4,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 4,99 €
In ihrer unkonventionellen Streitschrift dreht Esther Vilar die stereotypen Rollenmuster um und wurde damit zur Bestsellerautorin: Bei ihr ist die Frau der Herr im Haus. Sie dressiert den Mann, lässt ihn für sich arbeiten, für sich denken, für sich Verantwortung tragen. Der Mann ist stark, intelligent, phantasievoll, die Frau ist schwach, dumm und phantasielos. Warum wird trotzdem der Mann von der Frau ausgebeutet und nicht umgekehrt? Esther Vilar enttarnt ihre feministischen Geschlechtsgenossinnen als abgebrühte Ausbeuterinnen, die sich vor allem ihr äußeres Erscheinungsbild zu Nutze machen. Esther Vilar ist mit »Der dressierte Mann« das beste Beispiel dafür, dass auch provozierende Bücher zu Klassikern werden können.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 202
Esther Vilar
Sachbuch
Dieses Buch ist denen gewidmet, die darin nicht erwähnt werden: den wenigen Männern, die sich nicht dressieren lassen, den wenigen Frauen, die nicht käuflich sind – und den Glücklichen, die keinen Marktwert haben, weil sie zu alt, zu hässlich oder zu krank sind. E. V.
Der zitronengelbe MG schleudert. Die junge Frau am Steuer bringt ihn etwas waghalsig zum Stehen, steigt aus und entdeckt, dass der linke Vorderreifen platt ist. Ohne Zeit zu verlieren, trifft sie Vorkehrungen für die Reparatur: Sie blickt den vorbeifahrenden Autos entgegen, als erwarte sie jemand. Auf dieses international genormte Signal weiblicher Hilflosigkeit (»schwache Frau von männlicher Technik sitzengelassen«) stoppt bald ein Kombiwagen. Der Fahrer erfasst sofort, was zu tun ist, sagt tröstend: »Das werden wir gleich haben« und bittet die Frau zum Zeichen seiner Entschlossenheit um ihren Wagenheber. Er fragt sie nicht, ob sie das Rad selbst wechseln kann, denn er weiß – sie ist etwa dreißig, modisch angezogen und geschminkt –, dass sie es nicht kann. Als sie keinen Wagenheber findet, holt er seinen eigenen, sein übriges Werkzeug bringt er gleich mit. In fünf Minuten hat er die Sache erledigt und das schadhafte Rad an dem hierfür vorgesehenen Platz verstaut. Seine Hände sind ölverschmiert. Als ihm die Frau ihr besticktes Taschentuch anbietet, weist er es höflich zurück. Er hat für solche Fälle immer einen alten Lappen in seinem Werkzeugkasten. Die Frau bedankt sich überschwänglich und entschuldigt sich für ihre »typisch weibliche« Ungeschicklichkeit. Wenn er nicht gekommen wäre, sagt sie, hätte sie womöglich bis zum Abend hier gestanden. Er entgegnet darauf nichts, aber als sie einsteigt, schließt er galant die Wagentür und gibt ihr über die heruntergekurbelte Fensterscheibe hinweg noch den Rat, den schadhaften Reifen bald ersetzen zu lassen. Sie sagt, sie werde ihren Tankwart noch am gleichen Tag entsprechend anweisen. Dann fährt sie davon.
Während der Mann sein Werkzeug aufräumt und allein zu seinem Wagen zurückgeht, bedauert er, dass er sich jetzt nicht die Hände waschen kann. Auch seine Schuhe, mit denen er während des Radwechsels in feuchtem Lehm gestanden ist, sind nicht mehr so sauber, wie sie es für seine Arbeit – er ist Vertreter – sein sollten. Wenn er seinen nächsten Kunden noch erreichen will, muss er sich beeilen. Er startet den Motor. »Diese Frauen«, denkt er, »– eine blöder als die andere«, und er fragt sich im Ernst, was sie nur angestellt hätte, wenn er nicht gleich zur Stelle gewesen wäre. Er fährt, ganz gegen seine Gewohnheit, unvorsichtig schnell, um die Verspätung wieder aufzuholen. Nach einer Weile fängt er an, leise vor sich hin zu summen. Auf eine gewisse Art ist er glücklich.
Die meisten Männer hätten sich in der gleichen Situation gleich verhalten, die meisten Frauen ebenso: Die Frau lässt den Mann – nur aufgrund der Tatsache, dass er ein Mann ist und sie etwas ganz anderes, nämlich eine Frau – bedenkenlos für sich arbeiten, wann immer es eine Gelegenheit gibt. Mehr als auf die Hilfe eines Mannes zu warten, hätte diese Frau nicht unternehmen können, hat sie doch nichts weiter gelernt, als dass man bei einer Autopanne einen Mann mit der Reparatur beauftragt. Der Mann hingegen, der für einen ihm völlig fremden Menschen eine Dienstleistung rasch, fachkundig und kostenlos erledigt, seine Kleider ruiniert, den Abschluss eines Geschäfts in Frage stellt und sich am Ende noch durch überhöhte Geschwindigkeit in Gefahr bringt, hätte außer dem Radwechsel noch ein Dutzend anderer Defekte an dem Auto beheben können und hätte es auch getan, denn dafür hat er es ja gelernt. Und warum soll sich eine Frau mit Reparaturen befassen, wenn die Hälfte der Menschen – die Männer – das so gut kann und auch bereit ist, ihr Können der anderen Hälfte zur Verfügung zu stellen?
Die Frauen lassen die Männer für sich arbeiten, für sich denken, für sich Verantwortung tragen. Die Frauen beuten die Männer aus. Aber die Männer sind stark, intelligent, phantasievoll, die Frauen schwach, dumm und phantasielos. Warum werden trotzdem die Männer von den Frauen ausgebeutet und nicht umgekehrt?
Sind Kraft, Intelligenz und Phantasie am Ende gar nicht Voraussetzungen für Macht, sondern für Unterwerfung? Wird die Welt nicht von Könnern regiert, sondern von denen, die zu nichts anderem taugen: von Frauen? Und wenn es so ist – wie bringen es die Frauen dann fertig, dass ihre Opfer sich nicht betrogen und gedemütigt vorkommen, sondern als das, was sie am wenigsten sind – als die Herren? Wie geben sie ihnen dieses Gefühl des Glücks, wenn sie für sie arbeiten, dieses Bewusstsein des Stolzes und der Überlegenheit, das sie zu immer noch größeren Leistungen anspornt?
Warum werden die Frauen nicht entlarvt?
Was ist der Mann? Der Mann ist ein Mensch, der arbeitet. Mit dieser Arbeit ernährt er sich selbst, seine Frau und die Kinder seiner Frau. Eine Frau dagegen ist ein Mensch, der nicht (oder nur vorübergehend) arbeitet. Die meiste Zeit ihres Lebens ernährt sie weder sich selbst noch ihre Kinder, geschweige denn ihren Mann.
Alle Eigenschaften eines Mannes, die der Frau nützen, nennt sie männlich, und alle, die ihr nicht nützen und auch sonst niemandem, nennt sie weibisch. Der äußeren Erscheinung eines Mannes wird deshalb nur dann Erfolg bei den Frauen beschieden sein, wenn sie männlich ist, das heißt, wenn sie ganz auf den einzigen Daseinszweck des Mannes, die Arbeit, abgestimmt und dermaßen gestaltet ist, dass er jeder Aufgabe, die man ihm stellen könnte, jederzeit nachkommen kann.
Außer nachts, wenn die meisten Männer buntgestreifte Pyjamas mit nur zwei bis vier Taschen tragen, bekleiden sich die Männer mit einer Art Uniform in Grau oder Braun aus schmutzabweisendem, dauerhaftem Material. Diese Uniformen oder »Anzüge«, wie man sie nennt, haben mindestens zehn Taschen, in denen der Mann die notwendigsten Hilfsmittel, die er zu seiner Arbeit braucht, immer griffbereit bei sich trägt (die Kleidung der Frau hingegen hat, da eine Frau ja nicht arbeitet, weder am Tag irgendwelche Taschen noch bei Nacht).
Bei geselligen Anlässen ist es dem Mann erlaubt, Kleidung in der empfindlicheren Farbe Schwarz zu tragen, denn dort ist die Gefahr der Verschmutzung nicht groß, und außerdem kommt neben Schwarz die farbenprächtige Garderobe der Frau umso besser zur Geltung. Männer in grüner oder gar roter Gesellschaftskleidung, die man gelegentlich trifft, sind trotzdem gern gesehen: lassen sie doch die anwesenden wirklichen Männer umso männlicher erscheinen.
Auch in seiner übrigen Erscheinung hat sich der Mann seiner Situation angepasst. Seine Haare trägt er so, dass ein viertelstündiger Haarschnitt alle zwei bis drei Wochen zu ihrer Pflege ausreicht. Locken, Wellen oder Tönungen sind unerwünscht, sie würden ihn bei der Arbeit, die er vielfach im Freien verrichten muss oder die ihn zumindest oft ins Freie führt, nur behindern. Und selbst wenn er sie trüge und sie ihm gut stünden, würden sie seinen Erfolg bei den Frauen ganz gewiss nicht vergrößern, denn Frauen beurteilen Männer – ganz anders als Männer Frauen – niemals nach ästhetischen Gesichtspunkten. Männer, die vorübergehend individualistischen Haarschnitt tragen, merken das meist nach einiger Zeit von selbst und kehren zu einer der zwei bis drei Varianten der männlichen Kurz- oder Langhaar-Standardfrisuren zurück. Das Gleiche gilt für Bartträger. Nur Übersensible – meist sind es mehr oder weniger intellektuelle Männer, die durch einen ungezügelten Bartwuchs den Eindruck geistiger Robustheit vortäuschen wollen – tragen über längere Zeit einen Vollbart. Da dies ein nicht unwichtiger Hinweis auf ihre Konstitution und somit auf die besondere Art ihrer Verwertbarkeit ist, wird es von Frauen als brauchbares Erkennungsmerkmal toleriert (es zeigt, auf welcher Ebene sich diese Männer am leichtesten ausbeuten lassen, nämlich bei der neurotischen Arbeit der Intellektuellen).
Im Allgemeinen jedoch benutzt der Mann morgens drei Minuten lang einen Elektrorasierer, um seinen Bartwuchs im Zaum zu halten, und zur Pflege seiner Haut genügen ihm Wasser und Seife, denn von seinem Gesicht wird ja nichts weiter verlangt, als dass er es sauber und ungeschminkt, also für jedermann kontrollierbar, zur Schau stellt. Zu erwähnen wären noch die Fingernägel des Mannes: Sie sollen für die Arbeit so kurz wie möglich sein.
Ein männlicher Mann trägt – außer seinem Ehering, der anzeigt, dass er bereits von einer besonderen Frau auf eine besondere Art verwertet wird – keinen Schmuck. Die große, plumpe Uhr an seinem Handgelenk – wasserdicht, stoßfest und mit Datumsanzeige – ist wahrhaft kein Luxusgegenstand. Häufig wird sie ihm von der Frau geschenkt, für die er arbeitet.
Wäsche, Oberhemden und Socken des männlichen Mannes sind so genormt, dass sie sich von einem Mann zum anderen höchstens in der Größe unterscheiden. Man kann sie in jedem Laden ohne Zeitverlust erwerben. Lediglich bei der Auswahl der Krawatten hätte der Mann eine gewisse Freiheit, aber da er an Freiheit in gar keiner Form gewöhnt ist, überlässt er diese Wahl – wie übrigens die aller anderen Kleidungsstücke auch – der Frau.
Sosehr sich die Männer im Äußeren ähneln – ein Beobachter von einem fremden Stern müsste annehmen, sie legten es darauf an, sich wie ein Ei dem anderen zu gleichen –, ist die Art und Weise, wie sie ihre Männlichkeit, das heißt ihre Verwertbarkeit für die Zwecke der Frauen, unter Beweis stellen, doch sehr verschieden. Sie muss verschieden sein: da die Frauen kaum arbeiten, braucht man die Männer für alles.
Es gibt Männer, die morgens um acht Uhr eine große Limousine vorsichtig aus einer Garage herausmanövrieren. Andere fahren eine Stunde früher mit einem Mittelklassewagen zu ihrem Arbeitsplatz, wiederum andere gehen, wenn es draußen noch stockfinster ist, mit einer alten Aktentasche unterm Arm, in der ein Overall und ein paar Frühstücksbrote liegen, zum Bus, zum Zug, in die Untergrundbahn und fahren zu der Baustelle oder Fabrik, bei der sie beschäftigt sind. Ein unbarmherziges Schicksal will es, dass die letzte Gruppe, die Ärmsten unter den Männern, auch noch von den am wenigsten attraktiven Frauen ausgebeutet wird. Denn da es Frauen bei Männern immer nur aufs Geld ankommt und Männern bei Frauen immer nur aufs Aussehen, werden ihnen die begehrenswerten Frauen aus ihrem Milieu immer von den besser verdienenden Männern weggenommen.
Es ist ganz gleichgültig, wie ein bestimmter Mann seinen Tag verbringt, eines hat er mit allen anderen gemeinsam: Er verbringt ihn auf eine demütigende Weise. Und er tut es nicht für sich selbst, zur Erhaltung seines eigenen Lebens – dafür würde eine viel kleinere Anstrengung genügen (Männer legen ohnehin keinen Wert auf Luxus) –, er tut es für andere, und er ist maßlos stolz darauf, dass er es für andere tut. Die Fotos seiner Frau und seiner Kinder stehen auf seinem Schreibtisch, er zeigt sie bei jeder Gelegenheit herum.
Was immer der Mann tut, wenn er arbeitet – ob er Zahlen tabelliert, Kranke heilt, einen Bus lenkt oder eine Firma leitet –, in jedem Augenblick ist er Teil eines gigantischen, unbarmherzigen Systems, das einzig und allein auf seine maximale Ausbeutung angelegt ist, und er bleibt diesem System bis an sein Lebensende ausgeliefert.
Es mag interessant sein, Zahlen zu tabellieren und Summen mit anderen Summen zu vergleichen – aber wie lang? Ein ganzes Leben lang? Sicher nicht. Vielleicht ist es ein phantastisches Gefühl, einen Bus durch eine Stadt zu dirigieren, aber wenn es Tag für Tag der gleiche Bus auf der gleichen Strecke in der gleichen Stadt ist, jahrein, jahraus? Und bestimmt ist es erregend, Macht über die vielen Menschen einer großen Firma zu haben. Aber wie, wenn man herausfindet, dass man eigentlich eher ihr Gefangener ist als ihr Beherrscher?
Die Spiele, die wir als Kinder spielten – spielen wir die auch heute noch? Natürlich nicht. Und auch als Kinder haben wir nicht immer das gleiche Spiel gespielt, wir spielten es genau so lang, wie es uns gefiel. Der Mann aber ist wie ein Kind, das ewig das gleiche Spiel spielen muss. Der Grund ist offensichtlich: Sobald er für eines seiner Spiele mehr gelobt wird als für andere, spezialisiert er sich später darauf und bleibt, weil er dafür »begabt« ist und damit am meisten Geld verdienen kann, ein Leben lang dazu verdammt. Wenn er in der Schule gut in Rechnen war, wird er sein Leben mit Rechnen verbringen – als Buchhalter, Mathematiker, Programmierer –, denn dort liegt sein Leistungsmaximum. Er wird rechnen, Zahlen tabellieren, Maschinen bedienen, die Zahlen tabellieren, aber er wird niemals sagen können: »Jetzt habe ich genug, mir reicht's, ich suche mir etwas anderes.« Die Frau, die ihn ausbeutet, wird nicht erlauben, dass er sich wirklich etwas anderes sucht. Er wird vielleicht, angespornt durch diese Frau, in der Hierarchie der Zahlentabellierer in mörderischen Kämpfen aufsteigen, es zum Prokuristen oder zum Bankdirektor bringen. Aber ist der Preis, den er für sein Gehalt zahlt, nicht ein bisschen zu hoch?
Ein Mann, der seine Lebensweise ändert – also seinen Beruf, denn leben ist für ihn das Gleiche wie arbeiten – gilt als unzuverlässig. Wechselt er mehrmals, wird er von der Gesellschaft ausgestoßen und bleibt allein. Denn die Gesellschaft, das sind die Frauen.
Die Furcht vor einer solchen Konsequenz muss beträchtlich sein: Würde sonst ein Arzt (der als Junge gern mit Kaulquappen und Einmachgläsern hantierte) sein ganzes Leben damit verbringen, nun ekelerregende Geschwüre aufzuschneiden, menschliche Ausscheidungen aller Art zu begutachten und sich Tag und Nacht mit Menschen abzugeben, die so aussehen, dass jeder andere vor ihnen die Flucht ergreift? Würde ein Pianist, der nichts weiter als ein Kind war, das gern musizierte, sonst zum tausendsten Mal jenes Nocturne von Chopin vorspielen? Würde ein Politiker, der seinerzeit im Schulhof zufällig die Handvoll Tricks herausfand, wie man Menschen führt, und gut damit umgehen konnte, im Erwachsenenalter jahrzehntelang all diese nichtssagenden Phrasen in der Rolle irgendeines subalternen Funktionärs von sich geben, all diese Grimassen schneiden und sich all das fürchterliche Gerede seiner ebenso subalternen Konkurrenten gefallen lassen? Er hat einmal von einem anderen Leben geträumt! Und selbst wenn er auf diesem Weg der Präsident der Vereinigten Staaten werden sollte: Hat er für diese Stellung dann nicht doch ein bisschen zu viel bezahlt?
Nein, es ist kaum anzunehmen, dass die Männer, was sie tun, gern und ohne den Wunsch nach Abwechslung tun. Sie tun es, weil sie dafür dressiert werden: Ihr ganzes Leben ist nichts als eine trostlose Folge von Dressurkunststückchen. Ein Mann, der diese Kunststückchen nicht mehr beherrscht, der weniger Geld verdient, hat »versagt« und verliert alles: seine Frau, seine Familie, sein Heim, den Sinn seines Lebens – jedwede Geborgenheit.
Man könnte natürlich auch sagen: Ein Mann, der nicht mehr genug Geld verdient, ist automatisch frei und könnte sich über das Happy-End freuen. Aber der Mann will nicht frei sein. Er funktioniert, wie wir später noch sehen werden, nach dem Modell der Lust an der Unfreiheit. Lebenslängliche Freiheit wäre für ihn noch schlimmer als lebenslängliche Sklaverei.
Anders formuliert: Der Mann sucht immer jemand oder etwas, dem er sich versklaven kann, denn nur als Sklave fühlt er sich geborgen – und seine Wahl fällt dabei meist auf die Frau. Wer oder was aber ist die Frau, dass er sich ausgerechnet ihr, der er dieses entwürdigende Leben verdankt und von der er darin nach allen Regeln der Kunst ausgebeutet wird, versklavt und dass er sich ausgerechnet bei ihr geborgen fühlt?
Wir haben gesagt, die Frau sei, im Gegensatz zum Mann, ein Mensch, der nicht arbeitet. Man könnte hier die Definition der Frau schon abschließen – viel mehr lässt sich wirklich nicht über sie sagen –, wäre nicht der Begriff Mensch ein zu umfassender, zu ungenauer Begriff, um Mann und Frau damit gleichzeitig zu definieren.
Das menschliche Dasein bietet die Wahl zwischen einer mehr animalischen – also tierähnlichen, niederen – Existenz und einer geistigen. Die Frau wählt fraglos die animalische. Körperliches Wohlbefinden, ein Nest und die Möglichkeit, darin ungehindert ihren Brutregeln nachzugehen, sind ihr das Höchste.
Es gilt als erwiesen, dass Männer und Frauen mit den gleichen geistigen Anlagen geboren werden, dass es also keinen primären Intelligenzunterschied zwischen den Geschlechtern gibt. Ebenso erwiesen ist aber, dass Anlagen, die nicht entwickelt werden, verkümmern: Die Frauen benützen ihre geistigen Anlagen nicht, sie ruinieren mutwillig ihren Denkapparat und gelangen nach einigen wenigen Jahren sporadischen Gehirntrainings in ein Stadium sekundärer, irreversibler Dummheit.
Warum benützen die Frauen ihr Gehirn nicht? Sie benützen es nicht, weil sie, um am Leben zu bleiben, keine geistigen Fähigkeiten brauchen. Theoretisch wäre es möglich, dass eine schöne Frau weniger Intelligenz besitzt als beispielsweise ein Schimpanse, und dass sie sich dennoch im menschlichen Milieu behauptet.
Spätestens mit zwölf Jahren – einem Alter, in dem die meisten Frauen beschlossen haben, die Laufbahn von Prostituierten einzuschlagen, das heißt, später einen Mann für sich arbeiten zu lassen und ihm als Gegenleistung ihre Vagina in bestimmten Intervallen zur Verfügung zu stellen – hört die Frau auf, ihren Geist zu entwickeln. Sie lässt sich zwar weiterhin ausbilden und erwirbt dabei allerlei Diplome – denn der Mann glaubt, dass eine Frau, die etwas auswendig gelernt hat, auch etwas weiß (ein Diplom erhöht also den Marktwert der Frau) –, doch in Wirklichkeit trennen sich hier die Wege der Geschlechter ein für alle Mal. Jede Verständigungsmöglichkeit zwischen Mann und Frau wird an diesem Punkt abgeschnitten, und zwar für immer.
Deshalb ist einer der wichtigsten Fehler, die dem Mann bei der Beurteilung der Frau immer wieder passieren, dass er sie für seinesgleichen hält, das heißt für einen Menschen, der mehr oder weniger auf der gleichen Gefühls- und Verstandesebene funktioniert wie er selbst. Der Mann kann das Verhalten seiner Frau von außen beobachten, hören, was sie redet, mit seinen Augen sehen, womit sie sich beschäftigt, aufgrund äußerer Zeichen schließen, was sie denkt – aber bei alldem richtet er sich nach seiner eigenen Wertskala. Er weiß, was er an ihrer Stelle reden, denken, tun würde. Und betrachtet er das – nach seinen Maßstäben – deprimierende Resultat seiner Studien, wird er daraus nur schließen, dass es irgendetwas geben muss, was die Frau daran hindert, das zu tun, was er selbst an ihrer Stelle gern tun würde. Denn er hält sich – und falls sich der Mensch als ein abstrakt denkendes Wesen definiert, mit Recht – für das Maß aller Dinge.
Erfährt er zum Beispiel aus seinen Beobachtungen, dass eine Frau soundso viel Stunden am Tag mit Kochen, Saubermachen und Geschirrspülen verbringt, so wird er daraus nicht folgern, dass diese Tätigkeiten sie befriedigen, weil sie ihrem geistigen Niveau ideal entsprechen. Er denkt, dass es gerade das sein muss, was sie an allem anderen hindert, und bemüht sich, ihr Geschirrspülautomaten, Staubsauger und Fertiggerichte zur Verfügung zu stellen, die ihr diese stupiden Arbeiten abnehmen und sie in die Lage versetzen, ein Leben zu führen, wie er es für sich selbst erträumt.
Doch er wird enttäuscht sein: Statt dass die Frau jetzt anfängt, ein Leben des Geistes zu führen, sich um Politik, Geschichte oder die Erforschung des Weltraums zu kümmern, verwendet sie die gewonnene Zeit darauf, Kuchen zu backen, Unterwäsche zu bügeln, Rüschchen zu nähen oder, wenn sie ganz unternehmungslustig ist, die sanitären Einrichtungen des Badezimmers mit Blümchengirlanden zu bekleben.
Da der Mann glauben muss (beziehungsweise da die Frau ihn glauben macht – denn welcher Mann legt schon wirklich Wert auf gebügelte Unterwäsche, Blümchenmuster oder Kuchen, der nicht vom Konditor kommt?), das alles brauche man zum Leben, gehöre zumindest zur Kultur, erfindet er den Bügelautomaten für sie, den gebrauchsfertigen Kuchenteig, den industriell verzierten Klosettpapierhalter. Aber die Frau fängt noch immer nicht an, etwas zu lesen, sie kümmert sich noch immer nicht um Politik, und die Erforschung des Universums lässt sie absolut ungerührt. Die Zeit, die sie gewonnen hat, kommt ihr gerade recht: Endlich kann sie sich jetzt um sich selbst kümmern. Und weil ihr bekanntlich Sehnsucht nach geistigen Dingen fremd ist, versteht sie darunter natürlich ihre äußere Erscheinung.
Der Mann, der die Frau liebt und nichts sehnlicher wünscht als ihr Glück, macht auch dieses Stadium mit: Er produziert für sie den kussechten Lippenstift, das tränenfeste Augen-Make-up, die Heimdauerwelle, die bügelfreie Rüschchenbluse, die Unterwäsche zum Wegwerfen. Dabei hat er immer noch das gleiche Ziel vor Augen: dass das alles einmal ein Ende nehmen wird, dass alle spezifisch weiblichen, ihm fremden, also »höheren« Lebensbedürfnisse der »von Natur aus empfindlicheren, sensibleren« Frau – wie er glaubt – erfüllt sein werden und sie aus ihrem Leben endlich das macht, was er einzig und allein für lebenswert hält: das Leben eines freien Mannes.
Und er wartet. Da die Frau nicht von allein zu ihm kommt, beginnt er sie in seine Welt zu locken: Er propagiert Koedukation auf den Schulen, um ihr von klein an seinen Lebensstil vorzuführen. Er holt sie mit allen möglichen Ausreden auf seine Universitäten, um sie in die von ihm entdeckten Geheimnisse einzuweihen und in der Hoffnung, sie gewänne durch direkte Anschauung Geschmack an den großen Dingen. Er verschafft ihr Zugang auch zu den letzten Ehrenämtern, die er bisher noch exklusiv ausgeübt hat (gibt dabei ihm heilige Traditionen auf), und animiert sie zur Wahrnehmung ihres politischen Wahlrechts, damit sie die von ihm ausgeklügelten Systeme der Staatsverwaltung nach ihren Vorstellungen verändern kann (vielleicht erhofft er sich in der Politik von ihr sogar den Frieden, denn er schreibt ihr ja pazifistisches Charisma zu).
Er ist so konsequent und verbissen bei seiner vermeintlichen Aufgabe, dass er nicht merkt, wie lächerlich er sich macht. Lächerlich nach seinen eigenen Maßstäben, nicht nach denen der Frau: Diese ist unfähig, Abstand zu gewinnen, und deshalb völlig humorlos.
Nein, die Frauen lachen nicht über die Männer. Sie könnten höchstens eines Tages ärgerlich über sie werden. Noch erscheinen die alten Fassaden – Haushalt, Versorgung der Kinder –, mit denen sie ihren Verzicht auf eine geistige Existenz kaschieren, nach außen hin nicht baufällig genug, um den vorzeitigen Abgang der Mädchen aus den Hochschulen und ihren Verzicht auf die anspruchsvolleren Berufe nicht wenigstens pro forma zu rechtfertigen. Wie wird es aber sein, wenn die Hausarbeit noch mehr automatisiert ist, wenn es wirklich genug gute Kindertagesstätten gibt oder wenn die Männer gar entdecken – was eigentlich längt fällig wäre –, dass man zum Leben Kinder überhaupt nicht braucht?
Wenn der Mann nur einmal in seiner blinden Aktivität einhalten und Bilanz ziehen würde, so müsste er feststellen, dass seine Bemühungen um die geistige Belebung der Frau ihn nicht einen Schritt weitergebracht haben. Dass die Frau zwar von Tag zu Tag geputzter, gepflegter und »kultivierter« wird, dass sie aber immer nur höhere materielle Ansprüche an ihr Leben stellt und niemals geistige.
Hat sie zum Beispiel seine Art zu denken, die er auf seinen Hochschulen lehrt, je zur Entwicklung eigener Theorien verleitet? Hat sie seine Forschungsinstitute, die er für sie geöffnet hat, jemals für eigene Forschungen in Anspruch genommen? – Es müsste dem Mann allmählich auffallen, dass die Frau all die wundervollen Bücher, die er ihr in seinen Bibliotheken zur Verfügung stellt, einfach nicht liest. Dass seine phantastischen Kunstwerke, die er ihr in seinen Museen zeigt, sie bestenfalls zur Imitation anregen. Dass all die Aufrufe zur Selbstbefreiung, die er ihr in Filmen und Theaterstücken auf ihrem eigenen Niveau in ihrer eigenen Sprache nahebringen will, von ihr immer nur nach ihrem Unterhaltungswert beurteilt werden und sie nie, aber auch wirklich nie zur Revolte verleiten.
Es ist ganz logisch, dass der Mann, der die Frau für seinesgleichen hält und dabei mit ansehen muss, was für ein stupides Leben sie neben ihm führt, glaubt, er unterdrücke sie. Doch solange man sich erinnert, ist die Frau nicht mehr zu irgendeiner Unterwerfung unter den Willen des Mannes gezwungen worden, im Gegenteil: Es sind ihr alle Möglichkeiten zur Verfügung gestanden, sich unabhängig zu machen. Wenn sich also die Frau in dieser langen Zeit nicht von ihrem »Joch« befreit hat, dann gibt es dafür nur eine Erklärung: Sie hat keins.
Der Mann liebt seine Frau, aber er verachtet sie auch, weil ein Mensch, der morgens auszieht, um voller Energie neue Welten zu erobern – was ihm dann, aus Gründen des Broterwerbs, freilich nur selten gelingt –, einen, der das nicht will, verachtet. Und das ist es, was den Mann vielleicht am meisten dazu bringt, sich um die geistige Entwicklung der Frau zu bemühen: Er schämt sich für sie und glaubt, sie schäme sich auch. Er möchte ihr wie ein Gentleman aus der Verlegenheit helfen.
Was er nicht weiß, ist, dass die Frauen diese Neugier, diesen Ehrgeiz, diesen Tatendrang, die ihm so selbstverständlich erscheinen, nicht kennen. Wenn sie nicht an der Welt der Männer teilnehmen, dann deshalb, weil sie nicht wollen: Sie haben kein Bedürfnis nach dieser Welt. Die Art Unabhängigkeit der Männer wäre für sie vollkommen wertlos, sie fühlen sich nicht abhängig. Die geistige Überlegenheit des Mannes schüchtert sie nicht ein, Ehrgeiz in geistigen Dingen kennen sie ja nicht.
Die Frauen können wählen, und das ist es, was sie den Männern so unendlich überlegen macht: Jede von ihnen hat die Wahl zwischen der Lebensform eines Mannes und der eines dummen, parasitären Luxusgeschöpfes – und so gut wie jede wählt für sich die zweite Möglichkeit. Der Mann hat diese Wahl nicht.