an. Von den Säulen und den Mauern der (jetzt innen zum Museum benützten) Zellen ist so viel erhalten, daß das Auge mit dem größten Vergnügen sich den ehemaligen, hochmalerischen Anblick des Ganzen vergegenwärtigen kann.

Von den Tempeln in Pompeji erhebt sich, seit dem Verschwinden des altdorischen Heraklestempels, keiner über ein bescheidenes Maß; ihre Säulen, meist aus Ziegeln mit Stukkoüberzug, sind in so beschädigtem Zustand auf unsere Zeit gekommen, daß bei mehreren selbst die Ordnung zweifelhaft bleibt, der sie angehörten. Der Jupitertempel auf dem Forum hat noch Reste seiner korinthischen Vorhalle (außer der schon erwähnten ionischen Ordnung im Innern) ; allein das Material gestaltete nicht diejenige freie und lebendige Durchbildung, welche das korinthische Kapitell, das Lieblingskind des weißen Marmors, verlangt. Pompeji liefert hier, wie in mancher andern Beziehung, wichtige Aufschlüsse darüber, wie die Alten auch mit geringen Mitteln einen erfreulichen Anblick hervorzubringen wußten. Allerdings muß das Auge hier (wider Erwarten) gar vieles restaurieren, indem die vielleicht meistenteils hölzernen Gebälke verschwunden und die Säulen halb oder ganz zertrümmert sind; allein schon der Gedanke an das ehemalige Zusammenwirken der Tempel und ihrer Höfe mit Hallen und Wandnischen ergibt einen großen künstlerischen Genuß. (Tempel der Venus, des Merkur oder Romulus, der Isis.) Man kann sich genau überzeugen, aus welcher Entfernung der Baumeister seinen Tempel betrachtet wissen wollte, und wie wenig ihm der perspektivische Reiz, der sich ja hier in so vielen Privathäusern auf einer andern Stufe wiederholt, etwas Gleichgültiges war. (Von dem hübschen Fortunentempel, welcher ohne Hof an einer Straßenecke frei herausragt, ist leider die Vorhalle ganz verschwunden.) Allerdings zeigt sich nur weniges von Stein und fast nichts von Marmor, aber das Ziegelwerk13 ist fast durchgängig trefflich und der dick darauf getragene Mörtel und Stukko von einer Art, welche den Neid aller jetzigen Techniker erregen mag. Die Formen zeigen wohl oft, wie z. B. am Isistempel, eine barocke Ausartung, doch mehr die untergeordneten als die wesentlichen. Was die Hallen der Tempelhöfe (und der zum Verkehr bestimmten Räume überhaupt) betrifft, so vergesse man nicht, daß hier das Bedürfnis weitere Zwischenräume zwischen den Säulen verlangte als man an der Säulenhalle des Tempels selbst gutheißen würde, und daß hier wahrscheinlich schon die Griechen selbst mit dem vernünftigen Beispiel vorangegangen waren. Sich zum Sklaven einmal geheiligter Bauverhältnisse zu machen, sieht ihnen am allerwenigsten ähnlich.

Von Rundtempeln mit umgebender korinthischer Säulenhalle sind uns durch eine Gunst des Geschickes zwei verhältnismäßig guterhaltene übriggeblieben, in welchen diese überaus reizende Bauform noch ihren ganzen Zauber ausspricht. Aus guter, vielleicht hadrianischer Zeit stammt der Vestatempel zu Tivoli, welcher nicht nur die meisten seiner kannelierten Säulen, sondern auch die schöne Decke des Umganges mit ihren Kassetten und das meiste des Gebälkes samt dem verzierten Fries noch aufweist. Am sog. Tempel der Vesta (nach jetziger Ansicht der Cybele) zu Rom fehlt sogar von den schlanken, dicht gestellten zwanzig Säulen nur eine, aber dafür das ganze Gebälk; von der vierstufigen Basis sind wenigstens noch Stücke sichtbar. Nach den Kapitellen zu urteilen, gehört das Gebäude etwa in das 3. Jahrhundert; der Kelch greift mit seinem Rande nicht mehr über den Rand der ziemlich dick gebildeten Deckplatte, und die Ausführung der Blätter hat schon etwas leblos Dekoratives. Die Seitenfenster erklären sich vielleicht durch die Kleinheit beider Gebäude, in welchen unter einer Kuppelöffnung kein Gegenstand vor dem Wetter sicher gewesen wäre; doch bleiben sie immer auffallend. Von dem rundenSerapistempel zu Pozzuoli mit seiner vierseitigen Hofhalle stehen nur noch die berüchtigten drei Säulen, über deren von Seeschnecken ausgefressenen obern Teil sich die neapolitanische Gelehrsamkeit noch immer den Kopf zerbricht. (Das Seewasser zwischen dem Tempel und der Halle, welches den malerischen Effekt so sehr erhöht, ist erst in neuerer Zeit eingedrungen.)

Ganz kleine Rundtempel fielen wohl eher der zierlichen ionischen als der korinthischen Ordnung zu, deren Kapitell eine gewisse Größe verlangt, wenn sein inneres Gesetz sich klar aussprechen soll14. So scheint das Tempelchen im Klosterhof von S. Niccolò a' Cesarini zu Rom (vier Säulenstücke) und das sog. Puteal beim Heraklestempel zu Pompeji (acht untere Enden) ionischer Ordnung gewesen zu sein. Moderne Nachahmungen wie die beiden Rundtempelchen ohne Zella in der Villa Borghese geben nur einen sehr bedingten Begriff von der Anmut antiker Ziergebäude dieser Art, auch wenn sie (wie die genannten) aus antiken Bruchstücken zusammengesetzt sind.

Tempel von Composita-Ordnung wüßten wir keine zu nennen, wie denn diese Ordnung überhaupt mehr die der Triumphbogen und Paläste scheint gewesen zu sein. (Eine Anzahl Composita-Kapitelle in der Kirche Ara Celi zu Rom.)

Weit die größte Anzahl erhaltener antiker Säulen, wohl in der Regel von Tempeln, findet man in den christlichen Basiliken Italiens, wo sie Mittelschiff und Vorhalle tragen, auch wohl auf alle Weise eingemauert stehen. Beim Sieg des Christentums waren gewiß die heidnischen Tempel überall die ersten Gebäude, welche ihren Schmuck für die Kirchen hergeben mußten. Die ältern Basiliken, aus dem ersten christlichen Jahrtausend, da die Auswahl noch größer war, ruhen in der Regel auf den ehemaligen Außensäulen von einem antiken Gebäude, welche sich deshalb gleich sind und identische Kapitelle haben. (Glänzendes Beispiel: S. Sabina auf dem Aventin.) Später war man schon genötigt, Säulen von verschiedener Ordnung und Größe von verschiedenen Gebäuden zusammenzulesen, die einen zu kürzen, die andern durch Untersätze zu verlängern und mit barbarisch nachgeahmten Kapitellen nachzuhelfen. – So wurden wohl die Tempel zu Kirchen umgewandelt, aber in einem ganz andern Sinne, als man sich es wohl vorstellt. – Wir zählen diese Bauten nicht hier auf, weil ihr wesentliches Interesse eine andere Stelle in Anspruch nimmt und weil die Detailbildung, namentlich an den korinthischen Säulen der Basiliken außerhalb Roms, selten oder nirgends so vollkommen rein und schön ist, daß sie schon hier als klassisch erwähnt zu werden verdiente. So groß nun der Verbrauch von Tempelsäulen für die Kirchen sein mochte, so weit man herkam, um in Rom Säulen zu holen15, so ist doch das gänzliche Verschwinden vieler Tausende derselben immer noch eine unerklärte Tatsache. Rechne man hinzu die verlornen Gebälke, deren einzelne Teile doch, vom Architrav bis zum Kranzgesimse, also oft in einem Durchmesser bis zu sechs Fuß, aus einem Stück gearbeitet wurden und sich, wenn sie noch da wären, bemerklich machen müßten. Neben den zwei Riesenfragmenten vom Sonnentempel Aurelians (im Garten des Palazzo Colonna zu Rom) fragt man sich unwillkürlich, wo der Rest hingekommen. Vieles mag allerdings noch unter der jetzigen Bodenfläche übereinandergestürzt liegen, sonst aber darf man etwa vermuten, daß das mittelalterliche Rom seine Kalköfen mit dem antiken Marmor gespeist habe.

An die Tempel schließen sich von selbst die Grabmäler an, welche ja in gewissem Sinne wahre Heiligtümer der Manen waren. Wir übergehen die altitalischen mit ihrer jetzt meist sehr formlosen Kegelgestalt16 oder ihren Felsgrotten und Gewölben, um uns den Werken einer durchgebildeten, frei schaltenden Kunst zuzuwenden.

Diese behielt zunächst, für die Gräber der Großen dieser Erde, die runde Gestalt bei und gab ihr den Charakter eines mächtigen Baues mit griechischen Formen. So ist das Grab der Cecilia Metella an der Via Appia vor Rom ein derber Rundbau auf viereckigem Untersatz, mit dem bekannten schönen Fries von Fruchtschnüren und Stierschädeln, innen mit einem konischen Gewölbe. Ähnlich (?) das des Munatius Plancus zu Gaeta. – Noch viel herrlicher aber waren die Grabmäler ausgestattet, welche Augustus und Hadrian für sich und ihre Familien bauten. Freilich verrät deren jetzige Gestalt – der sog. Correo und die Engelsburg – nicht mehr viel von der ehemaligen terrassenweisen Abstufung mit rundherumgehenden Säulenhallen und Baumreihen bis zur Kuppel empor. (Das runde Mausoleum der Kaiserin Helena, jetzt Tor Pignattara vor Porta maggiore, lohnt in seinem jetzigen Zustande den Besuch nur noch für den Forscher. Ein großes rundes Denkmal nebst einem andern, turmartigen, steht zu Conochia, zwischen Alt-Capua und Caserta.)

Eine jetzt vereinzelt stehende Grabform (die aber früher noch in Rom ihresgleichen hatte) ist die Pyramide des Cajus Cestus