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**Das Schicksal der Phönixe…** Niemals hätte es die junge Magiestudentin Mel für möglich gehalten, dass sie einmal in die Alte Welt zurückkehren würde. Doch das Verschwinden von Ash, ihrem ehemaligen Hexenmeister, hat genau das bewirkt. Als sie ihm endlich wieder gegenübersteht, könnte sie nicht glücklicher sein. Aber Ash hat sich verändert. Er ist nicht mehr der Mann, in den sie sich verliebt hat. Hin und hergerissen zwischen der Liebe zu dem alten Ash und dem Misstrauen gegenüber dem neuen, entfernt sich Mel immer weiter von dem Hexenmeister. Doch nicht nur ihre gemeinsame Zukunft steht auf dem Spiel, sondern auch die der gesamten magischen Welt. Denn uralte Feinde aus längst vergangener Zeit schicken sich an, die Macht an sich zu reißen… //Dies ist ein Roman aus dem Carlsen-Imprint Dark Diamonds. Jeder Roman ein Juwel.// //Alle Bände der knisternd-fesselnden »Magie-Reihe«: -- Durch Magie erwacht (Die Magie-Reihe 1) -- Vom Fluch entzweit (Die Magie-Reihe 2) -- Im Zauber vereint (Die Magie-Reihe 3) -- Alle Bände der knisternd-fesselnden »Magie-Reihe« in einer E-Box (Die Magie-Reihe)// Diese Reihe ist abgeschlossen.
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Dark Diamonds
Jeder Roman ein Juwel.
Das digitale Imprint »Dark Diamonds« ist ein E-Book-Label des Carlsen Verlags und publiziert New Adult Fantasy.
Wer nach einer hochwertig geschliffenen Geschichte voller dunkler Romantik sucht, ist bei uns genau richtig. Im Mittelpunkt unserer Romane stehen starke weibliche Heldinnen, die ihre Teenagerjahre bereits hinter sich gelassen haben, aber noch nicht ganz in ihrer Zukunft angekommen sind. Mit viel Gefühl, einer Prise Gefahr und einem Hauch von Sinnlichkeit entführen sie uns in die grenzenlosen Weiten fantastischer Welten – genau dorthin, wo man die Realität vollkommen vergisst und sich selbst wiederfindet.
Das Dark-Diamonds-Programm wurde vom Lektorat des erfolgreichen Carlsen-Labels Impress handverlesen und enthält nur wahre Juwelen der romantischen Fantasyliteratur für junge Erwachsene.
Christina M. Fischer
Im Zauber vereint (Die Magie-Reihe 3)
**Das Schicksal der Phönixe …** Niemals hätte es die junge Magiestudentin Mel für möglich gehalten, dass sie einmal in die Alte Welt zurückkehren würde. Doch das Verschwinden von Ash, ihrem ehemaligen Hexenmeister, hat genau das bewirkt. Als sie ihm endlich wieder gegenübersteht, könnte sie nicht glücklicher sein. Aber Ash hat sich verändert. Er ist nicht mehr der Mann, in den sie sich verliebt hat. Hin und hergerissen zwischen der Liebe zu dem alten Ash und dem Misstrauen gegenüber dem neuen, entfernt sich Mel immer weiter von dem Hexenmeister. Doch nicht nur ihre gemeinsame Zukunft steht auf dem Spiel, sondern auch die der gesamten magischen Welt. Denn uralte Feinde aus längst vergangener Zeit schicken sich an, die Macht an sich zu reißen …
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Vita
Danksagung
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© privat
Christina M. Fischer, Jahrgang 1979, lebt mit ihrer Familie im schönen Main Spessart. Sobald sie lesen konnte, verschlang sie ein Märchenbuch nach dem anderen, später wechselte ihre Leidenschaft zu Fantasy. Mit vierzehn Jahren begann sie mit dem Schreiben eigener Geschichten. Ihre bevorzugten Genres sind Urban Fantasy, Dark Fantasy und Romance Fantasy.
Ytharia
Die Dunkelheit währte ewig, während sie fiel. Arineas Gesicht wurde kleiner und kleiner.
Der Fallwind wirbelte ihr das lange Haar um das Gesicht, aber sie sah jedes Detail von Arinea vor sich, selbst als nichts als Finsternis sie umfing.
Die Wunde in ihrer Brust war tödlich. Würde der Aufprall sie nicht töten, dann der hohe Blutverlust.
Es war ihre eigene Schuld. Man durfte während eines Kampfes nicht emotional werden. An diese Regel hatte sie sich immer gehalten. Nur eine Sekunde lang hatte sie die Lehren ihrer vielen Meister ignoriert und musste das teuer bezahlen.
Eisige Kälte, die sich um ihre Gedanken gelegt hatte, ein ruhiges Herz, das sich durch nichts erschüttern lassen hatte. So war sie früher gewesen, im Angesicht ihres Vaters. Die kriegerische Sternenprinzessin, die die Träume ihres Königs erfüllen wollte.
Sie hatte gekämpft, um jedes Wort der Anerkennung, um jeden aufmerksamen Blick. Ohne ihn war sie wertlos … daran hatte sie geglaubt, bis zuletzt. Jetzt glich sie einem fallenden Stern, der sich in der endlosen Dunkelheit des Alls verlaufen hatte.
Würde der Sturz Ewigkeiten andauern? Sie fiel noch immer.
Arinea war längst nicht mehr zu sehen, aber wenn sie die Augen schloss, konnte sie sich an jede Einzelheit ihres Gesichtes erinnern. Selbst jetzt konnte sie keine Antwort darauf finden, was ihr die Elfe bedeutete. Sie war ihre Absicherung gegen Menos gewesen, ein Mittel zum Zweck, aber jetzt, wo alles ein Ende fand, gestand sie sich ein, wie wichtig die Elfe ihr geworden war. Ihr blieb keine Zeit mehr, diesen Gedanken weiterzuverfolgen.
Die Eisdecke über ihr brach und stürzte ein, anders konnte sie sich das klirrende Geräusch nicht erklären, das von oben kam. Sie öffnete die Augen und sah einen riesigen Splitter auf sich zurasen. Die tödliche, flache Form fing die letzten Lichtstrahlen des Tages ein, daher konnte sie ihn genau sehen. Sein Gewicht verlieh ihm eine höhere Geschwindigkeit. Gleich würde er sie durchbohren.
Die plötzlich eintretende Helligkeit blendete sie.
Bevor sie die Augen erneut schloss, wurde sie durchgerüttelt und verspürte für einen Moment das Gefühl von Schwerelosigkeit.
Als sie die Augen öffnete, befand sie sich nicht mehr in den Tiefen der Eisschlucht, sondern auf einem Blumenfeld. Tausende Sterne tanzten um sie herum. Nein, das konnten keine Sterne sein.
Sie streckte die Hand aus, denn hinter den winzigen leuchtenden Pollen befand sich ein Gesicht, das ihr nur allzu vertraut war.
»Jhee, du bist gekommen?«
Eine Träne floss seine Wange hinab.
»Du weinst um mich?«
Nichts konnte sie vor dem Tod bewahren. Die tödlichen Stiche der Albe waren zu präzise gewesen. Es kam einem Wunder gleich, dass sie überhaupt noch atmete.
Sie lag in den Armen ihres Freundes und war voller Frieden, aber ein Teil von ihr bedauerte, die Wahrheit nicht rechtzeitig erkannt zu haben.
Der König und sein ganzer Hofstaat gehörten einer dekadenten Ära an. Unterdrückt durch die immerwährende Gefahr einer Eroberung der Alben wollten sie keine Freiheit, sondern den Status der Eroberer. Und sie hatte alles für die Liebe eines Vaters getan, der nicht imstande gewesen war zu lieben. Wenn sie daran dachte, wie ihr Leben ohne den Thron hätte aussehen können, dann zog sich ihre Brust zusammen. So viele Jahre, in denen sie ihre ureigensten Gefühle unterdrückt hatte, und jetzt, im Angesicht ihres Todes, drängten sie hoch. Die Qualen der Stichwunden verblassten gegen diesen Schmerz.
»Ich war blind«, schluchzte sie. »Wieso habe ich es nie sehen wollen? Ganz gleich, wie viele Welten ich ihm vor die Füße gelegt hätte, er hätte mich niemals geliebt. Und meine Mutter? Sie verdammte meine Kindheit und die meiner Schwestern. Ich hätte Verbündete haben können, stattdessen habe ich sie getötet und dich vertrieben.«
»Yria.«
Sie hielt inne, als er sie bei dem Spitznamen nannte, den er ihr vor langer Zeit gegeben hatte.
Damals war er wie sie ein Kind gewesen oder er hatte die Gestalt eines Knaben bewusst gewählt. Sie hatten alles getan, um der Frau zu entkommen, deren Aufgabe es war, auf sie aufzupassen. Meistens hatte es geklappt und sie hatten die Wälder erkundet oder waren übermütig in den See gesprungen, wo sie stundenlang gebadet hatten.
Es war wunderschön gewesen, bis zu jenem Tag, als sie mit ansehen musste, wie ihr Vater ihre Mutter schlug. Damals schwor sie sich, niemals in eine solche Lage zu geraten. Sie wollte stark sein und dem König beweisen, dass eine Tochter ebenso wertvoll war wie ein Sohn.
Das war der Moment gewesen, der sie von Jhee entfernt hatte.
»Es tut mir leid«, hauchte sie kraftlos. »Der Anhänger mit deinem Blut … Arinea hat ihn. Du musst Menos’ Tochter suchen.«
Jhee schüttelte den Kopf. »Das Blut war nie wichtig. Es half mir nur dabei, dich zu finden. Mein Wort ist entscheidend.«
Sie schwieg, bevor sie matt lächelte. »Dann entbinde ich dich von deinem Wort, mein Freund.«
Jhees Gesicht kam ihrem immer näher, bis seine Stirn ihre berührte. »Danke, meine Yria, meine Freundin.«
Mit diesen Worten löste sich der Stein, der die ganze Zeit ihre Seele belastet hatte, und erleichtert driftete sie immer weiter ab, ließ die Hülle für eine Mutter zurück, die wahrscheinlich noch nicht einmal um sie trauern würde.
Mel
»Ash?«
Der große Mann blieb bewegungslos, kam mir nicht näher, aber seine Augen hielten mich gefangen.
Hinter mir konnte ich meine Begleiter sprechen hören, aber ihre Worte erreichten mich nicht. Vor Augen hatte ich immer noch den wegbrechenden Eisboden und Ash, der in die Tiefe gestürzt war.
»Wie?«
Nur ein Wort und doch drückte es im Moment alles aus, was ich wissen wollte.
Als hätte meine Stimme ihm Leben eingehaucht, blinzelte Ash. Seine Augen waren außergewöhnlich, das grüne so vertraut, dass ein Blick in das blaue mich entsetzte. Wie war das möglich? Was war mit ihm geschehen? Eine weitere Frage lauerte hinter dem Wie, aber sie konnte mich mehr kosten, als ich aufzugeben bereit war.
Bevor ich mich weiter in meine Furcht reinsteigern konnte, machte ich einen Schritt auf ihn zu, nur um von Perran aufgehalten zu werden.
»Mel, warte mal …«
Ich wusste nicht, was geschah, so schnell passierte es. Perran berührte mich nur am Arm, da wurde ich nach vorne gezogen. Ash hatte sich mit einer beinahe unmenschlichen Geschwindigkeit vorwärts bewegt und meinen Arm aus Perrans Griff befreit.
Ich stand nun auf der anderen Seite, Ash zwischen Perran und mir. Hinter mir konnte ich immer noch das Knirschen von zersplitterndem Eis hören, aber wir waren auf dem Felsen in Sicherheit.
»Was zur Hölle ist dein Problem?«, fuhr Perran ihn an.
»Fass sie nicht an.«
Ashs Stimme zu hören gab mir den Rest. Ich fing an zu zittern, denn die Stimme gehörte nicht ihm, sondern dem letzten Wächter. Sie war dröhnend und rau gewesen, aus Ashs Mund nur rau, aber sie gehörte eindeutig nicht meinem Geliebten. Was war hier los? War das wirklich mein Ash? Oder war es der letzte Wächter, der den Hexenmeister imitierte?
Als hätte er meine Gedanken gehört, wandte er sich mir zu. »Du …«
»Leute, was auch immer ihr euch sagen wollt, es kann warten. Wir müssen so schnell wie möglich zu einem Heiler.«
Mereas Stimme durchbrach meine Verwirrung. Die Albe kam zu uns und hielt Ash ihren langen Umhang hin. »Zieh den an, sonst holst du dir den Tod.«
Mein Blick wanderte zu Ashs nackten Füßen. Was war überhaupt mit seinen Klamotten passiert? Alles Fragen, auf die ich eine Antwort brauchte, aber nicht jetzt. Merea hatte mich auf ein weitaus ernsteres Problem aufmerksam gemacht. Auf seinem Rücken trug Litho die bewusstlose Fiora und mir gefiel nicht, wie bleich sie war.
»Was ist mit ihr passiert?«
Als ich an Ash vorbeiging, um zu Fiora zu gelangen, war ich mir deutlich seines Blickes bewusst. Natürlich sorgte ich mich um meine Freundin, aber ihr Zustand gab mir die Möglichkeit, dieser überfordernden Situation kurzzeitig zu entkommen und meine Gedanken vorerst in eine andere Richtung zu lenken.
»Der Dolch hat sie schwer verwundet. Wenn wir zu lange warten, stirbt sie.«
Arran hatte gesprochen, während er eine Elfe zu Boden gelegt hatte. Die junge Frau schien nicht verletzt und lediglich bewusstlos zu sein.
»Ich weiß, das willst du nicht hören, aber wir müssen zu den Eiselfen.«
Mir lag einiges auf der Zunge, unter anderem, dass ihm das vielleicht sogar mehr als recht war, aber ich schluckte meine Anschuldigungen hinunter. Was bei dem Albenschiff geschehen war, konnte Arran nicht geplant haben.
Obwohl Fiora mich belogen hatte, so wollte ich sie auf jeden Fall gesund und am Leben wissen, nur so konnte ich ihr meine Meinung sagen.
»Das Fluggerät ist hinüber«, überlegte ich laut.
»Fluggerät?«
Ich ging nicht auf Lithos Frage ein. In dem abgestürzten Flugschiff hatten Ash und ich uns vor nicht einmal einer Stunde geliebt. Und nun? Nein, nicht darüber nachdenken!
»Es ist kaputt«, antwortete ich. »Um sie schnellstens transportieren zu können, brauchen wir einen Drachen.«
Vielleicht hielt sich der junge Drachenbulle noch in der Nähe auf. Es wäre nicht leicht, ihn zu überzeugen, zur Not würde ich versuchen das Drachenweibchen anzulocken.
Ich machte mich sofort auf die Suche nach einem magischen Wesen und stieß ein entsetztes Keuchen aus, denn die Präsenz, die sich unmittelbar in unserer Nähe befand, war gewaltig. Um meinen Schrecken zu verbergen, presste ich mir eine Hand auf den Mund. Das war Ash oder der letzte Wächter.
Obwohl er in menschlicher Gestalt war, konnte ich durch die Verbindung zu den Wesen dieser Welt die Magie in ihm fühlen und sie war außergewöhnlich stark.
Innerlich krümmte ich mich vor Sorge und Schmerz, äußerlich ließ ich mir nichts anmerken. Um Fioras willen musste ich mich zusammenreißen.
Mit aller Kraft ignorierte ich die magische Präsenz des letzten Wächters und weitete meinen Geist um ihn aus.
Ich fand den Drachenbullen, der aber bereits um das Weibchen warb, das meine Rufe ebenso wie er ignorierte.
Hastig suchte ich weiter und fand die Reiter, die uns verfolgten. In erschreckend kurzer Zeit hatten sie aufgeholt. Nicht einmal eine Stunde trennte sie von uns.
Was sollte ich tun? Ich versuchte es erneut bei dem Drachen, aber er schob mich von sich, was mich verzweifeln ließ. Bisher hatte ich immer standgehalten und nie aufgegeben, aber dieses Mal fiel ich in einen Sumpf aus Schwermut und wusste nicht, wie ich meine Entschlossenheit zurückerlangen konnte.
Wärme hüllte mich ein, so überraschend, dass ich die Augen öffnete.
Merea hielt Perran fest, von ihm konnte die Wärme nicht stammen.
Ich hob den Kopf und schaute leicht nach hinten. Ash, oder der letzte Wächter, war an mich herangetreten und hielt mich in einer tröstlichen Umarmung. Ich kämpfte gegen das vertraute Gefühl seiner Nähe an und versuchte ein Zittern zu unterdrücken.
»Bin ich nicht genug?«
Das wusste ich nicht. Wer war er?
»Soll ich gehen? Fühlst du dich dann besser?«
Instinktiv drehte ich mich um und griff nach ihm.
»Also hierbleiben.« Als er den Mund zu einem spöttischen Lächeln verzog, öffnete ich überrascht die Lippen. Es war eigenartig. Sein Aussehen hatte sich verändert und die Stimme gehörte jemand anderem, aber dieses Lächeln war so typisch für Ash, dass ich mich unwillkürlich entspannte.
»Bleib«, flüsterte ich. Wenn er fortging, dann hatte ich ihn vielleicht ganz und gar verloren.
Zur Antwort beugte er sich herab, doch meine anfängliche Befürchtung verflüchtigte sich. Er wollte mich nicht küssen, stattdessen presste er seine Nase an meinen Hals und sog meinen Geruch tief in sich hinein. »Du riechst nach mir, ich liebe das.«
Perran stieß einen derben Fluch aus und ich schloss vor Verlegenheit die Augen. Ash hätte auch keine Probleme damit, in die Welt hinauszuposaunen, dass wir uns vor Kurzem erst geliebt hatten.
»Ich könnte euch an einen anderen Ort bringen, aber dazu müsste ich meine Gestalt wechseln und mich so zu sehen, würde mich von Mel nur noch mehr entfremden«, sagte er zu unseren Begleitern, während er mit seinen Händen beruhigend meinen Rücken streichelte.
»Ich will Fiora retten«, stieß ich hervor.
»Und das wirst du. Richte deinen Blick südlich.«
Ich versuchte immer noch die Tatsache zu ignorieren, dass Ashs Mund mit der Stimme des letzten Wächters sprach, als ich meinen Blick in die angegebene Richtung wandte. Weil ich mit bloßem Auge nichts erkennen konnte, wechselte ich auf die andere Sicht und rang überrascht nach Luft. Noch war sie schwach, aber ich spürte sie kommen.
»Das ist unmöglich«, hauchte ich.
»Für ein Wesen wie sie ist nichts unmöglich.«
Unwillkürlich schaute ich in das blaue Auge des letzten Wächters. Dieses Wissen konnte nur von ihm stammen.
»Ebenso für mich«, murmelte er.
Er versuchte mich zu beruhigen, doch konnte es nicht. Im Moment war alles zu verwirrend und frisch.
Obwohl die Umarmung sich warm anfühlte, löste ich mich aus ihr, weil ich Zeit brauchte. Als hätte er meinen stummen Wunsch verstanden, ließ er mich gehen.
»Leute, unsere Mitflug-Gelegenheit wird uns in einigen Minuten erreichen.«
Litho stöhnte, denn ihm war nur jedes Reittier recht, das auf dem Boden blieb.
»Hält Fiora das noch aus?«, fragte ich Merea.
»Ich bin keine Heilerin, daher kann ich keine genaue Prognose stellen, aber wir müssen sie so schnell wie möglich hier wegbringen.«
Dieser Vorschlag gefiel mir ganz und gar nicht. Lieber hätte ich mich an jemand anderen mit der Bitte um Hilfe gewandt und die Eiselfen außen vor gelassen. Mir gefiel nicht, dass viele betont hatten, wie abgeneigt sie Außenstehenden gegenüber waren, aber wir hatten keine Wahl.
»Scheiße, was ist das?«
Der Ausruf war von Perran gekommen. Er hielt sich immer noch in meiner unmittelbaren Nähe auf, als würde er dem fremden Ash nicht trauen.
Ich schaute ebenfalls zum Horizont und lief zur Felskante, als das magische Wesen einen freudigen Begrüßungsruf ausstieß.
»Wie zur Hölle hat sie es hierher geschafft?«
Quennie näherte sich uns mit weit ausholenden Flügelschlägen.
Seit wir in Ilantha getrennt worden waren, musste sie fast ohne Unterlass geflogen sein. Aber das Besondere an ihr waren schon immer ihr eiserner Wille und ihre Ausdauer. Phönixe hielten sich in wärmeren Regionen auf und flogen so gut wie nie in Wintergebiete. Ich wusste, dass sie meinetwegen hierhergeflogen war und diese Entscheidung hatte sie verändert.
Als uns nur noch wenige Meter trennten, fiel mir auf, dass ihr Gefieder seine Farbe verloren hatte. Das tiefe Rot war von einem matten Weiß verdrängt worden und die Flammen an den Spitzen ihrer Flügel- und Schwanzfedern hatten sich zu blauen Eiszapfen verfärbt. Noch nicht einmal ihr blutroter Blick war ihr geblieben. Ihre Augen erstrahlten nun in einem blassen Blau.
Sie stieß einen Ruf aus, hob den langen Hals und benutzte ihre Magie. In Ilantha hatte sie über das Feuer geboten, jetzt bildete sich vor uns eine kleine Eisplattform, auf der sie landen konnte.
»Quennie!« Ich war nicht mehr zu halten und ging zur Felskante, die nur einige Meter von uns entfernt war. Freudig kraulte ich sie am Hals.
»Mel!« Perran wollte zu mir, aber Ash hielt ihn auf.
»Die Königin tut ihr nichts. Außerdem ist sie im Moment die einzige Chance, eure Gefährtin zu retten.«
»Aber wir passen nicht alle auf ihren Rücken«, wandte Merea ein.
»Sie kann die Frauen tragen. Wir anderen warten hier auf die Eiselfen«, schlug Arran vor.
Perran stieß einen Fluch auf Elfisch aus. Er wusste ebenso wie ich, dass Merea recht hatte. Quennie war groß, aber nicht so groß wie der Drachenbulle, und das war auch kein Wunder, war sie doch erst ein halbes Jahr alt.
»Ich würde nichts lieber tun, als auf der Phönixkönigin zu fliegen, aber meine emanzipierte Ader lässt das nicht auf sich sitzen«, begann Merea. »Es ist am besten, wenn Arran mitfliegt, damit er die Situation bei den Eiselfen klärt.«
»Ich warte hier«, meldete sich Litho sofort freiwillig. Wäre die Situation nicht so tragisch, hätte ich mich über seine Flugangst lustig gemacht.
»Ich lasse Mel nicht alleine«, hielt Perran stur dagegen.
»Du wirst.«
Mereas scharfe Antwort überraschte jeden, vor allem als sie mit der Hand in Ashs Richtung deutete. »Ich bezweifle, dass er hier mit uns warten wird. Er wird nicht zulassen, dass ihr etwas passiert.«
»Gut, dann beeilen wir uns.« Arran hob die bewusstlose Elfe auf den Arm, während Litho Fiora trug.
Ich signalisierte Quennie, was wir vorhatten. Zur Antwort ließ sie sich tiefer herab, damit wir leichter aufsteigen konnten.
Gekonnt zog ich mich auf ihren Rücken und streckte die Arme nach Fiora aus. Gemeinsam mit Litho setzte ich sie vor mich, bis sie mit dem Rücken an meiner Brust lehnte.
Arran nahm hinter mir Platz und ließ sich von Litho die bewusstlose Elfe reichen.
»Weil wir die zwei halten müssen, werde ich Quennie bitten vorsichtig zu fliegen«, sagte ich zu ihm.
Als ich das Signal zum Losfliegen geben wollte, legte sich eine Hand auf meine. Überrascht schaute ich in Ashs Gesicht.
»Ich komme nach«, sagte er. In den Tiefen seines zweifarbigen Blicks vermeinte ich meinen Geliebten zu sehen, war mir aber nicht sicher.
»Ich warte«, antwortete ich ihm rau.
Quennie wandte uns den Kopf zu, woraufhin alle anderen zurücktraten, dann gab ich ihr das Kommando und sie flog los.
Das zusätzliche Gewicht machte ihr zu schaffen, aber sie erhob sich nach zwei kräftigen Flügelschlägen in die Höhe.
»Wir müssen nordwestlich«, rief Arran gegen den eisigen Wind an.
Als hätte Quennie ihn verstanden, wechselte sie in einer sanften lang gezogenen Kurve die Richtung.
Mein Herzschlag beschleunigte sich während des Wendemanövers, aber wir hielten uns auf ihrem Rücken.
Ich stützte mich mit einem Arm, den anderen hatte ich um Fioras Gestalt geschlungen. Meine Freundin war bleich, aber sie blutete nicht, was sie wahrscheinlich Mereas Voraussicht verdankte, die sie vor Ort versorgt hatte.
»Wer ist die Elfe?«, fragte ich Arran.
»Sie ist Menos’ Tochter Arinea. Ytharia hielt sie als Geisel, was sie selbst aber nicht zu wissen schien. Um seine Tochter zu schützen, tötete Menos Mitglieder seines Volkes.«
Ich glaubte Hass aus Arrans Stimme herauszuhören, aber als ich den Kopf wandte, um ihn anzuschauen, erkannte ich in seinem Gesicht nur Traurigkeit.
Irritiert blickte ich wieder nach vorne. Ich kam nicht darüber hinweg, dass er haargenau so aussah wie Perran.
»Die Sache mit Menos werde ich klären. Bringen wir erst einmal uns alle in Sicherheit, dann … Verflucht!«
Ich konnte mir seinen Schreckensruf nicht erklären, wandte mich ihm erneut zu und folgte seinem Blick.
Eine dichte Wolkendecke, die einen aufziehenden Sturm verkündete, hing über unseren Köpfen. »Was ist los?«
»Das Ding ist gigantisch.«
Stirnrunzelnd versuchte ich in den Wolken das zu finden, was ihn hatte erbleichen lassen. Als ich den länglichen Schatten entdeckte, wurde mir ebenfalls flau im Magen. Was war das? Es war fast so groß wie die Bodenplatte aus Eis, die weggebrochen war. Neugierig geworden schloss ich die Augen und wechselte auf die andere Sicht über.
»Nun, er hat nie behauptet zurückzubleiben«, murmelte Arran.
Quennie stieß einen freudigen Ruf aus, ich hingegen musste mit der Vorstellung kämpfen, dass dieses gewaltige Wesen über uns mein Geliebter war. Doch es war niemand anderes als Ash, denn ich erzitterte angesichts seiner machtvollen Präsenz.
Weil der Blick auf dieses fremde Wesen mich so verwirrte, öffnete ich wieder die Augen. Von seinem Körper sah ich nichts, allerdings fiel mir auf, dass einige Wolken von seinen mächtigen Schwingenschlägen aufgewirbelt wurden.
Als ich meinen Blick wieder nach vorne richtete, entdeckte ich die Reiter unter uns.
»Wir fliegen weiter«, sagte Arran zu mir. »Sie werden ihren Kurs beibehalten, weil sie wissen, dass unsere Gruppe sich getrennt hat und sie uns nicht alle einfangen können. Das Dorf ist nicht weit weg. Du wirst aber in kurzer Entfernung davon landen müssen.«
Nickend teilte ich Quennie meine Bitte mit.
Ich hatte nur einen knappen Blick auf die Reiter werfen können. Sie trugen Felle und ihre Gesichter waren von hellen Masken bedeckt. Als mir von den Eiselfen erzählt worden war, hatte jeder betont, wie gefährlich sie seien, und ich hatte ihnen auf Anhieb geglaubt. Sogar Merea stimmte Arran in diesem Punkt zu und sie ließ sich nicht so leicht einschüchtern.
»Da!«
Arran hatte die Siedlung noch vor mir entdeckt. An den Ufern eines eingefrorenen Sees, der von einem dichten Wald umgeben war, konnte ich einige Gebäude sehen. Die Häuser waren einfach und zweckdienlich erbaut worden.
»Die Eiselfen sind ein Wandervolk. Sie haben mehrere Siedlungen und folgen den Herden. Die Häuser lassen sie zurück und leben entweder in ihren Zelten oder in ihren anderen Siedlungen«, teilte Arran mir mit.
»Und wenn ein anderes Volk ihre Siedlung für sich beansprucht?«
»Dann gibt es Krieg. Mit so etwas treibt man hier keine Scherze. Jeder Stamm hat seine eigenen Niederlassungen und Jagdterritorien. Es gibt genug Nahrung für alle. Eine fremde Siedlung in Besitz zu nehmen, wird als Gier angesehen und sofort bestraft. Eine Ausnahme machten die Stämme nur bei den Alben, weil diese kein Land hatten.«
Ich wies Quennie an auf der Ebene neben der Siedlung zu landen. Die Eisplatte des Sees war dick genug, um uns zu tragen.
Aus den einfachen Häusern waren viele Elfen ins Freie gekommen. Einige rannten sogar auf uns zu. Die Speere in ihren Händen beunruhigten mich. »Arran?«
»Du vertraust mir nicht, dessen bin ich mir bewusst. Aber mehr als alles andere will ich diese Mistkerle aus meiner Welt vertreiben, also lass mich reden.«
Ich schluckte den bissigen Kommentar hinunter, dass er das Gleiche mit meiner Welt vorgehabt hatte.
»Wir bleiben bei deiner Phönixkönigin. Sollte die Situation eskalieren, dann kann sie uns vielleicht beschützen.«
Es gefiel mir nicht, ihm zu vertrauen, aber ich hatte keine Wahl. Quennie flog eine Schleife über dem See und setzte dann zur Landung an.
Die ersten Läufer trugen lange Lederhosen aber keine Oberteile. Die schmalen Felle um Brust und Schultern schützten nicht wirklich vor der Kälte.
»Wir sind in einem ungünstigen Moment gekommen«, murmelte Arran zerknirscht. »Sie tragen die Zeichnungen.«
Im ersten Moment konnte ich mir auf seine Worte keinen Reim machen, dann fiel mir die blaue Farbe auf, die auf der hellen Haut der Eiselfen fast verschwand.
»Was bedeuten sie?«
»Hochzeit, die Suche nach einem Gefährten. Ein wirklich wichtiges Ritual, in das kein Fremder hereinplatzen sollte.«
»Nun, wir haben keine Wahl. Fiora braucht jetzt Hilfe.«
»Ich weiß.«
Was mich mehr als alles andere erschütterte, war die Stille in der Siedlung. Niemand schrie oder rief wild durcheinander. Sie warteten ab und beobachteten das Voranrücken ihrer Krieger.
Als sie uns nah genug waren, hoben die Krieger ihre Speere. Einer von ihnen rief etwas, das wie ein Befehl klang.
»Der Krieger will, dass wir absteigen.«
»Nein.«
Als hätte sie meine Sorge gespürt, wandte Quennie sich den Kriegern zu und baute sich vor ihnen auf. Das ließ sie tatsächlich einen Schritt nach hinten weichen.
Arran schien von meiner Ablehnung überrascht zu sein. »Dann werden sie uns angreifen.«
»Das tun sie sowieso und ich werde unseren einzigen Schutz nicht aufgeben.«
Vorsichtig näherten sich uns die Eiselfen, wollten uns scheinbar umzingeln. Die wenigsten trugen hier Masken, aber ihre Gesichter ähnelten einander. Jeder von ihnen schaute grimmig und schien uns eindeutig als Feind zu betrachten.
Ich hielt Fioras schlaffe Gestalt mit einer Hand, aber die andere lag auf Quennies Gefieder. Das magische Wesen unter mir zitterte erwartungsvoll.
»Fiora braucht Hilfe«, drängte Arran.
Das konnte ich nicht bestreiten. »Gibt es etwas, das sie von uns wollen könnten? Vielleicht können wir handeln.«
»Wahrscheinlich würden sie Quennie wollen, selbst wenn sie sie nicht bändigen können.«
Als der erste Speer auf uns zuflog, hob Quennie den Kopf und stieß einen wütenden Ruf aus. Das Eis aus ihrem Maul traf das Geschoss, während ich mit meiner Kraft einen weiteren Speer aus seiner Flugbahn schleuderte. Bevor die Elfen ihren Angriff weiterführen konnten, prallte etwas in das Wäldchen hinter uns, das den Boden zum Erzittern brachte.
Weil ich vor nicht einmal einer Stunde Zeugin einer wegbrechenden Eisplatte gewesen war, behielt ich den See im Auge, aber er schien stabil zu sein.
»Ich glaube, wir sind gerettet.«
Um zu erfahren, was Arran sah, drehte ich mich um und schluckte schwer.
Ash tauchte aus dem Waldstück auf und kam seelenruhig auf uns zu. Er trug immer noch nur Mereas langen Mantel, zeigte aber keine Anzeichen zu frieren.
Je näher er uns kam, umso weiter wichen die Eiselfen in Richtung ihrer Siedlung zurück.
»Sie gehen weg«, sagte ich überrascht.
»Nun, sie sind gefährlich, aber nicht dumm.«
Kaum hatte Ash uns erreicht, hielt er mir die Hand hin. »Ich trage sie.«
Seine Stimme klang so fremd, doch bevor ich mich weiter verrückt machte, überreichte ich ihm Fiora. Er hielt die große Frau wie ein Kind mit der rechten Hand an sich gepresst. Die linke Hand hielt er mir hin.
Ich schluckte meine Angst hinunter und ergriff sie, ließ mich an Quennies Seite hinabgleiten.
»Arran, brauchst du Hilfe?«
»Es geht«, murmelte er.
Meine Hand immer noch festhaltend ging Ash auf die Eiselfen zu und begann zu sprechen. Die Sprache schien elfisch zu sein und doch hörte sie sich anders an.
»Er spricht in einem alten Dialekt«, flüsterte Arran mir zu.
Wenn man bedachte, dass der alte Wächter in ihm steckte, war es nicht verwunderlich. »Und was sagt er?«
»Kurz und knapp? Dass er sehr angepisst sein wird, wenn sie weiterhin auf dich schießen.«
Die Eiselfen nahmen ihn offenbar ernst, denn sie ließen ihre Speere sinken. Einer aus ihrer Mitte kam auf uns zu und schien eine Frage zu stellen.
»Was will er?«, fragte ich erneut in Arrans Richtung.
»Sie schauen sich unsere Verwundeten an.«
»Ich bin Merak«, brummte der Elf. »In Abwesenheit meines Vaters führe ich den Stamm. Der Große meint, es sei unhöflich, in einer Zunge zu reden, die nicht von allen verstanden wird.«
Damit war wohl ich gemeint. »Ich hätte nicht erwartet, dass du meine Sprache sprechen kannst.«
»Selbst wenn wir nicht in der Nähe des Tors leben, so ignorieren wir die Welt dahinter nicht. Es ist nie falsch, die fremde Zunge der Außenwelt zu kennen.«
Ich fragte mich, wer ihm Englisch beigebracht hatte, schob dieses Thema jedoch beiseite, da es Wichtigeres zu besprechen gab. »Mein Name ist Mel und das ist …«
»Asheran.«
Als der fremde Name über Ashs Lippen kam, verstummte ich. Asheran?
Mel
Obwohl ihm die Situation nicht gefiel, führte Merak uns tiefer in die Siedlung.
Inmitten all dieser Häuser gab es eines, das am größten war.
»Dies ist das Heim unseres Anführers. Außerdem werden hier die Kranken behandelt und wichtige Gespräche geführt.«
Beides schienen wir im Moment dringend nötig zu haben.
Während wir ihm ins Innere folgten, konnte ich die misstrauischen Blicke der Eiselfen wie Dolche im Rücken spüren. Das verletzte mich, aber ich hatte im Moment nicht wirklich die Zeit, mich dieser Situation zu stellen.
Merak ging einen langen Flur entlang. Wir kamen an einer großen Halle vorbei, wahrscheinlich der Versammlungsraum, dann traten wir in den hinteren Bereich des Hauses.
»Senha-An, wir haben Besuch«, rief Merak unbehaglich.
Wir standen vor einer verschlossenen Tür.
»Senha-An?« Dieses Mal klopfte er an.
Neben uns wand Arran sich unwillig, aber bevor ich fragen konnte, was los war, öffnete sich die Tür und ich erstarrte.
»Was ist los? Wieso sprichst du in dieser Sprache?«
Ich fühlte mich, als wäre mir der Boden unter den Füßen weggerissen worden.
Senha-An, wie Merak sie genannt hatte, war niemand anderes als Ophelia. Mit dieser Erkenntnis folgte ich ihrem Blick, der sich sofort auf Ash legte.
Für einen Moment glaubte ich Erleichterung in seinem grünen Blick zu sehen und es traf mich. Nicht, weil ich ihr den Tod wünschte, aber weil Ash und sie eine Vergangenheit verband.
Meine Hand lag immer noch in seinem Griff. Ich wollte mich daraus lösen, aber er ließ mich nicht.
»Diese Frau scheint verwundet zu sein«, fuhr Merak fort, unseren stummen Kampf verwirrt mit ansehend. Auch Ophelia schaute zu mir. Ihr Blick war so anders, nicht hasserfüllt, sondern vielmehr schuldig, und doch konnte ich nicht vergessen, was sie uns angetan hatte.
Ich hatte meine Hand endlich befreit und presste sie an meine Brust, Ashs bittenden Blick ignorierend. »Ist das eure Heilerin?«
»Sie kann heilen.«
»Wir suchen uns anderswo Hilfe, danke«, zischte ich. Ophelia hatte nicht nur versucht mich zu töten, sie trug die Schuld an den vielen Toten in der Feuernacht in Miramar. Nein, dieser Frau würde ich Fiora nicht anvertrauen.
»Mel.« Als Arran mich anfassen wollte, fauchte ich ihn an. »Du wusstest die ganze Zeit über, dass sie hier ist. Ich dachte, Merea und du hättet sie zum Sterben in die alte Welt gebracht, aber ihr habt sie zu den Eiselfen geführt, nicht wahr? Warum hast du keinen Ton gesagt?«
»Weil du dann nicht hergekommen wärst.«
»Natürlich nicht, sie ist eine Mörderin!«
Arran seufzte. »Sie hat sich verändert, sie …«
»Was? Weil sie ihr inneres Gleichgewicht gefunden hat? Und die Toten aus dieser Nacht? Hast du die etwa vergessen?«
Mit jedem meiner Worte schien Ophelia stiller zu werden. Ich hatte kein Mitleid mit ihr, denn sie hatte weder für mich welches übrig gehabt noch für die anderen Menschen in jener Nacht.
»Ist das wirklich eure einzige Heilerin?«, wandte ich mich direkt an Merak.
»Nein, aber Senha-An hat am besten von der Alten gelernt.«
»Dann hol die Alte oder jemand anderen«, verlangte ich energisch.
In der Zeit, in der wir vor dem Heilzimmer gesprochen hatten, war Fiora sogar noch bleicher geworden.
Als hätte sie meine Ablehnung akzeptiert, senkte Ophelia den Blick. Ich hielt meinen stur nach vorne gerichtet, um Ash nicht ins Gesicht sehen. Ich könnte es nicht ertragen, Zuneigung und Liebe darin zu entdecken.
Merak winkte uns heran und ging den Flur weiter, wo er eine andere Tür öffnete.
Der Raum dahinter war angenehm warm und schien ebenfalls ein Krankenzimmer zu sein.
Ash legte Fiora auf einen länglichen Tisch. Erst da fiel mir die Frau auf, die auf einem Stuhl saß und in einem Buch gelesen hatte. Sie musterte uns ebenso überrascht wie ich sie. Ihr hohes Alter verriet mir sofort, dass diese Elfe die Langlebigkeit der Alben nicht geerbt hatte.
In einer raschen Wortfolge stellte sie einige Fragen an Merak, der leicht geknickt auf elfisch antwortete. Er schien sie über uns ins Bild zu setzen.
Ich trat von Ash weg und stellte mich an Fioras Seite. Ihre Haut, die sonst die Farbe von Milchkaffee hatte, war mittlerweile grau. Sie wirkte, als stünde sie an der Schwelle des Todes.
Als ich sie ansah, erinnerte ich mich an die Lügen, die sie mir aufgetischt hatte, aber auch an ihr offenes Ohr. Ich hatte damals wirklich geglaubt einen weiblichen Percy gefunden zu haben und nicht geahnt, wie viele Parallelen es wirklich zwischen den beiden gab.
Weil die Furcht, sie zu verlieren, übermächtig wurde, griff ich nach Fioras Hand.
»Gut, alle raus hier. Senha-An und du könnt bleiben.«
Mir wollten schon Worte der Ablehnung über die Lippen kommen, da merkte ich, dass sie humpelte. »Was ist mit deinem Bein?«
»Ich heile deine Freundin nicht damit, also ist das nicht von Belang.«
Weil sie nicht darüber sprechen wollte, ging ich nicht weiter darauf ein. Ich war sowieso damit beschäftigt, Ophelia im Auge zu behalten.
»Das war Ash, oder?«
Sie hatte die Frage zögernd gestellt, als hätte sie der Mut verlassen. Ich konnte mich an ihren boshaften Blick erinnern, als sie den Drachen auf mich gehetzt hatte. Jetzt jedoch schien sie einfach nur niedergeschlagen und verwirrt zu sein.
Weil ich die Antwort auf ihre Frage nicht kannte, zuckte ich lediglich mit den Schultern und konzentrierte mich wieder auf die Alte, die gerade Fioras Hemd öffnete.
Die Wunde war nicht sehr groß, aber ich wusste nicht, was die Klinge im Inneren angerichtet hatte.
»Ophelia, bring mir meine Werkzeuge. Ich muss mir die Wunde genauer ansehen.«
Als die blonde Frau den Raum verließ, atmete ich auf und die Elfe füllte ein Gebräu in eine mittelgroße Schale. »Ich werde wahrscheinlich schneiden und nähen müssen. Der Trank wird sie schlafen lassen.«
Da ich Fiora nicht die Schmerzen einer Operation erdulden lassen wollte, hoffte ich, dass der Trank ausreichend wirkte. In dieser Situation war ich machtlos und bekam am eigenen Leibe zu spüren, wie gut wir es auf der Erde mit unserem Notdienst hatten.
»Meine Schülerin gefällt dir nicht?«
»Deine Schülerin, die euch meine Sprache beigebracht hat?« Schnaubend schüttelte ich den Kopf. »Ich will sie nicht bei Fiora sehen.«
»Ah, dann bist du die Frau, die sie verflucht hat.«
Diese Worte waren so überraschend, dass ich automatisch den Kopf hob und dem Blick der Alten begegnete.
»Als Arran Senha-An zu uns brachte, lag sie im Sterben. Die Wunde war so schlimm, dass ich nicht glaubte sie retten zu können.«
Während sie zu mir sprach, schnitt sie das Hemd von Fioras Oberkörper. Ihre Blöße empfand ich als verstörend, denn nichts zeigte mir deutlicher, wie wehrlos sie im Moment war. Mit ihr verband ich gut gelaunte Gespräche, Lachen und eine Liebe, die dem Leben selbst galt. Jetzt lag sie bewusstlos auf diesem Tisch, allen ausgeliefert.
Ophelia kam mit einer Schüssel und einer Tasche zurück, die sie auf einen Beistelltisch neben der Liege legte. Als würde sie meinen Zorn spüren, trat sie zwei Schritte zurück und griff nach dem Türgriff. »Ich bin draußen, wenn du mich brauchst.«
***
Jegliches Zeitgefühl ging mir verloren, als ich mit der Alten um Fioras Leben, aber auch gegen meine eigene Ohnmacht kämpfte. Ich konnte nicht sagen, ob zehn Minuten oder zehn Stunden vergangen waren, als die Elfe den letzten Stich gesetzt und den Faden verknotet hatte, damit die Naht hielt. Danach goss sie eine blaue Flüssigkeit über Fioras Brust. Ich vermutete, dass es sich hierbei um ein Desinfektionsmittel handelte.
»Bleibt ihr Blut sauber, dann müsste sie überleben«, sagte sie nun zu mir und als wären diese Worte alles, worauf ich gewartet hatte, zog ich meine blutigen Hände zurück und taumelte nach hinten. Der Eisengeruch des Blutes vermischte sich mit der Schärfe des bläulichen Mittels, da ich sie mehrmals darin tauchte.
Zitternd lehnte ich mich gegen die Wand und versuchte meine Kraft wiederzufinden.
»Komm, setz dich«, bot die Elfe mir an.
Kopfschüttelnd machte ich wieder einen Schritt auf die Liege zu. »Geht es ihr wirklich gut?«
»Ich habe die Wunde gewissenhaft versorgt. Ihr Körper muss den Rest erledigen. Das blaue Mittel säubert und regt gleichzeitig die Blutbildung an. Außerdem wird sie in den kommenden Tagen Medizin bekommen, die ihre Heilung unterstützt.«
Als wollte sie keine unnützen Worte verschwenden, humpelte sie zu einem Schrank und nahm daraus eine Decke, die sie über Fiora legte. Dann zog sie links und rechts etwa vierzig Zentimeter hohe Gitter nach oben. Eine Schutzvorrichtung, damit der bewusstlose Patient nicht zu Boden fiel. »Willst du bei ihr bleiben?«
Ich wollte. Vor allem weil ich das Gefühl hatte, dass ihr etwas Schlimmes zustoßen könnte, wenn ich nicht da war, aber es gab noch einiges zu klären.
»Ich will nicht, dass Ophelia in ihre Nähe kommt.«
Die Alte seufzte ergeben. »Merak!«
Kaum hatte sie den Namen gesprochen, wurde die Tür geöffnet und der Elf, der uns hierhergebracht hatte, trat ein.
»Du hast gerufen, Mutter?«
»Wache über die Fremde.«
Sie ließ mir keine Zeit, die überraschende Verwandtschaftsbeziehung zu Merak zu verdauen, sondern deutete zur Tür. »Das ist meine Kammer. Du kannst dich dort waschen.«
Unschlüssig schaute ich zu Fiora, aber ich hatte das Gefühl, dass ihre Atmung nun kräftiger war. Notgedrungen ging ich aus dem Zimmer und folgte der Elfe in einen Raum, der ein Schlafzimmer zu sein schien. In einer Ecke entdeckte ich ein Waschbecken. Das Wasser, das aus dem Hahn kam, war klar und sauber. Wieso fror es nicht ein? Heute Morgen hätte ich mich näher mit dieser Frage beschäftigt, aber jetzt war ich einfach nur froh mir das Blut von den Händen waschen zu können.
Das Wasser war eisig kalt und die Seife, die die Alte mir gab, roch nach Lauge, aber ich schrubbte mich sauber, immer noch das Bild von Fioras Fleisch vor Augen.
»Heißt du Senha?«, versuchte ich mich abzulenken.
»Senha bedeutet in unserer Sprache Heilerin. Mein Name ist Tourin. Komm, setz dich.«
Tourin deutete auf einen Tisch mit zwei Stühlen. Sie stellte zwei Tassen auf den Tisch und füllte sie mit einer milchigen Flüssigkeit. »Trink das.«
Ich griff nach der kleinen Tasse und nahm einen Schluck, fing aber sofort an zu husten. Der Alkohol hatte mich überrascht, außerdem war ich mir sicher nie zuvor etwas so Hochprozentiges getrunken zu haben. »Was ist das?«
»Das wärmt dich wieder auf und lockert deine verschreckte Zunge.«
Es stimmte, für meine Verhältnisse war ich ziemlich still, aber ich hatte den Schrecken über Fioras Zustand immer noch nicht verdaut.
»Normalerweise macht mein Sohn kurzen Prozess mit Fremden. Ich bin neugierig. Warum nicht mit euch?«
»Ich weiß nicht«, erwiderte ich schulterzuckend, obwohl ich den Grund kannte. Es lag an Ash, an dem veränderten Ash, aber ich wusste nicht, wieso.
»Meine Schülerin hat in ihrem Delirium viel gesagt. Unter anderem Dinge, die man einer fremden Person gegenüber nie verrät. Sie hat von einer Frau gesprochen, die ihr alles gestohlen hat. Bist du das?«
»Vermutlich schon, obwohl ich ihr nichts gestohlen habe.«
»Und der Mann, den sie geliebt hat?«
»Wen meinst du? Den Mann, mit dem sie vor vielen Jahren zusammen war? Oder den Elfen, von dem sie so besessen war, dass sie mich töten wollte, wenn er mich nur angesehen hat?«, fragte ich bissig. »Von Arran will ich nichts. Ich bin mit Ash zusammengekommen, viele Jahre, nachdem sie sich von ihm getrennt hat. Jetzt bin ich sein und er ist mein …«
Ich verstummte, konnte nicht weitersprechen. Ash hatte diese Worte zu mir gesagt und ich war so glücklich gewesen sie zu hören, aber wer war der Mann, der mich hierher begleitet hatte?
»Sie ist eine zerrissene Seele gewesen, im Unreinen mit sich und den anderen.«
Ich wollte nicht über Ophelia reden, aber Tourin setzte sich mir gegenüber und schien nicht vorzuhaben aufzuhören.
»Ich habe ihre Wunden geflickt und das Eisland hat ihre Seele geheilt. Hier hat Senha-An ihren neuen Namen erhalten und allen Hass zurückgelassen.«
Meine Hand lag um die schmale Tasse, ich hatte Mühe damit, sie nicht zur Faust zu ballen. Vor meinen Augen sah ich wieder das Stadtviertel Miramars in Drachenflammen eingehüllt. In meinen Ohren glaubte ich, immer noch die Schreie der Menschen zu hören und den fauligen Geruch des Fluches zu riechen, mit dem die Krankenschwester getötet worden war. Und über alldem schien ich erneut die schlimmen Schmerzen wahrzunehmen, die mich damals gequält hatten.
Tourin merkte nichts davon und sprach weiter. »Unsere Sünden holen uns immer ein. Senha-An wusste, dass es mit ihr ebenso geschehen würde«, fuhr sie fort und trank einen weiteren Schluck.
Ich verabscheute den starken Alkohol, aber mir war tatsächlich wärmer geworden, daher trank auch ich weiter. Dieses Mal schaffte ich es sogar, nicht zu husten. »Tut mir leid, dich zu unterbrechen, aber Ophelias Sünden haben sie nicht eingeholt«, stieß ich hervor. »Das Portal ist zu, also kann sie nicht eingeholt werden. Aber ich werde dafür sorgen, dass es wieder geöffnet wird, und dann kann sie sich ihren Sünden stellen.«
»Hass ist kein guter Weg.«
»Hass?« Ich schob die Tasse beiseite. »Du erzählst mir von der Erneuerung ihrer Seele und wie gut ihr das Leben hier getan hat. Gerne würde ich in dieser perfekten Welt leben und vergessen, aber das kann ich nicht. Ich kann die Schreie derer nicht vergessen, die im Drachenfeuer gestorben sind, noch kann ich den tränenverschmierten Blick des Jungen vergessen, der seine Mutter verloren hat, weil … Senha-An ihr Leben für wertlos hielt. Sie hat gerochen, als wäre sie bei lebendigem Leibe verfault. Stell dir vor so zu sterben und dann erzähl dem Mann und dem Sohn dieser Toten, wie sehr sich Senha-An doch geändert hat. Ich kann es nicht vergessen und das nicht, weil ich sie hasse, und auch nicht aufgrund von Rachegefühlen, sondern weil es gerecht ist, nicht zu vergessen. Und genauso gerecht ist es, dass sie für ihre Taten bestraft wird.«
Meine Stimme war mit jedem Wort lauter geworden, bis ich mir auf die Zunge biss, um nicht zu schreien.
Tourin musterte mich ruhig. »Wir Eiselfen haben nicht viel von Wert. Was wir besitzen, tragen wir am Leib und brauchen wir zum Überleben. Aber das Leben wird immer schwieriger. Senha-An ist eine gute Fährtenleserin und sie weiß immer, wo die Herden sind. Außerdem hat sie bereits etwas sehr Kostbares verloren. Manchmal verdient man eine zweite Chance.«
Sie nicht. Ophelia hatte sich keine zweite Chance verdient, aber ich war es müde, darauf zu beharren. »Wie habt ihr die Herden früher gefunden?«
»Früher gab es mehr Tiere. Jetzt werden es immer weniger.«
Also hatten auch die Eiselfen Probleme, nicht einmal sie wurden von den Auswirkungen der Seuche verschont. Die Nachwehen waren immer noch heftig.
»Bald werdet ihr euch nicht mehr deswegen sorgen müssen«, sagte ich, durch den Alkohol mutiger geworden. »Dann werden wir alle Sklaven der Alben sein.«
Als hätten meine Worte sie getroffen, fing Tourins Hand an zu zittern. »Also sind die Gerüchte wahr.«
Sie musste einige Spitzel bei den Elfen haben, sonst wüsste sie mit meinen Worten nichts anzufangen.
»Ja. Sie haben das Portal zu den Menschen geschlossen und eines in ihre Welt geöffnet.«
»Nein.« Tourin schüttelte entschieden den Kopf. »Sie öffnen nie eines zu ihrer Welt. Selbst erobert zu werden, würden sie nie riskieren.«
Die Frau mir gegenüber goss sich erneut die Tasse voll. Ich schüttelte den Kopf und lehnte eine weitere Trinkrunde ab.
»Weißt du mehr über die Zustände in Ilantha?«
»Ich war mittendrin«, sagte ich leise. »Als sie die Kontrolle über das Portal erlangten, sah ich ihrem General genau in die Augen.«
Tourin kippte auch das zweite Getränk hinunter, danach stellte sie die Flasche beiseite. »Einige von uns haben sich ihr Leben lang darauf vorbereitet. Hat man dir gesagt, dass bei den Eiselfen die meisten Alben leben?«
»Es wurde erwähnt«, sagte ich knapp.
»Viele Alben haben den Umständen gedankt, die ihr Schiff zum Abstürzen brachten. Sie werden ihre neue Heimat nicht im Stich lassen. Mit ihnen müssen wir sprechen.«
»Jetzt sofort?« Ich wusste nichts über Kampfstrategien und auch nicht, wie man kämpfte, aber wir brauchten Verbündete und davon hätte ich nur allzu gerne eine ganze Menge.
»Die meisten leben weit weg von hier in einer Albenstadt. Merigath heißt sie. Wir werden eine Versammlung einberufen müssen.«
Das klang, als würde es ewig dauern.
»Deine Freundin braucht einige Tage, um zu heilen.«
Meine Ungeduld kämpfte mit dem Wunsch, Fiora diese Zeit zu geben. Doch zumindest etwas wollte ich tun.
»Eure Späher haben den Rest unserer Gruppe sicher eingefangen. Unter ihnen ist eine Albe, die von diesen Dingen mehr weiß. Sie kann helfen.«
Merea war eine Schlange, aber sie, Arran und Perran kannten sich am besten mit solchen Situationen aus.
Ich stand auf, um anzuzeigen, dass ich gehen wollte. »Sie müssten bald eintreffen. Vielleicht sind sie sogar schon hier.«
Tourin stand auf und griff nach ihrem Mantel. Dabei fiel mir auf, dass sie eine Art Schiene um ihr linkes Bein trug.
»Dann sehen wir mal nach.«
Obwohl sie humpelte, ging sie entschlossen voran, als hätte sie die Verwundung ihres Beines schon vor langer Zeit überwunden und akzeptiert.
Vor dem großen Haus hatte sich eine Menschenmenge versammelt. Unter ihnen befanden sich Arran und Ash, nur von Menos’ Tochter war nichts zu sehen. Fioras Zustand war lebensbedrohlich gewesen, daher nahm ich an, dass Arran sie anderswo untergebracht hatte.
Sobald er mich sah, kam Ash auf mich zu. Ich war immer noch verletzt, aber mein Herz hungerte nach seiner Nähe. Als er mein Gesicht mit den Händen umfasste, blickte ich zu ihm auf.
Als wüsste er von meinen innersten Gedanken, sprach er nicht, sondern beschränkte sich darauf, mich zu halten.
Ich legte die Hände auf seine Unterarme und schloss die Augen. Wenn ich seine Stimme nicht hörte und das fremde Auge nicht sah, dann konnte ich mich der Illusion hingeben, Ash wäre immer noch mein Ash. Wieso hatte er sich mit diesem fremden Namen vorgestellt?
»Asheran?«, flüsterte ich.
»Ja.«
Nein, diese Stimme, sie gehörte nicht Ash. Dabei vermisste ich sie so und wollte sie gerade jetzt so dringend hören. »Bist du … Ist er …«
Wer war in diesem Körper?
Er zog mich an sich heran und beugte sich zu mir herab, bis sein Atem mein Ohr streifte. »Für jetzt muss es genügen zu wissen, dass wir beide hier sind. Meine Stimme, seine Berührungen, unser gemeinsamer Blick, das alles gehört dir.«
»Ich verstehe nicht«, stieß ich leise hervor.
»Noch nicht«, murmelte er und trat zurück.
Seine Nähe hatte mich eingelullt, sodass ich irritiert die Augen öffnete.
»Sie sind da«, wisperte er mir zu. Bald darauf konnten wir eine Reitertruppe aus dem Frostwald kommen sehen.
An der Spitze ritt ein gewaltiger Eisbasilisk. Seine farblose, fast weiße Haut hob sich nur von dem Schnee ab, weil sie im Sonnenlicht bunt schillerte.
Der Eiself, der auf ihm ritt, zog eine Person hinter sich her, die er an sein Reittier gebunden hatte.
»Das ist Merea«, rief ich überrascht.
»Und sie wird es ihn nicht vergessen lassen«, brummte Arran.
Weil ich wissen wollte, wie mein ehemaliger Mitbewohner auf die Behandlung Mereas reagierte, schaute ich mich suchend nach ihm um.
»Wo ist Perran?« Ich wollte nach vorne gehen, da hielt Ash mich davon ab. Leicht schüttelte er den Kopf und deutete auf die Umstehenden.
Die Eiselfen waren Fremden gegenüber sehr misstrauisch und für ihren Geschmack waren heute sicherlich viel zu viele Fremde in ihr Dorf einmarschiert.
»Soll ich Quennie rufen?«
»Du hast mich. Sie kann sich weiterhin in den Wolken aufhalten.«
Um eine Gefangennahme zu vermeiden, hatte ich sie fortgeschickt, aber ich hätte wissen sollen, dass sie sich immer noch in der Nähe aufhielt.
Keine fünf Minuten später hatten die Reiter das Dorf erreicht. Der Elf an der Spitze stieg ab und kam auf uns zu.
Sein Gesicht war in der Art seines Volkes traditionell bemalt, allerdings in Weiß. Die andere Färbung hob ihn von den anderen als Anführer ab. »Seit wann werden Feinde frei unter uns gelassen?«
»Seit sie Neuigkeiten haben, die sie zu Verbündeten machen«, erwiderte Tourin und trat zu ihm. Er schaute auf sie hinab, dann lächelte er und schlang die Arme um sie. Ich hätte nicht so empfinden dürfen, aber es überraschte mich, als er Tourin auf den Mund küsste. Ein großer Altersunterschied war wahrscheinlich noch nicht einmal vorhanden, es lag nur daran, dass Tourin alterte und der Elf langlebig war.
»Das ist Kish, mein Mann«, stellte sie ihn vor. »Ihr da, löst die Fesseln der Fremden und führt sie in Berus Haus.«
»Liebste, ich habe sie gefangen und du lässt sie frei? Das ist die Herrin der Schatten.«
»Die sich ohne Gegenwehr festnehmen ließ«, vermutete Tourin.
Kish grinste sie jungenhaft an. »Gefangen ist gefangen.«
Tourin schnaubte. »Wir haben keine Zeit für diesen Unsinn. Wir müssen unsere schnellsten Kuriere nach Merigath aussenden. Ruf die Alten zu uns.«
Das überraschte den Elf.
Ich hatte Perran endlich entdeckt und wollte zu ihm, da wurde mir der Weg von einem Speer abgeschnitten, der mich am Arm streifte.
Ich zuckte zusammen und war so überrascht, dass ich den Schmerz zuerst gar nicht wahrnahm. Vielmehr wurde ich durch den zornigen Schrei erschreckt, den Quennie ausstieß, als sie genau auf mich zuflog.
Die Elfen, die in der alten Welt als furchtlos galten, stoben auseinander, sodass sie vor mir landen und sich zu ihrer vollen Größe aufbauen konnte. Dem Elfen, der mich verletzt hatte, war eine Flucht nicht mehr möglich.
Ash hielt seinen Hals umklammert und hob ihn in die Luft, als würde er nichts wiegen. Hinter dem Elfen konnte ich Perran sehen, der sich beeilte, zu uns zu gelangen.
»Wer du wohl sein magst, dass selbst eine Königin dich schützen will«, wunderte sich Kish. »Nichtsdestotrotz ist das mein Krieger. Lass ihn los.«
Das schien Ash nicht vorzuhaben.
Ich presste meine Finger auf die Wunde. »Es ist nicht schlimm, nur ein kleiner Schnitt. Wahrscheinlich ist es durch Zufall passiert.«
»Wahrscheinlich?«, knurrte er.
»Es war ein dummer Zufall«, korrigierte ich mich. »Es geht mir gut. Ein wenig auswaschen, ein Pflaster drauf und ich bin so gut wie neu.«
Weil er mich nicht zu hören schien, ging ich zu ihm und legte eine Hand an seine Brust. »Ash?«
Er reagierte nicht. Ich schluckte schwer und benutzte endlich den Namen, der neuerdings zu ihm zu gehören schien. »Asheran.«
Dieses Mal senkte er den Blick. »Ich habe sie gewarnt.«
»Er war vorhin nicht da, also lass gut sein.«
Mit einem zornigen Geräusch stieß er den Elfen von sich und griff nach meiner Hand. Angesichts seines aufbrausenden Gemüts war ich froh, dass der Schnitt wirklich so unkompliziert war.
Es dauerte zwanzig Minuten, eine Versammlung einzuberufen, und in der ganzen Zeit waren Asheran und Perran mir nicht von der Seite gewichen.
Nur Tourin, die ein großes Mitspracherecht besaß, war es zu verdanken, dass die Krieger uns nicht gefesselt hatten, sonst wäre die ganze Situation noch einmal eskaliert.
Wir saßen immer noch inmitten von allen wie Außenseiter, aber Merea hielt sich aufrecht, als wäre sie ein Ehrengast.
Ophelia war ebenfalls zugegen. Sie hielt sich im Hintergrund, aber ich spürte mehrmals ihren Blick auf Asheran und mir. Ich knirschte mit den Zähnen, weil ich sie am liebsten in einem Gefängnis auf der Erde sehen wollte, gestand mir aber auch eine große Portion Eifersucht ein.
Hastig lenkte ich diesen Gedanken von mir und konzentrierte mich wieder auf die Eiselfen. Sie hatten sich die ganze Zeit unterhalten, mal ruhig, mal hitzig. Da sie auf elfisch sprachen, verstand ich kein Wort.
Als würde Asheran meine Sorgen spüren, griff er nach meiner Hand. Seine Berührung war mir so vertraut, dass ich sie instinktiv annahm und erst eine Sekunde später zusammenzuckte, dennoch war die Angst, Ash ganz verloren zu haben, so schrecklich, dass ich meine Hand beinahe verzweifelt um seine schloss. Sanft führte er meine Hand an seine Wange. »Dir wird nichts geschehen.«
»Und dir?«
Für einen Moment schwieg er, dann lächelte er traurig. »Mir? Ihm? Uns? Wir sind hier. Nichts ist verloren, aber es ist auch nicht gleich geblieben.«
Was hatte sich wirklich geändert? Die Umstände ließen uns keine Zeit, darüber zu sprechen, denn Merea ergriff zum ersten Mal das Wort. Auch dieses Mal verstand ich nichts, aber die Reaktion der Eiselfen war beunruhigend. Jeder sprang von seinem Sitz und rief wild gestikulierend.
»Wenn sie will, kann sie durchaus diplomatisch sein«, seufzte Perran neben mir.
»Das sind Eiselfen«, murrte Litho, der hinter uns saß. »Mit Diplomatie kommst du hier nicht weiter.«
»Den Eiselfen das Verhalten von alten Waschweibern anzudeuten, zeugt aber auch nicht von Klugheit«, brummte Arran, der genau neben Litho saß.
»Merea halt«, seufzte ich darauf hoffend, unbeschadet aus der Sache zu kommen.
Auch dieses Mal war es Tourin, die die Situation rettete. Einen entnervten Blick auf Merea werfend sprach sie zu den Eiselfen, während ich mir in den kommenden vierzig Minuten nichts sehnlicher wünschte, als diese Sprache zu verstehen.
Manchmal glaubte ich wirklich, dass wir nur um Haaresbreite dem Tod entkommen waren, so hitzig wurden die Gespräche.
Aus dem Schneider waren wir jedoch nicht, denn nach der Versammlung wurden wir in einem Haus eingesperrt.
Merea hatte sich scheinbar mit der Situation abgefunden, denn sie schlief bereits tief und fest. Litho grübelte vor dem Tor und überlegte sicher, ob sich ein Fluchtversuch lohnte, wohingegen Arran ab und zu den Kopf schüttelte, bevor er sagte: »Wir müssen abwarten. Die Alben von Merigath kommen bald und die Eiselfen haben immer auf sie gehört.«