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Der Gesellschaftsvertrag oder Prinzipien des politischen Rechtes (fr.: Du Contract Social ou Principes du Droit Politique) ist das politisch-theoretische Hauptwerk des französisch-schweizerischen Philosophen Jean-Jacques Rousseau. Es erschien erstmals 1762 in Amsterdam und wurde daraufhin in Frankreich, den Niederlanden, in Genf und Bern sofort verboten. Dieses Werk ist - neben Montesquieus Vom Geist der Gesetze - ein Schlüsselwerk der Aufklärungsphilosophie. Zusammen mit letztgenanntem kann der Gesellschaftsvertrag als ein Wegbereiter moderner Demokratie und Demokratietheorie gelten, obwohl er bis heute auch unzählige Anknüpfungspunkte für andere politische Ideen und Denkschulen bietet.
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Seitenzahl: 218
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Der Gesellschaftsvertrag
oder Die Grundsätze des Staatsrechtes
Jean-Jacques Rousseau
Inhalt:
Jean Jacques Rousseau – Biografie und Bibliografie
Der Gesellschaftsvertrag
Vorrede
Erstes Buch
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
Zweites Buch
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
Drittes Buch
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
Viertes Buch
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
Der Gesellschaftsvertrag, J. J. Rousseau
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster
ISBN: 9783849634391
www.jazzybee-verlag.de
Berühmter franz. Schriftsteller und Philosoph, geb. 28. Juni 1712 in Genf, gest. 2. Juli 1778 in Ermenonville (Oise). Seine Mutter, die Tochter eines evangelischen Predigers, starb schon bei seiner Geburt, und der Vater, Uhrmacher und Tanzlehrer, kümmerte sich nicht viel um die Erziehung seines Sohnes, der in seiner Lesewut alle Bücher verschlang, deren er habhaft werden konnte, am liebsten aber die Romane des 17. Jahrh. und Plutarchs Lebensbeschreibungen las. Man brachte ihn zuerst in das Bureau eines Anwalts, dann zu einem Kupferstecher in die Lehre. Aber sein unsteter Sinn und harte Züchtigungen infolge seiner schlechten Streiche trieben ihn aus Genf; nach mehrtägigem umherirren kam er nach Consignon zu dem katholischen Geistlichen, der ihn nach Annecy an Frau v. Warens (s. d.) empfahl. Diese, eine junge, liebenswürdige, aber äußerst schwache und gutmütige Frau, die ihren Mann verlassen hatte, war kurz vorher zum Katholizismus übergetreten und bemühte sich, den 16jährigen R. ebenfalls zu bekehren; sie sandte ihn nach Turin in ein Bekehrungshaus, wo er bald darauf den Protestantismus abschwor (23. Aug. 1728). In Turin wurde er Bedienter bei einer vornehmen Dame, von der er jedoch bald wieder entlassen wurde wegen des Verdachts, einen Diebstahl begangen zu haben, und kehrte nach einigen Irrfahrten 1730 zu Frau v. Warens zurück. Im April 1731 schloß er sich eine Zeitlang einem Hochstapler an, gelangte nach vielen Abenteuern bis nach Paris, kehrte dann aber 1732 zu Frau v. Warens zurück, die inzwischen nach Chambéry verzogen war. Mit seiner Freundin verlebte er dort acht glückliche Jahre, schwelgend im Genuß der schönen Natur, hauptsächlich aber mit ernsten Studien beschäftigt. Hier las er die englischen, deutschen und französischen Philosophen, studierte Mathematik und Latein, vertiefte seine religiösen Anschauungen und versuchte sich in Lustspielen und Opern. Wegen eines Herzleidens reiste er 1737 auf zwei Monate ins Bad nach Montpellier; als er dann nach seiner Rückkehr bei Frau v. Warens einen andern Liebhaber findet und mit diesem ihre Gunst nicht teilen will, wie sie es ihm vorschlägt, verläßt er ihr Haus (sie hatte im Sommer 1738 das Landgut Les Charmettes gepachtet), geht als Hauslehrer nach Lyon und 1741 nach Paris, um sein neues System, Noten durch Zahlen auszudrücken, der Akademie zu unterbreiten. Als diese seine Entdeckung zurückwies, nahm R. die Stelle eines Sekretärs beim französischen Gesandten in Venedig, dem Grafen Montaigu, an, einem geizigen, brutalen Mann, bei dem er nur 18 Monate aushielt. Nach Paris zurückgekehrt, trat er in lebhaften Verkehr mit Diderot, Grimm, d'Alembert, Holbach, Frau v. Epinay u.a., und schon damals rühmte man seine geistvolle Unterhaltung und spottete über sein unbeholfenes Benehmen und seine maßlose Eitelkeit. In dieser Zeit knüpfte er auch sein Verhältnis mit Thérèse Levasseur an, einer Arbeiterin ohne jede Schulbildung und so beschränkt, daß sie weder die Monatsnamen erlernen, noch den Wert der einzelnen Geldmünzen behalten konnte. Trotzdem lebten beide glücklich in einer Vereinigung, deren festester Kitt die Macht der Gewohnheit war, und die erst 25 Jahre später durch die Ehe geheiligt wurde. Sie schenkte ihm fünf Kinder, die er alle ins Findelhaus brachte, eine Herzlosigkeit, die er mit vielen Sophistereien zu entschuldigen versuchte. Inzwischen war er ein berühmter Mann geworden. Seine Abhandlung über die Verderblichkeit der Bildung (»Discours sur les sciences et les arts«, 1750), eine Antwort auf eine von der Akademie zu Dijon gestellte Preisfrage, war von dieser mit dem Preis ausgezeichnet worden. Von nun an trat er in bewußten Gegensatz zu der Zivilisation, die er für alle menschlichen Laster und besonders für seine eignen Verirrungen verantwortlich machte. Er verschmähte es jetzt auch, von der Schriftstellerei zu leben, und empfahl sich trotz des heftigen Widerspruchs seiner Geliebten und ihrer Mutter als Notenabschreiber in der sichern Erwartung, daß es einem berühmten Mann an Aufträgen nicht fehlen würde, worin er sich auch nicht täuschte. Auch auf dem Theater errang er nun einen glänzenden Erfolg mit der Oper »Le devin du village« (1752). Im Jahre 1753 erschien seine »Lettre sur la musique française«, mit der er durch seine Parteinahme für die italienische Musik einen heftigen Sturm gegen sich erregte. Seine zweite größere Schrift war wiederum von der Akademie zu Dijon angeregt und handelte von dem Ursprung und den Gründen der Ungleichheit unter den Menschen (»Discours sur l'inégalité parmi les hommes«, 1753); auch diese Schrift enthält die heftigsten Anklagen gegen die Gesellschaft. In dieser Zeit machte er eine Reise nach Genf, wo er glänzend empfangen wurde und (1. April 1754) zum Calvinismus zurücktrat; er nannte sich von nun an mit Vorliebe »Citoyen de Genéve«. Seit 1756 bewohnte er auf eine Einladung der Frau v. Epinay ein Gartenhäuschen im Walde von Montmorency, das berühmte, später umgebaute »Ermitage«. Hier, in der Einsamkeit, inmitten einer herrlichen Natur, hoffte er ein glückliches und ruhiges Leben führen zu können; aber seine häusliche Misere, seine heftige, sinnliche Leidenschaft für die Gräfin d'Houdetot und besonders sein krankhaftes Mißtrauen und seine nervöse Reizbarkeit, die den Bruch mit seinen besten Freunden, Grimm, Diderot und Frau v. Epinay, herbeiführte, machte den Aufenthalt dort unmöglich; er bezog Montmorency. Hier lebte er auf dem Lustschloß Montlouis, das ihm der Herzog von Luxembourg zur Verfügung stellte, von 1757–62, und wenn auch sein Gemüt nicht gesundete, so sind hier doch seine berühmtesten Werke vollendet worden: Die »Lettre à d'Alembert contre les spectacles« (1758), »Julie, ou la Nouvelle Héloïse« (Februar 1761), »Du contrat social, ou principes du droit politique« (deutsch, Berl. 1873) und »Émile, ou de l'éducation« (deutsch unter anderm von E. v. Sallwürk, mit Anmerkungen, nebst Biographie von Th. Vogt, 3. Aufl., Langensalza 1893, 2 Bde.; von Wattendorff, 2. Aufl., Münst. 1906), beide Frühjahr 1762 erschienen. Aber auch er teilte das Geschick aller Propheten. Aus Frankreich verbannt, wo das Parlament die Verbrennung des »Émile« und die Verhaftung des Verfassers dekretiert hatte, in seiner Vaterstadt, wo man seine Schriften öffentlich verbrannt hatte, geächtet, mußte er 1762 in dem damals preußischen Neuchâtel, im Dorf Môtiers-Travers, eine Zuflucht suchen; günstig nahm ihn der Gouverneur des Ländchens, der Marschall George Keith, auf. Von hier schrieb er seine Streitschrift an den Erzbischof von Paris und die berühmten »Lettres de la montagne«, worin er die Glaubensfreiheit gegen Kirche und Polizei in Schutz nahm als Antwort auf Tronchins »Lettres de la campagne«, die das Verhalten der Genfer Regierung gegen R. rechtfertigen sollten. Doch die Intrigen seiner Feinde ließen ihn auch hier nicht ruhen. Auf Anstiften des protestantischen Geistlichen machten die fanatisierten Bauern einen Angriff auf sein Haus und vertrieben ihn aus ihrem Dorf (September 1765). Auch von der Petersinsel im Bieler See, wohin er sich geflüchtet, wurde er verjagt; schon wollte er sich auf die Einladung Friedrichs II. nach Berlin begeben, als er den dringenden Bitten Humes, nach England überzusiedeln, nachgab. Aber auch dort war seines Bleibens nicht lange; sein Menschenhaß, der durch die Leiden der letzten Jahre allmählich in Verfolgungswahn ausgeartet war, vielleicht auch einige Rücksichtslosigkeiten seines Gastgebers, besonders aber wohl der Anstoß, den die englische Gesellschaft an seinem Verhältnis zu Thérèse nahm, führte bald den Bruch herbei. Schon 1. Mai 1767 landete er in Frankreich, erhielt 1770 die Erlaubnis, nach Paris zurückzukehren, wo er in der Rue Plâtrière (die jetzt seinen Namen trägt) eine Wohnung bezog, und vollendete dort die schon in England begonnenen »Confessions« (deutsch von L. Schücking, Hildburgh. 1870; von E. Hardt, Berl. 1906), worin er mit einer oft empörenden Offenheit und Rücksichtslosigkeit gegen sich und andre sein ganzes Leben der Welt darlegte. In langer armenischer Kleidung wandelte er damals melancholisch unter den Parisern umher, trieb Musik und Botanik und nährte sich vom Notenschreiben, bis er im Mai 1778 vom Marquis v. Girardin die Einladung erhielt, in Ermenonville, unweit Paris, ein stilles Landhaus zu beziehen. Dort ist er bald nachher gestorben. 1794 wurden seine Gebeine (von Ermenonville) feierlich im Panthéon beigesetzt, von wo sie unter der Restauration heimlich wieder entfernt worden sein sollen; seine Landsleute aber errichteten auf der nach ihm benannten Rousseauinsel in Genf ihrem größten Bürger ein Denkmal; im Panthéon zu Paris wurde ihm 1889 ein Standbild errichtet. Sein Bildnis s. Tafel »Klassiker der Weltliteratur II« im 12. Bd. Außer den angeführten Werken schrieb R.: »De l'imitation théâtrale« (1764); das Melodrama »Pygmalion«, das Berquin in Verse brachte (vgl. Istel, J. J. R. als Komponist seiner lyrischen Szene;Pygmalion', Leipz.1901); die Abhandlung über die »Vertu la plus nécessaire aux héros« (1769); ein »Dictionnaire de musique« (1767); »Lettres sur la botanique« (deutsch, Leipz.1903); »Dialogues«, Briefe etc. Mehrere Schriften erschienen erst nach seinem Tode, wie »Émile et Sophie, ou les solitaires«, eine schwächliche Fortsetzung des »Èmile«; und die »Confessions«, die vervollständigt wurden durch eine Art Tagebuch: »Les rêveries du promeneur solitaire«, die gegen seinen ausdrücklichen Wunsch schon drei Jahre nach seinem Tode veröffentlicht wurden.
Mehr als Voltaire bestimmte R. die geistige Physiognomie des alternden 18. Jahrh. Aufgewachsen in einer Stadt, die durch harte Kämpfe gegen Gewalt und Übermut frei und groß geworden, in der strenge calvinistische Zucht wahre und tiefe Frömmigkeit nicht ausschloß, mit einem Herzen voll glühender Liebe zur Natur, deren Großartigkeit und Lieblichkeit in ihm einen begeisterten Lobredner fand, trefflich gewappnet mit dem geistigen Rüstzeug des philosophischen Jahrhunderts, ein scharfer Denker, von der feurigsten Beredsamkeit, daneben von einer Betonung des eignen Ich, von einer Selbstsucht und Überhebung, die in ihrer Übertreibung geradezu widerwärtig wirken: so unternimmt er es, die moralischen und politischen Verhältnisse umzuformen, indem er den glänzenden Schleier, der die Fäulnis und das Elend des sozialen Lebens verhüllte, mit kühner Faust zerriß und vollständige Umkehr predigte, die Rückkehr zur natürlichen Empfindung und zur reinen Bürgertugend. Seine Hauptwerke geben uns ein anschauliches Bild seines Systems. Wenn er in der Abhandlung über die Verderblichkeit der Bildung nachwies, daß mit dem Fortschreiten der Kultur der Verfall der Sitten Hand in Hand gegangen sei, daß Irrtum und Vorurteil unter dem Namen Philosophie die Stimme der Vernunft und der Natur erstickt hätten, so zeichnet er im »Émile« das Ideal eines Bürgers und die Mittel, das Kind zu einem solchen zu erziehen. Fern von der Welt und dem verderblichen Einfluß der Gesellschaft soll die Seele des Kindes sich bilden; da der Mensch von Natur gut ist, so braucht nur Irrtum und Laster fern gehalten zu werden; dann wird er von selbst Wissenschaft und Kunst und zuletzt auch Gott finden lernen. Den Glanzpunkt des »Émile« bildet das Glaubensbekenntnis des savoyischen Vikars; hier bekennt R. in herrlicher Sprache das tiefe Bedürfnis eines wahren, natürlichen Gefühls nach Religion, nach dem Gotte, dessen Allmacht und Größe seine Werke jeden Tag aufs neue verkünden. Der ungeheure Einfluß, den dieses Buch, das Naturevangelium der Erziehung, wie es Goethe nennt, auf die Zeitgenossen ausübte, ging weit über Frankreichs Grenzen hinaus; Pestalozzi sucht und findet seinen Ruhm in der praktischen Durchführung von Rousseaus Ideen, ohne indes seinen Maßlosigkeiten und Absonderlichkeiten zu folgen. Wie diese beiden Schriften der Afterbildung der Zeit das Ideal wahrer Bildung gegenüberstellen, so versuchen die »Abhandlung über die Ungleichheit unter den Menschen« und der »Gesellschaftsvertrag« die soziale Frage zu lösen. Das erstere Werk unterzieht die bestehenden sozialen Verhältnisse einer vernichtenden Kritik. Weil die Zivilisation den Menschen unglücklich mache, so müsse man zu einem Naturzustand zurückkehren, der dem der Wilden, ja dem der Tiere möglichst gleichkomme. Aus dem Begriff des Eigentums habe sich die Ungleichheit entwickelt, aus der Vereinigung zu gegenseitigem Schutz die Regierung, aus der Erblichkeit der Regierung der Despotismus und die Entartung. Aber ein Despot sei nur so lange Herr, als er die Macht habe, und die Revolution, die einen Herrscher vernichte, sei ebenso gerechtfertigt wie das Schalten und Walten des Herrschers über Leben und Eigentum seiner Untertanen. Diesen leidenschaftlichen, oft unrichtigen und meist übertriebenen Deduktionen gegenüber entwickelt er im »Contrat social« die Grundsätze seines politischen Systems. Die ersten Worte: »Der Mensch ist frei geboren«, bilden den Grundtext des ganzen Buches. Seine Freiheit gibt der Mensch nicht auf, wenn er eine Gesellschaft, einen Staat bildet; darum ist die Gesellschaft allein der Souverän, der Gesamtwille das höchste Gesetz. Der Zweck aber der Gesetze ist Freiheit und Gleichheit. Das Merkwürdigste ist, daß er seiner Republik eine Staatsreligion verleiht, und daß er Andersgläubige verbannt, Abtrünnige mit dem Tode bestraft wissen will. Wie diese Theorien sich in der Praxis ausnehmen, zeigten der Konvent und Robespierre; ein viel höherer Grad von Tyrannei war die notwendige Konsequenz solcher Lehren. Der »Contrat social« hatte einen großartigen Erfolg: der französischen Revolution diente er als Grundbuch; Polen und Korsen stellten an R. die Anforderung, ihnen Verfassungen zu geben. Aber das Geheimnis dieses Erfolgs liegt nicht bloß in der Kühnheit der Ideen, sondern ebensosehr in der vollendeten Form, dem prophetischen Ton, der Sicherheit seiner Logik, der Heftigkeit seiner Angriffe. Nicht geringen Widerhall in den Herzen der Jugend, besonders auch der deutschen, fand die »Neue Heloïse«. Hier zeigt er sich als wahrer Dichter, nicht bloß in den Naturschilderungen, die, wie diejenigen der »Confessions«, von bestrickendem Zauber sind, sondern hauptsächlich in der Darstellung einer tiefen, echten Liebe, der zartesten Empfindung und der glutvollsten Leidenschaft. Juliens Fehltritt aber ist nicht nur unmoralisch, sondern stört auch die Harmonie des Werkes, und wenig gelungen ist die moralisierende Fortsetzung des Romans. Der Einfluß Rousseaus war in Literatur und Kultur so gewaltig, daß er auch heute noch unser Leben bis in seine Tiefen erregt.
Unter den zahlreichen Gesamtausgaben der Werke Rousseaus heben wir hervor: die von Du Peyrou besorgte (Genf u. Par. 1782, 35 Bde.), mit den »Œuvres posthumes« (1782–83, 12 Bde.); die von Villenave und Depping (1817, 8 Bde.); von Musset-Pathay, mit Biographie und Anmerkungen (1823–1826, 23 Bde.); von Hachette (1865, 13 Bde.; neugedruckt 1900 ff.). Die beste Ausgabe des »Contrat social« mit allen Varianten gab Dreyfus-Brisac (Par. 1895). Von deutschen Übersetzungen nennen wir die von Cramer (Berl. 1786–99, 11 Bde.) und die von Ellissen, G. Julius, K. Große, Marx etc. (Leipz. 1843–45, 10 Bde.). Eine Auswahl gab in deutscher Übersetzung Heusinger (Stuttg. 1898, 6 Bde.). Einen Band »Lettres inédites« gab Bosscha (Amsterd. 1858) heraus, andre Briefe Streckeisen-Moulton (»Œvres et correspondences inédites de J. J. R.«, Par. 1861, dann in »R., ses amis et ses ennemis«, das. 1865, 2 Bde.; neue Ausg. 1904), Usteri (Zürich 1886), H. de Rothschild (Par. 1892); »Fragments inédits« veröffentlichte Jansen (Berl. 1882).
Vgl. Musset-Pathay, Histoire de la vie et des ouvrages de J. J. R. (Par. 1827); Saint-Marc Girardin in der »Revue des Deux Mondes« 1852 bis 1856 (von Bersot herausgegeben: »J. J. R., sa vie et ses ouvrages«, 1875, 2 Bde.); die Biographien von Morin (Par. 1851), Brockerhoff (Leipz.1863–74, 3 Bde.), Th. Vogt (Wien 1870), John Morley (2. Aufl., Lond. 1886), H. G. Graham (zuletzt das. 1899), Mahrenholtz (Leipz.1889), Beaudouin (Par. 1892, 2 Bde.), Chuquet (das. 1893, 3. Aufl. 1906); Moreau, J. J. R. et le siècle philosophe (das. 1870); Desnoiresterres, Voltaire et R. (das. 1874); Braillard, Marc-Monnier u.a., J. J. R. jugé par les Genevois d'aujourd'hui (Genf 1878); Jansen, R. als Musiker (Berl. 1884), R. als Botaniker (das. 1885) und Documents sur J. J. R., 1762 à 1765 (Genf 1885); J. Buy, Origines des idées politiques de R. (das. 1889); Grand-Carteret, R. jugé par les Français d'aujourd'hui (Par. 1890); Texte, J, J. R. et les origines du cosmopolitisme littéraire (das. 1895); Léo Claretie, J. J. R. et ses amies (das. 1896); Mugnier, Mad. de Warens et J. J. R. (das. 1890, neue Ausg. 1904); Eug. Ritter, La famille et la jeunesse de J. J. R. (das. 1896); Windenberger, Essai sur le système de politique étrangère de R. (das. 1899); Compayré, J. J. R. et l'éducation de la nature (das. 1901); Pougin, J. J. R. musicien (das. 1901); Nourrisson, J. J. R. et le Rousseauisme (das. 1903); Louis Thomas, La dernière phase de la pensée religieuse de R. (das. 1904); W. H. Hudson, R. and naturalism in life and thought (Edinb. 1903); Brédif, im caractère intellectuel et moral de J. J. R. (Par. 1906); Sibiril, Histoire médicale de R. (Bordeaux 1900).Von deutschen Werken vgl. noch: E. Schmidt, Richardson, R. und Goethe (Jena 1875); Borgeaud, Rousseaus Religionsphilosophie (Leipz. 1883); O. Schmidt, R. und Byron (Oppeln 1890); Haymann, J. J. Rousseaus Sozialphilosophie (Leipz. 1898); Liepmann, Die Rechtsphilosophie des J. J. R. (Berl. 1898); Höffding, R. und seine Philosophie (2. Aufl., Stuttg. 1902); Möbius, Rousseaus Krankheitsgeschichte (Leipz. 1889, und im 1. Bd. der »Ausgewählten Werke«, 1904). Seit 1905 erscheint in Genf die ihm gewidmete Zeitschrift »Annales de la Société Jean Jacques R.«
Diese kleine Abhandlung ist einem größeren Werke entnommen, welches ich einst ohne Rücksicht darauf, ob meine Kräfte dazu ausreichen würden, begonnen und schon längst hatte liegen lassen. Von verschiedenen Auszügen aus dem vollendeten Teile dieser Arbeit ist vorliegender der wichtigste und scheint mir am wenigsten unwert, dem Lesepublikum vorgelegt zu werden. Der Rest ist bereits vernichtet.
Ich beabsichtige zu untersuchen, ob es in der bürgerlichen Verfassung irgendeinen gerechten und sicheren Grundsatz der Verwaltung geben kann, wenn man die Menschen nimmt, wie sie sind, und die Gesetze, wie sie sein können. Bei dieser Untersuchung werde ich mich bemühen, stets das, was das Recht zuläßt, mit dem zu vereinen, was das allgemeine Beste vorschreibt, damit Gerechtigkeit und Nutzen nicht getrennt werden.
Ich dringe in die Materie ein, ohne erst die Wichtigkeit meines Gegenstandes zu beweisen. Man wird mich fragen, ob ich Fürst oder Gesetzgeber sei, um berechtigt zu sein, über Politik zu schreiben. Ich antworte nein und schreibe gerade deshalb über Politik. Wäre ich Fürst oder Gesetzgeber, so würde ich nicht meine Zeit damit vergeuden, zu sagen, was man tun muß; ich würde es tun oder schweigen.
Einen wie geringen Einfluß auch die Stimme eines einfachen Bürgers, wie ich bin, der in einem freien Staate geboren ist und durch das allgemeine Stimmrecht Anteil an der Staatsgewalt hat, auf die öffentlichen Angelegenheiten haben mag, so genügt doch schon das bloße Recht, darüber abzustimmen, um mir die Pflicht aufzulegen, mich über sie zu unterrichten. So oft ich über die Regierungen nachdenke, fühle ich mich glücklich, daß ich in meinen Forschungen stets neue Gründe finde, die Verwaltung meines Vaterlandes zu lieben.
Inhalt des ersten Buches
Der Mensch wird frei geboren, und überall ist er in Banden. Mancher hält sich für den Herrn seiner Mitmenschen und ist trotzdem mehr Sklave als sie. Wie hat sich diese Umwandlung zugetragen? Ich weiß es nicht. Was kann ihr Rechtmäßigkeit verleihen? Diese Frage glaube ich beantworten zu können.
Würde ich nur auf die Gewalt und die Wirkungen, die sie hervorbringt, Rücksicht nehmen, so würde ich sagen: solange ein Volk gezwungen wird zu gehorchen, so tut es wohl, wenn es gehorcht; sobald es sein Joch abzuschütteln imstande ist, so tut es noch besser, wenn es dasselbe von sich wirft, denn sobald es seine Freiheit durch dasselbe Recht wiedererlangt, das sie ihm geraubt hat, so ist es entweder befugt, sie wieder zurückzunehmen, oder man hat sie ihm unbefugterweise entrissen. Allein die gesellschaftliche Ordnung ist ein geheiligtes Recht, das die Grundlage aller übrigen bildet. Dieses Recht entspringt jedoch keineswegs aus der Natur; es beruht folglich auf Verträgen. Deshalb kommt es darauf an, die Beschaffenheit dieser Verträge kennenzulernen. Ehe ich dazu komme, ist es meine Pflicht, die eben aufgestellten Behauptungen zu begründen.
Erste gesellschaftliche Vereinigungen
Die älteste und einzig natürliche Form aller Gesellschaften ist die Familie; obgleich die Kinder nur solange mit dem Vater verbunden bleiben, wie sie seiner zu ihrer Erhaltung bedürfen. Sobald dieses Bedürfnis aufhört, löst sich das natürliche Band. Von dem Gehorsam befreit, den die Kinder dem Vater schuldig sind, und der Sorgfalt überhoben, zu der der Vater den Kindern gegenüber verpflichtet ist, kehren alle in gleicher Weise zur Unabhängigkeit zurück. Bleiben sie weiter in Verbindung, so ist das kein natürlicher Zustand mehr, sondern ein freiwilliges Übereinkommen; die Familie an sich hat nur durch Übereinkunft Bestand.
Diese gemeinsame Freiheit ist eine Folge der Natur des Menschen. Sein erstes Gesetz muß es sein, über seine eigene Erhaltung zu wachen; seine Hauptsorgen sind die, die er sich selbst schuldig ist, und sobald er zu dem Alter der Vernunft gekommen, ist er allein Richter über die zu seiner Erhaltung geeigneten Mittel und wird dadurch sein eigener Herr.
Demnach ist die Familie, wenn man will, das erste Muster der politischen Gesellschaften. Der Herrscher ist das Abbild des Vaters, das Volk ist das Abbild der Kinder, und da alle gleich und frei geboren sind, veräußern sie ihre Freiheit nur um ihres Nutzens willen. Der ganze Unterschied besteht darin, daß in der Familie die Vaterliebe die Sorgenlast vergilt, die ihm die Kinder auferlegen, während im Staate die Luft zu befehlen die Liebe ersetzt, die der Herrscher für sein Volk nicht empfindet.
Grotius leugnet, daß jede menschliche Regierung zugunsten der Regierten eingesetzt sei: zum Beweise beruft er sich auf die Sklaverei. In seiner bekannten Schlußweise begründet er das Recht auf die Ausübung desselben. Man würde wohl eine folgerichtigere Lehre aufstellen können, aber keine, die den Gewaltherrschern günstiger wäre.
Nach Grotius ist es demnach zweifelhaft, ob das Menschengeschlecht etwa hundert einzelnen Menschen als Eigentum gehört, oder ob diese hundert dem Menschengeschlechte angehören, und in seinem ganzen Werke scheint er sich zu der ersten Ansicht hinzuneigen. Dies ist auch die Meinung von Hobbes. So ist also das menschliche Geschlecht wie Vieh in Herden abgeteilt, deren jede ihr Oberhaupt hat, das sie beschützt, um sie zu verschlingen.
Wie ein Hirt von einer höheren Natur ist als seine Herde, so überragen auch die Hirten der Menschen, die Herrscher und ebenfalls einer höheren Macht teilhaftig sind, ihre Völker. So schloß, wie Philo berichtet, der Kaiser Kaligula, indem er nach dieser Analogie ziemlich richtig folgerte, daß die Könige Götter oder die Völker Tiere wären.
Diese Schlußfolgerung Kaligulas stimmt mit den von Hobbes und Grotius aufgestellten Lehren vollkommen überein. Schon von ihnen allen hatte Aristoteles ebenfalls behauptet, daß die Menschen von Natur keineswegs gleich wären, sondern die einen zur Sklaverei und die anderen zur Herrschaft geboren würden.
Aristoteles hatte recht, aber er hielt die Wirkung für die Ursache. Jeder in der Sklaverei geborene Mensch wird für die Sklaverei geboren; nichts ist gewisser. Die Sklaven verlieren in ihren Fesseln alles, sogar den Wunsch, sie abzuwerfen, sie lieben ihre Knechtschaft, wie die Gefährten des Odysseus ihren tierischen Zustand nach ihrer Verwandlung liebten. Wenn es also Sklaven von Natur gibt, so liegt der Grund darin, daß es schon vorher Sklaven wider die Natur gegeben hat. Die Gewalt hat die ersten Sklaven gemacht; ihre Feigheit hat sie beständig erhalten.
Ich habe nichts vom Könige Adam noch vom Kaiser Noah, dem Vater der drei großen Monarchen gesagt, die gleich den Kindern des Saturn, die man in ihnen hat wiedererkennen wollen, die Welt unter sich teilten. Ich hoffe, daß man mir für dieses Maßhalten dankbar sein wird; denn da ich von einem dieser Fürsten und vielleicht von dem ältesten Zweige in gerader Linie abstamme, so kann ich ja nicht wissen, ob ich mich nicht durch den Nachweis der Richtigkeit meiner Rechtsansprüche als das rechtmäßige Oberhaupt des menschlichen Geschlechtes enthüllen würde? Wie dem auch sein möge, so kann man doch nicht leugnen, daß Adam Beherrscher der Welt gewesen ist, wie Robinson Beherrscher seiner Insel, solange er ihr einziger Bewohner war, und das Angenehmste bei dieser Herrschaft lag darin, daß der Monarch auf seinem Throne sicher war und weder Aufstand, noch Kriege, noch Empörer zu fürchten hatte.
Recht des Stärkeren
Der Stärkste ist nie stark genug, um immerdar Herr zu bleiben, wenn er seine Stärke nicht in Recht und den Gehorsam nicht in Pflicht verwandelt. Daher entspringt das Recht des Stärksten, ein Recht, das scheinbar ironisch aufgefaßt und in der Tat doch als Prinzip anerkannt wird. Aber wird man uns dieses Wort denn nie erklären? Die Stärke ist ein physisches Vermögen; ich begreife nicht, welche sittliche Verpflichtung aus ihren Wirkungen hervorgehen kann. Der Stärke nachgeben ist eine Handlung der Notwendigkeit, nicht des Willens, höchstens eine Handlung der Klugheit. In welchem Sinne kann es eine Pflicht werden?
Lassen wir dieses angebliche Recht einen Augenblick gelten. Nach meiner Überzeugung ergibt sich daraus nur ein unlöslicher Wirrwarr von Begriffen, denn sobald die Stärke das Recht verleiht, so wird die Wirkung mit der Ursache verwechselt; jede Stärke, welche die erste übersteigt, ist die Erbin ihres Rechtes. Sobald man ungestraft nicht gehorchen braucht, besitzt man das Recht dazu, und da der Stärkste immer recht hat, handelt es sich nur darum, es so einzurichten, daß man der Stärkste ist. Was bedeutet nun aber ein Recht, das mit dem Aufhören der Stärke ungültig wird? Muß man aus Zwang gehorchen, so braucht man nicht aus Pflicht zu gehorchen, und wird man nicht mehr zum Gehorchen gezwungen, so ist man dazu auch nicht mehr verpflichtet. Man sieht also, daß das Wörtlein »Recht« der Stärke nichts verleiht; es ist hier vollkommen bedeutungslos.
Gehorchet den Gewalthabern! Wenn dies bedeuten soll: gebet der Stärke, der Gewalt nach, so ist das Gebot gut, aber überflüssig; ich bürge dafür, daß es nie übertreten werden wird. Ich gebe zu, daß jede Gewalt von Gott kommt; aber auch jede Krankheit kommt von ihm; heißt das etwa, deshalb sei es verboten, den Arzt zu rufen? Wenn mich ein Räuber im Waldesdickicht überfällt, so muß ich mich der Gewalt fügen und ihm meine Börse geben; verpflichtet mich aber wohl mein Gewissen, sie zu geben, wenn ich imstande wäre, sie ihm vorzuenthalten? Die Pistole, die er mir vorhält, ist ja am Ende doch immer eine Gewalt.