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Mehr als 60 Experten des ifo Instituts erklären die Welt der Wirtschaft. Über 100 Themen werden in diesem vom ifo Institut herausgegebenen Nachschlagewerk dargestellt: kompetent, klar, knapp und mit mehr als 150 vierfarbigen Abbildungen anschaulich illustriert.Wirtschaft ist wichtig: Wenn die Konjunktur boomt, entstehen Arbeitsplätze, es wird investiert, wir haben Geld in der Tasche. Und umgekehrt: Geht es der Wirtschaft schlecht, droht Arbeitslosigkeit - und jeder spürt die Folgen.Was wird aus dem Euro? Wie entsteht Inflation? Und was bedeutet sie für den Anleger? Was müssen wir tun, damit mehr Menschen Arbeit finden? Wie kommen wir von unserem Schuldenberg wieder herunter? Welche Klimapolitik ist die richtige? Wo steht Deutschlands Wirtschaft im internationalen Vergleich? Diese und viele weitere Fragen werden in dem Buch so beantwortet, dass jeder es versteht.Das ultimative Nachschlagewerk: Wirtschaftswissen für die Westentasche.
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Seitenzahl: 308
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Georg Milbradt, Gernot Nerb, Wolfgang Ochel, Hans-Werner Sinn (Hrsg.)
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.
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© 2011 Carl Hanser Verlag München
Internet: http://www.hanser-literaturverlage.de
Lektorat: Martin Janik
Herstellung und Layout: Stefanie König
Umschlaggestaltung: Brecherspitz Kommunikation GmbH, München, www.brecherspitz.com
Satz: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
ISBN 978-3-446-42984-0
VORWORT
1 WACHSTUM UND KONJUNKTUR
1.1 Jenseits des Bruttoinlandsprodukts
1.2 Konjunktur und Wachstum
1.3 Wirtschaftswachstum I
1.4 Investitionsquoten
1.5 Bildung
1.6 Arbeitsproduktivität
1.7 Wirtschaftswachstum II
1.8 Konjunkturprognosen
1.9 Konjunkturelle Frühindikatoren
1.10 Das ifo Geschäftsklima
1.11 Konjunkturprogramme
1.12 Konjunkturelle Stabilisierungspolitik
2 STRUKTURWANDEL UND INNOVATION
2.1 Struktureller Wandel
2.2 Bauwirtschaft
2.3 Immobilienwirtschaft
2.4 Dienstleistungen
2.5 Einzelhandel und Großhandel
2.6 Verkehrsleistung nach Verkehrsträgern
2.7 Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen
2.8 Patentanmeldungen in Deutschland
2.9 Das Innovationsverhalten in Deutschland
2.10 Unternehmertum im internationalen Vergleich
2.11 Erfahrungen mit Clusterpolitiken
3 INFRASTRUKTUR
3.1 Eisenbahn- und Straßennetz
3.2 Straßenmaut
3.3 Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung
3.4 Breitbandinfrastruktur
3.5 15 Jahre Privatisierung des Telekommunikationssektors
3.6 Privatisierung der Infrastruktur
3.7 Öffentliche und private Güter
4 BEVÖLKERUNG UND MIGRATION
4.1 Altenquotient und Alterspyramide
4.2 Geburtenziffer
4.3 Rentenversicherung
4.4 Besteuerung von Familien
4.5 Sandwich-Generation
4.6 Einwanderung
4.7 Arbeitskräftemigration in Europa
4.8 Zuwanderungspolitik
5 BILDUNG
5.1 Bildungsausgaben
5.2 Humankapital in Deutschland
5.3 Volkswirtschaftliche Kosten unzureichender Bildung
5.4 Frühkindliche Bildung und Betreuung
5.5 Zentrale Abschlussprüfungen
5.6 Mehrgliedrige Schulsysteme
5.7 Schulwettbewerb
5.8 Bildungsföderalismus
5.9 Top-Universitäten im internationalen Vergleich
5.10 Lebenslanges Lernen
6 ARBEITSMARKT UND BESCHÄFTIGUNG
6.1 Lohn, Produktivität und Beschäftigung
6.2 Beschäftigung nach Bereichen
6.3 Atypische Beschäftigung
6.4 Arbeitslosigkeit
6.5 Gewerkschaften
6.6 Kündigungsschutz
6.7 Explizite und implizite Mindestlöhne
6.8 Aktivierende Sozialhilfe
6.9 Vereinbarkeit von Familie und Beruf
6.10 Qualifikationen
7 VERTEILUNG UND SOZIALE SICHERUNG
7.1 Einkommensverteilung
7.2 Armut und Armutsgefährdung in Deutschland
7.3 Einkommensbesteuerung
7.4 Vermögen in Deutschland
7.5 Das soziale Sicherungssystem in Deutschland
7.6 Sozialausgaben im internationalen Vergleich
7.7 Gesundheitsausgaben in Deutschland
7.8 Pflege
7.9 Krankenversicherung
7.10 Kapitaldeckung oder Umlageverfahren
7.11 Hartz IV
7.12 Frühverrentung
7.13 Privatversicherung – Sozialversicherung
8 UMWELT, KLIMA UND ENERGIE
8.1 Der Treibhauseffekt
8.2 Pro-Kopf-Energieverbrauch
8.3 Ressourcen, Reserven und Klimawandel
8.4 Energiegewinnung und -einfuhr
8.5 Bioenergie
8.6 Atomkraft
8.7 Instrumente der Klimapolitik
8.8 Ökosteuer
8.9 Emissionshandel
8.10 Das Erneuerbare-Energien-Gesetz
8.11 Erneuerbare Energien
8.12 CO2-Fußabdruck
8.13 Klimaziele
8.14 Angebotsseitige Klimapolitik
9 STAATSHAUSHALT
9.1 Staatsquote im internationalen Vergleich
9.2 Staatsausgaben
9.3 Subventionen
9.4 Struktur der Staatseinnahmen
9.5 Umsatzsteuer
9.6 Staatsverschuldung im internationalen Vergleich
9.7 Die neue Schuldenbremse
9.8 Schwarzarbeit
10 GELD UND WÄHRUNG
10.1 Geldwirtschaft
10.2 Inflation, Deflation und Geldmenge
10.3 Liquiditätsfalle
10.4 Zentralbanken
10.5 Der Euro
10.6 Euro-Krise
10.7 Ansteckungseffekte
10.8 Bankenregulierung
10.9 Globalisierung der Kapitalmärkte
10.10 Währungsunionen
11 DEUTSCHLAND IN DER WELTWIRTSCHAFT
11.1 Globaler Wettbewerb
11.2 Weltwirtschaft
11.3 Leistungsbilanz und Kapitalverkehr
11.4 Direktinvestitionen multinationaler Unternehmen
11.5 Basarökonomie
11.6 Sind Exporte gut?
11.7 Internationale Arbeitsteilung
11.8 Globalisierung
11.9 Entwicklungshilfe
11.10 Wandel durch Handel?
12 EUROPÄISCHE UNION
12.1 Die Aufgaben der Europäischen Union
12.2 Die Einnahmen und Ausgaben der EU
12.3 Nettozahler und Nettoempfänger
12.4 Das Subsidiaritätsprinzip
12.5 Der Maastrichter Vertrag
12.6 Der Stabilitäts- und Wachstumspakt
12.7 Die Wirtschafts- und Finanzkrise
13 ANHANG
Die Herausgeber
Die Autoren
Danksagung
Länderkürzelverzeichnis
Quellenverzeichnis
Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs und der starken Einbindung Chinas in die Weltwirtschaft haben sich auch in Deutschland die wirtschaftlichen Koordinaten verschoben. Die Globalisierung bringt für unser Land viele Vorteile mit sich, birgt aber auch Risiken. Wir konkurrieren mit Volkswirtschaften, die über eine große Zahl billiger Arbeitskräfte verfügen. Viele der wenig qualifizierten Arbeitskräfte haben in Deutschland ihre Stellen verloren und sind nun auf den Sozialstaat angewiesen. Andererseits hat es in den letzten Jahren schon maßgebliche Reformen gegeben, die den Arbeitsmarkt flexibilisiert haben und erhebliche wirtschaftliche Impulse setzen konnten. Und nun ist unser Land von der Wirtschafts- und Finanzkrise erfasst, die 2007 in den USA begann und sich mittlerweile zu einer Krise einer Reihe europäischer Staaten, wenn nicht des Euro-Systems selbst ausgewachsen hat.
All diese Themen sind für die Zukunft unseres Landes, Europas und der Welt von größter Wichtigkeit. Die Medien berichten regelmäßig über sie, doch fehlen zumeist die Zeit und der Platz, den Lesern das nötige Hintergrundwissen beizubringen. Genau darum geht es in diesem Buch: So viel ökonomisches Verständnis und Wissen zu der Grundproblematik beizusteuern, dass der normale Zeitungsleser in die Lage versetzt wird, die auf ihn hereinströmenden Informationen zu verstehen und verarbeiten zu können.
Wirtschaft ist zu wichtig, als dass die Bürger sie nur einigen wenigen Spezialisten überlassen können. Auch wenn nicht jeder sich zu einem volkswirtschaftlichen Experten entwickeln muss, so setzt das Funktionieren unserer Sozialen Marktwirtschaft doch einen mündigen Bürger voraus, der sich über die zentralen wirtschaftlichen Zusammenhänge ein Bild machen kann und der in der Lage ist, unrealistische ökonomische Versprechen als solche zu entlarven und nicht den Populisten und Lobbyisten auf den Leim zu gehen. Die breite Mehrheit der Bürger kann sich diesen Einflüssen nur dann widersetzen, wenn sie die wirtschaftlichen Probleme selbst durchblickt.
Wirtschaftliche Grundkenntnisse werden aber nicht nur für politische Entscheidungen benötigt, sondern auch für die eigenen ökonomischen Entscheidungen im Privatbereich. Wie sichert man sich am besten für die Rentenphase ab? Wo sollte man seine Ersparnisse anlegen? Wie sollte man seine Kinder ausbilden? Für solche Entscheidungen ist wirtschaftliches Grundwissen, wie es in diesem Buch dargeboten wird, unerlässlich.
Das Buch enthält eine Sammlung von 120 Beiträgen zu wichtigen ökonomischen Fragen unserer Zeit. Insgesamt werden in zwölf Kapiteln aktuelle, aber auch sehr grundsätzliche wirtschaftspolitische Themen anschaulich behandelt und, soweit möglich, mit Grafiken illustriert, um die Verständlichkeit der Argumente zu erhöhen. Die Beiträge wurden von Experten des Münchener ifo Instituts und einigen externen, mit dem Institut verbundenen Wissenschaftlern geschrieben. Wir haben alle Beiträge redigiert und hoffen, dass ein akzeptabler Kompromiss zwischen den Zielen, ökonomisch korrekt zu argumentieren und für Laien verständlich zu bleiben, entstanden ist.
Das Buch beginnt mit dem Themenkomplex Wachstum und Konjunktur. Konjunkturelle Schwankungen wurden dank moderner Instrumente der Wirtschaftspolitik häufig schon als überwunden angesehen. Es bestätigt sich jedoch auch hier, dass Totgesagte oft länger leben. Die jüngste konjunkturelle Rezession 2008/2009 ist allen wohl noch in Erinnerung. Es herrschte damals Weltuntergangsstimmung. Die Weltwirtschaft erholte sich jedoch schneller, als vermutet wurde, und in Deutschland zog das Wachstum sogar besonders stark an. Das Krisenmanagement, das die Lehrbuchrezepte der Volkswirtschaftslehre verwendete, hat funktioniert. Nun sind aber Reformen notwendig, die die Welt vor einer Wiederholung der Krise schützen. Dazu gehört insbesondere eine bessere und strengere Regulierung der Finanzmärkte, die die Verantwortlichkeit der Entscheidungsträger stärkt. Zu den unabdingbaren Anforderungen gehören eine genügend hohe Eigenkapitalausstattung der Banken und klare Regeln, wie im Falle von Bankpleiten umzugehen ist, um Ansteckungseffekte auf den übrigen Finanzsektor und dadurch letztlich auch auf die Realwirtschaft zu verringern.
Der Wachstumspfad, um den die Konjunkturschwankungen verlaufen, ist längerfristig für den wirtschaftlichen Erfolg eines Landes entscheidend. Er hängt insbesondere von strukturellen Faktoren (Infrastruktur, Bevölkerung und Migration sowie Bildung) und der Innovationsfähigkeit der Unternehmen eines Landes ab. Zunehmend kommen allerdings Zweifel auf, ob Wachstum als ein Mehr von Waren und Dienstleistungen das primäre Ziel des Wirtschaftens sein soll. Woran aber sollten wir künftig Wachstum messen? Auf solche Fragen und die mehr längerfristigen Erfolgsfaktoren einer Volkswirtschaft wird in dem vorliegenden Buch ausführlich eingegangen.
Seit Gründung der Bundesrepublik im Jahre 1949 nimmt die soziale Komponente eine zentrale Stellung in der deutschen Wirtschaftspolitik ein. Ludwig Erhard und mehr noch sein Staatssekretär Professor Alfred Müller-Armack betonten, dass man das erste Wort des Begriffs »Soziale Marktwirtschaft« großschreiben solle, um den hohen Stellenwert des »Sozialen« zu dokumentieren. Ein möglichst hoher Beschäftigungsstand und eine soziale Absicherung in Fällen von Arbeitslosigkeit sind immer wieder zentrale Wahlkampfthemen. Auch wenn alle Parteien diesen Zielen zustimmen, so verfolgen sie doch unterschiedliche Wege. Im vorliegenden Wirtschaftskompass werden die Vor- und Nachteile bestimmter sozialpolitischer Maßnahmen unabhängig von parteipolitischen Vorprägungen vorurteilsfrei dargelegt.
Einen breiten Raum nehmen Beiträge zu Umwelt, Klima und Energie ein, da hiervon das Wohlergehen zukünftiger Generationen abhängt. So wird z.B. auf Irrtümer in der deutschen Umweltpolitik hingewiesen. Es wird argumentiert, dass Umweltpolitik nicht primär an der Nachfrage nach Energie ansetzen darf, sondern vor allem das Angebot an fossilen Energierohstoffen beschränken muss, weil letztlich alles, was die Anbieter aus der Erde herausholen, in der Atmosphäre landet, wenn nicht über deutsche, dann über chinesische oder amerikanische Schlote.
Weitere Kapitel behandeln nicht minder wichtige Themen, wie den Staatshaushalt sowie Geld und Währung, zwei Themenkomplexe, deren Relevanz man angesichts der Staatsschuldenkrisen nicht betonen muss. Im Euro-Raum ging der aktuellen Staatsschuldenkrise ein starkes, überwiegend kreditfinanziertes Wachstum in den heutigen Problemländern Griechenland, Irland und Portugal voraus. Es waren nicht zuletzt deutsche Investoren, die nach der Einführung des Euro vor über zehn Jahren diesen Ländern Kredite gewährten, da von den europäischen Auslandsschuldnern höhere Zinsen als in Deutschland gezahlt wurden und da das Währungsrisiko innerhalb des Euro-Raums als vernachlässigbar galt. Der starke Kapitalabfluss aus Deutschland wiederum war in hohem Maße für die schwache Investitionstätigkeit in Deutschland und damit für das niedrige wirtschaftliche Wachstum in Deutschland während der vergangenen zehn Jahre verantwortlich. Erst nachdem die Kapitalanleger erkannten, wie hoch das Risiko von Anlagen im Ausland ist, konzentrierten sie sich wieder stärker auf den Standort Deutschland, was Deutschland einen Investitionsboom bescherte.
In den zwei abschließenden Kapiteln wird auf die Stellung Deutschlands in der Weltwirtschaft und im Speziellen auf die Einbettung Deutschlands in die Europäische Union eingegangen. Für den langjährigen Exportweltmeister Deutschland ist die Entwicklung der Weltwirtschaft von ganz herausragender Bedeutung. Die Exporterfolge Deutschlands, so wichtig sie auch sind, bergen aber einige Risiken, auf die z.B. in den Beiträgen zur Basarökonomie und zu den Direktinvestitionen eingegangen wird.
Die Herausgeber hoffen, dass der vorliegende ifo Wirtschaftskompass einen Beitrag zur Verbesserung der ökonomischen Breitenbildung in Deutschland leistet und den Menschen in unserem Lande einschließlich ihrer Politiker hilft, bei der Bewältigung der komplexen Herausforderungen unserer Zeit nicht die Orientierung zu verlieren.
Die Herausgeber:
Georg Milbradt, Gernot Nerb, Wolfgang Ochel, Hans-Werner Sinn
Das Bruttoinlandsprodukt misst den Marktwert der Produktion eines Landes und nicht in einem allgemeineren Sinne den Wohlstand der Menschen. Alternative Konzepte versuchen, diesen Wohlstand besser zu messen.
Keine andere ökonomische Kennzahl wird so häufig zitiert wie das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Das BIP misst den Marktwert aller im Inland produzierten Güter und Dienstleistungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Fälschlicherweise wird es häufig mit dem Wohlstand einer Gesellschaft gleichgesetzt. Das geht aber schon deshalb nicht, weil das BIP zum einen den Teil der Produktion umschließt, der dem Ersatz von Abschreibungen auf den Kapitalbestand dient, und zum anderen den Teil, der aus dem Einsatz von ausländischem Kapital und ausländischer Arbeit resultiert. Zudem kann man unter dem Begriff »Wohlstand« mehr als nur Materielles verstehen, wie z.B. Umweltqualität, Sicherheit, Gesundheit oder sozialen Frieden. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass eine Steigerung des BIP in einkommensstarken Ländern die Bevölkerung nicht unbedingt glücklicher macht > Bild 1.
Aufgrund der Kritik am BIP als Wohlstandsindikator wurden alternative Konzepte entwickelt. Hier lassen sich drei grundsätzliche Ansätze unterscheiden:
Der erste Ansatz ergänzt die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen um soziale und ökologische Aspekte. Nicht marktbezogene Tätigkeiten wie Hausarbeit werden mit einem Preis versehen und zum BIP addiert, während soziale Schäden (z.B. Kriminalität) und Umweltschäden negativ bilanziert werden.
Ein zweiter Ansatz versucht, einen ganzheitlichen Wohlstandsindikator zu berechnen. Ein bekanntes Beispiel ist der Human Development Index (HDI) der Vereinten Nationen. Der HDI fasst die Indikatoren Lebenserwartung, Bildungsjahre und Pro-Kopf-Einkommen in einer einzigen Maßzahl zusammen.
Ein dritter Ansatz schlägt vor, eine Vielzahl an Indikatoren zu beobachten. Wohlstand wird zunächst in verschiedene Bereiche unterteilt wie Einkommen, Gesundheit und Umweltbedingungen. Anschließend wird für jeden Bereich ein Leitindikator ausgewählt. Zweck eines solchen Indikatorensystems ist es, Fehlentwicklungen in bestimmten Bereichen aufzuzeigen. Die Europäische Union verfolgt dieses Konzept im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsstrategie > Bild 2.
Bisher hat sich keiner der oben genannten Ansätze als Alternative zum BIP durchgesetzt. Dies liegt zum einen daran, dass die notwendigen Daten nur begrenzt verfügbar und vergleichbar sind. Zum anderen sind die Berechnungsmethoden umstritten. So ist die Gewichtung einzelner Indikatoren zu einem Gesamtindex letztlich willkürlich. Auch die Bewertung von Umweltschäden mit fiktiven Preisen ist problematisch. Nur das BIP basiert auf objektiv beobachtbaren Marktpreisen und ist frei von politischen Werturteilen. EW+KC
Bild 1 Pro-Kopf-Einkommen und Glücksbefinden in Deutschland Quellen: IWF, European and World Values Surveys, Berechnungen des ifo Instituts.
Bereich
Leitindikator zum jeweiligen Bereich
Sozioökonomische Entwicklung
Reales BIP pro Einwohner
Nachhaltige Produktions- und Konsumstrukturen
Ressourcenproduktivität
Soziale Eingliederung
Anteil der von Armut oder Ausgrenzung gefährdeten Bevölkerung
Demografische Veränderungen
Beschäftigungsquote älterer Arbeitnehmer
Öffentliche Gesundheit
Gesunde Lebensjahre und Lebenserwartung bei der Geburt
Klimawandel und Energie
Treibhausgasemissionen
Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch
Nachhaltiger Verkehr
Gesamtenergieverbrauch des Verkehrs im Verhältnis zum BIP
Natürliche Ressourcen
Index weitverbreiteter Vogelarten
Fischfang aus Beständen, die sich außerhalb sicherer biologischer Grenzen befinden
Globale Partnerschaft
Öffentliche Entwicklungshilfe als Anteil des Bruttonationaleinkommens
Gute Staatsführung
Kein Leitindikator (nur Indikatoren wie z.B. Wählerbeteiligung und Bürgervertrauen in EU-Institutionen)
Bild 2 Indikatoren für nachhaltige Entwicklung der Europäischen Union Quelle: Eurostat.
Während der Wachstumsbegriff auf die Entwicklung des langfristigen Wohlstandsniveaus einer Volkswirtschaft abzielt, beschreibt der Konjunkturverlauf eher kurzfristige Schwankungen um einen langfristigen Trend. In Politik und Medien werden beide Konzepte häufig synonym gebraucht, obwohl sie sich auf unser Leben ganz unterschiedlich auswirken.
Die Unterscheidung von Konjunktur und Wachstum beruht im Wesentlichen auf der Erkenntnis, dass die wirtschaftliche Entwicklung unstetig verläuft. Betrachtet man etwa den Verlauf des Bruttoinlandsprodukts, also den Wert der in einem Land erzeugten Waren und Dienstleistungen, zeigt sich ein Muster zyklischer Schwankungen entlang eines langfristigen Wachstumspfads > Bild 1. Diese periodischen Muster aus Auf- und Abschwüngen werden als Konjunkturzyklus bezeichnet.
Obwohl Konjunkturzyklen in Länge und Stärke durchaus variieren und jeder für sich genommen einzigartig ist, werden sie allgemein in vier Phasen eingeteilt > Bild 2. In die Aufschwungphase, in der die Wachstumsraten zunehmen und die Arbeitslosigkeit sinkt, in den Boom, während dessen nahe der Kapazitätsgrenze produziert wird und in dem es häufig zu deutlichen Preisanstiegen (Inflation) kommt, in den Abschwung, in dem die Kapazitätsauslastung wieder zurückgeht und die Arbeitslosigkeit steigt, und in die Rezession, die durch Produktionsrückgänge, hohe Arbeitslosigkeit und sinkende Inflationsraten gekennzeichnet ist.
Im Gegensatz zum langfristigen Wachstum sind konjunkturelle Schwankungen ein eher kurzfristiges Phänomen. Die Ursachen liegen vor allem in zyklischen Schwankungen der Investitionsgüternachfrage (Akzeleratoreffekt) sowie in plötzlich auftretenden Ereignissen wie drastischen Ölpreisanstiegen, platzenden Immobilienblasen oder erratischen Politikmaßnahmen des Fiskus und der Zentralbank, deren langfristige Effekte auf das Wirtschaftswachstum gering sind.
Langfristiges Wachstum hingegen entsteht durch die Ausweitung der Produktionsmöglichkeiten einer Volkswirtschaft. Dafür sind vor allem Investitionen in physisches Kapital (Infrastruktur und Maschinen) und in Humankapital (Gesundheit und Bildung) sowie technologischer Fortschritt notwendig. Darüber hinaus kommt aber auch institutionellen Faktoren, die unser gesellschaftliches Zusammenleben bestimmen, eine wichtige Rolle zu. Hierzu zählt etwa eine effiziente Wirtschaftsordnung, die Planungssicherheit schafft und die Fehlanreize sowie den unproduktiven Einsatz von Ressourcen, z.B. durch eine überbordende Bürokratie, vermeidet. Obwohl langfristiges Wachstum und Wohlstand in erster Linie von den oben genannten Faktoren abhängen, spielen sie in der öffentlichen Debatte häufig nur eine untergeordnete Rolle. MK
Bild 1 Wachstumstrend und Konjunkturzyklus in Deutschland1) 1)BIP zerlegt in einen langfristigen Wachstumstrend und einen kurzfristigen Konjunkturzyklus. Quelle: Statistisches Bundesamt; Berechnungen des ifo Instituts.
Bild 2 Schematische Darstellung der Phasen eines Konjunkturzyklus Quelle: Darstellung des ifo Instituts.
Die Erreichung eines angemessenen Wirtschaftswachstums gehört neben der Vollbeschäftigung, einem stabilen Preisniveau und einem außenwirtschaftlichen Gleichgewicht zu den zentralen Zielen der Wirtschaftspolitik (Stabilitäts- und Wachstumsgesetz von 1967). Grundvoraussetzung für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum bilden dabei die Investitionen.
Investitionen sind ein wesentlicher Bestandteil des Wirtschaftswachstums einer Volkswirtschaft, da sie den produktiven Kapitalstock, d.h. den Bestand an Maschinen usw., erhöhen und somit nachhaltig auf die Wirtschaftsleistung einwirken. Dabei versteht man unter Wirtschaftswachstum in erster Linie die prozentuale Zunahme des Bruttoinlandsprodukts (BIP), d.h. aller in einer Volkswirtschaft produzierten Güter und Dienstleistungen, gegenüber der Vorperiode.
Eine Zunahme des BIP kann grundsätzlich auf zwei Arten erfolgen: Zum einen ist eine Zunahme über eine verbesserte Auslastung der Kapazitäten möglich. Neben diesem vorwiegend konjunkturellen Phänomen in einer wirtschaftlichen Aufschwungphase wächst das Bruttoinlandsprodukt vor allem durch die Ausweitung der Produktionskapazitäten als Folge von Nettoinvestitionen, d.h. Investitionen in einer Höhe, die über die Abschreibungen alter Anlagen hinausgeht. Der Ersatz alter durch moderne Produktionsmittel führt in der Regel zu einem Effizienzgewinn bei der Produktion, wodurch das Wirtschaftswachstum über den reinen Kapazitätserweiterungseffekt hinaus zusätzlich gefördert wird. Investitionen in Maschinen und sonstige Ausrüstungen sowie in Bauprojekte sind damit von entscheidender Bedeutung für das Wirtschaftswachstum. Die Entwicklung des jährlichen BIP-Wachstums der EU-15-Länder im Zeitraum 1990 bis 2007, d.h. vor der jüngsten Finanzkrise, verdeutlicht > Bild 1.
Aufgrund der besonderen Bedeutung von Investitionen ist es für Länder unerlässlich, sowohl für inländische als auch ausländische Investitionen attraktiv zu sein. Die Bedeutung von Investitionen für das BIP wird häufig über die Investitionsquote erfasst. Diese misst den gesamten Anteil der getätigten Investitionen in einer Volkswirtschaft an deren BIP. In Deutschland ist erst seit 2009 wieder ein Anstieg der Investitionsquote festzustellen, nachdem diese vorher lange Zeit auf dem niedrigsten Stand in der EU gelegen hatte.
Zusätzlich bietet der Kapitalkoeffizient Aufschluss über die Bedeutung von Investitionen. Dieser misst den Anteil des Kapitalstocks am Bruttoinlandsprodukt. Die Kapitalkoeffizienten der meisten europäischen Länder lagen in den letzten Jahrzehnten zwischen 25 und 35% des Bruttoinlandsproduktes, wenn auch überwiegend mit steigender Tendenz seit Beginn der 1980er-Jahre > Bild 2. TS
Bild 1 Durchschnittliches jährliches BIP-Wachstum im internationalen Vergleich 1990 bis 2007 Quelle: OECD, National Accounts Statistics; Berechnungen des ifo Instituts.
Bild 2 Durchschnittlicher Kapitalkoeffizient im internationalen Vergleich 1980 bis 2007 Quelle: EU KLEMS; Berechnungen des ifo Instituts.
Die Investitionstätigkeit ist von herausragender Bedeutung für die Wirtschaftsentwicklung eines Landes. Die Investitionsquote, als ein Maß zur Bestimmung der wirtschaftlichen Attraktivität einer Volkswirtschaft, ermöglicht internationale Standortvergleiche und offenbart Schwächen für nachhaltiges Wachstum.
Investitionen spielen eine entscheidende Rolle für das Wirtschaftswachstum einer Volkswirtschaft. Zur Beurteilung der Attraktivität eines Landes für Investitionen wird häufig auf die Investitionsquote zurückgegriffen, welche die Investitionstätigkeit einer Volkswirtschaft zu deren wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ins Verhältnis setzt. Sie misst dabei den Anteil der getätigten Investitionen, also Ausrüstungsinvestitionen wie z.B. Maschinen und Fahrzeuge, in Relation zum Bruttoinlandsprodukt. Von besonderer Aussagekraft ist die Nettoinvestitionsquote, d.h. das Verhältnis aus Nettoinvestitionen zum Nettoinlandsprodukt, denn Abschreibungen auf Anlageinvestitionen sind in beiden Maßzahlen bereits abgezogen. Nur die Nettoinvestitionen messen den Zuwachs des Kapitalstocks einer Volkswirtschaft.
Die Verläufe der Nettoinvestitionsquoten der EU-15-Länder werden wiedergegeben in > Bild 1. Es fällt auf, dass Irland, Spanien, Portugal und Griechenland seit Mitte der 1990er-Jahre extrem hohe Nettoinvestitionsquoten innerhalb der EU-15 aufwiesen. Während die Nettoinvestitionsquoten von Irland und Spanien noch bis Mitte der 1990er-Jahre ähnlich hoch wie im EU-15-Durchschnitt waren, wurde in diesen beiden Ländern seitdem besonders viel investiert. Im Vergleich dazu lag die deutsche Nettoinvestitionsquote auf dem letzten Platz. Sie hat von allen Ländern gegenüber dem Zeitraum 1980 bis 1994 am stärksten abgenommen. Deutschland hatte im Mittel der Jahre 1995 bis 2008 sogar die niedrigste Nettoinvestitionsquote aller OECD-Länder > Bild 2.
Der Grund für die niedrige deutsche Nettoinvestitionsquote liegt vermutlich an den historischen Veränderungen, die die letzten zwei Jahrzehnte kennzeichneten: zum einen die Öffnung der ex-kommunistischen Länder, die dem deutschen Kapital bessere Anlagemöglichkeiten bot, und zum anderen die Ankündigung des Euro. Letztere hatte schon von 1995 bis 1997 zu einer fast vollständigen Zinskonvergenz im späteren Euro-Raum geführt, weil die Wechselkursunsicherheit beseitigt war und das Risiko von Konkursen erst später sichtbar wurde.
Insbesondere Griechenland, Portugal, Irland und Spanien konnten von dieser Zinskonvergenz profitieren. Sie erlebten massive Investitionen im Bausektor, durch die die gesamte Wirtschaft in einen lang währenden Boom getrieben wurde, der freilich wegen der Überhitzung des Immobilienmarktes zur Herausbildung einer Blase führte, die im Endeffekt platzte. TS
Bild 1 Nettoinvestitionsquoten im internationalen Vergleich 1980 bis 2008 Quelle: OECD, National Accounts Statistics; Berechnungen des ifo Instituts.
Bild 2 Durchschnittliche Nettoinvestitionsquoten im internationalen Vergleich 1995 bis 2008 Quelle: Siehe Bild 1.
Im internationalen Vergleich zeigt sich zumeist, dass Länder, deren Bevölkerung hohe durchschnittliche Bildungskompetenzen aufweisen, auch ein höheres Pro-Kopf-Wachstum erzielen. Seit Jahrzehnten wird in der wissenschaftlichen Debatte jedoch heiß diskutiert, ob und wie stark Bildung für das Wachstum der Volkswirtschaften ursächlich ist.
Seit dem Einsetzen der Industrialisierung haben neue Technologien und Arbeitsweisen den Fortschritt und damit auch das Wachstum geprägt. Sowohl neue Erfindungen als auch die Einführung, Verbreitung und Anwendung von Innovationen sind stark vom Humankapital, also den Kenntnissen und Fähigkeiten ihrer Erfinder und Anwender abhängig. Eine Erhöhung der Qualifikation der Arbeitskräfte ist somit ausschlaggebend für die Steigerung der Produktivität. Da die Bildungskompetenzen der Bevölkerung durch öffentliche Bildung gesteigert werden können, liegt hier ein möglicher politischer Ansatzpunkt zur Erhöhung des Wachstumspotenzials.
Allerdings wird in der Wissenschaft weiterhin diskutiert, ob eine Erhöhung des Bildungsniveaus ursächlich für Wirtschaftswachstum ist oder ob ein hoher Bildungsstand nur eine Begleiterscheinung der erhöhten Wirtschaftsleistung ist. Denn in verschiedenen Studien schwankt der geschätzte Anteil des Wirtschaftswachstums, der durch Bildung verursacht wird, zwischen 0 und 50%. Ein möglicher Grund für diese Schwankungen ist die unterschiedliche Messweise der Bildungskompetenz der Bevölkerung. Der Bildungsstand eines Landes wird durch die Gesamtheit der frühkindlichen, schulischen, beruflichen und universitären Ausbildung widergespiegelt. In der Vergangenheit haben wissenschaftliche Studien deshalb vor allem die durchschnittliche Anzahl der Bildungsjahre verwendet und dabei qualitative Unterschiede der Schulbildung im Ländervergleich vernachlässigt. Wachstum wird jedoch nicht nur durch hochgebildete Arbeitskräfte beeinflusst. Sie haben zwar starke Auswirkung auf die Innovationsfähigkeit eines Landes, für die Anwendung von Technologien benötigt ein Land jedoch eine ebenso starke Basisbildung. Es ist also wichtig, sowohl gute Hochschulabsolventen als auch eine breite Basis an Fachkräften mit einer guten Schulbildung und Berufsqualifikation zu haben.
Deshalb geht man öfter dazu über, international standardisierte Vergleichstests (z.B. die PISA-Studie) zur Messung der Bildungskompetenz heranzuziehen. Diese Tests messen die kognitiven Fähigkeiten der Schüler und spiegeln somit die Gesamtheit ihrer Fähigkeiten besser wider. Solche Studien schätzen, dass eine Erhöhung der Bildungskompetenz, z.B. um 50 zusätzliche Punkte im PISA-Test (etwa der Abstand Deutschlands zu Finnland), ein zusätzliches jährliches Wachstum von 0,6 Prozentpunkten verursachen würde > Bild 1+2. EH+LW
Bild 1 Schulische Leistungen und BIP-Wachstum1) 1)Zusammenhang zwischen schulischen Leistungen (äquivalent zu PISA-Testpunkten) und Pro-Kopf-Wirtschaftswachstum (1960 bis 2000) nach Herausrechnung weiterer Einflussfaktoren. Quelle: In Anlehnung an Hanushek, E. A.; Wößmann, L. (2008). Abkürzungen siehe Länderkürzelverzeichnis.
Bild 2 Anzahl der Bildungsjahre und BIP-Wachstum1) 1)Zusammenhang Anzahl der Bildungsjahre (1960) und Pro-Kopf-Wirtschaftswachstum (1960 bis 2000) nach Herausrechnung weiterer Einflussfaktoren. Quelle: Siehe Bild 1. Abkürzungen siehe Länderkürzelverzeichnis.
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