7,99 €
Ein Krankenhaus in einer kalten Winternacht. Hier begegnet ein erfolgreicher, aber einsamer Mann einem mutigen kleinen Mädchen – mutig und klug genug, um zu wissen, dass Buntstifte nicht gegen den Krebs helfen. Das aber trotzdem weitermalt, um die Erwachsenen glücklich zu machen.
Dann bekommt der Mann die einzigartige Chance, das Schicksal des Mädchens für immer zu verändern – zu einem hohen Preis. Soll er es wagen? Voller Selbstzweifel macht er sich auf zu seinem schon lange entfremdeten Sohn. Denn zwischen Bedauern angesichts der Vergangenheit und den Hoffnungen für die Zukunft kann nur dieser ihm sagen, ob der Handel seines Lebens einen Sinn hat ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 113
Ein Vater und ein Sohn sehen sich zum ersten Mal seit Jahren wieder. Der Vater hat eine Geschichte zu erzählen und muss sich beeilen, bevor es zu spät ist. Er erzählt seinem Sohn von einem mutigen kleinen Mädchen, das ein paar Kilometer entfernt in einem Krankenhausbett liegt. Ein kluges Kind – klug genug, um zu wissen, dass Buntstifte nicht gegen Krebs helfen. Das aber trotzdem weitermalt, weil es die Erwachsenen um sie herum glücklich zu machen scheint.
Während er über dieses mutige kleine Mädchen spricht, erzählt der Vater auch mehr über sich selbst: über seine Erfolge im Geschäftsleben, seine Misserfolge als Elternteil, über sein Bedauern angesichts der Vergangenheit und seine Hoffnungen für die Zukunft. Und darüber, dass er jetzt, in einer kalten Winternacht, die unerwartete Chance erhalten hat, etwas wahrhaft Bemerkenswertes zu tun, das das Schicksal des kleinen Mädchens auf immer verändern könnte. Doch bevor er den Handel seines Lebens abschließen kann, muss er herausfinden, was dieses Leben tatsächlich wert war. Und nur sein Sohn kann ihm diese Antwort geben.
»Fredrik Backman verfügt über die wunderbare Fähigkeit, den Leser ganz tief im Inneren zu berühren.« The Book Reporter
Weitere Informationen zu Fredrik Backman sowie lieferbaren Titeln des Autors finden Sie am Ende des Buches.
Fredrik Backman
Eine Erzählung
Aus dem Schwedischen von Antje Rieck-Blankenburg
Die Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel »Ditt Livs Affär« bei Bokförlaget Forum, Stockholm.
Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.
Wunderraum-Bücher erscheinen im Wilhelm Goldmann Verlag, München, einem Unternehmen der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH.
Deutsche Erstausgabe September 2023
Copyright © der Originalausgabe 2017 by Fredrik Backman
Copyright © dieser Ausgabe 2023 by Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München
Published by agreement with Salomonsson Agency
Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, München
Umschlagmotiv: FinePic®, München
Innenteilabbildungen: Ella Laytham
Th · Herstellung: Han
Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling
ISBN: 978-3-641-30646-5V001
www.wunderraum-verlag.de
Für meine Freunde in The Tivoli in Helsingborg.
Die Musik für mich spielten, wenn ich einsam war, mir eine Geschichte erzählten, wenn ich mich verloren fühlte, mir ein Bier spendierten, wenn ich kein Geld hatte, mich in den Arm nahmen, wenn ich mich niedergeschlagen fühlte, und mich immer dann in ein Taxi setzten, wenn es an der Zeit war.
Dies ist eine Geschichte über den Preis, den es kostet, jemandem das Leben zu retten. Eine Geschichte darüber, wie es wäre, wenn du dafür nicht nur deine Zukunft opfern müsstest, sondern auch deine Vergangenheit. Nicht nur die Orte, zu denen du unterwegs bist, sondern letztlich auch alle Fußspuren, die du bisher hinterlassen hast. Wenn du all das opfern müsstest, für wen wärst du bereit, das zu tun?
Die Geschichte trägt den Titel Der Handel deines Lebens und wurde erstmals an Heiligabend 2016 in der Zeitung Helsingborgs Dagblad veröffentlicht. Ich habe sie in einer späten Nacht im Dezember geschrieben, während meine Frau und meine Kinder nur wenige Armlängen von mir entfernt schliefen. Ich war total erschöpft, das Jahr war ziemlich lang und merkwürdig gewesen, und ich hatte mir offenbar mehr aufgehalst, als ich schaffen konnte. Also saß ich in der Dunkelheit und dachte darüber nach, welche Entscheidungen Menschen so treffen. Darüber, wie wir uns jeden Tag, immer und überall, für einen bestimmten Weg entscheiden anstatt für einen anderen. Wir reisen, bleiben stehen, spielen, verstecken uns, verlieben uns, verlassen jemanden oder kuscheln uns so eng wie nur möglich aneinander. Schlafen mit dem Atem des anderen im Nacken ein. Manche von uns brauchen vielleicht sogar jemanden, der sie jeden Morgen aufs Neue im Sturm erobert, damit sie begreifen, was Zeit wirklich bedeutet. Und um daran erinnert zu werden, was sie verpassen, wenn sie nicht aufmerksam genug sind.
Deshalb habe ich versucht, darüber zu schreiben.
Es ist meine erste Geschichte, die in Helsingborg spielt, in der Stadt, in der ich aufgewachsen bin. Alles beginnt in dem Krankenhaus gleich um die Ecke von meiner ehemaligen Schule. Damals bin ich jeden Morgen die Strecke am Meer entlanggefahren, unterwegs zu einigen der schönsten, aber auch der schrecklichsten Tage in meinem Leben. Ich habe Freunde in der Mariakyrka heiraten sehen und wieder andere Freunde auf ihrem letzten Weg begleitet. In der Vinylbar von The Tivoli bin ich öfter betrunken eingeschlafen, als es meine Erinnerung hergibt. Diese Geschichte handelt also vermutlich gleichermaßen von meinen Gefühlen für meine Heimatstadt wie von meiner Angst vor dem Tod. Den Ort, an dem wir aufgewachsen sind, lassen wir wohl nie ganz hinter uns. Ich hoffe nur, dass dies auch für das eigene Selbst gilt. Ein guter Freund hat einmal zu mir gesagt: »Die grundlegende Stellenbeschreibung fürs Menschsein lautet, zu versuchen, jeden Tag etwas weniger dämlich zu sein.« In der Nacht, in der ich das hier schrieb, musste ich viel darüber nachdenken, was geschieht, wenn man eine Familie gründet und nicht mehr die Hauptperson im eigenen Leben ist. Und ich überlegte, wie eine durch und durch selbstlose Tat aussehen könnte. Ich sinnierte, für wen ich bereit wäre zu sterben, und für wen ich bereit wäre, mein Leben zu opfern. Und worin eigentlich der Unterschied besteht.
Dies ist die Geschichte darüber. Ich weiß zwar nicht, wer du bist, der sie liest, aber ich wünsche dir ein besinnliches Weihnachtsfest.
Mit den besten Grüßen
Fredrik Backman
Hallo. Hier ist dein Vater. Du wirst bald aufwachen, es ist Morgen in Helsingborg, genauer gesagt der Morgen an Heiligabend, und ich habe einen Menschen getötet.
Normalerweise fängt man eine Geschichte nicht so an, ich weiß. Aber ich habe jemandem das Leben genommen. Macht es einen Unterschied, wenn du weißt, wem?
Vielleicht nicht. Die meisten von uns würden gerne glauben, dass jedes Herz, das zu schlagen aufhört, gleichermaßen vermisst wird. Und wenn wir gefragt werden, »Sind alle Leben gleich viel wert?«, werden die meisten von uns voller Überzeugung mit »Ja!« antworten. Aber nur, bis jemand auf einen Menschen deutet, den wir lieben, und fragt: »Und dieses Leben?«
Macht es also einen Unterschied? Ob es ein guter Mensch war, den ich getötet habe? Ein geliebter Mensch? Ein wertvolles Leben?
Ob es ein Kind war?
Sie war fünf Jahre alt. Ich habe sie vor sechs Tagen kennengelernt. Im Fernsehzimmer des Krankenhauses stand ein kleiner roter Stuhl, der gehörte ihr. Als sie eingeliefert wurde, war er noch nicht rot, aber sie sah, dass er es werden wollte. Dabei gingen insgesamt zweiundzwanzig Packungen Kreide drauf, doch das machte nichts, sie konnte es sich leisten, denn alle schenkten ihr immer wieder neue. Als könnte sie damit die Krankheit wegmalen, alle Spritzen und Medikamente einfärben und zum Verschwinden bringen. Sie wusste natürlich, dass dies unmöglich war, sie war ein cleveres Kind, aber sie tat es ihnen zuliebe. Tagsüber malte sie auf Papier, denn das erfreute alle Erwachsenen. Und nachts bemalte sie den Stuhl. Weil der so gerne rot werden wollte.
Sie besaß ein Stofftier, ein Kaninchen, das sie »Ninchen« nannte. Als sie gerade Sprechen gelernt hatte, glaubten die Erwachsenen, dass es so hieß, weil sie das Wort »Kaninchen« noch nicht richtig aussprechen konnte. Doch sie nannte es so, weil es nun einmal Ninchen hieß. Eigentlich nicht so schwer zu begreifen, nicht einmal für einen Erwachsenen. Manchmal, wenn Ninchen Angst bekam, durfte es auf dem roten Stuhl sitzen. Mag sein, dass es wissenschaftlich nicht bewiesen ist, dass man weniger Angst hat, wenn man auf einem roten Stuhl sitzen darf, doch das wusste Ninchen nicht.
Das Mädchen saß auf dem Fußboden direkt daneben, tätschelte seine Pfote und erzählte ihm Geschichten.
Eines Nachts stand ich im Korridor, verborgen hinter einer Ecke, und hörte sie sagen: »Ich werde bald sterben, Ninchen. Alle Menschen müssen irgendwann sterben, aber die meisten vielleicht erst in hunderttausend Jahren. Und ich vielleicht schon morgen.« Sie fügte flüsternd hinzu: »Ich hoffe, nicht schon morgen.«
Dann hob sie auf einmal erschrocken den Kopf und schaute sich um, als hätte sie Schritte im Korridor gehört. Rasch nahm das Mädchen Ninchen an sich und wünschte dem roten Stuhl flüsternd eine gute Nacht. »Da ist sie! Sie kommt!«, zischte sie und lief eilig in ihr Zimmer, wo sie sich bei ihrer Mama unter der Bettdecke versteckte.
Ich lief ebenfalls weg. Ich bin mein ganzes Leben lang weggelaufen. Durch die Korridore des Krankenhauses wandelt jede Nacht eine Frau in einem dicken grauen Strickpulli. Sie trägt einen Aktenordner bei sich, in dem all unsere Namen aufgelistet sind.
Es ist Heiligabend, und wenn du aufwachst, ist der Schnee bestimmt schon längst weggeschmolzen. Schnee bleibt in Helsingborg nie lange liegen. Diese Stadt ist die einzige, die ich kenne, in der der Wind schräg von unten kommt, als wolle er eine Leibesvisitation an einem vornehmen. Und in der ein Regenschirm besseren Schutz bietet, wenn man ihn nach unten hält. Ich bin zwar hier geboren, aber ich habe mich nie daran gewöhnen können. Helsingborg und ich werden keinen Frieden mehr schließen. Wahrscheinlich empfinden alle Menschen so für ihre Heimatstadt. Der Ort, aus dem wir stammen, entschuldigt sich nicht bei uns, er gibt niemals zu, sich in uns getäuscht zu haben. Meiner wartet jedenfalls einfach nur dort am Ende der E4 und flüstert mir zu: »Mag ja sein, dass du reich und mächtig geworden bist, vielleicht bist du sogar mit einer teuren Uhr und schicken Klamotten zurückgekehrt. Aber mir kannst du nichts vormachen, denn ich weiß, wer du wirklich bist. Du bist nur ein ängstlicher kleiner Junge.«
Heute Nacht bin ich dem Tod begegnet, in dem Wrack meines Autos, nach dem Unfall. Mein Blut war überallhin gespritzt. Die Frau im grauen Strickpulli stand neben mir, betrachtete mich missmutig und sagte: »Du solltest eigentlich nicht hier sein.« Ich hatte entsetzliche Angst vor ihr, weil ich eigentlich ein Siegertyp bin, ein Überlebenskünstler. Alle Überlebenden haben Angst vor dem Tod. Deswegen sind wir ja noch da.
Mein Gesicht war völlig zerschnitten, meine Schulter ausgekugelt, und mein Körper klemmte fest zwischen Stahl und Technik für anderthalb Millionen Kronen. Als ich die Frau erblickte, rief ich: »Nehmen Sie einen anderen Menschen! Ich kann Ihnen einen anderen geben, den Sie töten können!« Doch sie beugte sich nur mit frustrierter Miene vor und entgegnete: »So funktioniert das nicht. Ich habe mit der Entscheidung nichts zu tun, ich kümmere mich nur um die Logistik und den Transport.«
»Und wem unterstehen Sie? Gott? Oder dem Teufel? Oder … jemand anderem?«, schluchzte ich.
Sie seufzte.
»Ich mische mich nicht in die Politik ein. Ich erledige nur meinen Job. Gib mir jetzt meinen Ordner zurück.«
Es war nicht der Autounfall, der mich ins Krankenhaus gebracht hatte, ich war schon lange vorher dort gewesen. Krebs. Vor sechs Tagen begegnete ich dem Mädchen zum ersten Mal. Ich stand draußen auf der Feuertreppe und rauchte, damit die Krankenschwestern mich nicht sehen würden. Sie machten mir wegen des Rauchens jedes Mal die Hölle heiß, als würde es darauf jetzt noch ankommen.
Die Tür zum Korridor war angelehnt, und ich hörte das Mädchen im Fernsehzimmer mit seiner Mutter reden. Sie spielten jeden Abend dasselbe Spiel. Immer wenn es im Krankenhaus so still wurde, dass man die Schneeflocken wie Gutenachtküsse gegen das Fensterglas schmatzen hören konnte, fragte die Mutter das Mädchen im Flüsterton: »Was möchtest du einmal werden, wenn du groß bist?« Das Mädchen wusste, dass die Mutter es ihrer selbst wegen spielte, aber stets so tat, als spiele sie es der Tochter zuliebe. Sie antwortete lachend »Doktor« oder »Ingeniööör«, aber ihr Lieblingsberuf lautete jedes Mal: »Weltraumjäger«.
Wenn die Mutter dann in einem Sessel eingeschlafen war, blieb das Mädchen auf dem Fußboden sitzen und bemalte den Stuhl, der rot werden wollte, während es sich mit Ninchen unterhielt. »Ist es eigentlich kalt beim Tod?«, fragte sie Ninchen. Doch Ninchen wusste es nicht. Also packte das Mädchen zur Sicherheit ein Paar dicke Fausthandschuhe in seinen Rucksack.
Sie erblickte mich durch die Glasscheibe hindurch. Sie hatte überhaupt keine Angst. Ich weiß noch, dass ich ihre Eltern dafür verdammte. Was für Erwachsene müssen das sein, die ihr Kind nicht so erziehen, dass es Todesangst hat vor einem wildfremden fünfundvierzigjährigen verfluchten Kettenraucher, der es von einer Feuertreppe aus anglotzt? Dieses Mädchen hatte jedenfalls keine Angst. Sie winkte. Und ich winkte zurück. Sie schnappte sich Ninchen, kam zur Tür und fragte durch den Spalt hindurch: »Hast du auch Krebs?«
»Ja«, antwortete ich. Denn das war die Wahrheit.
»Bist du berühmt? Ich hab in Mamas Zeitung ein Foto von dir gesehen.«
»Ja«, antwortete ich. Denn auch das stimmte.
Die Zeitungen schrieben über mein Geld, und bis jetzt wusste noch keiner, dass ich krank war. Aber ich gehöre zu denen, deren Diagnose eine Zeitungsmeldung wert wäre. Ich bin kein gewöhnlicher Mensch, und wenn ich sterbe, werden es alle erfahren. Wenn hingegen fünfjährige Mädchen sterben, wird darüber nirgends berichtet, und in der Boulevardpresse erscheint kein Nachruf. Ihre Füße sind noch zu klein, um ihre Fußspuren schert sich noch keiner. Aber für mich interessieren sich die Leute, denn ich hinterlasse etwas, ich habe etwas hervorgebracht und aufgebaut. Unternehmen, Immobilien sowie ein beachtliches Vermögen. Für mich ist Geld nicht einfach nur Geld, so wie für euch andere, ich muss weder sparen noch rechnen oder mich gar darum sorgen. Für mich bedeutet Geld Prestigepunkte, die meinen Vorsprung bemessen.