Der Fluch über dem Moor: Gruselroman Großband 3 Romane 7/2022 - Frank Rehfeld - E-Book

Der Fluch über dem Moor: Gruselroman Großband 3 Romane 7/2022 E-Book

Frank Rehfeld

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Beschreibung

Der Fluch über dem Moor: Gruselroman Großband 3 Romane 7/2022 von Frank Rehfeld Über diesen Band: Dieser Band enthält folgende Romane von Frank rehfeld. Der 300 Jahre alte Fluch Der Zeitkristall Moor der Angst Herbie Plunkett spürte einen entsetzlichen Schmerz, der seinen Kopf auseinanderzureißen schien. Er fuhr vom Stuhl auf und schaffte es nicht mal, sich zu erheben. Stöhnend sank er zurück. Die Hände preßte er an die Schläfen, doch das grauenvolle Weh konnte er nicht mildern. Nach wenigen Sekunden jedoch ebbte es von ganz allein ab. Ihm folgte eine Woge fremder, bösartiger Gedanken, die über ihm zusammenschlug. Sie löschte sein Bewußtsein aus. Herbie Plunkett arbeitete als Hausmeister in einem mehrstöckigen Gebäude in der Regent Street im Zentrum von London. Sein Beruf interessierte ihn jetzt nicht mehr, der Mann war anders geworden, und die fremden Gedanken hielten ihn in ihrem Bann. Herbie Plunkett wußte, was er zu tun hatte. Es gab keine Auflehnung gegen den Befehl, hölzern setzte er sich in Bewegung.

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Der Fluch über dem Moor: Gruselroman Großband 3 Romane 7/2022

Frank Rehfeld

Published by BEKKERpublishing, 2022.

Inhaltsverzeichnis

Title Page

Der Fluch über dem Moor: Gruselroman Großband 3 Romane 7/2022

Der Fluch über dem Moor: Gruselroman Großband 3 Romane 7/2022 | von Frank Rehfeld

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Der 300 Jahre alte Fluch: Grusel-Krimi

Frank Rehfeld | Der 300 Jahre alte Fluch: Grusel-Krimi

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Der 300 Jahre alte Fluch: Grusel-Krimi | Frank Rehfeld

Der Zeitkristall: Grusel-Krimi

Frank Rehfeld | Der Zeitkristall: Grusel-Krimi

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Der Zeitkristall: Grusel-Krimi | Frank Rehfeld

Moor der Angst: Grusel-Krimi

Frank Rehfeld | Moor der Angst: Grusel-Krimi

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Moor der Angst: Grusel-Krimi | Frank Rehfeld

Der Fluch über dem Moor: Gruselroman Großband 3 Romane 7/2022

von Frank Rehfeld

Über diesen Band:

Dieser Band enthält folgende Romane von Frank rehfeld.

Der 300 Jahre alte Fluch

Der Zeitkristall

Moor der Angst

––––––––

Herbie Plunkett spürte einen entsetzlichen Schmerz, der seinen Kopf auseinanderzureißen schien. Er fuhr vom Stuhl auf und schaffte es nicht mal, sich zu erheben. Stöhnend sank er zurück. Die Hände preßte er an die Schläfen, doch das grauenvolle Weh konnte er nicht mildern. Nach wenigen Sekunden jedoch ebbte es von ganz allein ab. Ihm folgte eine Woge fremder, bösartiger Gedanken, die über ihm zusammenschlug. Sie löschte sein Bewußtsein aus. Herbie Plunkett arbeitete als Hausmeister in einem mehrstöckigen Gebäude in der Regent Street im Zentrum von London. Sein Beruf interessierte ihn jetzt nicht mehr, der Mann war anders geworden, und die fremden Gedanken hielten ihn in ihrem Bann. Herbie Plunkett wußte, was er zu tun hatte. Es gab keine Auflehnung gegen den Befehl, hölzern setzte er sich in Bewegung.

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© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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© dieser Ausgabe 2019 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

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Der 300 Jahre alte Fluch: Grusel-Krimi

Frank Rehfeld

Hoch aufgerichtet stand der Henker.

Sein Kopf steckte unter einer roten Kapuze, die nur zwei Schütze freiließ. Hinter denen funkelten dunkle Augen. Der Oberkörper war unbekleidet, und unter der Haut spielten mächtige Muskelpakete.

Die schwarze Hose wurde von einem breiten Gürtel gehalten, in dessen Schnalle ein Totenkopf eingraviert war.

Scheinbar aus dem Nichts setzte lauter Trommelwirbel ein. Langsam hob der Henker das gewaltige Beil. Vor ihm kniete ein junger Mann. Sein Kopf lag auf einem hölzernen Klotz. Wild riß er an den Ketten, die ihn zwangen, in dieser Stellung zu verharren. Ihre Enden waren jedoch fest im Boden verankert, so daß es ihm unmöglich war, sich zu befreien. Der Trommelwirbel brach ab. Im gleichen Moment schlug der Henker zu. »Neiinnn!«

Wild schlug Rolf Harker um sich und schrie. Es dauerte einige Zeit, bis er merkte, daß er nur die Matratze prügelte.

Ermattet ließ er sich aufs Kopfkissen fallen. Die Bettdecke lag neben dem Bett auf dem Boden, er mußte sie im Schlaf abgestreift haben. Sein Körper war schweißgebadet.

Nur langsam fand Harker in die Wirklichkeit zurück. Mit zitternden Fingern schaltete er die Nachttischlampe ein. Sein Blick durchforstete das Zimmer, aber da war weder etwas von einem Richtklotz, noch von einem Henker zu entdecken.

Gerade noch war er an den Klotz gekettet gewesen. Der Henker hatte zugeschlagen und...

Die quälenden Träume.

Sie peinigten ihn schon die vierte Nacht. Viermal schon hatte er sich sterben sehen. Jedes mal war er im Augenblick des vermeintlichen Todes schreiend aufgewacht.

Ein Blick auf die Armbanduhr zeigte ihm, daß es gerade eine Minute nach zwölf war. Genau wie in den anderen Nächten hatte er seinen Tod exakt um Mitternacht geträumt!

In der Nachttischschublade fand er ein noch halb gefülltes, zerknittertes Päckchen Zigaretten und ein Feuerzeug. Er zog ein Stäbchen hervor und zündete es an. Gierig inhalierte er den würzigen Rauch.

Nach einigen Zügen erhob er sich und trat ans Fenster. Weit riß er beide Flügel auf und starrte hinaus.

Der nächtliche Anblick Londons war für ihn immer noch faszinierend, obwohl er schon Jahre hier wohnte.

Dunkel hoben sich die Hochhäuser gegen den Himmel ab. Hinter vielen Fenstern brannte Licht.

Ein feiner Nieselregen ging auf die Stadt nieder. Die Wolken jagten am Himmel dahin, und von Zeit zu Zeit brach das silberne Licht des Mondes durch.

Die kühle Nachtluft trocknete Harkers erhitzten Körper. Unablässig kreisten seine Gedanken um die seltsamen Alpträume.

Sein Blick streifte eine leere Whiskyflasche, die halb unter das Bett gerollt war. Okay, er hatte gestern abend ordentlich einen gezwitschert. Aber damit waren die Träume in den vorangegangenen Nächten nicht zu erklären. Außerdem hatte er nur deshalb getrunken, weil die Alpträume seine Nerven strapazierten.

Er zuckte zusammen, als die Zigarettenglut seine Finger erreichte. In hohem Bogen warf er den Rest des Glimmstängels aus dem Fenster und beobachtete, wie er funkenstiebend durch die Luft segelte, bis er auf dem Boden des Hinterhofes aufschlug und dort erlosch.

Harker schloß das Fenster und legte sich zurück ins Bett. Seine Nerven waren jedoch zu aufgeputscht, als. daß er hätte einschlafen können.

Fast eine halbe Stunde lag er wach, bis er in einen unruhigen, diesmal jedoch traumlosen Schlaf fiel.

*

Harker erwachte früh am Morgen. Seine Uhr zeigte kurz vor sieben. Obwohl er sich immer noch müde und zerschlagen fühlte, wußte er, daß es keinen Zweck hatte, noch mal einschlafen zu wollen. Wenn er mal wach war, blieb er es auch.

Gähnend schwang er die Beine aus dem Bett und schlurfte ins Badezimmer. Nach der Morgentoilette bereitete er sich in der Küche das Frühstück. Kaffee und Toast mit Konfitüre, dazu rauchte er eine Zigarette. Durch die offene Tür zu seinem Arbeitszimmer warf er einen Blick auf die Schreibmaschine, die seinen Schreibtisch belagerte.

Harker war Schriftsteller. Über den Erfolg seiner Arbeit konnte er sich nicht beklagen. Nachdem seine Werke jahrelang von den Verlagen abgelehnt worden waren, konnte er unlängst zwei Romane veröffentlichen, die ihn zwar nicht gerade reich machten, ihm aber ein von finanziellem Druck unabhängiges Künstlerleben ermöglichten. Zudem schrieb er nebenbei noch Kurzgeschichten und Literaturkritiken für verschiedene Tageszeitungen. Sein neuestes Werk sollte jedoch seine bisherigen Arbeiten weit in den Schatten stellen. Doch seitdem die nächtlichen Alpträume ihn quälten, kam er mit dem Manuskript nicht mehr voran.

Seufzend trank er den letzten Schluck Kaffee und räumte das Geschirr ins Spülbecken. Er bemühte sich krampfhaft, den Gedanken an die Träume zu unterdrücken, aber die damit verbundenen Fragen brachen immer wieder in ihm durch. Das Schlimmste war, daß er keine Erklärung fand.

Schließlich hatte er das Gefühl, als würden ihn die Wände erdrücken. Er mußte unbedingt an die frische Luft. Entschlossen schnappte er eine Jacke und verließ die Wohnung.

Ziellos wanderte Harker durch die Stadt. Auf seine Umgebung achtete er kaum, so tief schien er in Gedanken versunken. Mehrfach wäre er fast zur Galionsfigur vorbeifahrender Wagen geworden. Nur lautes Hupen ließ ihn im letzten Moment ausweichen.

Immer wieder sah er die grausame Szene der letzten Nacht vor sich. Der Henker, seine vergeblichen Versuche, sich zu befreien, und schließlich das herab sausende Beil hielten ihn in ihrem Bann.

In Gedanken versunken fischte Rolf Harker eine Zigarettenpackung aus der Jackentasche und steckte sich ein Stäbchen zwischen die Lippen. Nach einem Feuerzeug suchte er jedoch vergeblich. Er mußte es zu Hause gelassen haben.

»Mist«, murmelte er.

Harker blickte sich um. Er befand sich in einer kaum belebten Seitenstraße. Lediglich ein älterer Mann kam ihm entgegen. Er ging gebeugt und hatte die Hände tief in den Manteltaschen vergraben. Den Hut hatte er auf die Stirn gezogen.

Harker steuerte den Mann an und blieb vor ihm stehen.

»Entschuldigung, haben Sie vielleicht Feuer?« bat er.

Langsam hob der Mann den Kopf, bis Rolf Harker in sein Gesicht sehen konnte.

Eine bleiche Skelettfratze grinste ihn an!

*

Claudia Patton arbeitete als Sekretärin in einer Privatdetektei. Früher war sie mal Schauspielerin gewesen, aber die Begegnung mit einem Dämon hatte sie aus der Bahn geworfen. Das lag schon Monate zurück. Damals hatte ein junger Privatdetektiv sie gerettet.

In diesen Mark Strange hatte sie sich verliebt. Auch ihn hatte das gräßliche Erlebnis verändert, denn seit dieser Zeit kämpfte er gegen die Mächte der Hölle, wo er sie traf. Als Sekretärin unterstützte Claudia Patton ihn dabei.

Heute war sie fünfundzwanzig. Aus diesem Grund hatte sie einige Bekannte eingeladen.

Es ging bereits auf Mitternacht zu, und die Stimmung erreichte ihren Höhepunkt. Aus der Stereoanlage klangen Songs von Johnny Cash. Einige Paare tanzten.

Schade, daß Mark nicht hier ist, dachte sie. Aber er hatte einen Auftrag übernommen, der ihn nach Schottland führte.

Claudias Blick fiel auf eine alte Jugendliebe. Rolf Harker hieß der Mann. Er saß abseits von den übrigen Gästen und starrte trübsinnig vor sich hin.

»Hallo, Rolf«, sprach sie ihn an und setzte sich zu ihm.

Der Angesprochene schrak aus seinen Gedanken auf.

»Tut mir leid, ich habe gerade an etwas denken müssen«, entschuldigte er sich.

Claudia Patton hatte den jungen Mann lange nicht mehr gesehen, und da sie ihn gern wiedertreffen wollte, hatte sie ihn zu der Party eingeladen.

Bis auf eine kurze Begrüßung am Anfang hatte sie jedoch noch keine Gelegenheit gefunden, sich mit ihm zu unterhalten.

Rolf Harker hatte dicht gelockte braune Haare. Sein Gesicht war feingeschnitten und wirkte etwas weichlich. Claudia wußte jedoch, daß eine gehörige Portion Willensstärke in ihm steckte.

Schwarze Ringe hatten sich unter seinen Augen gebildet. Er kapselte sich den ganzen Abend schon von den anderen Gästen ab. Claudia kannte ihn gut genug, um ihm anzumerken, daß er Probleme hatte.

»Du hast vor kurzem zwei Romane veröffentlicht, habe ich gehört«, sagte sie, um ein Gespräch zu beginnen.

»Ja«, erwiderte er einsilbig.

Die Gastgeberin entschloß sich, nicht lange um den heißen Brei herumzureden.

»Was ist los mit dir, Rolf? Selbst ein Blinder mit Krückstock fühlt, daß dir etwas nicht behagt.«

»Ich weiß nicht recht, ob ich davon erzählen soll. Du würdest mich für verrückt halten. Sag mal, stimmt es eigentlich, was man sich über deinen neuen Freund erzählt?«, fragte er wie beiläufig.

Claudia Pattons Gesicht verdunkelte sich unmerklich. »Was erzählt man sich denn über ihn?«

»Nun, er soll Geister und Dämonen jagen. Vor einiger Zeit stand ein Artikel in der Zeitung.«

Sie lachte, aber es war gekünstelt.

»Ach, du meinst den Artikel in diesem Klatschblatt. Da ist manches aufgebauscht worden. Du nimmst das doch nicht etwa ernst?«

»Ich weiß nicht so recht. Ich frage nicht ohne Grund.«

Forschend blickte sie ihm in die Augen. Ob er auf etwas gestoßen war, das in Marks Spezialgebiet fiel? Sie entschloß sich, mit offenen Karten zu spielen, ohne zu viel zu verraten.

»Du hast recht«, erklärte Claudia. »Mark beschäftigt sich etwas mit Parapsychologie, die ja mittlerweile anerkannte Wissenschaft ist, auch wenn sie von einigen Gelehrten immer noch mitleidig belächelt wird.«

Rolf Harker schien erleichtert und erzählte, was ihm passiert war. Er berichtete von den Alpträumen, daß er zuerst geträumt hatte, er würde erhängt. In der folgenden Nacht sah er sich auf einem Scheiterhaufen verbrennen. In der vorletzten Nacht hatte er geträumt, in einer eisernen Jungfrau hingerichtet zu werden. Auch den Traum von dem Henker, der ihn in der vergangenen Nacht um Mitternacht im Traum geköpft hatte, fügte er hinzu.

Er bemerkte Claudia Pattons zweifelndes Gesicht und fuhr rasch fort.

»Das ist aber noch nicht alles. Heute vormittag ging ich spazieren. Ich wollte mir eine Zigarette anzünden, hatte aber kein Feuerzeug dabei. Deshalb sprach ich einen Passanten an. Als der Mann aufblickte, starrte mich ein gräßlicher Totenkopf an! Ich wollte schreien, bekam aber keinen Ton heraus.«

»Und was geschah dann?«

»Nichts weiter. Einen Augenblick später war der Totenkopf verschwunden, und ich sah in das ganze gewöhnliche Gesicht eines alten Mannes. Wie von Furien gehetzt bin ich nach Hause gerannt. Eigentlich wollte ich überhaupt nicht kommen, aber dann sagte ich mir, daß ein bißchen Abwechslung vielleicht gar nicht so schlecht wäre. Nun, was hältst du von der Geschichte?«

Gespannt hatte Claudia Rolfs Schilderungen zugehört.

»Ich weiß nicht so recht«, begann sie. »Natürlich ist die Sache sonderbar, aber könnte es nicht sein, daß du einfach überarbeitet bist und dir das Ganze nur eingebildet hast?«

Harker schüttelte den Kopf.

»Im Gegenteil! Seit das mit den Träumen passiert, bin ich mit den Nerven so herunter, daß ich nicht mehr richtig arbeiten kann. Von Arbeitsstreß also keine Rede.«

»Nun, es wird sicher eine andere Erklärung geben. Ich glaube nicht, daß übernatürliche Kräfte dahinterstecken. Du solltest mal gründlich ausspannen. Im Augenblick kann ich dir keinen anderen Rat geben.«

»Ich bin schon froh, daß du mir überhaupt zugehört und mich nicht ausgelacht hast.«

Er erhob sich.

»Ich werde jetzt erst mal einen Gang antreten, den selbst Monarchen zu Fuß beschreiten.«

Claudia mußte lachen, während er sich umwandte und den Raum verließ. Er betrat die Diele. Seltsamerweise brannte hier kein Licht. Seine Hand fand den Schalter und drückte ihn herunter.

Es blieb dunkel...

Deshalb also brannte kein Licht, dachte er. Die Birne mußte durchgebrannt sein. Er beschloß, Claudia bei der Rückkehr darauf aufmerksam zu machen. Er kannte sich gut genug aus, um den Weg auch im Dunkeln zu finden.

Als. er ein leises Knacken hinter sich hörte, erschrak er. Es war jedoch nur die Tür zum Wohnraum, die ins Schloß

gefallen war. Harkers Nerven waren in den letzten Tagen wirklich nicht mehr die besten.

Er drehte sich erneut um - und erstarrte.

Im nächsten Moment gellte sein Schrei durch die Wohnung.

*

Claudia Patton fuhr aus dem Sessel hoch, als sie den Schrei hörte. Verwundert registrierte sie, daß sonst kein Gast reagierte. Es schien, als habe die junge Frau allein den Schrei vernommen. Er stammte zweifellos von Rolf Harker.

Sie huschte zur Dielentür und öffnete. Mit einem Blick erfaßte sie sowohl ihren ehemaligen Freund, der kreidebleich an einer Wand lehnte und die Arme abwehrend vorstreckte, als auch das, was ihn so erschreckt hatte...

Es handelte sich um drei milchig leuchtende Schemen. Obwohl ihre Umrisse nur unscharf zu erkennen waren, registrierte sie doch, daß es sich um zwei Frauen und einen Mann handelte.

Aber es waren keine normalen Menschen, sondern Geister! Obwohl sie ihre früheren Hexenkräfte verloren hatte, war sie für die Ausstrahlung von dämonischen Wesen empfänglich geworden. Sofort spürte sie die schwarzmagischen Schwingungen, die von den Schemen ausgingen.

Sie drückte auf den Lichtschalter, aber es blieb dunkel. An einen technischen Defekt glaubte sie nicht. Dafür waren die Schemen verantwortlich.

Eine der Gestalten streckte den Arm aus und winkte Harker mit knochigen Fingern. Der Widerstand des Schriftstellers schmolz. Mit unsicheren Schritten stakste er auf die Schemen zu.

Das aber wollte Claudia Patton nicht zulassen. Seit sie geläutert war, trug sie immer ein silbernes Kruzifix um den Hals, um sich gegen die Mächte der Finsternis zu schützen. Jetzt nahm sie die Kette ab.

Sie trat auf Harker zu und preßte ihm das geweihte Symbol auf die Stirn.

Normalerweise hätte er daraufhin aus dem Bann erwachen müssen, aber hier versagte das Kruzifix. Wie in Trance ging Harker weiter. Nur noch wenige Schritte trennten ihn von den Schemen.

Claudia Patton sah keine andere Möglichkeit, als ihn mit einem wohldosierten Handkantenschlag ins Reich der Träume zu schicken. Ohne einen Laut brach Harker zusammen.

An seiner Stelle näherte sie sich den Schemen.

Sie versuchte, die erste Gestalt mit dem Kruzifix zu berühren - und griff hindurch!

Die Gestalt war nicht stofflich, und das Kruzifix beeindruckte sie nicht im geringsten. Es blieb völlig wirkungslos.

Das hatte Claudia noch nie erlebt. Zwar mochten mächtige Dämonen der Kraft des Symbols zu widerstehen, aber es war ihnen zumindest unangenehm.

Die Schemen waren jedoch völlig immun dagegen!

Sie stießen ein gellendes Gelächter aus und lösten sich von einem Augenblick zum anderen auf.

*

Fassungslos hängte sich Claudia Patton die Kette wieder um den Hals. Dann beugte sie sich zu dem bewußtlosen Rolf Harker hinunter. Mit leichten Ohrfeigen weckte sie ihn aus der Ohnmacht.

Stöhnend richtete sich der Schriftsteller auf und blickte benommen in die Gegend.

»Die Gespenster...«, hauchte er.

»Alles wieder in Ordnung«, beruhigte Claudia ihn und half ihm aufzustehen. »Tut mir leid, aber ich mußte dich niederschlagen.«

»Schon okay. Ich hoffe, du glaubst mir jetzt. Können wir uns irgendwo in

Ruhe unterhalten?«

Claudia nickte. Küche und Wohnraum wurden von den Gästen mit Beschlag belegt, und in der Diele wollte sie auch nicht stehenbleiben.

Sie führte ihn in ihr Schlafzimmer. Dort stand auch ein kleiner Tisch mit zwei Sesseln, wo sie sich niederließen.

Die junge Frau verließ das Zimmer kurz und kehrte mit einem Glas Whisky in der Hand zurück.

»Hier, trink das auf den Schreck.«

Sie reichte Harker das Glas, der es mit zitternden Fingern in Empfang nahm. Etwas von der Flüssigkeit schwappte über.

Tropfen fielen auf den Teppich, der sofort begann, Blasen zu werfen. Rauch stieg auf.

»Säure!« stieß Claudia Patton hervor.

Harker war so erschrocken, daß das Glas seiner Hand entglitt. Es zerschellte an der Tischkante, und die Flüssigkeit fraß sich in Sekundenschnelle in die Holzplatte.

Harker brachte nur ein Gurgeln über die Lippen und begann haltlos zu schluchzen. Claudia legte ihm die Hand auf die Schulter und redete beruhigend auf ihn ein.

Nach einigen Minuten hatte er sich soweit erholt, daß er sprechen konnte.

»Ich halte das nicht mehr aus«, sagte Harker. »Was soll das alles? Was sind das für Kräfte, die Whisky in Säure verwandeln können?«

Claudia entschloß sich, mit offenen Karten zu spielen. Sie erzählte von ihrem Leben als Hexe und berichtete, was sie über die Mächte der Finsternis wußte.

Mit ungläubigem Gesicht lauschte Rolf Harker ihr. Stumm blickte er auf die zerstörte Tischplatte, als sie geendet hatte.

»Auch bei den Schemen handelt es sich um schwarze Magie«, fuhr sie nach einer kurzen Pause fort. »Aber sie waren nicht stofflich. Außerdem haben sie auf mein Kruzifix nicht reagiert, deshalb nehme ich an, daß es sich nur um Trugbilder handelte. Sie hätten dir nicht gefährlich werden können, sondern sollten wohl nur eine weitere psychische Attacke sein. Dafür war die Säure ein handfester Angriff auf dein Leben.3Das zeigt, daß die Zeit der harmlosen psychischen Spielereien vorbei ist.«

»Kennst du eine Möglichkeit, um mich vor ähnlichen Angriffen zu schützen?« erkundigte sich Rolf hoffnungsvoll.

Claudia schüttelte den Kopf.

»Im Augenblick bin ich genauso hilflos wie du.«

Sie erhob sich und öffnete eine Schublade, der sie ein weiteres Kruzifix entnahm, das sie dem Schriftsteller in die Hand drückte.

»Hier, vielleicht kann dir das helfen. Zwar war es gegen die Trugbilder machtlos, aber einer konkreten Gefahr kannst du damit vielleicht begegnen.«

Rolf Harker begriff sofort.

»Du meinst, diese Erscheinungen würden sich verstofflichen?«

Sie nickte.

»Ich fürchte, das wird geschehen.«

*

Claudia Patton und Rolf Harker mischten sich kurze Zeit später wieder unter die Gäste. Während der Schriftsteller sich weiterhin abkapselte und versuchte, mit seinen Gedanken ins Reine zu kommen, versuchte sie, sich nichts anmerken zu lassen. Sie scherzte und lachte, aber auch ihre Gedanken kreisten unaufhörlich um die Gefahr, die sich über ihrem Ex-Freund zusammenbraute.

Gegen ein Uhr komplimentierte sie die Gäste freundlich, aber bestimmt hinaus.

Schließlich blieb nur noch Rolf Harker übrig.

»Es ist zu gefährlich, wenn du allein in deiner Wohnung übernachtest. Wenn du willst, kannst du gern hierbleiben«, bot sie an.

Dankend nahm er das Angebot an.

»Ich möchte dich nur nicht in die Geschichte mit hineinziehen. Vielleicht richten sich die Angriffe auch gegen dich, wenn du mir hilfst«, gab er zu bedenken.

Claudia winkte resolut ab.

»Selbst wenn. Mark hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Dämonen zu bekämpfen, wo er sie trifft, und ich helfe ihm dabei. Nicht zuletzt aufgrund meiner eigenen leidvollen Erfahrung mit den Mächten der Hölle versuche ich jedem Bedrängten zu helfen. Immerhin habe ich für diesen Kampf mittlerweile Erfahrungen sammeln können und bin nicht ganz hilflos.«

»Was hast du vor?«

»Ich werde erst mal die Wohnung gegen magische Angriffe sichern.«

Sie gingen ins Schlafzimmer. Aus der gleichen Schublade, aus der sie zuvor das Kruzifix geholt hatte, nahm sie ein Stück Kreide.

»Das ist eine ganz besondere Kreide«, erklärte Claudia. »Sie wurde aus verschiedenen Fetten und magischen Ingredienzen hergestellt, außerdem einer Beschwörung unterzogen.«

Sie trat ans Fenster und malte seltsame Zeichen auf die Scheibe. Rolf erkannte ein Kreuz und einen Drudenfuß, die anderen Symbole waren ihm fremd.

Ebenso behandelte sie auch die übrigen Fenster und die Wohnungstür. Anschließend kehrten sie in den Wohnraum zurück. Sie entzündete eine Kerze und löschte das elektrische Licht.

»Setz dich jetzt hin und stör' mich auf keinen Fall«, befahl sie mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete. Rolf ließ sich auf einem Sessel nieder und beobachtete, wie sie sich im Schneidersitz auf den Boden setzte.

Die Kerze stellte sie vor sich und begann mit den Händen seltsame Bewegungen in der Luft zu vollführen. Dazu sprach sie Worte in einer Sprache, die er noch nie gehört hatte.

Nach wenigen Minuten erhob sie sich wieder, schaltete das Licht an und löschte die Kerze.

»Über der Wohnung liegt jetzt ein starker weißmagischer Bann«, erklärte sie. »Er müßte es jedem Dämon unmöglich machen einzudringen. Und selbst wenn es ihm gelingt, so wird er an der Sperre eine Weile zu knacken haben. Das werde ich sofort merken. Wir können also relativ ruhig schlafen gehen.«

Rolf verstand zwar nichts von Magie, aber er glaubte ihr. Es war seltsam, noch vor Tagen hätte er jeden ausgelacht, der ihm etwas von Dämonen erzählt hätte, und nun nahm er ihre Existenz wie selbstverständlich hin.

In diesen wenigen Tagen hatte sich sein Weltbild völlig revolutioniert, aber von seinen Nerven mal abgesehen, schien er diese Veränderung unbeschadet überstanden zu haben. Andere hätten vielleicht längst den Verstand verloren.

Mit einem mal bemerkte er, wie müde er war. Kein Wunder, nach dem wenigen Schlaf der letzten Tage. Hier fühlte er sich erstmals wieder sicher und geborgen.

Claudia klappte im Wohnraum eine Couch herunter und brachte ihm einen Schlafsack. Kaum, daß Rolf Harker sich hingelegt hatte, schlief er auch schon ein.

Auch Claudia Patton beschloß, sich hinzulegen. Die unheimlichen Kräfte, die Harker bedrohten, würden sicher nicht so einfach aufgeben. Die nächsten Tage konnten noch Überraschungen bringen. Da war es wichtig, daß sie fit und ausgeruht war.

Allerdings gestaltete sich das Einschlafen nicht so einfach. Ihre Nerven waren viel zu aufgeputscht, um sofort zur Ruhe zu kommen. Lange Zeit lag sie noch wach, bis sie schließlich in einen unruhigen Schlummer fiel.

Ihr Schlaf wurde von Alpträumen begleitet. Sie mündeten darin, daß sie sich schließlich in einem alten, von halbverfallenen Mauern umrahmten Schloßhof befand.

Sie wollte sich bewegen, mußte aber entsetzt feststellen, daß das unmöglich war. Sie war an einen Pfahl gefesselt. Unter ihren Füßen befand sich ein Haufen Reisig.

Sie wußte sofort, was das bedeutete.

Früher waren Hexen verbrannt worden, und genau das schien man mit ihr vorzuhaben. Aber wer war »man«?

Eine Gestalt näherte sich ihr. Sie war in eine bodenlange, dunkelbraune Kutte gehüllt und hielt den Kopf gesenkt, so daß Claudia ihr Gesicht nicht sehen konnte.

In der Hand hielt die Gestalt eine brennende Fackel.

Wild bäumte Claudia sich auf, aber sie konnte sich nicht befreien. Die Fesseln saßen zu fest. Hilflos mußte sie mitansehen, wie die Gestalt die Fackel an das Reisig hielt, das sich sofort entzündete, worauf sie sich zurückzog und plötzlich verschwunden war.

Noch bevor das Feuer sie erreichte, spürte Claudia Patton die aufsteigenden Rauchschwaden, die sich schwer auf ihre Lungen legten.

Sie bekam keine Luft mehr, dafür konnte sie sich wieder bewegen. Weit riß sie die Augen auf, und ihr wurde bewußt, daß sie nur geträumt hatte.

Aber das Gefühl, ersticken zu müssen, blieb.

Ihre Hände fuhren an den Hals, und sie fühlte das Tuch, das sich darum gewunden hatte.

Sie versuchte, mit den Fingern zwischen Haut und Tuch zu gelangen und es fortzureißen.

Zwar konnte sie das Tuch packen, aber es gelang ihr nicht, es wegzureißen. Es schien ein regelrechtes Eigenleben zu führen und zog sich nur noch fester zusammen. Nun konnte sie überhaupt nicht mehr atmen.

Panik überflutete sie, aber sie zwang sich zur Ruhe. Jetzt mußte sie einen klaren Kopf bewahren.

Claudia schaltete ihre Nachttischlampe an und sprang aus dem Bett.

In einer Schublade ihrer Kommode wußte sie eine Schere, mit der sie gestern noch Modetipps aus Illustrierten ausgeschnitten hatte.

Sie öffnete die Schublade. Irgendwo zwischen den Zeitungen mußte die Schere liegen. Eine Illustrierte nach der anderen riß sie heraus und schleuderte sie zu Boden, bis sie endlich die Schere entdeckte.

Obwohl mittlerweile schon rote Punkte vor ihren Augen tanzten, schob sie eine Schneide vorsichtig unter das Tuch und zerschnitt es.

Gierig sog sie die frische Luft in ihre schmerzenden Lungen.

Das Tuch war zu Boden geflattert, und sie hob es auf. Es war ein Taschentuch, das sie unter ihrem Kopfkissen aufbewahrt hatte.

Von allein konnte es sich unmöglich so fest um ihren Hals gewickelt haben. Nein, Claudia Patton war klar, daß dies ein Angriff schwarzer Magie gewesen war!

Also nutzten alle Vorkehrungen nichts. Der Bann, den sie um die Wohnung gelegt hatte, war ebenso nutzlos, wie die magischen Symbole an Fenstern und Türen.

Wenn sie wenigstens wüßte, wer ihr Gegner war...

Außerdem hatte der Angriff gezeigt, daß der geheimnisvolle Unbekannte es nicht nur auf Rolf Harker abgesehen hatte. Dadurch, daß sie ihm half, hatte sie sich ebenfalls den Haß des Dämons zugezogen.

Claudia beschloß, nach Rolf zu sehen. Wenn der Bann sie nicht hatte schützen können, war der junge Schriftsteller mindestens ebenso gefährdet.

Sie warf sich einen Morgenmantel über und trat ins Wohnzimmer. Erst als sie Rolf Harker friedlich auf der Couch schlafen sah, atmete sie erleichtert auf.

Mit einem mal wußte sie, was sie zu tun hatte.

Sie huschte in die Küche. An einem Brett über dem Herd hingen mehrere verschieden lange Messer. Sie wählte das größte und kehrte damit in den Wohnraum zurück.

Mit dem Daumen prüfte sie kurz die Schärfe der Klinge und lächelte zufrieden. Ja, sie war scharf genug, um ihren Zweck zu erfüllen.

Lautlos trat die junge Frau an die Couch, und hob den Arm mit dem Messer. Durch die offene Tür fiel Licht herein. Es ließ die Klinge silbern blitzen.

Fasziniert betrachtete Claudia Patton das Metall. Gleich würde die Klinge sich rot verfärben. Ihre Hand zitterte.

Etwas in ihr wehrte sich gegen ihr Vorhaben. Sie versuchte, es zu unterdrücken, doch der Widerstand war stark.

Claudia focht einen lautlosen Kampf mit sich selbst. Der Wunsch, Rolf Harker zu töten, wurde übermächtig, aber gleichzeitig verstärkte sich auch ihre Abscheu.

Sie taumelte unter dem Ansturm gegensätzlicher Empfindungen.

Langsam öffnete sich ihre Hand, und das Messer rutschte zwischen ihren Fingern durch. Mit der flachen Seite fiel es auf den Schlafsack.

Die leichte Berührung riß Rolf aus dem Schlaf. Sofort war er hellwach, fuhr hoch und sah sich um.

Sein Blick fiel auf das Messer und dann auf die-Gestalt, deren Silhouette sich vor dem helleren Hintergrund abhob.

Sein Mund öffnete sich zum Schrei, da erkannte er, um wen es sich handelte.

»Claudia, was...«

Sie wankte und brach ohnmächtig zusammen. Rolf schlüpfte aus dem Schlafsack und beugte sich über sie.

Er schrak zurück, als er sah, daß ihr Gesicht zu einer Fratze wilden Schmerzes wurde.

Sofort begriff er, daß ihr Bann nichts geholfen hatte. Und ihm wurde auch bewußt, daß er jetzt, nachdem sie bewußtlos war, der Gefahr allein gegenüberstand.

*

Schwer ballten sich am Himmel die Wolken, und es sah nach Regen aus.

Trotz dieses Wetters war Mark Strange in bester Stimmung. Die Heizung des knallroten Triumph Spitfire erfüllte die Fahrerkabine mit angenehmer Wärme.

Außerdem hatte er allen Grund, stolz auf sich zu sein. Erst vor wenigen Tagen hatte er einen gefährlichen Dämon unschädlich gemacht, der einen ganzen Ort in seine Gewalt gebracht hatte. Nur ein Siegelring war von dem Vampirfürsten Faran übrig geblieben, und den hatte der Detektiv in der Jackentasche verstaut.

Zwar lag noch eine lange Fahrt vor ihm, aber er freute sich schon jetzt auf das Wiedersehen mit Claudia Patton, seiner Assistentin und Geliebten.

Schade nur, daß die normalerweise sehr reizvolle schottische Landschaft bei diesem Wetter alles von ihrer Schönheit verlor.

Verkehr gab es so gut wie keinen. Leer lag die Landstraße vor ihm. In unregelmäßigen Abständen standen Bäume am Straßenrand, deren Kronen vom Wind geschüttelt wurden.

Mark schaltete das, Autoradio an. Tanzmusik drang aus den Boxen. Vergnügt pfiff Strange einen aktuellen Schlager.

Seine Aufmerksamkeit wurde von einem einsam am Straßenrand parkenden Mini-Cooper angezogen. Neben dem dunkelgrünen Wagen stand eine Gestalt und winkte.

Als er näher heran war, erkannte er, daß es sich um eine junge Frau handelte. Sie war in einen langen Steppmantel gehüllt, unter dem verwaschene Jeans und Stulpenstiefel aus Wildleder hervorragten. Ihre langen, dunkelbraunen Haare wurden vom Wind zerzaust.

Mark Strange stoppte seinen Wagen hinter dem Mini-Cooper und öffnete die Beifahrertür.

»Kann ich Ihnen helfen?« erkundigte er sich.

»Ja, irgend etwas stimmt mit meinem Wagen nicht. Ich wollte ihn schon vor einigen Tagen in die Werkstatt bringen, habe es aber immer wieder verzögert, und jetzt ist es endgültig aus. Können Sie mich bis Marltrop mitnehmen? Es sind nur ein paar Kilometer.«

»In Ordnung, steigen Sie ein.«

Die junge Frau nahm auf dem Beifahrersitz Platz. Ihre dunklen Augen strahlten ihn dankbar ah.

»Das ist nett von Ihnen. Ich heiße übrigens Cindy.«

»Mark. Sie haben Glück, daß ich gerade vorbeikam, es fängt an zu regnen.«

Tatsächlich fielen in diesem Augenblick die ersten Tropfen. Mark Strange betrachtete seinen Passagier genauer.

Die Frau an seiner Seite war wirklich hübsch. Er schätzte sie auf Mitte bis Ende zwanzig. Ihre Nase war klassisch gerade, und die Mundwinkel zierten zwei Grübchen.

Irgend etwas kam ihm an seiner Beifahrerin bekannt vor, aber er war sicher, sie noch nicht kennengelernt zu haben. Wahrscheinlich war es nicht mehr als eine Ähnlichkeit mit jemandem, den er kannte.

»Sie stammen aus London, nicht wahr? Ich habe es am Nummernschild erkannt. Ich lebe auch dort.«

Strange horchte auf. Vielleicht hatte er sie doch schon mal gesehen... An hübsche Gesichter erinnerte er sich meistens gut, auch wenn er sie nur kurz im Vorübergehen gesehen hatte.

»Was verschlägt Sie denn in diese Gegend?« erkundigte er sich.

»Ich verbringe hier einige Wochen Urlaub bei meinen Eltern. Sie wohnen in Marltrop. Und was machen Sie hier?«

»Ich hatte geschäftlich in Schottland zu tun.«

»Nach einem trockenen Geschäftsmann sehen Sie aber nicht aus. Sagen Sie nur noch, Sie wären Vertreter oder so etwas ähnliches...«

Mark Strange mußte lachen.

»Nein, das nicht gerade.«

Er überlegte, ob er von seinem Beruf erzählen sollte, und kam zu dem Schluß, daß es eigentlich nicht schaden könnte. Von Dämonen brauchte er ja nichts zu erwähnen.

»Ich bin Privatdetektiv.«

»Das paßt schon eher zu Ihnen. Bestimmt ist der Job nicht ungefährlich. Wollte Ihnen schon mal so richtig einer an den Kragen?«

Mark lachte erneut. In der Tat waren die Mächte der Hölle nicht gerade gut auf ihn zu sprechen, aber das brauchte er ihr ja nicht auf die Nase zu binden.

»Sie sehen zu viele Krimis«, entgegnete er. »Die Wirklichkeit sieht etwas anders aus. Meistens beschatte ich nur Ehemänner, deren Frauen meinen, sie hätten eine Geliebte oder ähnliche Fälle. Gefährlich ist es höchstens andersherum.«

»Wieso denn das?« fragte sie erstaunt.

»Weil die Frauen mich dann verführen wollen, wenn ich Ihnen auf die Schliche gekommen bin.«

Es dauerte einen Augenblick, bis sie merkte, daß er sie nur auf den Arm nahm. Dann mußte sie allerdings auch lachen.

»Wissen Sie übrigens, daß Sie Clint Eastwood unheimlich ähnlich sehen?« fragte sie nach einer Weile.

»Da sind Sie nicht die erste, die das findet. Einige Leute wollten sogar schon Autogramme von mir haben.«

Ihre Stimme veränderte sich mit einem Mal. Sie klang nun hart und gefühllos.

»Damit werden Sie in Zukunft keine Probleme mehr haben!«

Im gleichen Moment warf sie sich über ihn und riß das Lenkrad zur Seite.

Der Wagen geriet ins Schleudern. Mark Strange, der auf diesen unerwarteten Angriff nicht vorbereitet war, reagierte sofort.

Er bremste und stieß sie mit aller Kraft zurück. Durch den Regen war die Straße eine Rutschbahn, dennoch gelang es ihm, den Spitfire wieder unter Kontrolle zu bringen.

»Sind Sie verrückt geworden? Sie hätten uns umbringen können!« stieß er hervor.

Durch seinen Stoß waren ihre Haare verrutscht. Einige blonde Strähnen waren mit einem mal zu sehen...

Eine Perücke, schoß es ihm durch den Kopf. Mit einem Ruck riß er Cindy die künstliche Haarpracht vom Kopf. Kurzgeschnittenes Blondhaar kam darunter zum Vorschein.

Cindys Augen Veränderten sich. Sie strahlten mit einem mal wie in blutigem Rot. Die Frau fauchte und warf sich erneut auf ihn.

Ihre Hände griffen nach seiner Kehle.

Mit entsetzlicher Deutlichkeit fraß sich die Erkenntnis in Marks Bewußtsein, daß er eine Hexe vor sich hatte. Er wußte nun auch, woher ihm ihr Gesicht bekannt war.

Sie war eine der beiden Frauen, die außer Claudia Patton scheinbar vom Einfluß Astargals gerettet werden konnten. Vor einigen Wochen hatte er diesen mächtigen Dämon zur Strecke gebracht, der mit einer kleinen Armee von Hexen versucht hatte, die Herrschaft über die Themsestadt an sich zu reißen.

Er erinnerte sich jetzt auch wieder an ihren vollständigen Namen: Cindy Porter.

Obwohl er sich in der engen Fahrerkabine nicht richtig bewegen konnte, gelang es Mark, auch ihren zweiten Angriff abzuwehren. Er öffnete die Tür und sprang aus dem Wagen.

Auch sie stieg aus.

»Ich nehme an, du weißt mittlerweile, wer ich bin«, stieß sie zischend hervor. »Ja, ich habe Astargal gedient, aber ich wurde nicht dazu gezwungen, sondern habe es freiwillig getan. Daran konnte auch sein Tod nichts ändern. Zwar habe ich meine Kräfte damals verloren, deshalb habe ich mich verstellt, aber nun bin ich eine neue höllische Allianz eingegangen. Ich werde dich töten, Strange, dich und deine kleine Freundin, die uns verraten hat!«

Von einer Sekunde zur anderen löste sie sich auf. Keine Spur blieb von ihr zurück...

In Marks Kopf überschlugen sich die Gedanken. Eines aber war klar: die Hexe würde nicht eher ruhen, bis sie ihr Versprechen eingelöst hatte.

Unter diesen Umständen verschob Mark Strange den Gedanken an London. Er würde sich dieses Marltrop zumindest mal ansehen. Vielleicht fand er dort eine Spur der Hexe.

Selbst aktiv zu werden war in jedem Fall besser als abzuwarten, bis sie zuschlug.

Wie tief er bereits in ein dämonisches Netz verwoben war, ahnte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

*

Rolf Harker schüttelte Claudia Patton heftig durch, ohne sie dadurch aus der Ohnmacht wecken zu können. Auch einige Ohrfeigen nützten nichts.

Von Zeit zu Zeit stöhnte sie auf und zuckte zusammen. Rolf ahnte, daß sie innere Qualen litt.

Er gab seine nutzlosen Versuche auf, sie aus der Ohnmacht zu reißen. Hier wirkten Kräfte, gegen die er nicht ankam.

Ein leises Kichern schreckte ihn auf.

Er entdeckte wieder die drei milchigen Schemen. Sie schwebten durch die Tür herein.

Schritt für Schritt wich Rolf zurück. Mit zitternden Händen riß er das Kruzifix aus der Tasche und streckte es ihnen entgegen.

Ein erneutes Kichern war die einzige Antwort. Aufhalten ließen sich die Schemen nicht. Unbeirrt schwebten sie weiter auf ihn zu.

In seinem Rücken fühlte Rolf Harker mit einem mal die Wand.

Die Schemen teilten sich und rückten nun von verschiedenen Seiten auf ihn zu. Schon waren sie nur noch wenige Schritte von ihm entfernt.

Da platzte in Rolf Harker eine Sicherung. Flucht, das war alles woran er noch denken konnte.

Außerdem - hatte Claudia ihm nicht gesagt, die Schemen wären nicht stofflich?

Er dachte nicht mehr länger nach, sondern rannte einfach los.

Eine der Frauen streckte ihm die Arme entgegen. Rolf konnte nicht mehr bremsen, selbst wenn er es gewollt hätte.

Er rannte einfach durch die Arme hindurch, als wären sie nicht vorhanden.

Rolf durchquerte die Diele und riß die Wohnungstür auf. . Nur weg von hier, hämmerte es in seinem Schädel. Weg von diesem gräßlich Alptraum!

Claudia Patton wohnte im vierten Stock eines Hochhauses. Die Treppe bestand aus Stein. Rolf Harker jagte über die Stufen, übersprang manchmal halbe Absätze, kam ins Taumeln, fing sich jedoch wieder und rannte weiter.

Doch die Schemen verfolgten ihn, und sie waren nicht langsamer als er. Rolf bemerkte es, als er den Kopf kurz umwandte.

Ihre materielose Gestalt gestattete es ihnen, einfach senkrecht durch das Geländer zu schweben. Sie befanden sich fast auf gleicher Höhe mit ihm.

Fast hätte er die Haustür verpaßt und wäre noch ein Stockwerk tiefer in den Keller gelaufen.

Er bremste abrupt und ging ein paar Schritte zurück. Kraftvoll riß er die Tür auf.

Er sah sich einer grauenhaften Alptraumwelt gegenüber.

Ein widerliches Wesen umhüllte das gegenüberliegende Haus. Eine gigantische Schlange ringelte sich um ein weiteres.

Wie angewurzelt blieb Rolf Harker stehen.

»Gefällt dir unsere Welt?« hörte er eine Stimme hinter sich keifen. Es war eine der Frauen, die ihn als Schemen verfolgten.

»Nein!« keuchte er. »Das ist nicht wahr. Es ist ein Alptraum, nichts weiter als ein entsetzlicher Alptraum! Ich werde gleich aufwachen, und alles wird wieder normal sein.«

»Ja, es ist ein Alptraum, ein Traum, den wir erschaffen haben, aber er wird Wahrheit werden. Wie soll man noch zwischen Traum und Wirklichkeit trennen können, wenn alle Menschen den gleichen Traum haben? Noch kannst nur du unsere Welt sehen, aber bald schon wird sie real werden.«

»Niemals!« keuchte Harker und rannte weiter in die Nacht hinaus.

Neben ihm brach die Straßendecke auf. Der gigantische Schädel eines urzeitlichen Sauriers schob sich durch den Beton. Das Maul schnappte nach ihm, doch Rolf wich aus und lief weiter.

Irgendwie mußte es doch möglich sein, diesen grauenhaften Visionen zu entgehen. Es mußte doch einen Ort geben, an dem er sicher war.

Eine Kirche, durchzuckte es ihn... in einem Gotteshaus mußte diese grauenhafte Magie erlöschen!

Eine Gestalt stellte sich ihm in den Weg... ein Polizist. Sah der Mann denn nicht den überdimensional großen Wurm, der sich mit weit geöffnetem Maul von hinten auf ihn zubewegte?

»Weg!« schrie Rolf Harker. »Fliehen Sie!«

Der Beamte hörte nicht auf ihn. Statt dessen versuchte er, ihn aufzuhalten.

»Mal langsam, Freund«, hörte Rolf Harker ihn sagen.

Er stieß den Polizisten kurzerhand zur Seite, um ihn vor dem zuschnappenden Maul zu retten, und blickte kurz in die Gegend.

Er befand sich auf einem Platz. Etwa zwanzig Meter vor ihm ragte der Turm einer Kirche auf. Rolf kannte den Namen der Kathedrale nicht, aber der war ihm im Augenblick auch gleichgültig.

So schnell er konnte, rannte er auf das Portal zu. Als er es fast erreicht hatte, sah er das Netz, das sich vor dem Eingang spannte. Es handelte sich um ein riesiges Spinnennetz.

Es ist nur eine Illusion, hämmerte er sich ein, und wollte das Netz mit der Hand zur Seite wischen.

Kaum hatte er es berührt, klebte er auch schon fest. Er versuchte, die Hand zurückzuziehen, konnte sie jedoch nicht mehr von den klebrigen Fäden lösen.

Rolf Harker nahm die linke Hand zu Hilfe, doch der einzige Erfolg war, daß diese ebenfalls festklebte.

Erfolglos zerrte er an dem Netz.

Eine Illusion!

Aber was nutzte es ihm, wenn er von der Täuschung wußte, die Illusion aber so perfekt war, daß sein Unterbewußtsein sie für real hielt?

Entsetzt stellte er fest, daß er sich immer tiefer in das Netz verstrickte. Schon konnte er sich fast überhaupt nicht mehr bewegen.

Nur wenige Schritte war der vermutlich rettende Eingang zur Kirche entfernt... und doch unerreichbar für ihn.

Ein überdimensionales Gebilde näherte sich ihm auf einem der Fäden. Es war der monströs vergrößerte Körper einer Spinne!

Rolf Harker schloß mit dem Leben ab, als das Untier ihn erreichte. Die riesigen Facetten starrten ihn feindselig an.

Sein Gehirn rebellierte und war diesem Horror nicht mehr gewachsen. Eine gnädige Ohnmacht umfing den Schriftsteller.

Das Letzte, was er noch bewußt miterlebte, war, daß der gigantische Körper sich über ihn schob...

*

Jim Füller war bereits seit mehr als

fünf Jahren Streifenpolizist. Das Wohnviertel kannte er fast so gut wie die Taschen seiner Uniform.

Von einigen kleineren Diebstählen und Schlägereien abgesehen, war hier noch nie etwas Besonderes geschehen.

Auch in dieser Nacht schien alles ruhig zu bleiben. Kein Wunder, bei diesem Wetter blieben selbst Verbrecher lieber zu Hause.

Es war kalt, und über dem Boden wallten Nebel. Sie krochen aus der Kanalisation und breiteten sich über Straßen und Gehwegen aus.

Füller blickte auf seine Armbanduhr. Fast fünf. Sein Atem hüllte ihn wie eine Fahne ein.

Plötzlich hörte er Schritte. Sie klangen seltsam hohl und gedämpft, aber da schien es jemand eilig zu haben.

»Der Nebel«, dachte Füller, »er verzerrt jedes Geräusch. Aber wer rennt denn um diese Zeit noch durch die Straßen?«

Einen Augenblick dachte er an eine Verfolgung, aber dann hätte er noch weitere Schritte hören müssen.

Aus der Dunkelheit tauchte ein Mann auf. Das Licht einer Straßenlaterne ließ Füller ein von Angst verzerrtes Gesicht sehen. Die Augen des Mannes funkelten irr. Da mußte etwas passiert sein...

Er stellte sich dem Mann in den Weg. Der brüllte ihm etwas zu. Füller verstand nur »fliehen«, dann war der Mann auch schon heran.

Aus vollem Lauf stieß er den Polizisten zur Seite. Füller konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten und stürzte, konnte seinen Sturz jedoch mit den Armen abgefangen.

Wie von unsichtbaren Furien gehetzt, rannte der Mann weiter, genau auf das Portal einer Kirche zu. Früher hatte Füller mal ihren Namen gewußt, inzwischen aber vergessen.

Wenige Schritte vor dem Portal blieb der Mann wie angewurzelt stehen. Es schien fast so, als wäre er vor ein unsichtbares Hindernis gelaufen.

»Ein Irrer«, dachte Füller, »der muß irgendwo entsprungen sein.«

Vorsichtig näherte er sich dem Mann, der seltsame Bewegungen in der Luft ausführte, als kämpfte er gegen einen imaginären Gegner.

Dann glaubte Füller seinen Augen nicht mehr trauen zu dürfen: der Mann begann sich aufzulösen!

Der Polizist wischte sich über die Augen, aber das Bild blieb. Vom Kopf an abwärts setzte der Prozeß ein, und der Verfolgte war nach wenigen Sekunden spurlos verschwunden.

»Das gibt es doch nicht«, dachte Füller, »ich muß mich getäuscht haben. Das darf ich niemandem erzählen, sonst hält man mich für übergeschnappt.«

Er trat an das Kirchenportal heran, aber auch hier entdeckte er keine Spur mehr von dem Mann.

Füller kratzte sich am Kopf und verstand die Welt nicht mehr, zumal er in den letzten Stunden keinen Tropfen Alkohol zu sich genommen hatte.

Am besten, er vergaß den Vorfall und schlief sich nach Dienst erst mal richtig aus.

*

Marltrop war nur ein kleiner Ort. Nach kurzer Rundfahrt suchte Mark Strange das Polizeioffice auf.

Ein einziger Beamter verrichtete dort seinen Dienst. Mark erkundigte sich nach Cindy Porter. Der Name war dem Beamten unbekannt. Mark beschrieb das Aussehen der Frau.

»Was wollen Sie denn von ihr?« erkundigte sich der Polizist.

Er verfügte über einen beträchtlichen Körperumfang. Sein Gesicht war gerötet. Ständig wischte er sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn.

Kein Wunder, das Büro war völlig überheizt. Auch Mark geriet ins Schwitzen, was allerdings wirklich nur an der Temperatur lag. Die Frage konnte ihn nicht in Verlegenheit bringen.

Dafür hatte er sich eine Geschichte zurecht gelegt, denn er konnte dem Beamten schlecht etwas von Hexen erzählen. Er zeigte seine Detektivlizenz vor.

»Ich bin Privatdetektiv und beauftragt worden, die Frau in einer dringenden Erbschaftsangelegenheit nach London zurückzuholen. Sie wollte hier einige Wochen Urlaub machen.«

»Tut mir leid, die Frau kenne ich nicht. Hat sie denn Verwandte hier, oder wollte sie in einem Hotel wohnen? Da ist die Auswahl nämlich schon nicht mehr allzu groß. Wir haben hier nur ein Hotel und noch ein halbes Dutzend Pensionen.«

»Ich weiß es nicht«, gab Mark zur Antwort.

»Eine andere Möglichkeit, sie zu finden, dürfte die Disco sein. Wir haben hier eine in der ganzen Gegend ziemlich bekannte. Sie heißt >Le pirate< und ist eine Art Magnet für die Jugendlichen, auch aus den anderen Ortschaften.. Da es für eine junge Frau nicht allzuviel Abwechslung gibt, könnte ich mir vorstellen, daß sie abends schon mal dort verkehrt.«

Strange bedankte sich für den Hinweis und ließ sich die Örtlichkeit schildern. Die Disco lag einige hundert Meter außerhalb des Ortes.

Dann suchte er erst einen Gasthof auf, der ihm ordentlich genug aussah. Nach einem großen Steak und zwei Gläsern Bier fühlte er sich wesentlich wohler.

Obwohl er sich nicht allzuviel davon versprach, suchte er sich aus dem Telefonbuch die Nummer der Pensionen und des Hotels heraus und erkundigte sich telefonisch nach Cindy Porter. Sicherheitshalber beschrieb er das Girl auch, aber sie war nirgendwo bekannt.

Das war schließlich zu erwarten. Nicht allzu enttäuscht legte Mark den Hörer nach dem letzten Gespräch auf die Gabel.

Er wandte sich um und wollte die Telefonzelle verlassen, aber die Tür klemmte. Mark verstärkte den Druck.

Erfolglos...

Er warf sich mit seinem ganzen Körpergewicht gegen die Tür, aber sie gab um keinen Millimeter nach. Ebenso gut hätte er gegen eine Wand anrennen können.

Strange brach der Schweiß aus. Das ging nicht mit rechten Dingen zu! Er ahnte, daß dies ein Angriff der Hexe war...

Das Telefon läutete, obwohl es sich nicht um einen Apparat handelte, den man anwählen konnte.

Er nahm den Hörer ab.

»Hallo!«

Schweigen am anderen Ende der Leitung.

»Hallo! Melden Sie sich!« brüllte Mark Strange in die Muschel. Immer noch schwieg der Anrufer, dann folgte ein leises Kichern und eine Frauenstimme. Der Detektiv erkannte sofort, daß es sich um Cindy Porter handelte. Er hatte auch nichts anderes erwartet.

»Nun, Strange, wie fühlst du dich? Du zappelst hilflos in meinem Netz. Ich könnte dich bereits jetzt töten, aber erst ist deine Freundin an der Reihe.«

»Laß sie in Ruhe«, brüllte Mark außer sich. Das Wissen, hier hilflos festzusitzen, machte ihn fast wahnsinnig. »Wenn du dich unbedingt rächen willst, räche dich an mir. Ich habe Astargal dahin befördert, wo er hingehört.«

»Das weiß ich Strange, und dafür wirst du auch büßen. Aber auch Claudia soll bezahlen. Trotzdem keine Bange, du wirst deine Freundin noch mal wiedersehen. Ich Werde sie hierher locken, und gemeinsam werdet ihr sterben!«

»Du, Bestie«, schrie Mark, aber nur noch das Freizeichen tönte aus dem Hörer.

Gleichzeitig begann dieser ein regelrechtes Eigenleben zu führen. Noch bevor Mark das Geschehen richtig begriff, entwand er sich seiner Hand.

Wie ein Insekt umschwirrte er Marks Kopf, stieß dann nieder und traf den Detektiv hinter dem Ohr.

»Verdammt!« Der Schlag war schmerzhaft gewesen.

Immer wieder schlug der Hörer zu, und in der engen Zelle fiel es Mark schwer, sich unter den Schlägen zu ducken.

Zugleich erkannte er auch die Methode, die hinter dieser Aktivität steckte.

Die Gefahr ging nicht von dem Hörer aus, sondern von dem daran befestigten Kabel!

Von dem Hörer mitgerissen, versuchte es, sich wie eine Schlinge um Marks Hals zu wickeln.

»Hallo Sie, was machen Sie denn da?« hörte er plötzlich eine Stimme. Mit einem mal hielt er den Hörer wieder völlig normal in der Hand.

Eine ältere Frau hatte die Tür geöffnet und beäugte ihn mißtrauisch. Seine Bewegungen mußten wirklich seltsam ausgesehen haben.

»Freizeitsport«, entgegnete Mark geistesgegenwärtig. »Aber wenn sie telefonieren wollen, kann ich meine Übungen auch gern irgendwo anders fortsetzen.«

Er drückte der Frau den Hörer in die Hand und zwängte sich an ihr vorbei. Sie starrte ihn an, als hätte sie einen Geistesgestörten vor sich.

Mark atmete auf, als er die Zelle verlassen hatte. Zwar hatte die Hexe angekündigt, ihn noch nicht töten zu wollen, aber der Schreck über das gerade Erlebte saß ihm doch tief in den Knochen.

Ihre Attacke bewies außerdem, daß sie über alle seine Unternehmungen Bescheid wußte und jeden seiner Schritte beobachtete. Vermutlich auf irgendeine magische Art, denn wenn sie ihn persönlich beschattete, wäre ihm dies längst aufgefallen. Nicht umsonst war er Privatdetektiv.

Die Zeit bis zum Abend vertrieb er sich mit einem Stadtrundgang. Marltrop war ein romantischer Ort. Die Häuser stammten zum größten Teil noch aus dem vorigen Jahrhundert. Die meisten. Fassaden waren sorgfältig renoviert.

Marltrop lag in einem Talkessel. Wälder und Felder erstreckten sich rundum in sanftem Anstieg.

Lediglich im Norden wuchs der Wald ziemlich steil in die Höhe. Es hatte zwar aufgehört zu regnen, aber der Wind bewegte die Wipfel der uralten Tannenbäume.

Für Sekunden glaubte Mark so etwas wie eine Turmspitze aufragen zu sehen, aber im nächsten Moment war sie auch schon wieder verschwunden.

Mehrere Minuten starrte Mark Strange auf die bewußte Stelle, aber von einem Turm konnte er nichts mehr entdecken.

Dennoch war sein Mißtrauen geweckt. An eine Täuschung glaubte er nicht. Dort oben gab es einen Turm, oder vielleicht sogar eine alte Burg oder ein Schloß.

Mechanisch zündete Mark eine Zigarette an. Von Schlössern hatte er vorerst die Nase voll, seit er den Vampirfürsten Faran in einem solchen Gemäuer gejagt hatte.

Zugleich wußte er aber auch, daß solche alten Burgen ein bevorzugter Aufenthaltsort für die Wesen der Finsternis waren. Wenn es dort oben wirklich etwas derartiges gab, würde er fast schon eine Wette abschließen, daß sein Weg ihn früher oder später dorthin führte.

In einem Tabakladen kaufte er sich neue Zigaretten.

»Sagen Sie mal«, wandte er sich an den Verkäufer, als dieser ihm die gewünschte Marke über den Ladentisch reichte, »gibt es hier eigentlich einen Turm oder ein Schloß oder so etwas in der Nähe?«

Das Gesicht des Mannes verdunkelte sich fast schlagartig. Mark wertete das als eine erste Bestätigung seiner Frage.

»Warum fragen Sie?«

»Nun, ich meinte vorhin eine Turmspitze entdeckt zu haben, und ich interessiere mich für alte Gemäuer, das ist alles«, erklärte er betont lässig.

»Hier gibt es kein Schloß. Sie müssen sich getäuscht haben. Vielleicht war es ein abgestorbener Baum. Hier sind Ihre Zigaretten.«

Mark bedankte sich und zahlte. Er war sich sicher, daß der Verkäufer, aus welchen Gründen auch immer, log.

Als er den Laden schon fast verlassen hatte, nahm er aus den Augenwinkeln heraus noch wahr, daß der Mann sich hastig bekreuzigte.

*

Als Claudia Patton erwachte, stellte sie mit raschem Blick aus dem Fenster fest, daß es draußen bereits dämmerte. Sie hatte also die ganze Nacht durchgeschlafen.

In ihrem Kopf brummte es wie in einem Bienenstock. Sie erinnerte sich nur noch verschwommen des heftigen inneren Kampfes, den sie ausgefochten hatte. Sie fühlte sich wie gerädert.

»Na, endlich wieder bei Bewußtsein?« hörte sie eine Stimme. Wie Hammerschläge an eine Glocke dröhnten die Worte in ihrem Schädel.

Vorsichtig richtete sie sich auf. Rolf Harker hockte neben ihr. Sein Gesicht drückte Besorgnis aus.

»Ja, alles wieder in Ordnung«, sagte Claudia matt. »Nur mein Kopf...«

»Warte, ich hole Aspirin«, bot Rolf an und reichte ihr wenige Sekunden später die Tablette zusammen mit einem Schluck Wasser.

»Ist etwas passiert, während ich bewußtlos war?« fragte sie, nachdem sie die Pille geschluckt hatte.

»Nein. Ich wachte plötzlich auf, sah ein Messer, und dann kipptest du um. Mann, ich hatte vielleicht eine Angst, die ganze Nacht! Jede Sekunde dachte ich, jetzt passiert etwas Schreckliches. Was war denn überhaupt mit dir los?«

Sie winkte ab.

»Ach, nichts weiter. Irgendeine fremde Macht gewann plötzlich die Oberhand über meinen Willen. Der Bann scheint nichts genutzt zu haben, denn zum Glück ist nichts weiter geschehen.«

Allmählich ließen die bohrenden Kopfschmerzen nach. Rolf bereitete das Frühstück. Mit dampfenden Kaffeetassen in den Händen berieten sie ihr weiteres Vorgehen.

»Hast du irgendwelche Feinde?« wollte Claudia wissen. Rolf schüttelte den Kopf. »Ich denke, es handelt sich um Angriffe von Dämonen.«

»Ja, aber auch Dämonen greifen selten jemanden ohne Grund an. Und es handelt sich eindeutig um einen gezielten Angriff gegen dich.«

»Du meinst, ich könnte einen Dämon erzürnt haben, ohne es zu merken?«