Der fantastische Sammelband der geheimnisvoll-romantischen »Wüsten«-Serie (Die Wüsten-Serie) - Christina M. Fischer - E-Book

Der fantastische Sammelband der geheimnisvoll-romantischen »Wüsten«-Serie (Die Wüsten-Serie) E-Book

Christina M. Fischer

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Beschreibung

**Ein prächtiges Wüstenreich, gefährliche Flüche und rachsüchtige Göttinnen**  Dayana hat es als einzige Tochter des Grafen Levenstein nicht leicht. Denn sie wird einem Mann versprochen, der für seine Grausamkeit bekannt ist. Auf der Flucht vor ihrem Verlobten begegnet Dayana dem geheimnisvollen Falk, der sie mit seiner arroganten Art schnell zur Weißglut bringt. Bald merken sie jedoch, dass sie neben ihrer gemeinsamen Reise durch die unendliche Wüste auch tiefe Gefühle miteinander verbinden. Als sie glauben die schwerste Prüfung bestanden zu haben, belegt die Wüstengöttin Ishar das Land mit einem grausamen Fluch. Und Dayana und Falk müssen hoffen, dass sie stark genug sind, gegen den Zorn einer Göttin zu bestehen … Folge dem magischen Ruf der Wüste!   Ein sagenumwobenes Wüstenreich, mit einem Fluch belegt, der zwei außergewöhnliche Menschen zusammenbringt: eine Adelstochter und einen Wüstenprinzen. Dieser bezaubernde Roman weckt in jedem Leserherz Sehnsüchte nach einer magischen Liebe ...     Leserstimmen auf Amazon:  »Ich LIEBE es!!!!«  »Wunderschöne, romantische High Fantasy!«  »Lieblingsbuch!«  »Es ist einfach episch!«    //Dies ist der Sammelband zur fantastisch-geheimnisvollen »Wüsten«-Reihe. Er enthält alle Romane der Fantasy-Liebesgeschichte bei Impress:   -- Band 1: Wüstenruf    -- Band 2: Wüstenerbe//   Diese Reihe ist abgeschlossen. 

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www.impressbooks.deDie Macht der Gefühle

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Impress Ein Imprint der CARLSEN Verlag GmbH © der Originalausgabe by CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg 2020 Text © Christina M. Fischer, 2019, 2020 Lektorat: Martina König Coverbild: shutterstock.com / © kiuikson / © Anna Poguliaeva / © Vandathai/ © Ersler Dmitry / © wtamas Covergestaltung der Einzelbände: formlabor Gestaltung E-Book-Template: Gunta Lauck / Derya Yildirim Satz und E-Book-Umsetzung: readbox publishing, Dortmund ISBN 978-3-646-60697-3www.carlsen.de

Dark Diamonds

Jeder Roman ein Juwel.

Das digitale Imprint »Dark Diamonds« ist ein E-Book-Label des Carlsen Verlags und publiziert New Adult Fantasy.

Wer nach einer hochwertig geschliffenen Geschichte voller dunkler Romantik sucht, ist bei uns genau richtig. Im Mittelpunkt unserer Romane stehen starke weibliche Heldinnen, die ihre Teenagerjahre bereits hinter sich gelassen haben, aber noch nicht ganz in ihrer Zukunft angekommen sind. Mit viel Gefühl, einer Prise Gefahr und einem Hauch von Sinnlichkeit entführen sie uns in die grenzenlosen Weiten fantastischer Welten – genau dorthin, wo man die Realität vollkommen vergisst und sich selbst wiederfindet.

Das Dark-Diamonds-Programm wurde vom Lektorat des erfolgreichen Carlsen-Labels Impress handverlesen und enthält nur wahre Juwelen der romantischen Fantasyliteratur für junge Erwachsene.

Christina M. Fischer

Wüstenruf (Die Wüsten-Serie 1)

**Spüre den Zauber der Wüste**Die junge Adelstochter Dayana ist zutiefst entsetzt, als sie einen Mann heiraten soll, der für seine Grausamkeit bekannt ist. In tiefster Nacht flieht sie von der heimatlichen Burg und lässt all das hinter sich, was sie kennt und liebt. Doch Dayana bleibt nicht lange unentdeckt. Notgedrungen schließt sie sich mit einem geheimnisvollen Fremden zusammen, der sein Gesicht stets verborgen hält. Sie ahnt nicht, dass er dem Ruf der Wüste folgt, ausgelöst von einem Fluch, der vor langer Zeit über ihn gelegt wurde …

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Vita

Danksagung

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© privat

Christina M. Fischer, Jahrgang 1979, lebt mit ihrer Familie im schönen Main Spessart. Sobald sie lesen konnte, verschlang sie ein Märchenbuch nach dem anderen, später wechselte ihre Leidenschaft zu Fantasy. Mit vierzehn Jahren begann sie mit dem Schreiben eigener Geschichten. Ihre bevorzugten Genres sind Urban Fantasy, Dark Fantasy und Romance Fantasy.

Prolog

Die Nacht schlang ihre Arme um die große Hauptstadt Khimo, und vermochte sie dennoch nicht zur Ruhe zu betten. Tief in den verwinkelten Gassen des zwielichtigen Vergnügungsviertels, herrschte immer noch rege Betriebsamkeit. Sobald die Dunkelheit Einzug hielt, begannen rauschende Feste, in denen jeglichen Ausschweifungen gefrönt wurde. Selbst die hohen Würdenträger zog es zu dieser Uhrzeit von der östlichen Stadtseite, in der die Königsfamilie lebte, hierher. Mit ihren Kutschen überquerten sie auf steinernen Brücken den Fluss Mar, der sich mitten durch das bewohnte Gebiet schlängelte und so eine natürliche Grenze zwischen den Wohlhabenden und der unteren Schicht bildete.

Je weiter man sich der westlichen Stadtseite näherte, umso umtriebiger wurde das Gebiet. Hier gab es keinen natürlichen Schutzmechanismus in Form eines Kleingebirges, der sich gegen den Palast schmiegte, aber eine viel süßere Versuchung. Die besten Bordelle köderten mit ihren wunderschönsten Mädchen und der süße Wein lockerte die Zungen, sowie den Geldbeutel der hohen Herren.

Abgesehen von diesen rauschähnlichen Vergnügungen, herrschte noch eine andere Betriebsamkeit in Nachtschatten. Auf den Dächern dicht aneinander gedrängter Gebäude, huschten dunkle Gestalten im Schutze der Nacht umher. Gesetzwidrige Geschäfte trieben sie zu so später Stunde aus dem Haus. Nun, wo die vermögenden Lords sich vergnügten, standen ihre prächtigen Häuser schutzlos da. Die süßen Zungen ihrer käuflichen Gespielinnen, entlockten ihnen all ihre Geheimnisse und ermöglichten den Dieben somit leichteren Zugang zu deren Hab und Gut.

Im Schatten eines Dachfirsts kauerte eine weitere Gestalt. Die tief ins Gesicht gezogene Kapuze verbarg das Funkeln seiner grauen Augen vor anderen nächtlichen Gefährten. Schon seit einer Stunde saß er in seinem Versteck. Am Himmel zogen sich dichte Wolken zusammen, um die Sterne vor den Blicken der Menschen zu verbergen.

Er hob den Kopf und studierte das Spiel der Elemente. Lediglich eine halbe Stunde lang würde der volle Mond sich von ihnen verdrängen lassen, danach würde er mit seiner ganzen Stärke über die Großstadt leuchten. Dies erkannten auch die Diebe und Mörder und legten auf den Dächern eine höhere Geschwindigkeit an den Tag. Von seinem Platz aus konnte er erkennen, wie sie einander begegneten und sich stumm zunickten. Da die meisten zwielichtigen Geschäfte von einem Mann geleitet wurden, handelte es sich bei ihnen notgedrungen um Kollegen.

Weitere Minuten vergingen. Sein junges Gesicht im Schatten verhärtete sich. Die Zeit wurde knapp. Er hasste es, wenn man ihn warten ließ.

Gerade als er beschloss aufzustehen und den Heimweg anzutreten, vernahm er Pferdehufe. Dies verstärkte seine Wut. In seinem Brief hatte er sich klar ausgedrückt: Keine Kutsche!

Heimliches Vorgehen war wichtig, doch sein Handelspartner war ein Adeliger und scherte sich nicht um Umsicht.

Zu seinem Verdruss, bog die auffallende Karosse genau in die schmale Gasse unterhalb des Hauses, auf dessen Dach er sich versteckte. Ein Mann stieg vom Kutschbock, während zwei andere das Innere verließen. Bei einem von ihnen handelte es sich um Fredel Kermanok, ein entferntes Mitglied des Königshauses.

»Falk!«

Im Licht des auftauchenden Mondes erhob er sich aus seiner kauernden Stellung. »Haltet den Mund, oder ich schneide Euch die Kehle durch«, grollte er.

Wie auf einem stummen Befehl hin, hoben zwei der Männer ihre Klingen. Ihr Herr hingegen, klein von Wuchs, doch äußerst fettleibig, blieb gelassen. »Mir behagen diese Höhen nicht. Komm herunter.«

Es ging um Geschäftliches, versuchte er sich zur Ruhe zu zwingen. Sein eigenes Schwert hing an der Hüfte, außerdem trug er Armschienen und etliche Dolche in einem Gurt an der Brust. Sollten diese Wächter zur Bedrohung werden, würde er nicht zögern seine Waffen zu benutzen um alle zu töten.

Schon seit seiner frühesten Kindheit war ihm die Kampfkunst beigebracht worden. Geboren im Wüstenreich Sulakan, war ihm das matriarchalische Khimo zu Beginn fremdartig erschienen. Hier herrschte eine Königin und nach ihr würde deren Tochter den Thron besteigen. In Sulakan gestand man Frauen kaum Rechte zu. Sie kümmerten sich um die Erziehung der Kinder und den Haushalt.

Seltsamerweise fiel ihm das Leben hier leicht. Niemals zuvor hatte er seine Hand gegen eine Frau erhoben. Er schob das auf den Einfluss seiner Mutter, die ihn als Drittfrau des damals herrschenden Königs geboren hatte. Anfangs als Segen, hatte sich die große Zuneigung seines Vaters später als Fluch erwiesen, da seine beiden älteren Brüder nichts unversucht gelassen hatten, sich seiner zu entledigen. Sieben Jahre zuvor hatte er nach einem weiteren missglückten Mordanschlag, eine folgenschwere Entscheidung getroffen: Heimlich hatte er den Palast verlassen. Die Entdeckung der großen und prächtigen Stadt Sula hinter den hohen Mauern, hatte seinem vierzehnjährigen Ich schier die Sprache verschlagen und hätte ihm fast seinen Mut geraubt. Allein die drängenden Worte seiner besorgten Mutter hatten ihn damals in dem Entschluss bestärkt, sein Zuhause zu verlassen.

Fernab des Palastes, hatte sich die Welt als arm und verwahrlost entpuppt. Ekel hatte ihn gepackt und ihn nicht losgelassen. Abgemagerte, von Krankheit ausgezehrte Bettler hatten sich aneinander gegen die Stadtmauern gedrängt und um eine milde Gabe gebeten. Fast wäre er zurückgegangen. Sein Körper hatte sich bereits in Bewegung gesetzt, um den ersten Schritt der Rückkehr auszuführen, doch dann war etwas geschehen. Er hatte ihn gesehen. Den Horizont, und dahinter eine Welt voller Geheimnisse, die er alle erkunden wollte. So war er losgelaufen, hatte sein Land zurückgelassen, um ein neues erforschen zu dürfen. Ah, und welche Wunder seine Augen auf dieser Reise gesehen hatten. Doch keines konnte man mit dem vergleichen, in dem er sich nun befand: die Hauptstadt Khimo des gleichnamigen Reiches. Eine Metropole, die fortschrittlicher kaum sein konnte. Neuartige Aquädukte leiteten sauberes Wasser in so gut wie jeden Bereich der Stadt. Selbst der Unrat landete nicht, wie in anderen Städten, auf den Straßen oder in den Flüssen, sondern wurde in Klärbecken außerhalb der Stadt aufgefangen und mithilfe besonderer Pflanzen in nährreichem Dünger umgewandelt.

Khimo wurde zu seiner Heimat. Hier hatte er sich ein Zuhause geschaffen, das seiner Kindheit im Wohlstand gleichkam. Um diesen Lebensstandard zu erhalten, sah er sich genötigt, weitere Geschäfte zu tätigen. Dabei ging er mit Gewalt, oder mit Heimlichtuerei vor. Ganz wie sein Auftraggeber es von ihm erwartete. Doch nicht nur des Geldes wegen stürzte er sich in diese gefährlichen Unternehmungen. Er liebte den Rausch des Kampfes und den Nervenkitzel der Spionage. Diese Tätigkeiten hielten ihn fit und sorgten dafür, dass seine Klinge keinen Rost ansetzte.

Mit wenigen Handgriffen kletterte er die raue Hauswand hinab und blieb im Schatten stehen. »Niemand darf von diesem Treffen erfahren. Deswegen bat ich Euch, auf Eure Kutsche zu verzichten.«

»Unsinn«, schnaubte der dicke Adelige und deutete auf die Droschke. »Begleite mich hinein. Wir wollen uns unterhalten.«

Nur widerwillig kam Falk dieser Aufforderung nach. Die Leibwächter des Adeligen, steckten die Schwerter in die Scheiden und bezogen Posten vor dem Gefährt.

Falk ließ sich im gemütlichen Inneren auf das dunkelrote Polster nieder. Das Gesicht seines Auftraggebers glich einem Keiler. Die blassblauen Schweinsaugen lugten zwischen den dunklen Brauen und den formlosen Wangen kaum hervor. Zudem bewegte sich der fleischige Mund unentwegt, als sein Gegenüber anfing geräuschvoll Nüsse zu verspeisen.

»Du bist zu besorgt«, lachte Fredel, dabei fielen ihm die Mandeln aus der Hand. Rasch besorgte er sich aus einem kleinen Seidenbeutel Nachschub.

»Mein Leben in Khimo werde ich mir durch Euch nicht gefährden lassen«, knurrte Falk, dem es nicht gefiel derart persönlich angesprochen zu werden.

Eine Kerze an der seitlichen Wand der Kutsche spendete ein wenig Licht. Er trug die Kapuze immer noch tief ins Gesicht gezogen. Bis auf seine Augen, die im Schatten lagen, konnte der Adelige ihn genauestens sehen.

»Sorg dich nicht. Meine Leibwächter sind sehr aufmerksam. Sie haben die richtige Zeit abgepasst. Niemand ist uns gefolgt, zudem bist auch du sehr vorsichtig gewesen. Die Idee mit dem toten Briefkasten gefiel mir zuerst nicht, doch dann sah ich den Sinn dahinter. Die Menschen Khimos würden es nicht dulden, wüssten sie, womit du dein Vermögen verdient hast.«

Falk lächelte. »Sie würden es ebenfalls nicht dulden, dass Ihr meine Dienste in Anspruch nehmen wollt.«

Diese Antwort quittierte Fredel mit einem spöttischen Lachen. Körniger Speichel tropfte dabei von seiner Lippe. Falk gab sich nicht die Mühe, seine Abscheu zu verbergen und verzog verächtlich den Mund.

»In der Tat, deswegen müssen wir beide auf der Hut sein.«

»Worum geht es?«

Je eher er dieses Gespräch hinter sich brachte, umso schneller konnte er in sein eigenes Heim zurückkehren, wo ein warmes Bett darauf wartete, die Kälte des nahenden Winters zu vertreiben.

»Um einen Freund, der zudem ein Handelspartner ist«, verriet der Adelige und leckte sich die Finger ab. »Dieser Lord verbirgt zu viel vor mir, das behagt mir nicht.«

Ah, Spionage!

»Selbstverständlich, zwischen Freunden dürfen keine Geheimnisse bestehen. Ist es eine enge Verbindung?«

Ein Nicken. Perfekt! Also musste er sehr behutsam vorgehen, damit derjenige, den er ausspionieren sollte, nichts davon bemerkte. Endlich wieder eine Herausforderung! Töten konnte jeder Trottel, doch jemandem ohne Drohungen die gewünschten Informationen zu entlocken, bedurfte einer besonderen Raffinesse.

»Nun, ich benötige den Namen des besagten Freundes, den Wohnort, sowie die Information, nach der es Euch gelüstet.«

Sein Auftraggeber hielt ihm einen dicken Umschlag entgegen. »Darin dürfte alles enthalten sein.«

Mit der anderen Hand winkte er einen Leibwächter ins Innere, einen Riesen mit einem breiten Gesicht, das vielleicht gutmütig gewirkt hätte, würde er nicht so grimmig dreinblicken.

»Das ist Ilkar, er wird einen Monat lang auf deine Nachricht warten. Wenn keine erfolgt, nehmen wir deinen Tod an und vergeben den Auftrag neu.«

»Dann ist dieser Freund sehr wachsam«, vermutete Falk.

Der fettleibige Adelige nickte grunzend. »Der dritte Versuch. Von den anderen beiden hörte ich nichts mehr und ihre Loyalität gegenüber meinem Geld stand außer Frage. Ich kann von Glück sagen, dass mein Freund gewöhnliche Diebe in ihnen vermutet hat.«

Komplikationen? Insgeheim freute er sich darauf.

»Nun, ich kann Euch versichern, dass mir mein Leben zu lieb ist, als dass ich es so leichtfertig der Gefahr aussetze.«

Fredels blaue Augen funkelten hämisch. »Das sagten deine Vorgänger auch. Im Gegensatz zu ihnen wurdest du mir von vielen empfohlen.«

Falk verzog spöttisch den Mundwinkel, als er unbeirrt fortfuhr: »Und ich kann Euch versichern, keiner meiner Vorgänger erhielt meine Ausbildung. In spätestens einem Monat haltet Ihr das Geheimnis Eures Freundes in den Händen.«

Beim Verlassen der Kutsche fielen Falk sogleich die Leibwächter ins Auge. Der Mann, der immer noch bei Fredel saß, hatte den Blick ohne Unterlass auf seine Hände gerichtet. Ebenso taten es die anderen Wachen, um einen Angriff seinerseits rechtzeitig vorauszusehen. Das hier waren gut ausgebildete Krieger. Kurz fragte er sich, wie Fredel Kermanok an diese Kämpfer herangekommen war, doch dann schüttelte er den Kopf und verließ seinen Auftraggeber.

Nur wenige Gassen weiter, erreichte er seinen Gefährten. Ein schwarzer Hengst wartete geduldig im Schatten eines Gebäudes. Das Tier tänzelte erfreut bei seinem Eintreffen, woraufhin Falk ihm beruhigend den Hals tätschelte, nachdem er aufgesessen war. »Ruhig, mein Großer.« Er trat ihm leicht in die Flanken und der Hengst galoppierte los. »Bald gibt es gutes Futter für dich.«

Auf dem Rückweg durch die engen, verwinkelten Gassen Nachtschattens, erregte ein heftig winkendes Mädchen seine Aufmerksamkeit. Falk zog an Teufels Zügeln und ritt gemächlich auf sie zu. »Syla, was tust du hier?«

Die blauen Augen in dem schmutzigen Gesicht der jungen Diebin verloren etwas von dem Schrecken und sie stieß erleichtert die Luft aus. »Zum Glück, ich hab dich noch rechtzeitig erwischt.«

Misstrauisch hob er den Kopf und sah sich in den dunklen Gassen um. Zwar gab es keine Schreie, keine Explosionen, doch etwas hatte sich merklich verändert. Der Wind trug den Geruch von Ärger mit sich.

Syla hob die Hand, schien ihn berühren zu wollen, unterließ es jedoch. »Vielleicht werde ich sterben, weil ich dich gewarnt habe.« Sie lachte humorlos auf. »Aber du hast mir zu oft den Hintern gerettet.«

Warnen? Unruhig sah er in das magere Gesicht des Mädchens. »Was …?«

»Loran sucht dich. Es ist etwas Furchtbares geschehen.«

Unwillkürlich verkrampfte sich Falks Magen bei der Erwähnung des Mannes, von dem er am allerwenigsten hören wollte. »Was soll er schon von mir wollen?«, fragte er mit Groll in der Stimme.

Obwohl er Loran nur einmal begegnet war, lagen ihm seine warnenden Worte immer noch in den Ohren. Besonders seine Stimme hatte sich in seinen Verstand gebrannt. Falk wunderte sich, wie ein so sanftmütiger Mann wie Loran eine derart autoritäre Stimme besitzen konnte. Natürlich wusste er von seiner gewaltigen Kraft, doch er glaubte nicht daran, dass der Magier fähig wäre, ein anderes Lebewesen zu töten.

Fassungslos trat Syla einen Schritt zurück. »Hast du es noch nicht gehört?« Sie presste die dünnen Lippen zu einem grimmigen Strich zusammen, bevor sie weitersprach. »Alizara ist tot! Sie hat sich in die Tiefe gestürzt.«

Jegliche Luft schien für einen Moment aus seinen Lungen gedrückt zu werden, die er keuchend mit neuer füllte. Ungläubig sah er dem jungen Mädchen hinterher, noch während dieses in einem finsteren Durchgang verschwand.

Als könnte Teufel seine innere Unruhe spüren, warf er wiehernd den Kopf zurück.

Ich muss weg, war sein erster Gedanke. Dann schaltete sich sein Stolz ein. Khimo war seine Stadt, seine neue Heimat, er würde sich das von niemandem nehmen lassen, noch nicht einmal von einem so mächtigen Mann wie Loran.

Nachdem er sich entschieden hatte, fühlte er sich wesentlich wohler. Er sollte nicht vergessen, was er noch vor Kurzem gedacht hatte: Loran hatte noch nie getötet und er würde es auch niemals tun. Alizaras Tod war außerdem nicht seine Schuld!

Mit diesem Gedanken ritt er weiter, überquerte die Brücke und damit den Fluss Mar und gelangte in das wohlhabendere Viertel. Die Wachen am kleinen Kontrollposten hinter der Brücke warfen ihm einen halbwegs interessierten Blick zu, doch ein kleiner Beutel voll Silber aus seiner Hand genügte um sich aus ihrem Gedächtnis zu löschen.

Hohe, prächtige Bauten mit riesigen Gärten reihten sich aneinander, die Straßen waren sauber und gepflegt, da sie täglich von Arbeitern gereinigt wurden. Mehrere Parks, in denen man im Sommer lustwandeln konnte, säumten seinen Weg, als er sein Zuhause anstrebte.

Vor dem weitläufigen Anwesen im Herzen Khimos angekommen, stieg Falk von seinem Pferd und führte es in seine Box. Sein Stallmeister und die zwei Stallknechte lagen zu dieser späten Stunde längst in ihren Betten. Nachdem er sich um Teufels Belange gekümmert hatte, schlenderte er auf das große, zweistöckige Herrenhaus zu. Dabei legte er den Kopf in den Nacken und betrachtete den nun wolkenlosen, klaren Himmel. Heute Nacht würde es kalt werden, am besten heizte er den Schlafraum schon vor, dann musste er seine Haushälterin nicht wecken.

Mit wenigen Schritten erklomm er die Stufen zur prachtvollen Eingangstür, die er mit einem Zinnschlüssel öffnete. Da seine Augen sich an die Dunkelheit der Nacht gewöhnt hatten, gelangte er in sein Gemach, ohne besonders viel Lärm zu verursachen.

In der Vertrautheit seines Schlafzimmers, atmete er zum ersten Mal auf. Mit geschickten Handgriffen entledigte er sich seines Mantels, der Armschienen und des Dolchgurtes und platzierte alles auf dem Stuhl neben seinem wuchtigen Bett. Für einen Moment hielt er sein Schwert in den Händen, ehe er dieses auch dazu stellte. Falk bezweifelte, dass Waffen wie diese Loran etwas anhaben könnten.

Die trockenen Holzscheite in dem kleinen Ofen waren schnell entzündet und knisterten beim Schüren des Feuers. Seine Bettstatt erschien ihm überaus verlockend, also stieg er aus den Stiefeln, legte sich nieder und schob sich das Kissen unter den Nacken. Seufzend schloss er die Augen und fiel in einen leichten Schlummer.

Die Bilder seines beginnenden Traumes, zuerst verworren und unscharf, klärten sich immer mehr. Wie der neugierige Zuschauer eines Schauspiels vor einer riesigen Tribüne, stand er davor und betrachtete das Geschehen, ohne die Möglichkeit zu bekommen einzugreifen.

Aus der Nähe vernahm er das Lachen einer Frau. Weich und angenehm klang es, als ob sie sehr oft und sehr gerne lachen würde. Fasziniert lenkte Falk seinen Hengst von der Hauptstraße fort und auf ein leicht erhöhtes Grundstück hin, das sich aufgrund seiner Schlichtheit von den anderen abhob. Er war neugierig auf diese Frau, deren Lachen alleine ihn in ihren Bann zu ziehen vermochte.

Das Anwesen, merklich kleiner als die Nachbargrundstücke im Gebiet der Wohlhabenderen, besaß einen so großen und schönen Garten, wie er noch nie zuvor einen gesehen hatte. Vor einem farbenfrohen Blumenbeet kniete eine Frau und grub ein Loch in die Erde, um Blumenzwiebeln einzusetzen. Neben ihr lag ein zotteliger brauner Hund, der unruhig im Schlaf zuckte und die Beine bewegte.

Unwillkürlich musste er lächeln. Der Hund träumte wahrscheinlich von der Jagd nach der Beute.

Die dunkelhaarige Frau stieß erneut ein belustigtes Lachen aus. »O Ferro, wach auf!« Kurz pfiff sie durch die Zähne, woraufhin der Hund auf die Beine sprang und sich verwirrt bellend umsah.

»Ihr habt ihn durcheinander gebracht«, sagte Falk, woraufhin sie erschrocken den Kopf hob. Bei seinem Anblick verschloss sich ihre Miene.

»Verzeiht, ich sah Euch nicht kommen.« Verlegen stand sie auf und wischte sich die Hände an der vergilbten Schürze sauber. »Wer seid Ihr?«

»Falk heiße ich. Und Ihr?« Mit einer geschmeidigen Bewegung glitt er aus dem Sattel und ergriff ihre langfingrige Hand. Schon jetzt bewunderte er ihre hochgewachsene Gestalt und die wohlgeformten Beine, die sich durch den Stoff der Hose abzeichneten. »Recht unhöflich einen Namen zu fordern, den eigenen jedoch zu verschweigen.«

Trotz seiner freimütigen Worte, schenkte sie ihm ein offenes Lächeln. »Entschuldigt, ich dachte, man würde mich kennen. Ich bin Alizara. Alizara Iellan.«

Iellan! Kurz fröstelte er trotz der Wärme des Spätsommers. »Ah, die Tochter des Großmagiers.«

Ihr Lächeln machte ihn befangen. All seine Instinkte drängten ihn dazu wegzureiten. Doch wie immer dachte er bei schönen Frauen nicht mit dem Verstand. Alizara Iellan war das bezauberndste Geschöpf seit Langem und er wollte sie haben.

Letzten Endes hatte er sie bekommen, trotz des Unwillens ihres Vaters, dem sofort aufgefallen war, wonach es Falk wirklich gelüstet hatte. Wochenlang hatte er um sie geworben und war vor nicht einmal vierzehn Tagen erfolgreich gewesen. Er hatte den Geschmack ihrer Haut kosten dürfen. Diese Nacht war etwas Besonderes gewesen, doch deswegen fing er noch lange nicht an, die Gefühle einer Frau zu erwidern. Er hatte Dutzende wie sie gehabt. Jede von ihnen war außergewöhnlich gewesen, zumindest in dieser einen Nacht, in der sie ihm gehört hatten.

Alizaras Anwesenheit am nächsten Morgen hatte ihm fast die letzte Geduld geraubt. Höfflich hatte er sie gebeten zu gehen und sich dann für seinen Auftrag fertig gemacht. Doch im Gegensatz zu all seinen anderen Eroberungen, schien sie nicht verstehen zu wollen. Jeden Tag hatte sie vor dem Tor auf ihn gewartet, bis ihm der Geduldsfaden gerissen und er deutlicher geworden war. Kurz schauderte er, als er sich an die Qual in ihrer Miene sowie an ihre mutlos gesenkten Schultern erinnerte, während sie sich auf den Heimweg gemacht hatte.

Energisch hatte er den Gedanken an sie beiseitegeschoben. Sie würde es überleben, die anderen hatten es ja auch getan. Es war nur eine Liebesnacht gewesen, was war schon dabei? Wie hätte er ahnen können, dass sie sich deswegen das Leben nahm? Es war nicht seine Schuld! Sie hatte sich in den Tod gestürzt. Nicht seine Schuld!

»Natürlich, wie könntest du Schuld an ihrem Ableben haben«, flüsterte eine harte Stimme in sein Ohr, so eindringlich, dass Falk sie sogar im Schlaf hörte.

Abwehrend wollte er sich die Hände auf die Ohren legen, merkte aber, dass er sich nicht bewegen konnte. Panik drohte ihn zu überwältigen. Er kannte den Sprecher, er kannte ihn zu gut.

»Wie könntest du wissen, was sie für dich empfand? Nur eine Liebesnacht, wie? Sie würde einen anderen Mann finden und es vergessen, nicht wahr?«

Entsetzt spürte er geistige Fühler in seinem Kopf. Er wollte aufwachen, sein Verstand kämpfte sich bereits durch den Schlummer, doch der Magier hielt ihn gnadenlos in Trance gefangen.

»Loran«, murmelte Falk.

»Das ist dein Problem, mein Junge«, flüsterten Lippen an seinem Ohr. »In deiner Fantasie bist du der Mittelpunkt der Welt. Deswegen kannst du dich niemals in die Gedanken einer Frau hineinversetzen. Sie bedeuten dir nichts, keine deiner vielen Eroberungen bedeutete dir etwas. Und es waren ihrer so viele, Falk. So viele.«

Rasend schnell huschten die Gesichter seiner Liebhaberinnen vor seinem inneren Auge vorbei. Er war immer stolz darauf gewesen, niemals eine von ihnen zu vergessen. Jede Einzelne bewahrte er lächelnd in seiner Erinnerung.

»Lächelnd?« Loran klang ungläubig. »Kannst du es nur dadurch ertragen, indem du dir selbst etwas vormachst?«

Und dann spähte er erneut in jedes Gesicht, diesmal so, wie es wirklich gewesen war. Darin las er Enttäuschung und Schmerz. In manchen blickte ihm purer Hass entgegen, nur wenige hatten ihn des Spaßes wegen in ihr Bett genommen, doch auch sie wurden von seiner Herzlosigkeit abgestoßen. Dann sah er Alizara, besser gesagt, sich selbst durch Alizaras Augen. Für sie war er ein Held gewesen, der sich tapfer ihrem mächtigen Vater entgegen gestellt hatte. Sogar nachdem Loran ihm verboten hatte seine Tochter zu treffen, hatte er sich widersetzt. Er hingegen war trunken von der Jagd nach einer neuen Eroberung und betrachtete es vielmehr als Spiel.

Sie gingen zwei Monate aus und aßen in den besten Schenken. Falk machte ihr teure Geschenke in Form goldener Herzen als Anhänger.

Es musste mehr als nur Interesse sein, dachte Alizara. Wie jeden Abend hob er ihre Hände an die Lippen und hauchte zärtlich einen Kuss darauf, weckte das Verlangen in ihr und damit begann ihr Herz sich zu öffnen. Täglich betrachtete sie den herzförmigen Anhänger. Er musste sie lieben!

»Nein!« Falk wehrte sich verbissen. »Ich habe das nie gesagt, zu keiner von ihnen.«

»Aber du hast sie in dem Glauben gelassen«, stellte Loran mit harter Stimme richtig. »Du brauchtest es nie zu sagen, du ließest deine Geschenke für dich sprechen und als die Frauen Liebe vermuteten, hast du sie nie berichtigt. Dann wären die aufmerksamen Monate vergebens gewesen und sie wären nie in dein Bett gelangt.«

»Das stimmt nicht«, log Falk. Er versuchte die Augen zu öffnen, befand sich mit einem Fuß im Schlaf und mit dem anderen in der Realität, nahm beides gleichzeitig wahr.

Ein anderes Bild tauchte aus seiner Erinnerung auf, halb vergessen. Der Abend, an dem Alizara sein Bett geteilt hatte.

Sie saßen beim Essen und er schenkte ihr teuren kidarkischen Wein ein. Das gedämmte Licht glitzerte in ihren blauen Augen. Sie hielt das goldene Herz in den Händen und spielte nachdenklich damit.

»Falk, fühlst du das Gleiche wie ich?«

Langsam beugte er sich zu ihr hinab und lehnte seine Wange an ihre. »Ja.«

»Begehren«, stöhnte Falk. »Ich habe sie begehrt.«

»Alizara aber meinte damit ihre Liebe für dich«, fuhr Loran unerbittlich fort. »Und du wusstest es.«

Falk wollte schreien, um sich schlagen, diesen verfluchten Mistkerl vertreiben, der drohte seine heile Welt zu zerstören, indem er ihn zwang sich mit seinen Erinnerungen auseinanderzusetzen, doch der Magier hielt ihn unerbittlich in diesem seltsamen Zustand gefangen.

»Sieh doch, Falk. Sieh, was danach geschehen ist.«

Alizaras helle Wangen röteten sich unter seinen streichelnden Fingern. Ihre blauen Augen funkelten im Kerzenlicht. Widerstandslos ließ sie sich aus dem Stuhl ziehen. Hinter ihrer Gestalt entfernte sich die Dienerschaft, doch ihr Augenmerk galt allein dem Mann, dem sie ihr Herz geschenkt hatte.

»Komm mit mir«, hauchte Falk und Alizara folgte ihm. Für sie hieß es, ihm durch all das Gute und das Schlechte im Leben zu folgen. Sie liebten sich, wieso sollten sie sich das nicht auch durch ihre Berührungen zeigen?

Jungfräuliche weiße Seidenlaken zierten das Bett, sie fühlten sich genauso zart und weich wie ihre Haut an. Während Falk ihr liebkosend das Kleid von den Schultern strich, fragte sie sich, wie lange es dauern würde, bis er bei ihrem Vater um ihre Hand anhielt. Flüchtig erinnerte sie sich an die Ermahnung ihrer Mutter, sich erst nach der Heirat ihrem Mann hinzugeben, dann wäre dieser über jeden Zweifel erhaben. Doch Alizara bezweifelte nicht, dass es später zu einer Heirat kommen würde.

Zärtlich berührte sie Falks raue Wange, sein finsteres Antlitz erschien ihr wunderschön. Den Schmerz der ersten Vereinigung ertrug sie durch ihre Liebe. Und sie liebte Falk noch mehr, als die Pein verging und sie anfing Lust zu empfinden. Diese steigerte sich mehr und mehr, bis sein Gesicht ihrer glücklichen Tränen wegen verschwamm und sie erstickt nach Atem rang. Zitternd lag sie unter ihm, spürte das heftige Pochen seines Herzens an ihrer Wange. Wärme flutete durch ihre Glieder, ermattet seufzte sie auf. Nein, sie bereute es nicht, sich ihm hingegeben zu haben.

»Siehst du«, flüsterte Falk heiser. »Ich habe sie glücklich gemacht. Sie war glücklich!«

Doch Loran schwieg und Falk schlief im Traum ein.

Alizara betrachtete seine entspannten Gesichtszüge. Liebevoll berührte sie die Narbe am Kinn, folgte ihrem Verlauf zum Hals hinab. Lächelnd beugte sie sich über ihn und küsste das verwachsene Hautgewebe. Sie fragte sich, warum sein Körper von so vielen Wunden gezeichnet war und wie sie mit ihrer Liebe die Erinnerung an die Schmerzen tilgen konnte. Dann ruhte ihr Kopf auf seiner Brust, wo sie seinem Herzschlag lauschte, der im gleichen Takt zu arbeiten schien wie ihrer.

Noch lange lag sie wach und betrachtete den Geliebten im Schlaf, ehe sie selbst einschlummerte.

Unsanft wurde sie am nächsten Morgen von Falk an der Schulter gerüttelt. »Du musst jetzt gehen, Alizara. Ich habe heute viel zu tun.«

Gehen? Sie hatte Vater des Öfteren bei seiner Arbeit geholfen, dies konnte sie bei Falk gewiss auch tun. Doch in welchem Gewerbe arbeitete Falk? Ihren Fragen danach war er stets ausgewichen.

Alizara setzte sich verschlafen auf, da rutschte das Seidenlaken von ihren Brüsten. Falks Blick glitt abwärts. Ihr erster Gedanke galt ihrer Nacktheit. Beschämt griff sie nach dem Laken, um es hochzuziehen und sich wieder zu bedecken. Dann erinnerte sie sich an das, was sie vergangene Nacht geteilt hatten und kniete sich auf, entblößte noch mehr von ihrem nackten Körper.

»Kann ich dir denn nicht helfen?«, fragte sie ihn schelmisch lächelnd.

Ihr Geliebter riss sich von ihrem Anblick los und kleidete sich weiter an. »Doch, indem du gehst.«

Verletzt zuckte Alizara zurück und zog sich hastig an. Etwas Furchtbares bedrohte die schöne Erinnerung an die vergangene Nacht, doch sie konnte dies nicht zulassen, also verdrängte sie den düsteren Gedanken. Falk war einfach zu beschäftigt und da stellte sie für ihn nur eine Ablenkung dar. Seine gefühllose Miene ignorierend, ging sie zu ihm und küsste ihn zart auf die Wange. »In Ordnung, ich gehe, damit du dich ganz deiner Arbeit widmen kannst.«

Doch er nahm sie weder in den Arm, noch tauschte er andere Liebkosungen mit ihr aus. Auf dem Weg zur Eingangstür schalt sie sich eine Närrin. Männer verhielten sich anders als Frauen, ihnen lag diese Sanftheit nicht, was sie selbst nicht verstehen konnte. Für sie bedeutete es das höchste Glück Falks Nähe spüren zu dürfen. Ihr Herz schlug einen rascheren Takt, als sie an Falks morgigen Besuch dachte.

Eigenartigerweise kam er zum ersten Mal seit zwei Monaten nicht wie sonst, um sie zum Essen abzuholen. Vaters Augen ruhten schweigend auf ihrer wartenden Gestalt im Garten. Sie selbst konnte sich den sehnsüchtigen Ausdruck in ihrem Gesicht nicht vorstellen.

Alizara schob es schließlich auf die Arbeit. Immerhin war es durchaus möglich, dass Falk zu sehr von seinem Beruf eingespannt wurde. Geschickt verdrängte sie die Frage, weshalb er dann in den letzten Monaten so viel Zeit für sie gehabt hatte.

Am dritten Tag, sah sie Mitleid in den gütigen Augen ihres Vaters und es schnürte ihr fast die Luft ab. Heimlich schlich sie sich spät am Abend aus dem Haus und ging den langen Weg zu Falks Anwesen. Völlig erschöpft kam sie eine Stunde später dort an. Die Wache am Tor, ein grauhaariger kleiner Mann, warf ihr einen bedauernden Blick zu. »Geh heim, Mädchen. Wenn du weiter auf diese Weise dein Geld verdienst, endest du noch als Syphiliskranke.«

Entsetzt schüttelte Alizara den Kopf. Wofür hielt er sie denn? »Nein, Ihr versteht nicht. Ich suche Falk. Ist er hier?«

Die grauen Augen musterten sie forschend, dann glomm Begreifen in seinem Blick auf, gefolgt von Mitleid. »Nein, und ich weiß nicht, wann er heimkehrt.«

Alizara gestand sich ein, lieber für ein Straßenmädchen gehalten zu werden, als von diesem Mitleid umringt zu sein. »Wisst Ihr es wirklich nicht?«

Als die Wache erneut verneinte, verschränkte sie die Arme vor der Brust und klemmte sich die Hände unter die Achseln, damit sie nicht vor Kälte zitterten.

»Wie alt bist du?«

Die direkte Frage des Wächters traf sie wie ein Peitschenhieb. »Achtzehn.«

»Das beste Alter um eine Familie zu gründen«, riet der Alte und blickte ihr drängend in die Augen. »Ich würde meinen Schwertarm verwetten, dass es Hunderte gibt, die um deine Hand anhalten. Hör auf mich und nimm dir einen von ihnen zum Mann. Vergiss das alles hier.«

Ohne ein weiteres Wort ging er durch das Tor und schloss es zu.

Verwirrt starrte Alizara das Metall an, zu beschäftigt mit ihren Gedanken, um es wirklich zu sehen. Mitleid? Warum sollte selbst dieser Fremde sie bemitleiden?

Geduldig wartete sie die ganze Nacht, doch Falk kam nicht heim. Als der Morgen graute, machte sie sich niedergeschlagen auf den Heimweg und schaffte es noch in ihr Zimmer, ehe ihr Vater aufstand.

Im Verlauf der Woche wartete sie mehrere Nächte in der Kälte auf Falk. Erst am fünften Abend sah sie ihn. Ihr Gemüt leuchtete auf, da sie ihn endlich erblickte. Freudestrahlend lief sie auf ihn zu. »Falk!«

Sein Gesicht verdunkelte sich bei ihrem Anblick. »Alizara, was tust du hier mitten in der Nacht?«

»Ich habe auf dich gewartet.« Sehnsüchtig blickte sie zu ihm auf. »Bleibst du jetzt länger in Khimo? Ich habe dich vermisst.«

Seine Augen verengten sich. »Alizara, es ist spät und ich bin müde.«

Flehend ergriff sie seine Hand. »Darf ich bei dir bleiben?«

»Nicht heute.«

»Nicht heute! Du hast in ihr die Hoffnung auf eine Zukunft geweckt«, sprach Loran und verdrängte für einen Moment die schreckliche Erinnerung.

Falk ächzte leise. »Ich wusste doch nicht, dass sie es sich so zu Herzen nimmt.«

»Natürlich nicht, doch was war mit dem nächsten Abend?«

Falk wollte nicht schon wieder diese hautnahen Erinnerungen erleben, doch Worte, gestern aus seinem eigenen Mund gesprochen, drängten sich unerbittlich in sein Bewusstsein. Gemeinsam mit Alizaras mitleiderregender Gestalt.

»Alizara, so kann es doch nicht weitergehen!«

Verwirrt riss sie die Augen auf. »Mir macht es nichts aus auf dich zu warten, Liebster«, stammelte sie. »Wenn du mich nur drinnen warten ließest, dann wäre mir nicht so schrecklich kalt.« Sehnsuchtsvoll griff sie nach seiner Hand und drückte sie an ihre Wange. »Falk, ich muss wissen wann.«

»Wie bitte?« Der Mann, dem sie ihr Herz geschenkt hatte, riss sich von ihr los.

»Wann bittest du Vater um meine Hand?«

»Und da war es so weit«, flüsterte Loran ihm kalt zu. »Du hattest weder die Geduld, noch die Lust, das Spiel mit ihr aufrechtzuerhalten. Immerhin hattest du sie schon besessen, es gab nichts Neues mehr bei ihr zu entdecken. Folglich hast du beschlossen, ihr endlich die Wahrheit zu sagen.«

»Alizara, ich werde deinen Vater nicht fragen«, stieß Falk verärgert aus.

Sie verstand nicht. »Hast du Angst vor ihm? Er wird dir nichts tun.«

Ungeduldig spielte ihr Liebster mit Teufels Zügel. »Alizara, es war nur eine Nacht!«

Schmerz zuckte über ihr Gesicht, aber sie versuchte es immer noch zu leugnen. »Falk?«

Gleichgültig beugte er sich nach vorne und lächelte spöttisch, als müsste er deutlicher werden. »Himmel, Alizara, tu nicht so, als wäre es etwas Besonderes gewesen. Wir haben eine wunderschöne Nacht miteinander verbracht, das war alles. Es war noch nicht einmal mein erstes Mal.«

Aber meins, schrie Alizaras Herz. Entsetzt wich sie vor ihm zurück, stolperte über einen Stein und landete auf ihrem Hinterteil. Betäubt kniete sie sich auf, wagte kaum den Blick zu seiner reitenden Gestalt zu heben.

»Ich rate dir, diese Erinnerung zu bewahren. Such dir einen anderen Mann zum Heiraten. Sicherlich gibt es eine Menge davon.«

Falks Worte drangen wie durch Wattebäusche zu ihr hindurch. Fassungslos starrte sie zu Boden. Aber er hatte ihr gesagt, er fühle das gleiche wie sie. Die vielen Geschenke, alles hatte darauf hingedeutet, dass auch er sie liebte.

Als er Teufel an ihrer knienden Gestalt vorbeilenkte, wollte sie aufspringen und ihn anflehen die letzten Worte zurückzunehmen. Die auftauchende Erinnerung seines Gesichtes am Morgen nach ihrer gemeinsamen Nacht, bewahrte sie vor dieser letzten Demütigung. Auch hatte er ihr nie gesagt, dass er sie liebte.

Schluchzend schlug sie die Hände vor ihr Gesicht. Falk hatte sie nur benutzt! Eisige Finger umklammerten ihr Herz, der Schmerz raubte ihr den Atem.

»Das ist das letzte Bild von ihr«, zitterte Lorans Stimme. Falks verzweifelte Versuche aufzuwachen fruchteten immer noch nicht. »Soll ich dir zeigen, was danach geschehen ist?«

»Nein«, schrie Falks Geist, doch der Magier fuhr damit fort, ihm Alizaras Schmerz und Gedanken zu offenbaren.

»Was soll jetzt werden?«, fragte sie leise, immer noch auf dem Boden kauernd. Mittlerweile hatte schwerer Regen eingesetzt und die Kleider klebten ihr wie eine zweite Haut am Leib. Die eisigen Tropfen vermischten sich mit ihren Tränen, die ihr unaufhörlich die Wangen hinabflossen. Sie fror bitterlich, doch die Qual in ihrem Inneren war schmerzlicher. Chaos herrschte in ihrem Kopf. Was wurde aus ihren Zukunftsplänen? Sie hatte Falk als Mann gewollt, in ihren Träumen waren sie eins gewesen. Bebend presste sie die Lippen aufeinander. Sollte sie die Träume einer gemeinsamen Zukunft aufgeben?

Es war nichts Besonderes, dachte sie an seine Worte zurück. Aber für sie schon! Sie hatte sich ihm hingegeben, mit dem Körper und ihrem Herzen. Ihre Liebe war ungebrochen, selbst jetzt, da er sich nicht als ihr Märchenprinz entpuppt hatte.

Nicht das erste Mal!

Alizara biss sich auf die Fingerknöchel, bis sie Blut schmeckte. Der Schmerz brachte sie ein wenig zur Besinnung.

Verwirrt richtete sie sich auf. Sie war vom Regen durchnässt und musste nach Hause.

Taumelnd schleppte sie sich an den vielen Häusern vorbei. Unterwegs begegneten ihr einige Pärchen. Die Vertrautheit in ihren Gesten versetzte ihr einen Stich im Herzen, bis sie vermeinte, dass es ausgeblutet schien, doch da brannte sich der Schmerz erneut in sie hinein.

Nur ein Spielzeug, sagte sie sich immer und immer wieder.

Falks gefühlloses Gesicht begleitete sie bei jedem Gedanken. Auch hielt sie sich ihre Liebesnacht vor Augen. Jetzt erst fiel ihr auf, dass er nie mehr Zärtlichkeit als nötig mit ihr ausgetauscht hatte. Die Art, wie sein Blick sie gestreift hatte, war nicht liebevoll gewesen. Darin hatte nur lieblose Lust gelegen. Bei jedem anderen Mann hätte sie das Funkeln in dessen Augen als Begehren gedeutet, doch Falk hatte sie geschickt umgarnt. In dieser Nacht hatte sie Lust mit Liebe verwechselt. Sie hatte ihn in ihr Herz gelassen. In ihrer Naivität hatte sie sein wirkliches Ich nicht gesehen. Es ließ sie jetzt vor Kummer erschauern.

Betäubt hielt sie vor dem Haus ihres Vaters an. Zitternd presste sie ihre Stirn gegen die Eckpfeiler des kleinen Gartentores. Ihre Füße schmerzten und ihr war so schrecklich kalt, doch ihr Geist beschäftigte sich nur mit einem Gedanken: Was sollte sie ihrem Vater sagen? Wie konnte sie das Mitleid in seinen und in anderen Augen ertragen? Wie oft hatte sie ihren Freundinnen von Falk vorgeschwärmt?

Gequält wandte sie sich dem Elternhaus zu und starrte auf das dunkle Holz der Eingangstür. Nach einem Schritt verharrte sie in Regungslosigkeit. Ihr Vater würde das leise Knarren der Tür hören und nachsehen wie es ihr ging.

Plötzlich fiel ihr auf, was für einen erbärmlichen Anblick sie bot und neue Tränen stiegen ihr in die Augen. Niedergeschlagen umrundete sie das Haus und begann das hohe Holzgerüst hinaufzuklettern, an dem sie kommendes Jahr die Rosen hinaufwachsen lassen wollte. Mit einem unsicheren Schritt gelangte sie von dem Gerüst auf den kleinen Balkon, der vor ihrem Zimmer lag. Die Vertrautheit, die sie sonst beim Anblick dieses Raumes gefühlt hatte, empfand sie nun als Lüge.

Verbittert kehrte sie der offenen Balkontür den Rücken zu und blickte auf die Lichter Khimos. Da … das musste Falks Haus sein.

Plötzlich war es nicht mehr genug, still zu weinen. Schluchzend klammerte sie sich an die Säule, welche das Dach ihres kleinen Balkons hielt. Sie würde Falk nie wieder sehen, ihn nie wieder berühren dürfen. Die Welt erschien ihr grau und trostlos, und der Wunsch ihr zu entfliehen, stieg in ihr auf. Nur kurz dachte sie an die Gefühle ihres Vaters und daran, was ein Leben ohne sie nach Mutters Tod für ihn bedeuten würde, doch die Qual war größer als ihre Zuneigung für ihn. Nach dieser Nacht wäre sie nicht mehr die gleiche. Ihr Herz hatte sich als zu zart erwiesen. Etwas Lebensnotwendiges war in ihr zerbrochen und nichts auf der Welt vermochte das zu heilen.

Andere Gedanken fluteten ihren Verstand. Sie erinnerte sich an den Rat der Torwache: Nimm dir einen Mann und vergiss. Doch sie konnte nicht vergessen und der Gedanke an einen anderen Mann rief Übelkeit hervor, ganz gleich wie liebenswürdig er sein würde. Sie selbst sah sich vor die Wahl gestellt. Lebte sie weiter, wäre in ihrem Herzen nur Platz für Hass, denn sie konnte es kein zweites Mal für einen anderen Menschen öffnen. Doch wenn sie jetzt ging, würde sie ihren Schmerz, aber auch ihre Liebe mitnehmen, denn trotz Falks verletzender Worte, liebte sie ihn mehr als das Sonnenlicht. Mehr, als ihr Leben. Sie würde zu Mutter gelangen, vollkommen rein, und ihre Liebe zu Falk mitnehmen.

Seufzend hob sie das Gesicht und entdeckte zwischen dunklen Wolken den hellen Schein des Mondes.

»Alizara, ist alles in Ordnung?«

Aus dem Flur vor ihrem Zimmer erklang die dumpfe Stimme ihres Vaters, dann wurde die Klinke nach unten gedrückt.

»Falk …«

Lächelnd drehte sie sich herum und lehnte sich gegen das hüfthohe Geländer, dann ließ sie sich rückwärts in die Tiefe fallen. Es überraschte sie, wie lange der Fall dauerte. Sie sah Vaters entsetztes Gesicht, der von oben auf sie hinabblickte, dann kam der Schmerz. Das Knacken brechender Knochen dröhnte ihr in den Ohren.

»Alizara!«

Die Stimme ihres Vaters klang wie aus weiter Ferne. Er musste gerannt sein, denn als er sich neben sie kniete, ging sein Atem heftig.

»Mein Engel! Alizara, was hast du getan?«

Seine Hände berührten ihren zerschundenen Körper. Sie fühlte, wie er seine Macht einsetzte und gleichzeitig wusste sie, dass selbst der große Magier, der er war, sie nicht retten konnte.

Schluchzend hob er sie in seine Arme und Alizara fühlte sich von einer seltsamen Leichtigkeit erfüllt. Er hatte seine Gabe eingesetzt, um ihr zumindest die körperliche Qual zu ersparen.

Seine gütigen blauen Augen füllten sich mit Tränen.

»Papa«, flüsterte sie und hob die unverletzte Hand, um seine glatte Wange zu berühren. »Töte Falk nicht … bitte.«

Wilder Zorn loderte in seinen Augen auf. »Ich werde ihm tausend Tode bescheren!«

»Bitte«, flehte Alizara, kurz darauf vernahm sie den Geschmack von Eisen auf der Zunge. Blut floss ihr seitlich des Mundes am Kinn hinab. »Ich liebe ihn, Papa, und konnte mir ein Leben ohne ihn nicht vorstellen.«

Verzweifelt presste Loran die Wange an ihre Stirn. »Alizara, dieser gewissenlose Mistkerl hat dir das angetan. Bitte mich nicht darum.«

Lächelnd schob sie ihn von sich, damit sie ihm ins Gesicht sehen konnte. »Ich liebe ihn, also kann er nicht völlig schlecht sein. O Falk.«

Blut füllte ihre Lungen, bis sie schließlich den Kampf aufgaben. Ihr Vater musste mitansehen, wie alles Leben aus ihren Zügen entwich. Einzig allein sein Wehklagen war neben dem Prasseln des Regens zu vernehmen.

Entschlossen legte er die Hände auf ihre Schläfen, während das Licht in ihrem Inneren erlosch. »Ich muss wissen was geschehen ist, verzeih.«

Und all die Bilder flossen in seinem Geist, zusammen mit all ihrem Kummer, sowie ihrer Liebe.

Jene Bilder wiederum, wurden nun in Falks Geist gelegt. Der Schmerz schien ihm so hart auf die Brust zu drücken, dass er keine Luft bekam. Aufschreiend schreckte er aus Lorans herbeigeführten Schlaf. Wild um sich schlagend torkelte er durch den Raum, traf jedoch niemanden. War der Magier weg? Mit heftig pochendem Herzen zwang er sich ruhiger zu werden und durchzuatmen.

»Trotz allem, was du ihr angetan hast, hat sie dich bis zum Ende geliebt. Sie ist mit deinem Namen auf den Lippen gestorben.«

Ächzend fuhr Falk herum und entdeckte den Magier auf dem Stuhl sitzend, sein Schwert in den Händen haltend. Das einst gutmütige Gesicht wirkte eingefallen. Die Augen aber, loderten in einer Wut, die Falk den Atem raubte.

Zitternd klammerte er sich an einen Gedanken. »Sie hat dich gebeten mich zu verschonen!«, stieß er ängstlich hervor.

Brodelnd kam Loran auf die Beine. Magie, einer hellblauen Aura gleich, flackerte um seine Gestalt. Wahnsinn glühte in seinen Augen auf, als würde er mit sich selbst ringen, dann nahm er wieder Vernunft an.

»Ich merke, ihr Leid durch ihre Augen gesehen und erlebt zu haben, hat nichts in dir bewirkt. Du bist noch genauso selbstsüchtig wie vor ihrem Tod.« Zorn ersetzte nun den Kummer in seinem Blick. »Aber in einer Sache täuschst du dich. Alizara bat mich, dich nicht zu töten.« Drohend breitete er seine Arme aus, Blitze zuckten an seinen Fingern. »Mir blieb ein ganzer Tag um eine angemessene Strafe für dich zu finden und glaube mir, ich kann dir Dinge antun, auf dass du dir wünschst tot zu sein«, schrie er und Falks Schrei gesellte sich zu seinem, als jene Blitze sich um seinen jungen Körper legten und ihn in tausend Stücke zu zerreißen schienen. Dann wurde die Pein so übermächtig, dass selbst seine Stimme sie nicht auszudrücken vermochte und nach gefühlten qualvollen Stunden, versank er in tiefer Bewusstlosigkeit.

Als er erwachte, war von dem Magier nichts zu sehen. Mühsam kam Falk auf die Beine. In seinem ganzen Körper hallte der durchlebte Schmerz nach. Ihm war etwas widerfahren, das ihn von Grund auf verändert hatte. Nur kurze Zeit später, als sein Blick den Spiegel streifte, wurde sein Gefühl bestätigt und ein erstickter Laut entkam seiner Kehle.

1

Sie kauerte im Schatten des seitlichen Durchgangs und betrachtete stumm das Vorbeigehen zweier Wachen. Diese Schicht wurde von nachlässigeren Männern übernommen. Aus diesem Grund hatte sie die heutige Nacht für ihr Vorhaben ausgewählt.

Nachdem die Patrouillierenden dem Verlauf der Außenmauer gefolgt und nicht mehr zu sehen waren, packte sie ihre Habe und huschte quer über den ausladenden Hof auf die großen Stallungen von Burg Levenstein zu. Auf den Wehrgängen machte sie vereinzelt Wachen aus, doch deren Blicke waren nach außen gerichtet und nahmen sie nicht wahr, da sie beinahe mit der Dunkelheit verschmolz.

Das Fehlen des Stallmeisters hatte ebenfalls zu der Entscheidung beigetragen es heute Nacht zu versuchen. Seit Dono als Kind von einem wilden Pferd getreten worden war, litt der alte Mann ab und zu an Schmerzen, für die er einen Heiler in Khimo aufsuchen musste.

Im Inneren des Stalles entzündete sie den Docht der kleinen Öllampe und führte Sell aus der Box. Das rotbraune Pferd wieherte zur Begrüßung und suchte in ihren Taschen nach Äpfeln.

»Später, mein Mädchen«, vertröstete sie die Stute und entfaltete eine Decke auf ihrem breiten Rücken.

»Dayana!«

Bestürzt fuhr sie herum und warf dem auf sie zulaufenden Jungen einen erschrockenen Blick zu. »Will, was tust du hier?«

Das helle Nachtgewand flatterte um die schlaksigen Beine ihres Bruders. Sie warf einen vorsichtigen Blick auf die Wehrgänge, aber die Wachen unterhielten sich lachend und hatten Wills leises Rufen nicht bemerkt.

Kurzatmig blieb der Knabe vor ihr stehen und stemmte sich mit den Händen auf den Knien ab. »Bitte, geh nicht fort.«

Zornig hievte Dayana den Sattel über die Decke und zurrte die Gurte fest, damit sie später sicher darauf sitzen konnte. »Du verstehst das nicht.«

Mit zitternden Fingern befestigte sie die Satteltaschen an den dafür vorgesehenen Stellen. Nicht jeder Handgriff saß, da sie nicht gewagt hatte die Öllampe in voller Stärke brennen zu lassen.

»Was bedeute ich Vater schon? Er hat dich und Darence.«

Tränen glitzerten in Wills Augen. »Aber wenn du fortreitest, bin ich ganz alleine.«

Aufrecht stand er vor ihr und flehte sie inständig an zu bleiben. In ihren Augen funkelten ebenfalls ungeweinte Tränen, die jedoch den Beigeschmack von Wut in sich trugen.

»Will, du bist Vaters Sohn. Ein Sohn, verstehst du? Nach Darence bist du sein Erbe, deswegen wird er dich zuvorkommend behandeln.«

»Vater liebt dich genauso!«, rief Will laut aus, woraufhin sie ihn zischend anfuhr leise zu sein.

»Du kannst doch nicht so naiv sein das zu glauben. Vater hat mich an Fredel verkauft.«

Verneinend schüttelte der Junge den Kopf. »Nicht verkauft. Fredel hat um deine Hand angehalten.«

»Als ob ich diesen ekelhaften Fettwanst will.«

Sie hatte sichtlich Mühe ihr Temperament im Zaum zu halten und sich leise auszudrücken. Ihre Flucht würde ein jähes Ende finden, wenn die Wache sie aufspüren und zu ihrem Vater schleifen würde.

»Denkst du, ich will diesen abscheulichen Widerling heiraten?«

Ohne auf die Antwort ihres kleinen Bruders zu warten, zog sie ihre Stute in Richtung Stallausgang.

»Wenn du etwas für mich übrig hast, geh zurück in dein Zimmer und schweig.«

Wills fahles Gesicht verzog sich vor Kummer. Schließlich warf er sich in ihre Arme und presste das tränenfeuchte Gesicht gegen ihre Brust. »Ich hab dich lieb.«

Sanft strich Dayana ihm über das gelockte Haar. Sie versuchte sich diesen Abschied, diese letzte innige Umarmung einzuprägen, damit sie sich immer daran erinnern konnte. »Ich liebe dich auch.«

Will trat beschämt einen Schritt zurück. »Unser Bruder wird dich auf Vaters Wunsch hin suchen, ganz gleich, wie sehr du ihm am Herzen liegst.«

»Ich weiß. Und jetzt geh.«

Sie schenkte ihm ein Lächeln und sah dabei zu, wie er zurück in die Bug rannte. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass die Wachen sich immer noch miteinander unterhielten, führte sie ihre Stute aus dem Stall in den Schatten der Wehrmauer. Erst dort stieg sie in den Sattel und ritt zu dem einzigen Eingang, durch den man die Burganlage betreten und verlassen konnte.

Die Wache, mit viel Gold aus ihrem persönlichen Schmuckbestand bestochen, öffnete wortlos das massive Tor und zum ersten Mal seit ihrer Geburt, ritt Dayana in die weite Welt. Sie wusste weder, ob sie für diesen Ausflug gut genug gerüstet war, noch, ob sie in dieser rauen Welt überleben konnte, doch lieber nahm sie dieses Risiko in Kauf, als einen Bund mit diesem schrecklichen Mann einzugehen.

Alleine der Gedanke an Lord Kermanok ließ ihren Magen Purzelbäume schlagen, und das nicht vor Anbetung. Bei seinem letzten Besuch in diesem Jahr, hatte seine Hand wie zufällig ihre Brust berührt. Die Erinnerung daran rief immer noch Übelkeit und hilflosen Zorn hervor. Natürlich verstand sie, dass Vater sich die Freundschaft dieses bedeutenden Mannes sichern wollte. Zumal ihr Onkel den dummen Fehler begangen hatte die Königin zu verraten. Als enger Verwandter war auch Lord Levenstein rasch in Verdacht geraten. Einzig die Heirat mit einem Angehörigen der Königsfamilie könnte den Ruf ihres Vaters retten. Doch da würde sie nicht mitspielen. Sie war nicht bereit für die Fehler eines anderen zu büßen. Immerhin stand es ihrem Vater frei, der Königin erneut Lehnstreue zu schwören, doch das war ihm zu riskant. Lieber opferte er sein eigenes Kind, seine einzige Tochter an einen kranken Sadisten. So gut wie jeder wusste über Fredel Kermanoks Neigungen Bescheid, ihr Vater demnach auch.

Verbittert zog sie an den Zügeln und lenkte die Stute in den düsteren Wald. Da immer wieder Menschen Burg Levenstein verließen, dachten sich die Wachen auf den Wehrgängen nichts dabei, jemanden von der Burg wegreiten zu sehen. Der bestochene Wächter hatte die Aufgabe, jeden Ein- und Ausreisenden in einem Buch einzutragen. Und genau das hatte er getan, nur mit einem falschen Namen.

Dayana hatte ihr weiteres Vorgehen genauestens geplant. Verwandte konnte sie nicht um Hilfe bitten, man würde umgehend ihrem Vater schreiben. Es gab nur eine Person, an die sie sich wenden konnte. Sie kannte ihn seit ungefähr zwei Jahren und wenngleich er stets von einer Aura der Trauer umgeben war, hatte seine Freundlichkeit ihr Herz erweicht.

Zu dieser Zeit war sie auch Fredel zum ersten Mal begegnet. Nicht einmal im Traum hätte sie ihn sich als Ehemann vorgestellt. Vergangenen Monat, an ihrem siebzehnten Geburtstag, hatte Vater das Thema Heirat zum ersten Mal angesprochen. Sie hatte sich gefügt, immerhin hatte sie an einen anständigen Bewerber gedacht und so war nun mal der Lauf der Dinge bei Mädchen ihres Standes. Vor einer Woche hatte sie dann erfahren wer ihr Zukünftiger werden sollte. Dies ließ ihr aufkeimendes Interesse an Männern erlöschen, ehe es entfacht wurde. Seitdem hatte sie unermüdlich nach einem Ausweg gesucht.

Vaters Ohren hatten sich vor ihrem Flehen verschlossen. Ihre einzige Pflicht galt der Familie und für diese sollte sie bereit sein ihr Leben zu opfern.

Unbewusst drückte sie Sell fester die Stiefel in die Flanken, woraufhin diese abrupt einen Satz machte, sodass Dayana fast aus dem Sattel gefallen wäre. Sich selbst zur Ruhe ermahnend, ließ sie die Zügel lockerer und tätschelte beruhigend den Hals ihrer Stute. »Alles in Ordnung, mein Mädchen.«

Links von ihr erklang das Heulen eines Wolfes und ihr Herz begann vor Furcht zu rasen. Instinktiv glitt ihre Hand zu dem Dolch, den sie aus Darences Zimmer entwendet hatte. Sie besaß keinerlei Erfahrung im Umgang damit, doch das kalte Metall der Scheide beruhigte sie. Wenigstens fühlte sie sich damit nicht ganz so wehrlos.

Einen weiteren Antrieb zur Flucht hatte ihr ihre letzte Auseinandersetzung mit Vater gegeben. Darence galt als Meister im Umgang mit dem Bogen und hatte dieses Können an Will weitergegeben. Sogar sie hatte an seinen Unterrichtsstunden teilnehmen dürfen. Im Wald, wo nur sie, Will und er ausgeritten waren, und niemand ihnen dabei zusehen konnte. Ihren ersten Bogen aus einem Escherohling hatte sie vor zwei Jahren heimlich von Darence zu ihrem Geburtstag geschenkt bekommen. Er war einfach, aber präzise gewesen und sie hatte ihn geliebt. In dem Lederbehälter, in dem sie sonst ihre Mandoline aufbewahrte, hatte sie ihn, verborgen vor den Blicken anderer, zum Ausritt mit ihren Brüdern mitnehmen können. Erbost über ihre Weigerung Fredel zu heiraten, hatte Vater unangekündigt ihr Gemach betreten und sie mit dem Bogen in der Hand vorgefunden. Sie hatte das glatte Holz berühren wollen, um wie sonst Trost darin zu finden, aber kaum fünf Minuten später, lag die Waffe zerschmettert auf den Fellen vor ihrem Bett.

Sie hatte vor Zorn und Trauer gezittert. Es war Darences Geschenk und es fühlte sich an, als hätte Lord Vilken einen Teil ihres Körpers zerbrochen. Während die wutentbrannten Worte ihres Vaters auf sie niederprasselten, dass eine Waffe in der Hand einer Frau nichts zu suchen habe, konnte sie nicht ein einziges Mal den Blick von dem mutwillig zerstörten Bogen heben. Diese Tat bewies mehr als alles andere, was sie als Frau eines Mannes erwarten würde, der die gleichen Ansichten vertrat wie ihr Vater, und daher hatte sie beschlossen zu fliehen.

Die Waffenkammer wurde streng bewacht und weil Darence seinen Bogen immer bei sich trug, war ihr nur der Dolch geblieben, folglich hatte sie ihn an sich genommen. Mehr als herumzufuchteln konnte sie mit ihm nicht, aber ohne ihn wäre sie schlimmer dran.

Dayana ignorierte die furchteinflößende Dunkelheit des Waldes, die sich links und rechts entlang des breiten Pfades auszudehnen schien. Den einzigen Lichtblick stellte der strahlende Vollmond dar, der ihr den Weg erhellte.

Trotz ihres stummen Versprechens, wandte sie sich um und warf einen letzten Blick auf das Heim ihrer Vorfahren. Burg Levenstein. Trotzig schien sie aus dem Fels herauszuragen. Unterhalb ihrer trutzigen Gestalt erstreckten sich die Häuser der Bauern. Einige hielten an den Gehegen Wache. Des Nachts riss manchmal ein Rudel Wölfe Schafe. Dies bedeutete für die Menschen einen unsagbaren Verlust.

Früher wäre sie am liebsten zu den Bauernkindern gerannt um mit ihnen zu spielen, doch Vater hatte ihr strikt den Umgang mit den Niedergeborenen verboten. Dies kam für sie einer Katastrophe gleich, denn die meisten Kinder ihres Standes vermochten sie nicht zu begeistern. Stets saßen sie mit geradem Rücken da, achteten darauf nichts Falsches zu tun oder zu sagen, und waren derart langweilig, dass sie bereits nach zehn Minuten jeglichen Kontakt mit ihnen vermeiden wollte. Ihr war nur ihre übrige Familie als Gesellschaft geblieben. Ihr kleiner Bruder Will. Darence, seine Frau Marian und ihre beiden niedlichen Töchter. Der Gedanke sie nie wieder zu sehen schmerzte. Aber zumindest sie waren in guten Händen. Ihr Bruder dachte nicht wie Vater. Für Darence zählte eine Tochter genauso viel wie ein Sohn. Weil er für seine Familie sorgen musste, würde er ihre Abwesenheit verkraften. Große Sorgen bereitete ihr Will. Er war erst neun Jahre alt und so sensibel wie Darence mutig war. Ohne sie würde er vielleicht an Vaters strengen Anforderungen zerbrechen.

Verzweifelt drehte sie den Kopf, um die Burg aus ihrer Sicht zu vertreiben. Es war ein Fehler gewesen zurückzuschauen, denn dadurch fiel es ihr umso schwerer ihren kleinen Bruder zu verlassen.

Nein! So oder so hätte sie Will aufgeben müssen. Die Hochzeit sollte bereits in zwei Monaten stattfinden, dann wäre sie auch von ihm getrennt worden. Entschlossen schob sie die Sorgen beiseite und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder nach vorne. Nicht zurückblicken, ermahnte sie sich streng.

Am Morgen erreichte sie das Ende des Pfades. Fort aus dem Wald, führte er zu einem kleinen Flussdorf. Nach der Karte zu urteilen, die sie aus Vaters Arbeitszimmer erbeutet hatte, musste das Kalmas sein. Kurz dachte sie darüber nach sich dort auszuruhen, verwarf den Gedanken jedoch schnell. Mittlerweile war ihr Verschwinden sicher bemerkt worden.

Dayana konnte die vor Zorn bebende Gestalt ihres Vaters förmlich vor sich sehen, da sie ihm durch ihre Flucht trotzte und zu einem Ärgernis wurde. Als Reaktion darauf hatte er sicher Männer entsandt. Diese würden in die umliegenden Ortschaften reiten und nach ihr fragen, garantiert auch in Kalmas. Von nun an sollte sie sich besser an den Gedanken gewöhnen im Freien zu nächtigen. Aber jetzt noch nicht! Auch wenn ihre Glieder ihr wegen des langen Ritts wehtaten, sie konnte nicht riskieren einzuschlafen, um von den Soldaten ihres Vaters umringt aufzuwachen.

Dayana beschloss das Dorf zu meiden, wie sie alle anderen im näheren Umkreis meiden würde. Entschieden lenkte sie die Stute in den Wald zurück, um am Waldufer entlang das Dorf zu umreiten.

Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als sie Reiter ausmachte, die auf Kalmas zu galoppierten. Nervös gab sie Sell die Sporen und führte sie tiefer in den Wald. Man durfte sie nicht finden, auf keinen Fall wollte sie zurück!

Stunde um Stunde verbrachte sie im Sattel. Mittlerweile war ihr Körper ganz wund vom Reiten, dennoch saß sie nicht ab. Sie begrüßte sogar jede Minute, die sie freien Fußes verbringen durfte.

Gegen Abend jedoch schreckte sie immer wieder aus einem Sekundenschlaf hoch. Resigniert lenkte sie Sell zu einem Eichenhain und saß zum ersten Mal seit ihrer Flucht ab. Jeder Muskel ihres Körpers protestierte. Nur mit Mühe konnte Dayana den Schrei in ihrer Kehle in ein leises Stöhnen verwandeln.

Während sie ihre Stute absattelte und ihr mit der Decke den Schweiß aus dem dichten Fell rieb, fühlte sie sich wie eine uralte Frau, so gekrümmt ging sie. Sie band Sell an einem Baum fest und ließ sich schließlich auf ihre Decke nieder. Aus ihrer Satteltasche brachte sie einen Kanten Brot und etwas Räucherfleisch zutage. Die Müdigkeit dämmte ihren Appetit. Nach einigen Bissen verstaute sie alles wieder an seinem Platz. Erschöpft griff sie nach der warmen Wolldecke und lehnte sich gegen den rauen Stamm einer Eiche. Es verging nicht einmal eine Minute, bis sie ermattet einschlief.

Sells weiche Nüstern an ihrem Gesicht weckten Dayana Stunden später. Orientierungslos kam sie auf die Beine und rieb sich den wunden Hintern. Eine grüne Welt umgab sie. Die tristen Steine ihres Zimmers waren verschwunden und anstelle der vertrauten Burggeräusche, hörte sie nun Vogelgezwitscher. Seufzend fuhr sie sich durch das braune Haar. Der Gedanke, wie ihre Gouvernante bei dem Anblick der wilden Lockenmähne in Panik geraten wäre, erheiterte sie. Sie, die stets ordentlich gekleidete Lady Dayana, trug nun Lederhosen, Soldatenstiefel und offenes Haar.

Stimmen, von mindestens vier Personen gesprochen, weckten sie vollends. Dayanas Herz schien einen Schlag auszusetzen. Das könnten Vaters Soldaten sein! Fluchend sattelte sie ihr Pferd so schnell es ihr möglich war. Die Zeit, bis sie aufsitzen konnte, verrann quälend langsam. Jeden Moment erwartete sie eingefangen zu werden, doch zum Glück konnte sie alle Handgriffe ohne Zwischenfälle erledigen.

Ihre aufbegehrenden Glieder ignorierend, hievte sie sich auf den Rücken der Stute. Kurz lauschte sie den Stimmen, dann lenkte sie Sell in die entgegengesetzte Richtung. Ein Blick in das düstere Innere des Waldes schnürte ihr fast die Kehle zu. Dieser Weg würde sie zum Herzen des Remwalds bringen, dabei hatte sie vorgehabt am Waldrand entlang zu reiten. Schon jetzt befand sie sich tiefer im Waldgebiet als beabsichtigt. Wenn sie weiter hineinritt, konnte sie sich verirren.

Unschlüssig sah sie sich die Umgebung an. Was nun?

Ihr frech geschwungener Mund schloss sich trotzig. Besser sie irrte einige Tage umher, als sofort zu Widerling Fredel gebracht zu werden.

Entschlossen lenkte sie Sell voran und bückte sich ganz nah an den Hals ihrer Stute, um zu vermeiden, dass herabhängende Äste ihr ins Gesicht peitschten. Sie ließ Sell ihren eigenen Weg finden und achtete nur darauf stets Richtung Norden zu reiten.

2

Die Stimmen der streitenden Männer ließen Will keine Ruhe. Wimmernd strich er sich über das wunde Hinterteil und ging vorsichtig zur Tür. Vater hatte ihm verboten sein Zimmer zu verlassen und sein pochender Hintern verriet ihm nur allzu genau, was ihn erwarten würde, sollte er sich erneut diesem Befehl widersetzen. Andererseits gab es vielleicht Neuigkeiten über Dayana.

Mit zitternder Hand drückte er die Klinke nieder und streckte achtsam den Kopf durch den Türspalt. Ein kalter Luftzug wehte ihm entgegen und brachte die Kerzen an den Steinwänden zum flackern. Nachdem er sich vergewissert hatte alleine zu sein, trat er aus dem Zimmer. Geräuschlos schlich er sich zu Vaters Arbeitskammer. Die Furcht erwischt zu werden nagte an ihm, doch trotzig schob er sie beiseite. Hier ging es um Dayana! Vielleicht war sie schon gefasst worden. Er wagte kaum darüber nachzudenken, was für eine Strafe sie erwarten würde, sollte sie sich wieder auf Burg Levenstein befinden.

Allerdings, nichts konnte schlimmer sein, als an diesen bösartigen Edelmann gebunden zu werden.