Der Fürst der Meere. Die Saga in einem eBook: »Das Schwert des Sarazenen« und »Das Amulett des Sarazenen« - Ursula Walch - E-Book
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Der Fürst der Meere. Die Saga in einem eBook: »Das Schwert des Sarazenen« und »Das Amulett des Sarazenen« E-Book

Ursula Walch

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Beschreibung

Rache, Ruhm und Romance – die epische Seefahrer-Saga »Der Fürst der Meere« von Ursula Walch jetzt als eBook bei dotbooks. Spanien im 16. Jahrhundert: Nicolas de Monterrey, der geächtete Bastard eines spanischen Edelmanns, sieht als einzigen Ausweg nach seiner Verbannung ein Leben als Freibeuter – und wird zu einem gefürchteten Piratenkapitän. Von Rache getrieben, scheint sein Verlangen nach Macht und Ruhm unersättlich … bis er die schöne Juana trifft: eine geheimnisvolle Heilerin, die von der Inquisition als Hexe angeklagt wurde. Nicolas rettet ihr Leben, um sich ihre besondere Gabe zunutze zu machen – doch er hatte nicht damit gerechnet, dass die Heilerin ihn vollkommen in ihren Bann zieht. Aber kann er Juana wirklich trauen? Jetzt als eBook kaufen und genießen: Das historische Seefahrer-Epos »Der Fürst der Meere« von Ursula Walch – mit den historischen Roman-Highlights: »Das Schwert des Sarazenen« und »Das Amulett des Sarazenen«. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 1886

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Über dieses Buch:

Spanien im 16. Jahrhundert: Nicolas de Monterrey, der geächtete Bastard eines spanischen Edelmanns, sieht als einzigen Ausweg nach seiner Verbannung ein Leben als Freibeuter – und wird zu einem gefürchteten Piratenkapitän. Von Rache getrieben, scheint sein Verlangen nach Macht und Ruhm unersättlich … bis er die schöne Juana trifft: eine geheimnisvolle Heilerin, die von der Inquisition als Hexe angeklagt wurde. Nicolas rettet ihr Leben, um sich ihre besondere Gabe zunutze zu machen – doch er hatte nicht damit gerechnet, dass die Heilerin ihn vollkommen in ihren Bann zieht. Aber kann er Juana wirklich trauen?

Über die Autorin:

Ursula Walch, geboren in der Steiermark, studierte an der Universität Graz spanische Sprache, Geschichte und Literatur. Neben ihrer Arbeit als Hebamme führten sie etliche Einsätze als Projektmanagerin in die Westsahara und den Senegal, wo sie den Verein SAAMA gegen genitale Verstümmelung gründete und 2017 ein Behandlungszentrum in Dakar eröffnete. Nach elf Jahren in Spanien lebt Ursula Walch derzeit mit ihrem Mann und den vier Kindern in Graz.

***

Sammelband-Originalausgabe April 2020, November 2021

Copyright © der Sammelband-Originalausgabe 2020, 2021 dotbooks GmbH, München

Copyright © der überarbeiteten Neuausgabe von »Das Schwert des Sarazenen« 2017 dotbooks GmbH, München; Copyright © der Originalausgabe 2004 Scherz Verlag, Bern, München, Wien

Copyright © der Neuausgabe von »Das Amulett des Sarazenen 2018 dotbooks GmbH, München; Copyright © der Originalausgabe 2005 bei S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Smiltana, diez artwork, Peyker, Attitude und Adobe Stock/Warpedgalerie

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-96655-066-6

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Ursula Walch

Der Fürst der Meere

Die Saga in einem eBook

dotbooks.

Das Schwert des Sarazenen

Historischer Roman

Für meine Kinder Nina, Anna Elena, Nicolas und Noa

Kapitel 1Alicante, 1500

Eine für diese Jahreszeit ungewöhnliche Schwüle lag an jenem Oktobertag über Alicantes Dächern, kroch durch die schmalen Gassen und drang bis in die hintersten Winkel ihrer Häuser und Patios. An jenem Tag schloss Fatima für immer die Augen – stechend grüne, unerbittliche Augen, die in den arabischen Zügen der Frau überraschten. Zaida hatte ihr in dem kurzen und heftigen Kampf um Leben und Tod beigestanden, doch als die Krankheit den Sieg davontrug, wollte sie den Verlust ihrer Mutter zunächst nicht akzeptieren. Die vielen nun zu treffenden Vorbereitungen erledigte sie mit Selma, der zweiten Frau ihres Vaters, wie in Trance. Sie wuschen Fatima und kleideten sie in ihre besten Gewänder. Das glänzende schwarzbraune Haar, in dem erst wenige Silberfäden schimmerten, flochten sie in Zöpfen zu einem dunklen Kranz, der die bleiche Farbe ihres schönen Gesichts unterstrich. Jetzt, im Tod, waren ihre Züge um vieles weicher.

***

Am Nachmittag trafen die ersten Verwandten ein. Die Männer begaben sich zu Suleiman in den Gesellschaftsraum, und die Frauen bereiteten sich vor, die Nacht bei Fatima zu wachen. Der Duft von Weihrauch und Myrrhe hing schwer im Schlafgemach der Verstorbenen, und Dutzende weiße Kerzen erleuchteten den Alkoven. Bis zum Einbruch der Dunkelheit hatten sich zahlreiche Verwandte und Frauen aus der Nachbarschaft, eine genaue Sitzordnung befolgend, rund um das Bett der Aufgebahrten versammelt. Die ganze Nacht über beteten und lamentierten sie nach uraltem Brauch, und als endlich der Morgen graute, war Zaida schwindlig und benommen von der stickigen rauchgeschwängerten Luft.

In den frühen Morgenstunden wurde Fatima begraben. Danach blieb die Familie allein. Während Selma sich mit dem trauernden Ehemann Suleiman zurückzog, irrte Zaida durch das menschenleere Haus. Überall beklemmende Stille. Mit einem Mal hielt sie es in den vertrauten Wänden, die ihr immer Schutz bedeutet hatten, nicht mehr aus, und das Gefühl, langsam von ihnen erdrückt zu werden, ließ sie nicht mehr los. Sie musste fort. Kurz entschlossen nahm sie ihre Halbschwester Jasmin bei der Hand und schlüpfte mit ihr durch den Dienstboteneingang aus dem elterlichen Haus. Kein Lufthauch verirrte sich in die engen Mauern, keine Brise brachte vom Meer her Erleichterung. Auch in dem kleinen Gässchen im Herzen Alicantes war es nicht anders. Zaida sah prüfend zum Himmel. Obwohl das Wetter unbeständig zu werden schien und sie nichts außer dem leichten schwarzen Baumwollkleid und einem Spitzenschleier am Leibe trug, beschloss sie, die Stadt zu verlassen. Auf dem Land, jenseits der Marschen, hoffte sie der bleiernen Luft zu entfliehen. Und sie wollte vergessen …

Ohne für den Ausflug weitere Vorkehrungen zu treffen, begaben sich die beiden Schwestern entschlossenen Schrittes zur Plaza Santa Maria unweit ihres Hauses. Hier, zwischen der Kirche und dem Rathaus, war vormittags leicht ein Fuhrwerk zu finden. Dem Kutscher eines einfachen Karrens mit einem Maultier davor gaben sie Befehl, zunächst landeinwärts bis zur Wegkreuzung nach Elche und Villena zu fahren. Ihre Familie besaß ein paar Meilen südlich dieser Gabelung eine Färberei und einen kleinen Besitz mit Seidenraupenzucht, den Zaidas Mutter in die Ehe eingebracht hatte.

Der Kaufmann hatte die Finca mit den stattlichen Maulbeerbäumen einem Morisken verpachtet, und wann immer er hinausgefahren war, um Jacub al Mima Farben zu liefern, hatte er Zaida mitgenommen. In kindlicher Begeisterung hatte sie stundenlang mit den Farbsuden experimentiert und die Ergebnisse, kleine bunte Seidenhäufchen, dann ihrer Mutter mitgebracht. An all das erinnerte sie sich, während sie auf der einst gut gepflasterten Römerstraße die Stadt verließen.

Nach einer endlos scheinenden Fahrt auf der holprigen Straße, die schon bald nach dem Passieren der Stadttore Achse und Speichen des Karrens auf die Probe stellte, hatten die beiden Schwestern Alicante hinter sich gelassen. Die Landschaft machte einen trostlosen Eindruck, die Weiden waren verdorrt und braun, und nur wenige Steineichen und Eukalyptusbäume trotzten mächtig und stark den Unbilden des Wetters mit den lang andauernden Dürreperioden.

»Ich war schon ein paar Jahre nicht mehr hier draußen«, murmelte Zaida und wunderte sich selbst über diese Tatsache. »Dabei bin ich als Kind oft mit Vater zur Finca gefahren …«

»Mich hat er nie mitgenommen …!« Jasmin zog einen Schmollmund.

»Ich glaube, er fuhr in letzter Zeit selbst nicht mehr hinaus … Bueno, die wassergetriebenen Zwirnmühlen, in denen die Seidenfäden abgewickelt und gleichzeitig verdrillt werden, die roten, gelben und blauen Bottiche und Zuber, ich werde dir alles zeigen. Der Jacub verwendet nur wenige Farben, aber mit Urin als Beize kann er eine große Vielfalt von Schattierungen erzielen. Du wirst staunen.«

»Urin?« Jasmin verzog das Gesicht.

Zaida lächelte. »Aber ja, für den Färberwaid, die Färberröte und natürlich den Safran. Der ist der kostspieligste Farbstoff, da nur die Narben verwendet werden. Deshalb wird er auch so oft mit Hilfe von Ringelblumenblüten gefälscht. Aber Vater hat ihm das strengstens untersagt… Ich mag Jacub, du wirst sehen, er ist sehr lustig. Er hat sogar für mich gezaubert.«

»Gezaubert? Erzähl mir!«, bat Jasmin. Die großen, dunklen Augen der Zehnjährigen wurden rund wie Haselnüsse.

Zaida nickte: »Si. Jacub hat Stoff in einen weißen Sud getaucht und ihn zum Trocknen ausgelegt. Der weiße Stoff ist plötzlich blau geworden!«

»Oh!« Jasmin zappelte unruhig mit den Beinen. Das soeben Gehörte klang einfach unglaublich. »Ich will das auch sehen, Zaida!«

»Hm«, überlegte die Ältere. »Dazu muss der Jacub was von dieser ekligen Masse bereithaben, dem fermentierten Färberwaid, verstehst du? Na, lass dich überraschen, Jasmin.«

***

Nach einer Weile fuhren sie an einem Gasthof mit Ställen und Wirtschaftsgebäuden vorbei. Während sich im Süden Alicantes die Marschen mit Salzpflanzen und Zwergpalmen ausdehnten, wurde die Landschaft westlich der Stadt Richtung Landesinnere immer trockener und war bald nur noch von Feigen- und Johannisbrotbäumen und Ginsterbüschen bedeckt. Ungeachtet der dunklen Wolken, die inzwischen aufgezogen waren, schlugen sie an der Wegkreuzung Elche-Villena den in südliche Richtung führenden Karrenweg ein. Der Kutscher trieb das Maultier immer unbarmherziger an, und da passierte es. Eines der hinteren Wagenräder hielt der Belastung nicht länger stand und brach entzwei. Das Fuhrwerk kippte bedrohlich, konnte aber ohne Sturz zum Stehen gebracht werden.

Der Mann besah sich den Schaden. »Bei den Cojones des Allmächtigen!«, fluchte er darauf los. Unwillig half er den beiden Mädchen, aus dem niedergebrochenen Karren zu klettern. »So, das wär’s!« Seine verdrossene Miene verriet, dass es in der Nähe keinen Stellmacher gab. Weiter vor sich hin fluchend, blickte er zum Himmel, dann schien er es eilig zu haben.

Zaida fühlte sich in Gegenwart des Mannes unbehaglich und drängte zum Aufbruch. »Wir wollen versuchen, bei dem Gasthof eine Fahrgelegenheit zu finden.« Sie deutete entschlossen die Straße zurück. Das enttäuschte Gesicht ihrer Schwester, der sie eben erst den Mund wässrig gemacht hatte, entging ihr nicht. Verdammt! Sieht so aus, als wäre es keine Lösung gewesen, vor den Ereignissen davonzulaufen, dachte sie und war um vieles niedergeschlagener als zuvor.

»Zaida?« Jasmin folgte der Älteren, die Kutscher und Fuhrwerk den Rücken gedreht hatte.

»Was ist?«

»Was wird Vater sagen?«

Zaida blickte die Jüngere streng an. Das wollte sie gar nicht wissen, sagte sie sich und schritt kräftig aus. Die Schwester trottete neben ihr her. Jasmin hatte natürlich völlig Recht. Als Muslima hätten sie zehn Tage lang das Haus nicht verlassen dürfen. Und jetzt noch der Radbruch, seufzte sie und wandte sich um. Der Karren war von der Straße gezogen worden, und der Kutscher hatte sich aus dem Staub gemacht.

Eine Weile beobachtete Zaida ihre Schwester, deren Missmut schnell verflogen war, als ein kleiner Hund wie aus dem Nichts auftauchte. Jasmin neckte das Tier, indem sie immer wieder einen Ast durch die Luft warf, den der Hund wiederbrachte. Für einen Augenblick vergaß auch Zaida ihren Kummer, raffte ihre Röcke und rannte hinter Jasmin und dem Hund her, der zwischen den Feigenbäumen im verdorrten Steppengras Haken schlug. Die drückende Schwüle nahm ihr den Atem. Nach Luft ringend, blieb sie stehen und blickte zum Himmel, der sich zusehends verfinsterte. Wind kam auf.

Das Mädchen an der Hand packend, wandte sich Zaida wieder der Straße zu und beide liefen nun Richtung Gasthof, der noch nicht zu sehen war. Der Hund sprang neben Jasmin her und forderte sie immer wieder zum Spielen auf, gab es aber schließlich auf und verschwand so schnell, wie er gekommen war. Dann fielen die ersten dicken Tropfen. Zaida fröstelte. Gott, wie verantwortungslos, schalt sie sich zu ihrer Schwester schielend. Als sie ihr den schwarzen Spitzenschal um die Schultern legte, fühlte sie sich besser. Und dennoch, Jasmin hatte Recht. Was würde Vater sagen?

Aus pechschwarzen Wolken knallten die Tropfen unangenehm auf die Haut. Zaida blickte sich nach einem Unterstand um, konnte aber keinen entdecken. Herrgott noch mal!, fluchte sie. Der Wind wurde stärker. Sie nahm Jasmin wieder bei der Hand, und beide marschierten, unablässig gegen den Wind ankämpfend, Richtung Stadt. Ihre leicht apokalyptische Verfassung näherte sich der absoluten Endzeitstimmung eine Kurve weiter. Da war kein Gasthof in Sicht. Der sintflutartige Regen, der gleich darauf einsetzte, trommelte auf die Straße, löste die staubtrockene Erde zwischen den unregelmäßigen Pflastersteinen und überzog sie mit Schlick, auf dem sie nur nicht ausrutschen durften!

Abseits des Weges verwandelte sich das braune Brachland in sumpfige, schlammige Felder, die vollkommen unpassierbar wurden. Es schüttete wie aus Kübeln, und auch auf der Straße konnte man keine zehn Fuß weit mehr sehen. Fluchend und schimpfend zog Zaida ihre Schwester immer energischer hinter sich her. Plötzlich verspürte sie einen heftigen Stoß in ihre rechte Seite. Jasmin war gegen sie geschleudert worden. Sie taumelte. Beide verloren das Gleichgewicht und landeten im Schlamm. Alles war sehr schnell gegangen. Nun hörte Zaida Pferde wiehern und versuchte sich aufzurappeln. In dem prasselnden Regen sah sie die Hufe sich aufbäumender Schimmel wie durch einen Schleier. »Jasmin!«, brüllte sie. Wie wild an ihrer schreienden Schwester zerrend, mühte sie sich, Jasmin von der Straße zu drängen.

In diesem Augenblick wurde Zaida von kräftigen Armen hochgehoben und an den Pferden vorbei zur Kutsche getragen. Sich heftig wehrend, versuchte sie dem Hünen klarzumachen, dass er sich nicht um sie, sondern um das Mädchen kümmern sollte. Der Kerl reagierte jedoch nicht und setzte sie mit ausdrucksloser Miene in der Kutsche ab. Gleich nach ihr wurde Jasmin von jemand anderem in den Wagen gehoben. Zaida atmete auf. Sie stand auf und drückte die weinende, völlig aufgelöste Schwester gerade in dem Moment auf die Bank, in dem sich das Gefährt in Bewegung setzte. Dabei verlor sie das Gleichgewicht und landete in den Armen des Mannes, der gerade auf das Trittbrett gestiegen war, bevor der Vierspänner davonrollte.

»Na, na, heute scheint mein Glückstag zu sein«, murmelte der Hüne, darum kämpfend, nicht vom Trittbrett zu stürzen. Mit der einen Hand hielt er die junge Frau und mit der anderen den offenen Wagenschlag. Zaida machte sich von ihm los und war ihm behilflich, in den schwankenden Wagen zu steigen.

Der Mann, der in der Kutsche nur sehr gebückt stehen konnte, beugte sich sofort über Jasmin. Das hatte ihm gerade noch gefehlt! »Señora, es tut mir Leid, was eben passiert ist«, brummte er und sah flüchtig auf. Mittelstandsexistenz. Wenn es hoch herging. »Seid versichert, dass mein Kutscher Euch bei diesem Regen nicht eher hatte sehen können. Einer der Schimmel hat die kleine Señorita wohl zu Boden gestoßen.« Was suchen die Weibsbilder auch hier draußen, dachte er missmutig, während er langsam alle vier Gliedmaßen des Mädchens bewegte und anschließend auch den Rücken abtastete.

»Seid Ihr Arzt?«, fragte Zaida unsicher. Der Schnösel hatte scharfe Gesichtszüge, die beinahe arrogant wirkten. Sein Blick war intensiv und stolz.

»Verzeiht, dass ich mich noch nicht vorgestellt habe. Ich bin Don Diego de Monterrey.« Der Frau zunickend, kniete sich der Marqués von Alicante vor die immer noch weinende Jasmin.

Jössas, auch das noch!, fluchte Zaida und beeilte sich ein »Oh, perdón!« zu stammeln, bevor ihre Stimme zu krächzen begann. »Ich bin … Zaida, die Tochter des Kaufmanns Suleiman Harun al Mansib«. Mit einem Mal wurde ihr bewusst, dass ihr das regentriefende, schlammbedeckte Kleid eng am Körper klebte und ihr dicker nasser Haarzopf in Auflösung begriffen war. Sie fühlte sich höchst unwohl. Als Don Diego aufstand und ihr Platz machte, hörte Jasmin zu weinen auf und streckte die Arme nach der Schwester aus. Zaida setzte sich neben sie auf die Bank und zog sie halb auf ihren Schoß. Sie fröstelte und begann zu zittern.

Der Marqués hatte den beiden gegenüber Platz genommen und blickte eine Spur freundlicher. Also die Ableger irgendeines Dattelklaubers, überlegte er. Jedenfalls kein Bauerntrampel. Und kein flachbrüstiges Ding mit unvermeidlichem Fußkettchen aus irgendeiner Schenke. Ihm war nicht entgangen, dass die hübsche Ältere weder das für arabische Frauen unerlässliche Tuch noch den typischen Kopfputz verheirateter Christinnen trug, auf dem die Mantillas drapiert waren, und auch keine der oft grotesk anmutenden Halskrausen, die umso unbequemer und unvorteilhafter waren, je höher die Damen von Geburt. Schließlich sagte er: »Es war leichtsinnig, bei solchem Wetter in dieser Gegend unterwegs zu sein. Ich glaube, die kleine Dame wird mit ein paar Prellungen davonkommen. Wir werden in der Herberge Halt machen …«

»Oh, das ist nicht nötig!«, fiel sie ihm ins Wort. »Wir haben es ja nicht mehr weit bis nach Hause.«

»Wollt Ihr Euch eine Lungenentzündung holen mit dem nassen Zeug am Körper? Por Dios!«, fuhr sie der Marqués an. »Als Gouvernante legt Ihr wenig Verantwortungsbewusstsein an den Tag! Wie auch immer, ich fühle mich für die kleine Señorita verantwortlich. Bevor nicht geklärt ist, was ihr fehlt, sollte sie nicht länger als nötig in der rumpelnden Kutsche liegen!« Sein Ausdruck nahm eine Strenge an, die Zaida verwirrte.

»Sie ist meine Schwester, Euer Gnaden«, bemerkte sie zaghaft und wagte nicht, ihm in die Augen zu sehen.

***

Bevor er noch etwas sagen konnte, wurde vom Kutscher der Wagenschlag aufgerissen, und Don Diego sprang hinaus. Galant reichte er Zaida die Hand, und ihre Blicke trafen sich. Die graubraunen Augen in dem reifen Gesicht, das ungewöhnlich hart und männlich wirkte, verrieten ihr nicht seine Gedanken. Er war kein Jüngling mehr, sagte sie sich, und doch war er äußerst gelenkig und behände. Unter dem dünnen samtigen Wams hatte sie eine stählerne Brust gespürt … Ihr Teint färbte sich einen Ton dunkler. Na toll, fluchte sie und wollte eilig die Wagentritte hinunterspringen, als sie auch schon auf dem nassen, glatten Holz des Trittbretts ausrutschte. Der Marqués fing sie elegant auf und hielt sie für einen Moment eng an sich gepresst. Zu lange, wie beiden bewusst wurde, obwohl ein Moment im prasselnden Regen eine andere Dimension hatte. Zaida starrte auf ihre Schuhspitzen, während er sein Cape abnahm und um ihre Schultern legte. Schnellen Schrittes geleitete er sie zum Eingang des Gasthofes, denn es regnete noch immer stark. Keiner sprach ein Wort.

Gleich darauf folgte der Kutscher mit Jasmin auf den Armen, und auf ein Zeichen Don Diegos stieg er ohne anzuhalten die Treppe hinauf in den ersten Stock der Herberge. Mit befehlsgewohnter Stimme wies der Marqués die unterdessen im Eingang aufgeregt zusammengelaufenen Hausangestellten an und machte drängende Gesten. Der Wirt erschien und war um nichts weniger nervös.

Zaida schüttelte die Regentropfen vom Cape und eilte dem Kutscher hinterher, in ein geräumiges Zimmer mit großem Himmelbett, Tisch und Stühlen, in dem sich Dienstboten sogleich an einem ausladenden Kamin zu schaffen machten. Sie setzte sich zu Jasmin ans Bett und strich ihr die nassen Locken aus dem Gesicht. »Es wird alles wieder gut, du wirst sehen, querida. Unser kleiner Ausflug ist wirklich ein Abenteuer geworden, was meinst du?«

»Na ja.« Jasmin nickte nicht sehr überzeugt und begann an ihren nassen Kleidern herumzuzerren.

»Du hast Recht«, meinte ihre Schwester, »am besten ziehen wir das unbequeme nasse Zeug gleich aus.«

Nachdem sie die schweren Samtvorhänge des Bettes zugezogen hatte, half sie Jasmin beim Entkleiden. Es war mühsam. Der Kleinen schmerzte der gesamte Brustkorb, und die nassen Kleider klebten ihr förmlich am Körper. Behutsam deckte Zaida sie mit allen zur Verfügung stehenden Decken zu. Das Mädchen zitterte am ganzen Leib vor Kälte.

Heilige Madonna!, flehte Zaida, nur keinen Schüttelfrost und kein Fieber! Am Morgen hatte sie noch jede Zurechtweisung durch ihren Vater in Kauf genommen, aber nun nahm das Ganze diesen Ausgang! Energisch zog sie einen Vorhang beiseite und stand dem Marqués gegenüber. Sie schluckte und bemühte sich um eine halbwegs normale Stimme. »Ich hätte gerne eine heiße Suppe für meine Schwester, Euer Gnaden, wenn es nicht zu viele Umstände macht. Sie friert entsetzlich.«

»Das ist sehr vernünftig.« Don Diego nickte. »Aber auch Ihr müsst etwas Warmes in den Magen bekommen. Sobald der Koch etwas Essbares fertig hat, lasse ich es heraufbringen. Inzwischen zieht erst einmal das hier an.« Er reichte ihr ein Bündel Kleider, drehte sich um und verließ das Zimmer. Die Bediensteten, die inzwischen ein kräftiges Feuer im Kamin entzündet hatten, huschten hinter dem Marqués aus dem Raum.

Ohne ein Wort zu erwidern, warf Zaida die Tür ins Schloss. Ich schlittere immer weiter in die Misere, dachte sie und schüttelte resigniert den Kopf. Vater wird außer sich geraten, wenn er erfährt, dass der Marqués von Alicante persönlich im Spiel war …

Ihr ganzes Leben hatte sie nur Klagen über die Granden im Lande gehört, sie wusste, dass man mit diesen Leuten am besten nichts zu schaffen hatte. Vor allem ihr Vater, der oft gezwungen war, mit ihren Unterhändlern und Kammerherren zu feilschen, konnte nichts Gutes über sie berichten. Dabei machte er gerade mit ihnen die besten Geschäfte. Sie waren es, die seine kostbaren Handelswaren begehrten und teuer bezahlten – Teppiche, Seide, Trophäen, Gewürze, Elfenbein und Kaffee.

Zaida schlüpfte in die trockenen Kleider, die ihr viel zu weit waren, aber einen ordentlichen Eindruck machten, und begann am Kamin ihr dichtes Haar zu ordnen. Während sie in die unruhigen Flammen starrte, wurde ihr die ganze Tragweite ihres leichtsinnigen Handelns bewusst. So in Gedanken versunken, nahm sie vor dem knisternden Feuer zunächst nicht wahr, dass es an der Tür zaghaft klopfte, bis Jasmin sie darauf aufmerksam machte. Zaida öffnete. Die Wirtin brachte eine Schüssel dampfender Suppe und verschwand gleich wieder. Nachdem sie die Schwester einigermaßen bequem gebettet und ihr mit vielen Kissen den Rücken gestützt hatte, flößte Zaida ihr langsam die Suppe ein. Dann setzte sie sich wieder vor das Kaminfeuer und wartete. Der Regen hatte fast aufgehört. Erneut dachte sie daran, auf der Stelle heimzukehren, als der Marqués ohne anzuklopfen die Tür aufriss und offen hielt. Ihm folgte die Wirtin und deren Tochter mit großen Tabletts voller Teller und Schüsseln, aus denen es herrlich duftete. Den Gedanken an eine sofortige Heimfahrt verwarf Zaida schnell wieder. Als sie merkte, dass der Marqués keine Anstalten traf, das Zimmer zu verlassen, sondern die Tür hinter der gnädig entlassenen Wirtin und dem Mädchen schloss, stand sie unsicher auf, denn sie wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte.

»Meine charmante Señorita«, sagte der Marqués und meinte es durchaus nicht zynisch. Sie unterhielten sich auf Spanisch, denn Zaida war wie alle Mauren und Morisken zweisprachig aufgewachsen. Einladend rückte er ihr einen Stuhl zurecht.

»Es ist mir eine Ehre, mit Euch zu speisen. Auch wenn das Essen gewiss nicht halten wird, was der Duft verspricht…« Er setzte sich, stopfte sich eine weiße Stoffserviette in den Halsausschnitt seines Spitzenhemdes und goss reichlich Wein in die beiden Humpen. Langsam fühlte er sich wohler.

»Ich weiß nicht, Euer Gnaden, ob sich das schickt…« Zaida griff zaghaft nach dem Glas, das ihr der Marqués auffordernd hinhielt.

»Salud!«

»Ich habe noch niemals Wein getrunken«, gestand sie.

»Nun, es gibt bei allem ein … erstes Mal.«

Dem durchdringenden Blick des Mannes ausweichend, senkte sie die Lider. Der Sinn seiner Worte war ihr nicht entgangen.

Don Diegos Brauen hoben sich, und langsam führte er den Becher an die Lippen. »Viele adlige Damen freunden sich mit dem Wein noch etwas näher an«, bemerkte er trocken und ließ den Rebensaft genüsslich durch die Kehle fließen.

»Ich bin weder von adliger Geburt, noch stamme ich aus einer … alten christlichen Familie, wenn Ihr versteht, was ich meine. Ich bin eine Moriskin!«, platzte es förmlich aus ihr heraus.

Die Leidenschaft, mit der sie dies hervorstieß, gab dem Marqués zu denken. Andererseits ließ sie auch auf Temperament auf anderen Gebieten schließen. Beinahe entschlüpfte ihm ein süffisantes Schmunzeln. »Eine Moriskin, so so«, überlegte er laut.

»Ich bin getauft, Herr …«

»Ah ja.« Wenn es hoch kam, scheingetauft, dachte er. Ihre maurischen Züge, die mandelförmig geschnittenen Augen über hohen Backenknochen, waren unübersehbar. Nun, er war nie ein christlicher Eiferer gewesen, keiner von denen, die seit dem Großinquisitor Torquemada die Oberhand gewannen. Unter seinem intensiven Blick wurde sie wieder unsicherer. Ausgezeichnet, er bevorzugte Frauen, die nicht gleich so deutlich rangingen.

Erneut stieg zarte Röte in Zaidas Wangen, und sie hoffte, dass ihr Gegenüber das nicht bemerkte.

Doch Don Diego entging nichts. Sie ist eine verdammt hübsche, rassige Person, dachte er, mit runden Hüften und vollen Brüsten, wie er aufgrund der eng anliegenden, nassen Kleider und seinem erfahrenen Griff hatte feststellen können. Allmählich fand er Gefallen an dem, wie er vermutete, einfachen und ungezwungenen Gemüt des Mädchens, das ohne Falsch und Geziertheit zu sein schien.

»Das macht nichts«, meinte er, als gelte es über einen Makel hinwegzusehen, »in Valencia und Alicante spielen die geschickten arabischen Handwerker und Kaufleute noch heute im wirtschaftlichen Bereich eine wesentliche Rolle – wenn auch ihr Einfluss in Politik und Verwaltung mittlerweile unbedeutend ist. Auch die Campesinos der Krone Aragóns sind umso maurischer, je südlicher man kommt. Ihr seht…«

Als Zaida endlich an dem schweren Rioja nippte, verzog sie enttäuscht das Gesicht. Der Marqués brach in ein herzhaftes Lachen aus. Mit einem Mal war das Eis gebrochen, und Zaida entspannte sich etwas. Verstohlen beobachtete sie den ernsten, zynischen Mann aus den Augenwinkeln, während sie einen Teller fieberhaft mit Fleischstücken und Gemüse füllte. Als sie sich erhob und gerade zum Gehen wandte, griff der Marqués blitzschnell über den Tisch hinweg nach ihrem Arm. »Ihr werdet mir bei Tisch Gesellschaft leisten, Señorita! Immerhin sitze ich nur Euretwegen hier.«

»Das tut mir Leid, Euer Gnaden«, sagte Zaida, doch es lag kein Mitleid in ihrer Stimme. »Ihr wolltet es ja so! Gerne entlasse ich Euch aus Euren Pflichten … Im Übrigen wollte ich diesen Teller nur meiner Schwester bringen.« Ihre Worte klangen eisig.

»Tut dies«, meinte Don Diego trocken, machte eine generöse Geste und widmete sich der Gans, die es zu tranchieren galt. Der Wirt hatte sich mächtig ins Zeug gelegt. Es war noch nicht allzu lange her, da hatte er statt der feinen Gaumenfreuden seiner Köche in Alicante die bescheidene Feldküche im Krieg genossen …

Gleich darauf kam Zaida mit dem vollen Teller zurück. »Verzeiht«, murmelte sie, ohne ihn anzusehen, »ich habe mich wohl etwas gehen lassen, vorhin.«

Eine Geste des Marqués verriet, dass diese Entschuldigung die Sache aus der Welt geschafft hatte. Er blickte auf den Teller.

»Sie ist eingeschlafen«, erklärte Zaida und setzte sich wieder. Nun würden sie doch nicht so schnell aufbrechen …

Ausgezeichnet, dachte Don Diego. »Wir fahren erst, wenn der Arzt gegen eine Weiterfahrt nichts einzuwenden hat«, meinte er beiläufig, als hätte er ihre Gedanken erraten, und häufte dampfenden Kohl und Garbanzos auf ihre Teller. Zaida nagte an ihrer Unterlippe und dachte daran, wie zornig ihr Vater mittlerweile sein würde.

Dem Marqués entging ihre Nervosität nicht. »Immerhin habe ich den Unfall verursacht und bin verantwortlich für die Genesung Eurer Schwester – was oder wer auch immer Euch bei diesem Wetter auf diese Landstraße getrieben haben mag.« Don Diego räusperte sich. »Joder, Ihr hättet von Diebsgesindel, Raubmördern oder … äh … noch Schlimmerem überfallen werden können, die alles Mögliche mit einer hübschen Person wie Euch angestellt hätten!« Er wollte gar nicht ins Detail gehen.

Gibt es etwas Schlimmeres als Raubmörder?, hätte sie ihn gerne gefragt, doch sie senkte nur verlegen den Kopf. Sie durfte nicht zulassen, dass dieser Mann sie derart verwirrte! Dann dachte sie an den Grund ihres Fortlaufens und blickte traurig aus dem Fenster.

»Jetzt esst endlich«, drängte Don Diego sie und lüftete den Deckel zweier Schüsseln.

Zaida sprach kein Wort, während sie von allen Speisen kostete, bis der Marqués das Schweigen brach. »Ich möchte nicht neugierig erscheinen, aber ich habe den Eindruck, dass Ihr … traurig seid. Ist es so?« Seine Stimme klang tief und voll, und auf Zaida wirkten seine Worte vertrauenswürdig.

Sie nickte.

»Und es hat nichts mit mir oder dem Unfall zu tun. Vermute ich recht?«

Zaida sah ihn offen an. »Gestern ist meine Mutter gestorben, und heute Morgen haben wir sie begraben. Die ganze Nacht über haben wir an ihrem Totenbett gewacht. Ich … ich hielt es in unserem Haus nicht mehr aus, ich dachte … darin zu ersticken!«

»Oh, das tut mir aufrichtig Leid.« In Don Diegos Augen war wirklich etwas von Bedauern zu lesen. »Nehmt noch einen Schluck Wein, er verfehlt seine Wirkung nie.« Da Zaida durstig war, trank sie das Glas leer, und bald darauf fühlte sie sich wunderbar leicht. Um die junge Frau zu zerstreuen, plauderte der Marqués ganz entgegen seiner sonst wortkargen Art auf sehr unterhaltsame Weise. Nachdem er von dem Anwesen des Kaufmanns weiter südlich erfahren hatte, hakte er ein und bemerkte ohne falsche Bescheidenheit: »Welch ein Zufall, dass die Seidenraupenzucht gerade in meinem Marquesado seit Generationen Tradition hat. Da könnte ich Eurem Vater …« Don Diego kaute bedächtig das etwas zähe Gänsefleisch und sagte mit noch vollem Mund: »Wir werden darauf zurückkommen.«

Auf keinen Fall!, dachte Zaida und sagte schnell, ohne lange zu überlegen: »Die Seidenraupenzucht haben eigentlich meine Vorfahren in den Westen gebracht …« Besser sich über christlich-maurische Rivalitäten zu ergehen, sagte sie sich, als ihren Vater ins Spiel zu bringen. Die Angst vor ihm wuchs immer mehr.

Der Marqués legte die Stirn in Falten und musterte die Frau. »Habt Ihr dafür Beweise?«

»Wie bitte?«

»Hm, ich persönlich glaube nämlich«, verkündete er, während er sich behaglich in seinem Stuhl zurücklehnte, »dass es die Römer waren, die nicht genug von dem edlen Material bekommen konnten und seinetwegen einen blühenden Handel zwischen China und Rom auslösten. Die legendäre Seidenstraße ist Euch sicher bekannt …« Ein Blick in Zaidas Augen, und er wusste, dass dem nicht so war. »Nun, durch die Taklamakan, eine der gefährlichsten und unberechenbarsten Wüsten der Welt, und über das Pamirgebirge, das eisige und unwirkliche Dach der Welt. Dennoch erlebte die Zucht der gefräßigen Raupen eine bescheidene Hochblüte in Italien erst, als das Römische Reich schon untergegangen war.«

»Oh«, bemerkte Zaida schlicht. Klugscheißer. Aber sie wollte dies gerne glauben und schwieg.

Don Diego tupfte sich den Mund ab, legte die Serviette auf den Teller und sah ihr in die Augen. Es waren bemerkenswerte Augen, in denen man ertrinken konnte.

Für kurze Zeit war nur das Knistern des Feuers zu hören, und Zaida wagte kaum am letzten Bissen ihrer Gans zu kauen.

***

Am späteren Nachmittag kam der Arzt und untersuchte Jasmin gründlich. Er bestätigte Don Diegos Verdacht einer schweren Rippenprellung und verordnete eine Woche Bettruhe. Das Mädchen wurde stramm in eine feste Decke gewickelt und vorsichtig zur Kutsche getragen.

Auf der Fahrt zur Stadt überlegte Zaida zum zehnten Mal, wie sie ihrem Vater die Geschichte am besten erzählen sollte, als der Marqués ihre Gedanken unterbrach und sagte: »Solltet Ihr Schwierigkeiten mit Eurem Vater bekommen, lasst es mich wissen! Oft kann ein bisschen Gold oder ein guter Auftrag Wunder bewirken.«

Nervös ordnete Zaida die Falten des viel zu weiten Kleides. »Das glaube ich kaum … Ihr kennt meinen Vater nicht.«

»Nun, das ließe sich ändern …«

»O Gott, nur das nicht, Euer Gnaden!«, stieß Zaida hervor, und in den großen mandelförmigen Augen spiegelte sich Entsetzen.

»Richtet sich die Abneigung Eures Vaters gegen einen bestimmten Adligen?«

»Nein, er ist gerecht. Er hasst sie alle.« Verdammt, sie hätte sich auf die Zunge beißen können!

Die leicht zusammengekniffenen graubraunen Augen des Marqués ruhten eine Weile auf dem ausdrucksvollen Gesicht der jungen Maurin. Seine Gedanken schweiften ab, und er sah im Geiste seine immer kränkelnde, blasse Frau vor sich, die er nur mit genügend Promille von Zeit zu Zeit besteigen konnte, um vielleicht doch noch einen Sohn oder eine Tochter zu zeugen. Was soll’s, dachte er mit einem Mal, Nachkommen hin oder her. Auch von ihrer Seite wurde der eheliche Beischlaf nicht gewünscht. Seit geraumer Zeit fühlte sich die Marquesa mehr und mehr zur Kirche hingezogen und drohte zu einer fanatischen Braut Christi zu werden. Sein einziger Nachkomme aus dieser Verbindung, der sechsjährige Sohn Alfonso, war körperlich schwach und kränklich wie seine Mutter, aber auch ebenso intelligent und launisch. Diese Wesensart beunruhigte Don Diego zutiefst.

***

Suleiman Harun al Mansib war fuchsteufelswild. Die lebhaften dunklen Augen unter den dichten schwarzgrauen Brauen sprühten vor Zorn. Obwohl das eine nichts mit dem anderen zu tun hatte, beschloss er, Zaida so schnell wie möglich zu verheiraten. Fatima war mit dem Ehemann, den er seinerzeit für Zaida ausgesucht hatte, nicht einverstanden gewesen. Immer wieder hatte es seine Frau geschickt verstanden, die Verlobung hinauszuzögern und Gegenkandidaten aufzustellen. Dabei hatte er ihr deutlich zu verstehen gegeben, dass er nicht beabsichtigte, seine Tochter mit einem gut aussehenden Schwachkopf zu verheiraten. Allerdings war es ihm damals auch nicht so eilig damit gewesen. Jetzt war Zaida zwanzig Jahre alt, und die Umstände hatten sich drastisch geändert. Wer außer ihrer Mutter würde ein Auge auf sie haben? Er selbst war mit seinem Sohn Mahmud oft wochenlang im Vorderen Orient unterwegs …

In der folgenden Woche kam täglich ein Bote aus dem Castillo in das Haus des Morisken und brachte Jasmin Konfekt und ausgefallene Geschenke. Beigelegt war jedes Mal ein vom Marqués persönlich geschriebenes Briefchen mit den besten Genesungswünschen und Grüßen an die Schwester. Jasmin war glücklich, und Suleiman tobte. Sein tief sitzender Hass den Granden gegenüber steigerte sich ins Unerträgliche.

»Diese Schmeißfliegen«, wetterte er, »saugen dem Land das Blut aus und sind für nichts anderes gut außer dafür, diese Ungerechtigkeit mit der Geburt weiterzugeben!«

Eines Abends beklagte er sich bei seiner Frau: »Zaida hat Schuld an dem Umstand, dass unsere Familie nun Kontakt mit dem Herrscherhaus hat. Das wird in Alicante nicht unbemerkt bleiben.« Der Händler und Kaufmann wollte aber keine Aufmerksamkeit auf sich lenken. War er auch kein praktizierender Moslem wie sein Großvater, der sich hatte scheintaufen lassen, oder wie noch sein Vater, so hielt er doch an der maurischen Lebensweise fest, mit der er aufgewachsen war.

»Ich bin wohlhabend und unabhängig«, ereiferte er sich weiter, »und Neid und Missgunst lauern nicht nur unter den Christen, wie wir wissen, sondern auch unter unseren eigenen Leuten. Ich sehe es nicht gerne, wenn mir jemand in meine Geschäfte spuckt!«

Also ging es ihm nur ums Geschäft, dachte Selma, wagte aber nicht, dem zum Jähzorn neigenden Gatten dies entgegenzuhalten.

»Idan, es ist an der Zeit, Zaida zu verheiraten«, sagte Suleiman und ließ keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit. Dass er die Tochter seinen eigenen Interessen opferte, kam ihm nicht in den Sinn.

»Nun.« Selma zögerte. »Möchtest du mit dieser Entscheidung nicht warten, bis Mahmud zurück ist?« Sie blickte ihn offen an und strich sich eine dunkle Locke aus ihrem herzförmigen, kleinen Gesicht.

»Wer trifft hier die Entscheidungen, Weib?« Suleimans Ton klang so gereizt, dass Selma es dabei beließ.

***

Eine Woche nach dem Unfall teilte der Kaufmann den Frauen seinen Entschluss mit, Zaida mit Amir Husein Ibn Tufail zu verheiraten, und erklärte die Verlobung für gültig. Angesichts der jüngsten Ereignisse hatte er dem monatelangen Drängen und Werben des Tuchhändlers aus Murcia nachgegeben, weniger deshalb, weil Amir alle Vorteile auf seiner Seite hatte, sondern aufgrund der Tatsache, dass er im Moment keinen geeigneteren Kandidaten zur Hand hatte. Außerdem war Amir Witwer. Die nicht unerhebliche Gefahr, denunziert zu werden, weil der Ehemann noch weitere Frauen besaß, war im Falle Amirs unwahrscheinlich, denn Zaida würde seine einzige Frau bleiben.

Zwei Tage später machte Amir seine Aufwartung. Entgegen der arabischen Sitte durfte Zaida ihn sehen und kurz begrüßen. Nur mühsam konnte sie ihrem Verlobten mit der gebotenen Höflichkeit gegenübertreten, Entsetzen und Verzweiflung schnürten ihr die Kehle zu. Gott, der Mann war beinahe so alt wie ihr eigener Vater! Er war klein und untersetzt, und wenn sein rundes Gesicht auch nicht hässlich war, so wirkte nichts an ihm für eine Frau einnehmend. Es konnte ihrem Vater doch nicht ernst damit sein, sie dermaßen zu verschachern!

In jener Nacht fand Zaida keinen Schlaf. So hätte es nicht kommen dürfen, jammerte sie. Mit Schaudern dachte sie an die kurzen, mit schweren Ringen geschmückten Finger des Mannes und daran, wie es sich wohl anfühlen würde, von diesen Händen berührt zu werden … Bis zur Hochzeit sollte ihr nicht mehr viel Zeit bleiben.

Als der Morgen endlich graute, hatte sie einen Entschluss gefasst: Sollte der Bote vom Castillo heute noch einmal kommen – Jasmin war mittlerweile wieder wohlauf und auf den Beinen –, würde sie dies als Schicksalswink auffassen und dem Marqués eine Nachricht zukommen lassen. Schon der kleinste Aufschub war ihr die Bitte wert.

An diesem Vormittag kam der Bote zum letzten Mal. Mit den besten Wünschen für die Zukunft überreichte er Jasmin ein besonders ausgewähltes Geschenk: ein winzig kleines Rassehündchen mit Schleifen im Fell, wie sie die Damen bei Hof hielten. Als er der älteren Schwester ganz offiziell einen versiegelten Brief übergab, gelang es ihr, dem Kurier unbemerkt eine Nachricht für seinen Herrn zuzustecken. Während anschließend alle mit dem Hündchen beschäftigt waren, zog sich Zaida in ihr Zimmer zurück und öffnete den Brief. In knappen Worten drückte der Marqués seine Glückwünsche zur bevorstehenden Vermählung aus.

***

»Wie tief meine Verehrung Euch gegenüber auch immer ist, ich finde keine Worte, sie auszudrücken. Bleibt mir nur, Euch für die Zukunft meinen Segen und meine besten Wünsche auszusprechen. Möget Ihr in dieser Ehe Euer Glück finden! Salam.«

***

Zaida traute ihren Augen nicht und las den Brief noch einmal. Die in arabischer Schrift verfassten Zeilen waren mit »Diego de Monterrey, Euer ergebenster Bewunderer und Freund« unterzeichnet. In einem weiteren zusammengefalteten Pergamentstückchen befand sich ein Smaragd und die dazu gekritzelten Worte: »Für die bemerkenswertesten Augen, denen ich je begegnet bin. Der Stein hat die Farbe der grünen Einschlüsse in Eurer Iris und möge Euch Glück bringen.«

Zaida griff nach dem silbernen Anhänger an ihrer Brust und erinnerte sich an den Tag ihrer ersten Menstruation, an dem ihr die Mutter die Kette feierlich um den Hals gelegt hatte, zum Zeichen, dass sie nun zu den Erwachsenen gehörte. Der Stein des Marqués ähnelte dem großen Smaragd auf dem silbernen Amulett, das ihre Großmutter Suleika zur Verlobung erhalten hatte.

Die Zeit drängte, und Zaida wurde immer ruheloser. Für Selma und ihren Vater war die Hochzeit eine willkommene Ablenkung vom Tod Fatimas, und so wurde von nichts anderem mehr gesprochen. Zaida dagegen wusste nicht einmal, ob der Marqués ihre Nachricht mit den schlichten Worten: »Bitte verhindert diese Hochzeit!« überhaupt erhalten hatte und wenn ja, ob und wie er ihr helfen wollte. Diese Unsicherheit und ein erneuter Besuch des Verlobten lösten bei Zaida Panik aus. Wenn wenigstens ihr Bruder Mahmud hier gewesen wäre! Er war der Einzige in der Familie, der ihren Vater bisweilen umstimmen konnte, wenn es um wichtige Entscheidungen ging. Aber Mahmud würde frühestens in einem Monat zurückkommen, und dann wären die Hochzeitsvorbereitungen schon in vollem Gange.

Selbst Selma konnte Zaida nicht helfen. Als Suleimans Frau durfte sie dessen Absichten nicht hintertreiben, und so wusste einzig ihr Ehemann, wie sie über seine Wahl dachte. Dennoch versuchte sie Zaida zu trösten.

»Zwiebeln mit Eigelb und Kamelmilch«, riet sie der jungen Frau, »sollen die Wirkung des Liebestrankes ganz zuverlässig aufheben. Amir wird gewiss versuchen, dir einen solchen Trank vor der Hochzeitsnacht zu verabreichen.«

»Soll er nur«, versetzte Zaida kühl. Sie nahm kaum Notiz von den gut gemeinten Worten der zierlichen Frau, die einen Kopf kleiner war als sie selbst. »Meinetwegen kannst du sämtliche Apotheker Alicantes bemühen, ich brauch das Zeug bei Gott nicht! Nicht bei diesem … Fettsack!«

***

Eine Woche nachdem der Bote des Marqués das letzte Geschenk abgegeben hatte, kam er erneut und übergab Suleiman persönlich ein versiegeltes Schreiben seines Herrn. Darin hieß es: »Da mir, Eurem Landesherrn, die bevorstehende Hochzeit Eurer hochlöblichen Tochter zur Kenntnis gelangt ist, teile ich Euch auf diesem Wege mit, dass ich nach altem aragonesischem Recht das jus primae noctis einzufordern gedenke.

Solltet Ihr diesen alten spanischen Brauch zu verhindern versuchen, werde ich veranlassen, die Einhaltung christlich religiöser Sitten und Gebräuche in Eurem Haus, dem Haus eines Morisken, einer strengen Prüfung zu unterziehen. Gezeichnet: Don Diego de Monterrey. Zu Beginn des elften Monats im Jahre des Herrn, 1500.«

***

Der Kaufmann verstand die Drohung und war sprachlos. Zunächst richtete sich sein Zorn gegen den Marqués, danach gegen Zaida. Als er jedoch die Verblüffung und die Furcht in den Augen seiner Tochter sah, packte ihn unbändige Wut auf diesen Granden, der mit einem Federstrich das Schicksal der Menschen bestimmte. Aber auch Wut auf seine eigene Macht- und Hilflosigkeit.

»Es scheint, als folge auf die Vertreibung der Juden nun eine neue Welle der Intoleranz!«, wetterte er. »Wohl nicht zufällig wandern zurzeit viele von uns an die nordafrikanische Küste aus. Die kriegen mich auch noch so weit! Inshallah!«

Für einen kurzen Augenblick war Suleiman geneigt, die Verlobung zu lösen, besann sich dann aber anders. Die Hochzeitsnacht war erst in einigen Wochen, und wer wusste, ob der in den Cortès von Valencia und Aragon viel beschäftigte Marqués dann noch daran dachte oder überhaupt im Lande war …

Der Kaufmann ahnte freilich nichts von der kleinen, schwelenden Glut, die Zaida damals im Herzen des Marqués entzündet hatte und die sich nun, nach ihrem Hilferuf, zu einer lodernden Flamme ausgeweitet hatte. Niemals noch war es Don Diego in den Sinn gekommen, das längst vergessene Recht der ersten Nacht in Anspruch zu nehmen. Da der Hilferuf der schönen Sarazenin eindeutig war, entschied er sich unter all seinen Möglichkeiten berechnenderweise für die Variante der Mätresse. Selbstbewusst, wie er war, und gewohnt, bei den Frauen aufgrund seines beeindruckenden Körperbaus leichtes Spiel zu haben, kam er gar nicht auf den Gedanken, dass Zaida ablehnen könnte. In der Aussicht auf ein paar berauschende Schäferstündchen plante er die erste Nacht aufs Minutiöseste …

***

Zehn Tage später, an einem Freitagnachmittag, fuhr die Prunkkutsche des Marqués am Haus des Morisken Suleiman Harun al Mansib vor. Der mittelgroße, eher hagere Kaufmann, der sogar die dischdascha abgelegt hatte, seit seine Tochter das Interesse des christlichen Granden erregt hatte, war nicht nur über das Aufsehen empört, das solch ein Vorgehen in der Nachbarschaft hervorrufen würde, sondern auch über die Tatsache, dass der Marqués so eilends sein Recht einfordern wollte. Da jedoch zwei in Purpur, Schwarz und Silber livrierte Diener und zwei bewaffnete Begleiter mit denselben Farben an ihren Waffenröcken ausstiegen und sein Haus betraten, um Zaida abzuholen, musste er fürs Erste seinen Ärger hinunterschlucken. Einer der Lakaien übergab ihm ein Schreiben, in dem ihm Seine Exzellenz mitteilte, dass er für unabsehbare Zeit an den königlichen Hof in Valladolid gerufen wurde und auf dem Weg dahin sein Jagdschloss in der Sierra aufsuchen werde. Dorthin wolle er seine Tochter mitnehmen und sie danach mit einer Eskorte nach Hause geleiten lassen. Sie werde also ein paar Tage fort bleiben.

Suleimans Zorn war grenzenlos. Seine buschigen Augenbrauen zogen sich zusammen, und sein knochiges Kinn schob sich nach vorn. Immer wieder starrte er auf die Schrift, die in seinen zitternden Händen verschwamm. Als seine Tochter zur Kutsche geleitet wurde, kam es ihm vor, als würde sie zur Hinrichtung geführt, und schwere Schuldgefühle stiegen in ihm hoch.

Zaida jedoch schritt hoch erhobenen Hauptes aus dem Haus. Von dem eigenartig beklemmenden Gefühl in ihrer Brust ahnte der Vater nichts. In Wahrheit wusste sie selbst nicht, ob sie über diese Wendung des Schicksals glücklich sein sollte. Sie hatte nur mit Selma von Frau zu Frau über das Begehren des Marqués sprechen können, ohne natürlich ihre eigene Initiative in der Sache zu erwähnen.

»Sei nicht allzu traurig über die Absicht des Gran Señors«, hatte die kluge Selma ihr geraten. »So lernst du wenigstens noch die Liebe eines anderen Mannes kennen. Nach meinen Erkundigungen im Basar muss er jünger und auf alle Fälle … äh … stattlicher sein als dein zukünftiger Ehemann. Vielleicht erweist er dir noch einen Dienst damit!«

»Wie meinst du das?«

»Na, wie ich Amir einschätze«, Selma verzog das kleine, fein modellierte Gesicht, »ist er sicher nicht selbstbewusst genug, um ein Nörgeln an seiner Manneskraft und die Vergleiche seiner Liebeskünste mit denen eines anderen lange auszuhalten. Das ist deine Chance. Er könnte dann die Ehe von sich aus auflösen. Nach arabischem Gesetz ist das für die Männer ja ganz einfach. Nicht aber für uns.«

Dann gab sie Zaida unter verlegenem Kichern noch ein paar Tipps und zum Schluss eine kleine Schatulle mit kostbar riechenden Ölen.

»Verwende sie großzügig … na, du weißt schon, damit es beim ersten Mal leichter geht…«

Igitt! Zaida hatte eine Gänsehaut bekommen und dieses eigenartig beklemmende Gefühl in der Brust. Sie würde den Tag an sich herankommen lassen. Nun war es so weit.

***

Don Diego saß nicht in der Kutsche und hatte auch nicht beabsichtigt, weit in die Berge zu fahren und kostbare Zeit zu verschwenden. Ein paar Straßen weiter bog die Karosse in die Toreinfahrt eines herrschaftlichen Palais ein und hielt vor einer breiten Steintreppe. Der Innenhof war menschenleer und wirkte verlassen, lediglich die gemauerte Zisterne mit ihrem schmiedeeisernen Aufbau in der Mitte war von einem breiten Rondell prachtvoller, in mehreren Farben blühender Rosen eingerahmt.

Zaida wurde der Schlag geöffnet, und einer der livrierten Diener half ihr aus dem Wagen und geleitete sie die Treppe hinauf zu einem reich verzierten steinernen Portal. Die Außenfassade des Palais war dagegen schmucklos und streng. Niemand erschien auf dem Treppenabsatz, das gesamte Anwesen wirkte auf die junge Frau unbewohnt und einsam.

Der Diener führte Zaida in eine große Eingangshalle. Unter dem hohen, von Schlangensäulen getragenen Sterngewölbe wand sich eine breite Marmortreppe in das erste Stockwerk. In unzähligen, sich wie Girlanden nach oben schlängelnden Keramikschalen blühten purpurne, rote, rosa, lachsfarbene und weiße Rosen. Überwältigt von der Blütenpracht und ihrem betörenden Duft blieb Zaida stehen und bestaunte das einmalige Bild. Nach einer Weile hüstelte der Diener diskret und öffnete ein paar Schritte weiter eine Tür. Zaida zögerte einzutreten. Der Prunk und die Überladenheit des Salons, vor allem aber die vielen Bücher beeindruckten sie zutiefst. Bis dahin hätte sie nie gedacht, dass ein Mann so viele Bücher besitzen könnte.

Den Blick nach oben gerichtet, betrachtete sie gerade die Fresken an der Decke, als der Marqués durch eine Nebentür die Bibliothek betrat.

»Meine verehrte Zaida, fühlt Euch nur ganz wie zu Hause!«

Sie nickte ihm entgegen. Ihr Zuhause sah ganz anders aus.

»Dort oben sind die bedeutendsten griechischen und römischen Philosophen dargestellt – natürlich so, wie der Künstler sie sah –, und darunter auf den Spruchbändern stehen ihre berühmtesten Aussprüche. Wenn Ihr mehr über sie lesen wollt, meine Bibliothek steht Euch zur Verfügung.« Don Diego machte eine weit ausholende Handbewegung und kam auf Zaida zu.

Sie knickste halbherzig: »Dafür habt Ihr mich sicher nicht herbringen lassen, Euer Gnaden.« Ihr Ton war herablassender als beabsichtigt.

Die Brauen Don Diegos hoben sich erstaunt, doch gefiel ihm ihre direkte Art. Nach einer tiefen Verbeugung nahm er ihre Hand und hob sie zart an seine Lippen. »Ich freue mich ganz ungemein, Euer Vertrauen gewonnen zu haben. Ich bin ein Ehrenmann, Zaida, und ich halte immer mein Wort. Wie Ihr seht, habe ich mir für Euer Problem etwas einfallen lassen.«

»Da musstet Ihr bestimmt nicht lange nachdenken.«

»Verehrteste! Als ich gehört habe, dass irgendein Wurm euch haben will … also nein, ein maurischer Tuchhändler! Ihr habt hoffentlich höhere Ambitionen für Euren Grabstein!«

Zaida verdrehte die herrlichen Augen. »Ich habe Euch lediglich um Hilfe gebeten, Euer Gnaden, nicht um eine… äh … gemeinsame Nacht.« In ihrer Stimme lag Empörung und Bitterkeit.

»Hm. Was stellt Ihr Euch vor? Das eine geht nicht ohne das andere. Oder glaubt Ihr, ich könnte einem ehrenwerten Bürger in einer Stadt außerhalb meines Einflussbereiches vorschreiben, wen er heiraten darf und wen nicht? Euren Vater hatte ich schon unter Druck gesetzt, das wäre die einfachste Lösung gewesen. Doch wie Ihr seht, lässt er Euch lieber in meine Arme sinken, als die Hochzeit abzusagen.«

»Das hat andere Gründe …«

Don Diego wippte auf seinen Absätzen. »Por supuesto«, sagte er gallig, »ich erinnere mich an Eure Worte. Ich hätte natürlich auch Meuchelmörder beauftragen können, den unliebsamen Verlobten beiseite zu schaffen, wenn Ihr an diese Art von Hilfe gedacht hattet. Und Euer Gewissen …«

»Schweigt!« Zaida wuchs in diesem Moment bis an seine Kinnspitze. Es war ein scharfes, kantiges Kinn.

»Das hatte ich mir gedacht. Nun, ich habe noch nie das jus primae noctis in Anspruch genommen. Aber warum sollte ich nicht das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden? Wenn Ihr jedoch meine Hilfe nicht mehr wollt – etwa weil Ihr Angst habt …?« Don Diego zog fragend eine Augenbraue hoch, ergriff beide Hände Zaidas und führte sie behutsam an die Lippen. Er küsste zärtlich die Handrücken, dann die Handinnenflächen und jagte damit kleine Schauer über Zaidas Rücken.

Sie starrte auf die silbernen Knöpfe des samtenen Wamses.

»… dann könnt Ihr jetzt gleich meinem Treiben Einhalt gebieten«, flüsterte er, »und wir gehen als Freunde auseinander. Solltet Ihr aber vorgeben, von mir entjungfert worden zu sein, um die Ehe zu hintertreiben, wird Euch der Fettsack trotzdem heiraten und die Lüge in der Hochzeitsnacht aufdecken. Kein guter Start für eine Ehe! Und Ihr habt dann nichts in der Hand gegen ihn. Ich meine nichts, was einen Mann mehr treffen könnte als der Vergleich mit einem anderen, besseren Liebhaber.« Die silbernen Knöpfe drohten förmlich vom Samtwams zu springen, das sich gefährlich über die sich aufblähende Brust spannte.

Zaida fühlte, wie sie bis unter die Haarwurzeln errötete. »Ich habe keine Angst«, hauchte sie.

Der Marqués hob ihr Kinn an und sagte mit belegter Stimme: »Natürlich habt Ihr Angst, jede Frau hat Angst vor dem ersten Mal. Doch ich werde Euch nicht wehtun. Ihr seid nicht so schmal gebaut …«, wie meine Frau, dachte er bitter. Für Inès waren die seltenen Male ehelicher Pflichterfüllung stets ein wahres Martyrium gewesen. Jetzt hatte er jeglichen Verkehr mit ihr eingestellt.

Zaida bemerkte die Veränderung im Gesichtsausdruck des Marqués und wandte sich ab. Doch ihm entging nicht, dass ihre Lippen zu zittern begannen und sich langsam eine Träne aus dem Augenwinkel stahl. Er seufzte: »Ihr habt keine Wahl, Zaida. Werft Euch nicht weg an den alten Fettwanst! Lasst Euch von mir helfen. Ihr werdet es nicht bereuen.«

»Aber es muss doch noch eine andere Möglichkeit geben!« In ihrem Blick lag etwas Flehendes, das ihn berührte.

»Bei allen Heiligen, Ihr seid viel zu schön für jeden, den Euer Vater bestimmen mag! Ihr seid eines Granden würdig. Meine Hilfe wird ihre Wirkung nicht verfehlen, aber sie hat ihren Preis.«

Nach diesem gemeinsamen Wochenende – er zweifelte nicht im Geringsten an seinen Überredungskünsten – würde er einen Boten nach Murcia schicken, um die Sache endgültig aus der Welt zu schaffen. Der entfernt mit ihm verwandte Conde von Murcia würde auf seine Bitte hin nicht zögern, den scheinkonvertierten, ehemals maurischen Tuchhändler aus Spanien auszuweisen.

»Ich begehre nicht das ius primae noctis, Zaida, ich begehre Euch! Aber ich nehme Euch nicht gegen Euren Willen.« Das war ehrlich gemeint, denn er wollte nicht nur Zaidas Körper, sondern auch ihre Seele. Sein Gewissen sagte ihm sehr deutlich, dass er ihr nur aufgrund seines eigenen Begehrens half – eines Begehrens, das ihm erst schmerzlich bewusst geworden war, als er von Zaidas Verlobung erfahren hatte. Jetzt war nur noch wichtig, dass sie ihm glaubte und vertraute, denn natürlich war seine Macht in diesem südlichsten Flecken des Königreichs Aragon praktisch unbegrenzt.

»Aber es ist Euer Recht! Ihr könnt es einfordern«, räumte Zaida kleinmütig ein.

»Ja, könnte ich.«

»Wenn Ihr jedoch auf meine Zustimmung hofft«, flüsterte sie, »muss ich Euch enttäuschen. Ich würde mich wie … wie eine Hure fühlen.« Seinem intensiven Blick ausweichend, senkte sie den Kopf.

»Vaya, was wisst Ihr schon von Huren?« Don Diego lachte bitter. Er dachte an diverse Etablissements, in denen er zuweilen verkehrte, und an die eine oder andere »Dame«, die er gelegentlich in sein Stadtpalais kommen ließ. »Sie riechen schlecht und haben Krankheiten«, log er wenig überzeugend. »Ich will davon nichts hören!«

»Aber Ihr seid verheiratet«, war der letzte schwache Versuch Zaidas, den Marqués umzustimmen.

»Na und? Kennt Ihr meine Frau? Diese Hexe, diese infame …« Als er die entsetzt aufgerissenen Augen Zaidas sah, hielt er abrupt inne und räusperte sich. Allmählich verlor er die Geduld mit diesem Frauenzimmer! Jetzt an Inès erinnert zu werden, an diese falsche Schlange, war der Gipfel. Oh, wenn Zaida nur wüsste! In barschem Ton drängte er: »Ja oder nein!«

»Ihr überlasst mir die Entscheidung?« Ihre Augen weiteten sich ungläubig.

»Ich überlasse Euch die Wahl zwischen dem fetten Tuchhändler und mir. Doch überlegt gut, mit wem Ihr die erste Nacht verbringen wollt, denn sie kommt nicht wieder!« Die halb gesenkten Lider verbargen seinen spöttischen Blick. »Wenn Ihr Euch entschieden habt, läutet!« Damit deutete er auf die Glocke an der Wand zwischen dem einladenden Sofa und einem der hohen Fenster, durch die das goldene Licht der Abendsonne fiel.

Der Marqués verschwand durch dieselbe Tür, durch die er gekommen war.

»Ihr bekommt ja doch immer, was Ihr wollt«, rief ihm Zaida nach und ließ die Schultern sinken.

Don Diego steckte daraufhin den Kopf zur Tür herein. »Darf ich das als Zustimmung auffassen?« Sein Tonfall konnte eine gewisse Genugtuung nicht verbergen.

Zaida schwieg und blickte trotzig aus dem Fenster. Don Diego traute seinen Augen nicht, ihr Anblick nahm ihm beinahe den Atem. Wie Atthar, die Fackel der Götter, die Sonnengöttin der alten Araber, erschien sie ihm in diesem Augenblick. Ihr rotes Kleid schien in Flammen zu stehen, ihre Haut schimmerte golden, und ihr Gesicht, in dem die Augen wie grüne Smaragde funkelten, war umrahmt von glänzend schwarzem Haar, auf dem die Strahlen der Sonne tanzten.

Zaida wandte sich zu ihm um. Reglos in ihren Anblick versunken, verharrte er unter dem Türrahmen, und sie sah die Begierde in seinen Augen. Mit einem Mal hatte sie das Gefühl, nicht mehr als eine begehrte Jagdbeute zu sein, die den Granden heute faszinierte und morgen vielleicht schon langweilte. Da verstand sie ihren Vater, warum er den Adelsstand mit seinen Privilegien und Ehrenrechten so sehr verachtete, und fühlte wie er.

Don Diegos verklärter Blick verschwand, und er kam langsam näher. Der Zauber war verflogen. Obwohl er erst um die vierzig war, von stattlicher Gestalt und vor Kraft strotzend, war er ein unnahbarer Mann, der seine Zeit, wann immer es seine Verpflichtungen erlaubten, am liebsten in der Bibliothek verbrachte. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, nahm er die junge Maurinbei der Hand und führte sie zu der breiten Marmortreppe. Er hatte keine Eile. Auf dem Sockel der Treppe stand ein silbernes Tablett mit geschliffenen Gläsern und einer Karaffe Rosé. Don Diego füllte den Wein in zwei Gläser.

»Hier«, sülzte er und reichte ihr ein Glas. »Entspannt euch!«

»Ich wüsste nicht weshalb.«

»Ich schon.«

Ihr Vater hatte sie vor dem Weingenuss gewarnt, aber eine Zofe, die sie über die Hochzeitsnacht ausgefragt hatte, bezeichnete ihn in ihrer rüden Art als Schenkelöffner und durchaus hilfreich. Sicherheitshalber trank sie das Glas leer.

»Ich sehe, Ihr tragt den Smaragd, sein Grün passt vortrefflich zu Euren unglaublichen Augen.«

»Er ist wunderschön, ich danke Euch.«

Zaida schlenderte von einer Rosenschale zur nächsten und wurde nicht müde, sich zu bücken. Liebkosend fuhr sie über die samtenen Köpfe, streichelte einige Blüten, an anderen roch sie.

Lächelnd füllte er ihr Glas erneut.

Zaida protestierte, aber es klang schon besorgniserregend vergnügt.

»Ich habe noch nie so viele Rosen auf einmal gesehen, sie sind wunderschön«, schwärmte sie. »Und diese Farbarrangements, mi madre! Wohl eine Eurer Leidenschaften?«

»So ist es, meine Liebe. Ich werde Euch zu gegebener Zeit mehr davon erzählen.«

Zaida mundete der Rosado recht gut, und je mehr sie davon trank, desto besser schmeckte er ihr. Sie dachte, dass sie lieber bald damit aufhören sollte. Keck pflückte sie eine rote Blüte und steckte sie kokett ins Haar. Dann stutzte sie und sah sich um. »Sind wir alleine hier?« Erst jetzt fiel ihr die ungewöhnliche Stille auf.

»Oho! Genüge ich Euch etwa nicht?« Don Diego tat entrüstet. »Bueno, mein erster Diener, der ist zu alt für Euch. Etwas kräftiger gebaut ist der Koch, aber richtig viel versprechend wäre …«

»Haltet ein! Ihr versteht, was ich meine.«

»Gewiss! Aber seid unbekümmert, meine Dienerschaft ist diskret. Außerdem habe ich sie auf ein Minimum reduziert, da eigentlich niemand hier wohnt.«

Don Diego öffnete die erste Tür auf der Galerie und ließ Zaida den Vortritt. Sie betrat einen kleinen, vollständig mit Holz ausgekleideten Salon, dessen Holzdecke in bunter Ornamentik bemalt und teilweise vergoldet war. Mit dem reich verzierten Sekretär und dem Lehnstuhl in der Mitte des Raumes handelte es sich offensichtlich um das Arbeitszimmer des Hausherrn. Der Marqués schob sie weiter in ein geräumiges Ankleidezimmer und danach in sein Schlafgemach.

Zaida war überrascht. Im Gegensatz zu der hellen, freundlichen Bibliothek erschien ihr dieser Raum zunächst wie eine Gruft. Das gesamte Gemach war in violetten und blauen Tönen gehalten, von den Tapeten bis zu den Brokatvorhängen an Fenstern und Bett. In silbernen Kandelabern brannten Dutzende von weißen und gelben Kerzen, die zusammen mit den letzten einfallenden Sonnenstrahlen den Raum in ein sanftes Licht tauchten und ihm eine exzentrische und feierliche Atmosphäre verliehen. Das Schlafgemach war spärlich möbliert und die Möbel mussten erst vor kurzem gepflegt worden sein, denn es entströmte ihnen in der Wärme der Kerzen ein intensiver Duft nach Balsamkraut und Lavendelöl.

Auf dem Tisch türmten sich auf zartblau schimmerndem Damast die herrlichsten Speisen, alles liebevoll arrangiert. Zwei Gedecke mit kostbarem Porzellan, feinsten Kristallgläsern und silbernem Besteck verfehlten ihre einladende Wirkung nicht. Aus den Schüsseln dampfte es verlockend, und in der alcarraza warteten gekühlte erlesene Weine.

Don Diego schob Zaida den Stuhl zurück und lud sie ein, Platz zu nehmen. Um ihr die Angst vor der Etikette zu nehmen und ihre Befangenheit zu überspielen, plauderte er höchst unterhaltsam über eine seiner Leidenschaften, die Rosenzucht. Ein unverfängliches Thema, währenddessen er ihre Teller mit verschiedenen Häppchen füllte und herben Rosado kredenzte.

»Die Rose«, erzählte er, »ist eine Welt für sich: vollkommen, schön, zauberhaft in Blüte und Duft. Die leidenschaftlichste aller griechischen Dichterinnen, die göttliche Sappho, hat die Rose ›Königin der Blumen‹ genannt. Ist Euch bekannt, meine Liebe, dass Rosenkonserven, durch Einlegen in Zucker und Honig, gesuchte Geschenke unter Fürsten sind?«

Zaida schüttelte den Kopf.

Don Diego legte Austern und gefüllte Artischocken auf beide Teller und garnierte sie mit Allioli. »Das Rosenöl« – er schlürfte laut und genüsslich eine Auster – »ist besonders kostbar, wenn es aus der Damaskusrose gewonnen wird. Und erst das Rosenwasser! Es eignet sich für alle Arten Eurer Schönheitspflege.« Er unterbrach sich und probierte vom Lechazo, einem im heißen Lehmofen butterweich gegarten Milchlamm, und ließ es auf der Zunge zergehen. Dann lüftete er den Deckel einer Terrine und hob erfreut beide Brauen. »Übrigens, drei der schönsten Gartenrosen habt Ihr auf der Treppe in der Eingangshalle bewundert: die Centifoliarose, die Burgunderrose und die Weiße Rose …«

Schon lachte sie dauernd, gab sich geheimnisvoll und, wie sie fand, kokett. Kokett stellte sie ihm auch die nächste Frage: »Und habt Ihr neben der Rosenzucht noch andere Vorlieben?«

Na bitte, grinste er, allmählich verliert sie ihre Schüchternheit. »Frauen.«

Zaida schluckte krampfhaft. Der Marqués lachte.

»Nun, auch Bücher«, gestand er, mittlerweile bei der Nachspeise angelangt. Von einer runden Platte wählte er sorgfältig eine Reihe petit fours, die er auf einen flachen Teller mit Goldrand und goldenem Wappen setzte.

»Ihr habt doch nicht alle dort unten gelesen?« Mit ungläubigem Blick griff Zaida nach dem Dessertteller. Sie hatte nie Unterricht gehabt und die arabische Schrift mehr schlecht als recht von ihrem Bruder gelernt, für den kurze Zeit ein Hauslehrer engagiert worden war.

»Fast alle, um ehrlich zu sein.« Der Marqués griff nun gezielter nach den kleinen, mit bunter Zuckerglasur überzogenen Gebäckstücken.

Die Augen Zaidas weiteten sich vor Staunen, doch sogleich mischte sich ein Gefühl der Unterlegenheit in ihren Blick – ein Gefühl, das Don Diego gewiss nicht hervorrufen wollte. Er musterte sie kurz, dann winkte er ab: »Meine Liebe, das sollte Euch nicht beunruhigen. Die meisten dieser Bücher sind Geschichtsbücher, lateinische und griechische Werke – nichts, was Euch gefallen würde«, log er wenig überzeugend.

»Vielleicht doch … Ihr sprecht Latein?«

»Na ja, nicht wie ein Priester. Von sprechen kann keine Rede sein. Aber zum Verstehen reicht es.« Es schien ihm ratsam zu untertreiben. Schwungvoll hob er sein Glas und prostete ihr zu: »Salud!«

Nachdenklich ergriff Zaida das fein geschliffene Glas. Was wusste sie schon außer den Dingen, die mit der Lagerführung und den Waren zu tun hatten? Bedächtig fuhr ihr Finger am Goldrand des Tellers entlang, blieb an dem Wappen hängen und umkreiste es versonnen.

»Ein Schloss, ein Meer, ein Berg … das ist nicht ungewöhnlich«, murmelte sie. »Aber der Wurfanker?«

»Interessiert es Euch wirklich?«

Zaida nickte. »Ja. Erzählt mir davon.«

Da er der Moriskin keine allzu profunden Geschichtskenntnisse zutraute – wenn er ehrlich war, traute er ihr überhaupt keine zu –, entschloss sich Don Diego, weiter auszuholen.

»Dieses Lehen hier«, sagte er und schob sich ein rosarotes Törtchen in den Mund, »war zwei Jahrhunderte lang von besonderer strategischer Bedeutung. Später wurde mein Ururgroßvater damit belehnt, weil er sich in der Schlacht von Montiel durch seinen Heldenmut und seine Tapferkeit ausgezeichnet hatte. Mein Vater fiel vor einigen Jahren bei der Belagerung von Granada, der letzten großen Schlacht auf der Iberischen Halbinsel. Die Reconquista war damit beendet. Übrig geblieben waren, wie Ihr sicher wisst, zwei christliche Königreiche. Als Fernando von Aragon und Isabel von Kastilien heirateten, schufen sie unser Imperium. Das Königspaar verstärkte zwar nach seiner Heirat die Krongewalt, doch blieben in Aragon die Vasallen mächtige Lehensherren.«

Don Diego lehnte sich behaglich in seinem Stuhl zurück und befeuchtete sich die Kehle.

»Wie Ihr einer seid!«

»Wie ich einer bin«, bestätigte er.

»Und der Wurfanker?« Es kostete Zaida bereits einige Anstrengung, klar zu denken, und sie beschloss, den Wein vorerst zu meiden.

»Nun, der Wurfanker muss wohl die bevorzugte Kampfwaffe meines Vorfahren gewesen sein. Ich glaube nicht, dass unser Geschlecht von fernen Raubrittern abstammt.«

»Und wenn doch?«, flüsterte Zaida keck.

»Dann nehmt Euch heute Nacht vor mir in Acht!«