Der jodelnde Japaner - Takeo Ischi - E-Book

Der jodelnde Japaner E-Book

Takeo Ischi

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Beschreibung

Takeo Ischi, ein Bayer, der in Japan geboren wurde und zurückkam, um das Jodeln zu retten! In seiner Autobiografie erzählt der Berufsjodler von seinen ersten Kino-Besuchen, wie er ins Musikantenstadl kam und warum erst der millionenfach geklickte Youtube-Hit "Chicken Attack" sein Lebenswerk vollendete. Der charismatische Jodler war Werbegesicht für Müller Milch, Botschafter der Olympischen Winterspiele und ist nach wie vor einer der außergewöhnlichsten Künstler der volkstümlichen Musik. Mit einer kleinen Einführung in die große Kunst des Jodelns. "In meiner Autobiografie erzähle ich vom Japan der Nachkriegszeit, davon, wie ich die Schweiz, Bayern und schließlich die ganze Welt kennenlernen durfte. Aber vor allem geht es um das Jodeln. Für mich steckt darin die universale Sprache der Menschen, eine echte Naturkraft. Ich hatte immer einen Traum: Mit meiner Stimme die Menschen zum Lachen zu bringen, sie glücklich zu machen. Es geht um mehr als Entertainment: Nach der Katastrophe von Fukushima reiste ich nach Japan zu einem traditionellen bayerischen Volksfest, um dort zu jodeln. Ich kann nicht viel, aber das kann ich. Und ich habe gerade in dieser Zeit gemerkt, dass es manchmal beim Jodeln um alles geht – darum, den Menschen Hoffnung und Freude zu schenken."

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Seitenzahl: 110

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Ischi, Takeo

Der jodelnde Japaner

Autobiografie

ISBN 978-3-948696-64-1

eISBN 978-3-948696-86-3

Redaktionsleitung: Dr. Matthias Slunitschek

Satz und Gestaltung: Molino Verlag GmbH

Nachhaltig in Deutschland gedruckt.

© 2024 Molino Verlag GmbH, Schwäbisch Hall und Sindelfingen

Alle Rechte vorbehalten.

TAKEO ISCHI

Der jodelnde Japaner

Autobiografie

Inhalt

Der Urschrei

Das alte Tokio

Die Trapp-Familie

Made in Germany

Jodeln für Anfänger

Wandervogel

Die Jodelfabrik

Käsefondue, Bier und Bayern

Erster Versuch

Flucht in die Schweiz

Jodler von Beruf

Internationale Chickenfarm

Lieblingsjodler

Auf in den Kuhstall

Der Höhepunkt

Mein Sturz ins Bodenlose

Der neue Anfang und Franzl Lang

Als Botschafter

Zeit für Veränderung

Zweifel und Zuversicht

Plötzlich YouTube-Star

Jodeln im traurigen Land des Lächelns

Jodelseele

Geduld – Ordnung – Glück

Dank

Der Urschrei

Wir alle kommen mit einem Schrei zur Welt und nicht mit einem klugen Satz. Aber in diesem Schrei steckt für mich so viel Weisheit wie nirgendwo sonst. Wenn wir das erste Mal nach Luft schnappen, sich unsere Lunge füllt und wir ganz in der Welt sind, dann zeigen wir der Welt mit unserem Schrei: »Hier bin ich!« Andere behaupten, das bedeutet: »Ich habe Hunger!« Auch gut.

Jedenfalls ist dieser erste Schrei ein sicheres Lebenszeichen. Das begeistert Menschen auf der ganzen Welt. So wie der Schrei des Babys überall verstanden wird, so ist es auch mit dem Jodeln. Es ist egal, auf welcher Seite der Erde du lebst, ob du traditionelle Musik magst oder nicht, ob du alt oder jung bist – wenn jemand jodelt, hörst du hin. Der Jodler geht uns direkt ans Herz. Kein Mensch weiß ganz genau, warum das so ist, aber Jodeln macht Menschen auf der ganzen Welt glücklich.

In Deutschland gibt es ein schönes Sprichwort: »Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder.« Dasselbe gilt auch fürs Jodeln. Oder wie es Maria und Margot Hellwig gesungen haben: »Die einen jodeln, die anderen singen und alle freuen sich auf der Welt!« Ich habe für alle Menschen auf jedem Kontinent der Erde gejodelt. Nur die Antarktis fehlt mir noch. Sollte ich mal eingeladen werden, in einer Forschungsstation aufzutreten, werde ich das nicht ablehnen. Ich bin mir sicher, dass ich auch am Südpol eine ähnliche Erfahrung machen werde wie auf der restlichen Welt: Menschen werden ein Lächeln auf ihren Lippen haben, wenn ich ihnen einen Appenzeller oder Toggenburger Jodler serviere. Jodeln ist für mich eine wahre Naturkraft. Jede Kultur kennt das Jodeln in einer bestimmten Ausprägung. Und immer ist es dasselbe Prinzip: Wir kombinieren die Kopfstimme mit unserer Bruststimme. Im Übergang entsteht dadurch der sogenannte Jodelschlag. Diese Stimmtechnik produziert damit nicht nur eine Melodie, sondern auch ihren eigenen Rhythmus.

Die Kombination von Kopf und Brust – ist das nicht ein schöner Gedanke? Wo das Herz mit dem Kopf zusammentrifft, da entsteht ein Klang, der allen gefällt. Wir können nicht genau begreifen, was er zu bedeuten hat, aber wir staunen über seine Schönheit.

Jodeln ist also eine Universalsprache, die alle Menschen sprechen. Es ist aber noch viel mehr: eine Naturkraft. Wir hören die Klänge nicht nur beim Menschen, sondern auch bei den Tieren: Bei Kühen, Hühnern oder Eseln. Gut, wer will schon mit einer dummen Kuh, mit einem faulen Huhn oder einem sturen Esel verglichen werden? Darum geht es aber nicht. Nicht der Vergleich mit einem Tier, sondern die Imitation von Natur macht das Jodeln zu einer erhabenen Kunst. Wir imitieren die Natur und beginnen zu begreifen, wie sie sich ausdrückt und wie sie uns wie beim ersten Schrei des Babys zuruft: »Hier bin ich!« Wir müssen der Natur gut zuhören, damit wir sie achten und ihr den nötigen Respekt verschaffen können.

Ich habe das Jodeln immer sehr ernst genommen, weil ich von dieser Ansicht überzeugt bin: Jodeln ist eine Naturkraft so wie die Gravitation oder der Magnetismus. Jodeln zieht das Glück der Menschen an, ihre Sehnsucht, ihr ganzes Wesen. In ihr drückt sich die Natur auf künstlerische Weise aus.

In meiner Autobiografie werde ich nicht jedes einzelne Ereignis aus meinem Leben erzählen. Ich möchte mehr meine Mission in den Vordergrund stellen: das Jodeln an die jungen Menschen, an die nächsten Generationen weiterzugeben. Mein Leben spielt sich zwischen Japan, der Schweiz und Deutschland ab.

Meine Reise begann mit einer Sehnsucht nach der alpenländischen Musik. Intuitiv habe ich sie geliebt und gelernt. Ich habe mich auf den Weg gemacht, ein anderes Leben zu führen, als es das Schicksal für mich angedacht hatte. Ein Leben wie das meine kann man nicht planen. Rückblickend sieht es konsequent aus, aber es war ein Abenteuer ohne sicheren Ausgang. Ich habe viel Glück gehabt, aber ich habe das Glück nicht nur einmal herausgefordert – vor allem als ich Japan verlassen habe und nicht zurückkam.

Ich lebe seit Jahrzehnten am Ort meiner Träume, inmitten der schönsten Bayerischen Alpen. Hier habe ich meine Frau kennengelernt und meine Kinder großgezogen. Die Hellwigs haben mich in die Heimat des Musikantenstadls geholt und es ist auch meine Heimat geworden. Meine Autobiografie handelt vom alten Tokio, von der ersten Reise in die Schweiz, davon, wie ich die Stars meiner Kindheit kennengelernt habe und warum ich daran glaube, dass uns nur Geduld und Fleiß voranbringen.

Ich war ein Kind, das Probleme hatte mit dem Lernen. Auch wenn ich in meinem Buch über Fleiß und Durchhaltevermögen schreibe, gebe ich gerne zu: Ich war sehr faul. Die Hausaufgaben erledigte ich fast nie. Der Lehrer – damals waren Lehrer noch sehr, sehr strenge Personen – schimpfte deswegen und ich schämte mich aufrichtig dafür. Trotzdem ging es immer weiter so. Mit einer Ausnahme: Ich war nie faul, wenn es um Musik ging. Ich bin davon überzeugt: Wir müssen wenigstens an einer Sache im Leben wirklich dranbleiben und fleißig sein, dann ist alles in Ordnung!

Das alte Tokio

Ich habe vom ersten Schrei gesprochen. Wann ich meinen getan habe? Es war im Jahr 1947, zwei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Diese Zeit verband Japan schicksalshaft mit Deutschland. Bereits das preußische Beamtentum war Vorbild des modernen japanischen Staats gewesen. Preußen und Japan profitierten über Jahrzehnte vom Austausch untereinander. Doch die Allianz mit dem faschistischen Deutschland unter Hitler und dem faschistischen Italien unter Mussolini gehört zu den dunkelsten Kapiteln, die ein Mensch in Europa oder meinem Heimatland sich vorstellen kann. Das Ende ist bekannt: Die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki beendeten auf grausame Weise schließlich auch in Asien das Zeitalter eines grausamen Kriegs.

Es war mir ein Herzensanliegen zu Anfang meiner Biografie vom Weltkrieg zu sprechen. Die vielen Einflüsse aus Deutschland, die ich als Kind erfahren habe, haben mich positiv geprägt, auch wenn sie einen traurigen Hintergrund haben. Der blühende Austausch zwischen Deutschland und Japan endete in einer Katastrophe, doch für mich als Kind war das »Made in Germany« nur ein Zeichen für großartige Ingenieursleistung und Kultur.

Als ich drei Jahre alt war, zogen meine Eltern mit uns Kindern nach Ueno, in einen Stadtteil von Tokio, der berühmt für seinen Bahnhof ist. Dort kann man in nördlicher Richtung umsteigen und Tōhoku erreichen. Diese Region ist 2011 weltberühmt geworden, da hier das größte aller Erdbeben tobte und der Tsunami den Super-GAU von Fukushima verursachte. Dazu werde ich später noch eine Geschichte erzählen.

Als Kind wurde ich jeden Morgen durch die ein- und abfahrenden Züge im Bahnhof geweckt. Es waren noch keine modernen E- oder Dieselloks, sondern klassische Dampflokomotiven, die noch bis Anfang der Siebzigerjahre auf den Schienen Japans fuhren. Bei der Anfahrt stieg der Dampfdruck, dann ein Rauschen, Schnauben und Zischen. Der Rhythmus wurde schneller und schneller.

Als ich bereits Musiker war, verriet mir meine Mutter, dass ich als kleines Kind immer das Geräusch der Lokomotiven nachgeahmt hätte. Vielleicht hat sich bereits darin meine Liebe zur Imitation, zu Rhythmus und Musik gezeigt. Dann waren da noch die Hühner unserer Nachbarn. Wurde ich nicht von der Lokomotive geweckt, dann durch das Hahnengeschrei. Man kann es sich heute kaum vorstellen, aber Tokio war ein Dorf gewesen. Die Kulisse meiner Kindheit stand im krassen Kontrast zur heutigen Hightech-Metropole. Tokio war eher flach und die Skyline unscheinbar. War das die spätere wirtschaftliche Supermacht? Ja, Lokomotiven und Hühnergegacker!

Man fuhr in verrosteten Bussen und fast antiken Autos herum. Ich kann mich noch an die vielen Rikschas erinnern, die es heute in dieser Form gar nicht mehr gibt. Muskelkraft zählte noch etwas. Es standen keine Hochhäuser in der Stadt, nach maximal vier Stockwerken war Schluss. Nur die Kaufhäuser waren etwas größer. Auf den Flachdächern spielten wir Kinder Fangen und Verstecken.

Als ich zehn oder elf Jahre alt war, konnte ich von so einem Dach aus die Baustelle des Tokyo Towers sehen. Dieser japanische Eifelturm wuchs heran auf atemberaubende 332,6 Meter und übertrumpfte damit den älteren Bruder in Paris. Das Vorbild für den Fernsehturm ist unübersehbar, doch er ist rotweiß. Damals war es der höchste Fernsehturm und das zweithöchste Bauwerk der Welt. So wie wir Nachkriegskinder wuchsen, so wuchs auch die ganze Stadt in die Höhe.

Meine Eltern waren weder arm noch reich. Wir hatten ein gutes Auskommen und lebten zufrieden und bescheiden unser Leben. Armut war in der Stadt so sichtbar wie der wachsende Wohlstand. Es gab damals viele Kriegsversehrte, Männer, denen Arme oder Beine fehlten. Bald strich ihnen der Staat die Unterstützung und sie waren auf sich gestellt. Wer nicht arbeiten konnte, musste betteln gehen. Ich wehrte mich oft dagegen, die Mülltonne auf die Straße zu schieben. Zu oft kamen Kriegsopfer und stritten sich um unsere Abfälle.

Wenn wir über das moderne Japan sprechen, dann denken viele an ein Land des Fortschritts. Zu oft wird aber vergessen: Viele Menschen waren damals ständig auf der Suche nach etwas Essbarem. Hinter unserem Bahnhof in Ueno steht eine Eisenbahnbrücke unter der in der damaligen Zeit viele Obdachlose lebten.

Meine Eltern hatten ein Haus geerbt und einen Hund. Mit dem Hund gingen wir jeden Morgen spazieren und waren oft mit ihm im Park. Er erinnerte mich daran, dass wir glücklich sein müssen über unser Dasein! Ein gutes Leben ist keine Selbstverständlichkeit, sondern ein großes Privileg.

Meine Mutter und mein Vater sahen optisch überhaupt nicht modern aus – sie verkörperten noch eine andere Zeit, das alte Japan. Auch wir Kinder trugen nie Kleidung aus dem Kaufhaus. Bei uns war alles Handarbeit: Meine Tante nähte und stickte alles für uns Kinder. Ging etwas kaputt, setzte sich meine Mutter hin und flickte es. Unsere Kleider wurden vom älteren Bruder zum nächstjüngeren weitergegeben. Etwas Neues gab es nie. Heute bin ich dankbar, diese Wertschätzung für alle Dinge auf der Welt mitbekommen zu haben.

Mein Vater ging in seine Werkstatt und meine Mutter führte den Haushalt. Für den Nebenerwerb holte sie sich Arbeit nach Hause: Einmal musste sie kleine Tüten aus Zellophan sortieren. Dann fing sie an, mit einer kleinen Strickmaschine Pullover herzustellen. Oft half ich ihr bei den vielen Arbeiten zu Hause. Mir machte es Spaß und ich dachte, sie tue es aus Freude. Die Wahrheit war: Vier Kinder mit einem Einkommen großzuziehen, war kaum möglich.

In der Schule waren die Lehrer sehr streng. Vom ersten Schultag an mussten wir Kinder eine Uniform tragen, die uns aussehen ließ wie Marinesoldaten. Wir mussten pünktlich in der Schule sein und dort gruppenweise eintreffen – also nicht alleine oder gar mit den Eltern. Wer verschlief, musste von den Eltern zur Schule gebracht werden.

Die Uhr war das wichtigste Instrument der Erziehung. Alles war zeitlich streng geregelt. Kam man öfter zu spät, bekam man eine saftige Strafarbeit. Vor der ersten Stunde versammelten sich alle Klassen in Reih und Glied auf dem Schulhof. Dann erschien der Rektor, begrüßte uns und gab uns Ratschläge für unser Leben. Ich kann mich aber an keinen einzigen seiner Ratschläge erinnern, obwohl er sie tagein, tagaus streng und bestimmt wiederholte. Es war alles sehr militärisch organisiert. Aber mit Strenge erreicht man nur kurzfristige Erfolge, langfristig und nachhaltig erfolgreich wird nur, was aus Liebe geschieht. Das durfte und musste ich in meinem Leben erfahren. Ich habe bei allen Konzerten und Veranstaltungen nicht nur danach gefragt, ob es mich finanziell voranbringt, sondern ob es mich glücklich macht und ob ich aus Liebe zur Sache handle.

Streng sein war in meinem Fall nicht notwendig. Ich war ein stiller und schüchterner Schüler. Die Lehrer lobten mich und sagten oft zur Klasse: »Nehmt euch ein Beispiel an Takeo, der macht es richtig und hört zu.« So wurde ich gewissermaßen zum Musterschüler. Meine Leistungen waren aber nur durchschnittlich. Ich war ein Einzelgänger und Sonderling und zeichnete und bastelte viel im Klassenzimmer, während die anderen Kinder auf dem Hof Baseball spielten. Das ist die beliebteste Sportart in Japan – vor allem unter Jungen. Ich dagegen entdeckte bereits in der Volksschule meine große Freude daran, bei der Hausarbeit zu helfen: Ich nähte und kochte gerne. Das waren damals Aufgaben, die eigentlich Frauen erledigten: Frauen und Takeo! Die Hausarbeit blieb immer wichtig für mich. Hier hatte ich Zeit zum Nachdenken – und zum Üben.

Ich mit einem Jahr mit meinem ersten Instrument.

Die Trapp-Familie