Der kleine Hof in Schweden - Åsa Hallengård - E-Book
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Der kleine Hof in Schweden E-Book

Åsa Hallengård

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Beschreibung

Ein Roman voller Herz, Humor und Schweden-Feeling! Obwohl sie die Siebzig bereits hinter sich gelassen haben, stürzen sich die Antiquitäten-Expertin Kristina und ihr Freund Per-Olof in ein ehrgeiziges Projekt: Sie wollen einen brachliegenden Hof restaurieren und in einen Begegnungsort für Kunstliebhaber verwandeln! Voller Tatendrang schreiten sie ans Werk – natürlich nicht ohne ihre kunstbegeisterten Freunde aus dem Antiquitätenkurs, die für ordentlich Tumult auf dem Anwesen sorgen. Doch gerade als der Hof zu neuem Leben erwacht, zieht mit der Rückkehr eines alten Bekannten eine dunkle Gewitterwolke am Himmel auf, die das Potenzial hat, ihre friedliche Idylle zu zerstören. Aber so einfach lässt sich die Gruppe nicht ins Bockshorn jagen … Ebenso unterhaltsam wie emotional: Der schwedische Wohlfühlroman »Der kleine Hof in Schweden« von Åsa Hallengård wird Fans von Emma Wagner und Julie Caplin begeistern. Das Hörbuch ist bei SAGA Egmont erschienen. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 290

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Über dieses Buch:

Obwohl sie die Siebzig bereits hinter sich gelassen haben, stürzen sich die Antiquitäten-Expertin Kristina und ihr Freund Per-Olof in ein ehrgeiziges Projekt: Sie wollen einen brachliegenden Hof restaurieren und in einen Begegnungsort für Kunstliebhaber verwandeln! Voller Tatendrang schreiten sie ans Werk – natürlich nicht ohne ihre kunstbegeisterten Freunde aus dem Antiquitätenkurs, die für ordentlich Tumult auf dem Anwesen sorgen. Doch gerade als der Hof zu neuem Leben erwacht, zieht mit der Rückkehr eines alten Bekannten eine dunkle Gewitterwolke am Himmel auf, die das Potenzial hat, ihre friedliche Idylle zu zerstören. Aber so einfach lässt sich die Gruppe nichts ins Bockshorn jagen …

Über die Autorin:

Åsa Hallengård ist eine schwedische Autorin und Lehrerin. Mit ihrer Reihe um die buntgemischte Gruppe eines Antiquitätenkurses schrieb sie sich in die Herzen ihrer LeserInnen. Ihre Romane erfreuen sich auch international großer Beliebtheit.

Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin ihre Romane »Das kleine Auktionshaus in Schweden«, »Das kleine Vintage-Café in Schweden« und »Der kleine Hof in Schweden«.

Die Autorin auf Facebook: asa.hallengard/

Die Autorin auf Instagram: asahallengard/

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eBook-Ausgabe Oktober 2024

Die schwedische Originalausgabe erschien erstmals 2020 unter dem Originaltitel »Antikgård för spirande hjärtan« bei Joelsgården förlag, Tranemo.

Copyright © der schwedischen Originalausgabe 2019 Joelsgården förlag

Copyright © der eBook-Ausgabe 2024 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Emma Björklund unter Verwendung von Bildmotiven von Shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (fe)

ISBN 978-3-98952-216-9

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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit gemäß § 31 des Urheberrechtsgesetzes ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Åsa Hallengård

Der kleine Hof in Schweden

Roman

Aus dem Schwedischen von Gesa Füßle

dotbooks.

Kapitel 1Ringtausch

Kristina

Kristina und Per-Olof bogen auf den schmalen Weg ab, dessen Spurrillen so breit waren, dass sie eigentlich Angst gehabt hätte, dass das Auto an der Mitte hängen bleiben würde. Aber sie fühlte sich so geborgen in Per-Olofs altem Pick-up und mit ihrem gemeinsamen Hund Loffa auf dem Schoß. Na ja, gemeinsam stimmte nicht so ganz. Sie hatte Per-Olof den Hundewelpen geschenkt, nachdem sein armer Charlie überfahren worden war. Inzwischen war Loffa kein kleiner Welpe mehr. Sie hatte in den Jahren bei Per-Olof Jagen und gutes Benehmen gelernt.

Kristina streichelte dem Hund über den Kopf und sah aus dem Fenster. Die Äcker auf beiden Seiten vom Weg wirkten im Licht vom Januarnachmittag schwarz und öde.

Als sie den Kopf drehte und durch die Windschutzscheibe sah, weiteten sich ihre Augen bei dem Anblick des heruntergekommenen Hofs. Kristina schnappte nach Luft. Sie war so lange nicht mehr hier gewesen, dass sie vergessen hatte, wie es aussah. Oder sie hatte es verdrängt. Verführt von den überbordenden Plänen, die Per-Olof mit dem Stilkundekursgang geschmiedet hatte.

Zweifel überkamen sie. Sollten sie dieses Haus wirklich renovieren? Für ihre jungen Freundinnen und Freunde war es ein Leichtes, aber die Frage war, wie viel Per-Olof und sie noch schaffen konnten. Sie waren keine jungen Hüpfer mehr, bei Weitem nicht. Per-Olof sogar noch etwas weniger als sie.

Sie sah Per-Olof an. Er streichelte ihr mit der einen Hand über das Bein.

»Das wird super, du wirst schon sehen, meine Liebe«, sagte er und trommelte mit den Fingern der anderen Hand auf dem Lenkrad herum. Er sah zufrieden und zuversichtlich aus. Aber da war noch etwas. Per-Olof verbarg irgendwas vor ihr. Sie erkannte das an seinem leicht angespannten Mund. Sicher nichts Schlimmes. Seine Augen sahen so warm aus wie immer und er saß entspannt in seinem Sitz.

Kristina schüttelte entschlossen ihre Unruhe ab und konzentrierte sich auf den verlassenen Hof. Der ihr zugewandte linke Giebel sah sehr mitgenommen aus. Die rote Farbe war so stark abgeblättert, dass die graue Farbe vom darunterliegenden Holz dominierte. Südlage. Da würde sie eine Bank hinstellen, auf der man zum Frühlingsbeginn sitzen und seinen Nachmittagskaffee trinken könnte. Unter den Holzpaneelen war sicher Fachwerk, wie bei so vielen Häusern in Schonen. Sie war mit gemischten Gefühlen aus Landskrona losgefahren. Sie legte die Hand an die sonnenwarme Seite. Ihre Gedanken kreisten um die Anlage eines Gartens und ihre eigenen Malvorhaben. Das erfüllte sie mit etwas Zuversicht.

Als sie auf den Hof mit dem Kopfsteinpflaster fuhren, stieg Kristina aus. Loffa sprang ihr hinterher und schnüffelte eifrig in dem hohen braunen Unkraut herum, das versuchte, zwischen den Steinen die Oberhand zu gewinnen.

Kristina wagte es kaum, zur Rückseite zu gehen, um einen Blick in den Garten zu riskieren. Es war zweifelhaft, wie viel davon das Zurückerobern der Natur überlebt hatte. Kristina sah zur Hofeinfahrt, durch die sie gerade gekommen waren. Das alte Plumpsklo im Winkel des zusammengezimmerten Stalls und des Schuppens schien das besterhaltene Gebäude hier zu sein. Sicher hing dort noch ein Bild des alten Königs, wie so oft auf alten Plumpsklos.

Als Kristina nach vorne sah, entdeckte sie das kleine Wäldchen. Es kribbelte an ihrer Lendenwirbelsäule. Sie schüttelte sich, um das Unbehagen loszuwerden. Hier hatte sie vor einigen Jahren gestanden und heimlich auf Klaras Ex-Freund Tobbe gewartet. Sie wollte nicht mehr daran denken, was an dem Abend geschehen war. Die Clique würde etwas Schönes aus diesem Hof machen. Den Vorfall und das Übel, das hier geschehen war, überbauen.

Kristina schob ihr schlechtes Gewissen zur Seite. Es war so schön hier. Offen und gleichzeitig geschützt. Sicher gab es hier reichlich Wild. Auf jeden Fall machte der Springerspaniel den Eindruck. Per-Olof schien das ebenfalls zu bemerken und leinte Loffa an.

»Ist es so, wie du es in Erinnerung hast?«, fragte er und blinzelte in die Sonne.

»Schlimmer. Glaubst du wirklich, dass wir das schaffen? Sind wir nicht zu alt dafür?« Die Unruhe gewann wieder die Oberhand. Wenn man erst mal die Siebzig passiert hatte, lebte man nur noch in Fünf-Jahres-Perioden. Das Leben konnte jederzeit zu Ende sein. Das war die krasse Wahrheit. Sie dachte nicht besonders oft daran, aber wenn es um so große, eingreifende Veränderungen ging, kamen die Gedanken doch wieder an die Oberfläche.

»Ach, Quatsch.« Er trat gegen eine lose Paneele an der Langseite. »Wir haben doch reichlich Hilfe und genug Geld, das noch was übrig bleibt.«

»Und wenn wir nicht alles fertigbekommen? Wenn wir unser Werk nicht genießen können, ehe wir …?« Kristina verstummte, als Per-Olof ihr den Finger auf die Lippen legte.

»Liebe Kristina. So darfst du nicht denken. Das führt zu nichts. Wir gehen jetzt mal zum Wäldchen.« Er deutete mit dem Kopf zu der sonnigen Ebene, von wo aus man über die Felder nach Asmundtorp blicken konnte. An diesem klaren Januartag würden sie sicherlich sogar die Brücke und Kopenhagen sehen können. Kristina war wieder einmal erstaunt darüber, wie nah Schonen und Dänemark beieinander lagen. Zwei Länder mit nur einem schmalen Sund als Grenze. Sie wusste nicht, warum sie das so schwer begreifen konnte.

Per-Olof hakte sie unter, gab ihr die Leine und die Wolldecke und nahm selbst den Picknickkorb in die andere Hand.

Gemeinsam falteten sie die dicke Wolldecke und legten sie auf den gefrorenen Boden. Kristina setzte sich. Loffa legte sich auf ihren Schoß und drehte das Gesicht zur Sonne. Sie sollte aufhören, über die Endlichkeit des Lebens und alte Sünden nachzudenken. Stattdessen sollte sie froh und dankbar für das sein, was sie hatte. Kristina hatte in letzter Zeit so viel bekommen, nicht zuletzt die Liebe, die ihr in Form von Per-Olof begegnet war. Zwar hatte sie schon seit fast vier Jahren Gefühle für ihn gehabt, seit sie sich bei dem Stilkundekurs angefreundet hatten, aber sie war buchstäblich ein so gebranntes Kind gewesen, dass sie den nächsten Schritt nicht gewagt hatte. Noch dazu war auch Per-Olof als frischer Witwer noch nicht bereit gewesen.

Per-Olof setzte sich mit etwas Mühe neben sie und wühlte im Korb herum. Er holte den Kaffee und den Mandelkuchen hervor. Kristina lächelte in sich hinein. Immer dieser Kuchen. Der und der Fußballklub BKK waren für immer mit ihrem Geliebten verbunden.

»Ich weiß, dass das gut wird«, sagte er und pustete auf seinen Kaffee. »Peter eröffnet sein Restaurant in dem Teil, den wir an den Stall anbauen. Karl und du bekommt jeweils ein Atelier. Die Fotografin kriegt ein Zimmer, Peters Schwester Petra aus Stockholm erhält eine Webstube und Martin und Maria ihr Verkaufsbüro.«

Kristina sah Per-Olof von der Seite an. Obwohl er so positiv klang, hatte er noch immer diesen angespannten Zug um den Mund. Sie hob verwundert die Augenbraue. Spukte die Nacht, in der sie Tobbe hierhergelockt und ihm eine Lektion fürs Leben für all das, was er Klara und Ester angetan hatte, auch in Per-Olofs Kopf herum? Sie setzte die Unterhaltung fort.

»Es ist großartig, wie gut es bei Martin und Maria läuft. Wer hätte gedacht, dass sie mal eine Einrichtungsfirma gründen und Kundschaft aus bald ganz Dänemark bekommen würden? Und all das hat mit einem Café in Borstahus angefangen.« Kristina lächelte, als sie an Martin und Marias Anfänge zurückdachte, als sie ihre Arbeit in der alten Seehütte aufgenommen hatten. Er, dem gerade die Arbeit gekündigt worden war und sie, die wegen Burn-out-Depression krankgeschrieben gewesen war.

»Viel von dem Erfolg ist Karls Verdienst. Er hat dafür gesorgt, dass sie anfangen konnten und hat ihnen ihre ersten Kunden besorgt. Aber ich verstehe nicht, wie sie noch Zeit für das Café finden.«

»Ihre Kinder helfen ihnen viel. Außerdem haben sie im Frühjahr und Herbst nur an den Wochenenden geöffnet. Sie haben nur im Sommer so richtig zu tun, und da haben sie wiederum kaum Einrichtungsaufträge.« Kristina lächelte.

Es war großartig, dass Marias Burn-out dazu geführt hatte, dass das Berufsleben des Paares eine ganz neue Wendung genommen hatte. Natürlich hatte Maria eigentlich vorgehabt, in ihren Lehrberuf zurückzukehren. Sie hatte sogar den Arbeitsplatz gewechselt und ihre Arbeitszeit reduziert, aber sie hatte dort kaum angefangen, als ihr klar wurde, dass sie in dem gemeinsamen Firmenprojekt Vollzeit gebraucht wurde. Sie war gezwungen gewesen, sich für eine Karriere zu entscheiden, und das schnell. Der bereits gut ausgetretene Pfad ihres Lehrerberufs machte sie krank, verhalf ihr aber zu einem regelmäßigen Einkommen. Auf der anderen Seite stand eine ganz neue Laufbahn ohne Sicherheit für die Zukunft vor ihrer Tür. Ihre Wahl fiel auf die zweite Alternative – und im Nachhinein hatte Maria keinen Grund gehabt, diese zu bereuen.

Kristina begriff mehr als gut, dass sie jetzt ein richtiges Büro brauchten, um Kundschaft zu empfangen. Jetzt, wo sie sich einen Namen gemacht hatten. Sie konnten ihre Meetings nicht mehr im Café abhalten. Allerdings gefiel es der Kundschaft, einen Kaffee trinken zu können, während sie die passenden Objekte für ihr Zuhause aussuchten, nachdem Martin und Maria mit ihren Entwürfen fertig waren. Es wäre perfekt, die Leute erst einmal auf ein Treffen auf dem Hof einzuladen und sie zum Abschluss im Café in Borstahus zu bewirten. Indem sie die Arbeitsumgebung kennenlernten, konnte man ihnen ein persönliches und spontanes Gefühl vermitteln.

»Ja, es ist verrückt, welche Kapriolen das Leben manchmal schlägt. Karl fühlt sich in Kopenhagen so wohl wie ein Fisch im Wasser und Peter und er haben endlich eine Balance in ihrer Ehe gefunden«, sagte Per-Olof und räusperte sich.

»Nun bleibt nur noch Klara, die noch immer Single ist. Ich hoffe, dass sie den Absprung eines Tages schafft und einen Mann kennenlernt. Sie verdient es, Liebe zu erleben, und es so gut zu haben wie wir beide«, sagte Kristina und sah Per-Olof an. Er wandte sich ihr zu und drückte ihr einen weichen Kaffeekuss auf ihren Mund.

Dass ein Mann ihr in ihrem Alter noch weiche Knie bescheren konnte! Sie streichelte seine Wange. Das hier würde klappen. Sie hatten einander, und mithilfe ihrer Liebe würden sie eine großartige Kunstgemeinschaft auf dem Hof errichten. Alle Erinnerungen an die Nacht von damals wurden von einer spontanen Böe an diesem sonst windstillen Januarnachmittag weggepustet. Es lag etwas in der Luft, als ob alle den Atem anhielten und warteten.

»Die liebe, nette Klara und die kleine Ester. Ich weiß noch, wie einsam sie waren, als wir uns beim Stilkundekurs kennengelernt haben. Klara hat sich so gemausert und ist jetzt so selbstsicher. Sie findet sicher eines schönen Tages jemanden. Und den Taugenichts, der Esters Vater sein will, scheint sie jetzt für immer los zu sein.«

»Sag das nicht«, murmelte Kristina. »Er wird wieder auftauchen, genauso unangenehm wie immer.« Bäh, da war wieder die Erinnerung an Tobbe. Kristina schüttelte sich.

»Dann sind wir für sie da, aber jetzt ist das egal. Ich will etwas mit dir bereden, ehe Karl kommt.« Per-Olof sah von ihr weg zu Loffa, über die Felder und zurück zum Korb. Er fummelte an etwas in seiner Tasche. Kristina wartete. Alles hielt inne und verstummte. Sogar das Gras, das sanft geweht hatte, streckte sich und wartete gespannt.

»Du weißt, wie dankbar ich dafür bin, mein Leben mit dir teilen zu können. Jeden Morgen, wenn ich uns Frühstück mache, muss ich mir in den Arm kneifen. Ich kann kaum glauben, dass du mit mir hier rausziehen willst, wo du doch dein ganzes Leben lang in der Stadt gewohnt hast.« Per-Olofs Augen füllten sich mit Tränen.

»Na ja, wir haben ja immer noch sicherheitshalber die Wohnung. Das kann ja ganz gut sein, wenn wir mal eine Pause voneinander brauchen«, sagte sie und erzwang ein Lächeln. Was führte er im Schilde?

»Ich brauche keine Pause von dir. Ich bin ganz unruhig, wenn du nicht in meiner Nähe bist. Ich will den Rest meiner Tage mit dir verbringen und ich bin so verdammt glücklich, dass wir uns hier ein neues Leben aufbauen. Darum will ich dich fragen, Kristina« – Per-Olof fummelte mit der Hand in der Tasche herum, holte eine kleine Schachtel hervor und öffnete sie – »ob du mir die Freude machen würdest, mich als meine Frau durchs Leben zu begleiten?« Sein angespannter Mund entspannte sich und Per-Olofs Blick war ihr vollkommen ausgeliefert. Sie erkannte dieselbe Liebe darin, die sie selbst empfand. Und Erleichterung.

Was sollte sie jetzt tun? Das Letzte, was sie wollte, war heiraten. Das hatte sie sich vor langer Zeit hoch und heilig geschworen. Niemals wollte sie wieder die Fesseln einer Ehe spüren, egal, wer sie ihr anlegen wollte.

Sie bekam kaum noch Luft. Schon legte sich ein Band um ihren Hals und schnürte ihr die Luft ab. Kristina konzentrierte sich darauf, durch die Nase ein- und durch den Mund auszuatmen. Nach ein paar Atemzügen lockerte sich das Band.

»Lieber Per-Olof.« Sie nahm sein Gesicht in ihre Hände. »Ich werde nie wieder heiraten, aber ich will mit dir zusammenleben, bis meine Tage auf dieser Erde zu Ende sind.« Sie sah in seinen Augen, wie er das Gesagte in sich aufnahm. Sie erkannte einen leichter Schimmer der Enttäuschung.

»Aber«, setzte Per-Olof an, doch er kam nicht weiter, weil Karl in seinem Cayenne auf den Hof gefahren kam. Sie hatten ihn nicht kommen hören, so vertieft waren sie gewesen.

Kapitel 2Renovierungspläne

Karl

»Mama.« Karl umarmte Kristina genauso fest und innig wie immer. Sie kniff den Mund zusammen und ihre Augen blickten unruhig umher, als ob sie Sorgen hatte. Sah er da Tränen schimmern?

Als er Per-Olof umarmte, sah der ältere Mann geradezu an ihm vorbei. Auch blickte er Kristina nicht so verliebt an wie sonst immer, und die beiden hatten keinen Körperkontakt. Zwischen ihnen herrschte eine ungewöhnliche Distanz. Normalerweise wurde Karl ganz warm ums Herz, wenn er seine Mutter so glücklich sah. Sie leuchtete von innen und außen, aber jetzt sah es aus, als wäre sie gefroren. Anscheinend stimmte etwas zwischen ihnen nicht. Hoffentlich machten sie jetzt nicht Schluss. Die beiden brauchten einander. Per-Olof machte Karls Mutter glücklich und er war ein guter Mann. Dass sie mit dreiundsiebzig endlich die große Liebe gefunden hatte, war ein seltenes Geschenk. Besonders, wenn man bedachte, dass sie viele Jahre die Tyrannei von Paul, seinem Vater, durchlebt hatte.

»Bisschen Kaffee?« Per-Olof schwenkte eine Tasse vor seinem Gesicht.

»Nur, wenn du auch Mandelkuchen hast.« Karl lächelte ihn an, sah aber seine zusammengebissenen Zähne. Das hatte er so noch nie erlebt. Wenn Karl sich gut genug kannte, dann würde seine Neugier bald dazu führen, dass er den Grund für die Verstimmung erfahren würde.

Per-Olof öffnete die Dose mit dem Kuchen und bedeutete ihm, sich zu bedienen.

»Hast du die Zeichnungen dabei?«, fragte Per-Olof und schloss den Deckel der Dose.

»Natürlich.« Karl nahm sich die Zeichenrolle vom Rücken, öffnete sie und rollte sie auf. Per-Olof und Kristina stellten sich jeweils neben ihn. »Also, mal sehen«, setzte er an. »Wir fangen mit der langen Seite an. Wir erhalten so viel wie möglich, wie ihr das wolltet. Darum bleibt der Eingang auf der langen Seite, aber die Kammer an der Ecke habe ich in der Mitte geteilt. In dem Teil, den ihr hier seht …«

»Ist die Wäschekammer und das Bad, das sehe ich. Perfekt, dann ist es nicht weit nach draußen, wenn ich da Wäsche aufhängen will«, sagte Kristina und nickte zufrieden.

»Genau. Und hier ist die andere Hälfte.« Karl deutete auf die Zeichnung. »Das wird ein Schlafzimmer. Die Wand in der Mitte der Langseite ist eine tragende, also will ich die stehen lassen. Wenn wir die einreißen, brauchen wir woanders Stützen, das ist unsinnig.«

»Finde ich auch«, sagte Per-Olof. »Und die Küche ist weiterhin am Eingang, mit dem alten Ofen und allem.«

»Und auf der anderen Seite ist das Wohnzimmer. Eine Wand entfernen wir, dann wird das ein wunderbar großes Zimmer für Besuch und mit einem Ausgang zur alten Veranda.« Karl sah vom einen zur anderen, um zu checken, ob sie ihm folgen konnten. Per-Olofs eben noch so verkniffener Mund hatte wieder seine normale Form mit dem kleinen Lächeln im Mundwinkel angenommen. Kristinas hektische Bewegungen waren ruhiger geworden. Karl sah das als Zeichen, dass sie sich wieder ein wenig entspannt hatten, da sie sich auf etwas anderes konzentrierten.

»Und hier hast du anscheinend ein Schlafzimmer mit eigenem Bad, sehe ich.« Kristina zeigte auf die Nordseite der Zeichnung.

»Genau. Das ist der kühlste Platz, also dachte ich, das ist das Richtige für euch«, sagte Karl. Per-Olof brummte und fasste sich ans Kinn. Er sah unangenehm berührt aus. Kristina wand sich. Auf ihren Wangen erschienen rote Flecken.

»Und oben?«, fragte Kristina.

»Ich habe nur zwei Zimmer eingezeichnet, die sich meiner Meinung nach als zusätzliche Schlafzimmer eignen. Es ist sehr eng dort, aber wenn wir zum Dach hin öffnen, wirken die Zimmer größer. Sollen wir uns jetzt den Stall mit dem Anbau angucken? Ich habe mir ein paar schöne Lösungen für alle Bereiche überlegt.« Karl ging in Richtung des Kopfsteinpflasters. Per-Olof packte schnell das Picknick zusammen und eilte ihm hinterher.

»Ich gehe eine Runde mit Loffa. Redet ihr mal weiter.« Kristina entfernte sich hastig.

Per-Olof sah ihr nach. Dann warf er den Korb und die Decke in den Pick-up.

Karl und Per-Olof gingen Seite an Seite zu den Wirtschaftsgebäuden. Karl wartete geduldig. Sie mussten erst einmal die Baupläne durchgehen. Danach würde er sicher erfahren, was bei den beiden nicht stimmte.

»Ich will so viel wie möglich erhalten. Ich weiß, dass es in allen Gebäuden an Fenstern fehlt, aber es gibt in der Gegend so viele Bauern, die noch ganz viele Sachen rumliegen haben«, sagte Per-Olof.

»Und es gibt gute Baustoffhandel, wo wir passenden Ersatz finden«, sagte Karl.

Sie hatten die Tür neben dem alten Plumpsklo geöffnet und wollten gerade dorthin, wo später Per-Olofs Hühnerstall stehen sollte, als Karl nach rechts zeigte.

»Wir müssen euch eine Garage bauen. Neben den Hühnerhof kommt der Parkplatz. Wir wollen nicht, dass die Gäste sich mit den Autos auf dem Hof drängen, das würde den ganzen pittoresken Eindruck zerstören. Wir grenzen das Ganze mit einer Steinmauer ein. Wir müssen natürlich was an dem Weg machen. Ein bisschen verbreitern und ausschachten, damit er nicht so holprig ist.« Er hielt inne und betrachtete Per-Olof, der in die Richtung sah, in die Kristina mit Loffa verschwunden war. »Hörst du mir zu?«

»Tut mir leid, ich habe an etwas anderes gedacht«, antwortete Per-Olof entschuldigend.

Karl legte ihm die Hand auf die Schulter und drückte sie. Per-Olof ließ sich gegen seine Hand sinken. Er ließ sie dort liegen. Per-Olof schien die Berührung zu brauchen.

»Du weißt, wie froh ich bin, dass du in Mamas Leben getreten bist. Sie sagt so oft, dass sie gemeinsam mit dir eine zweite Chance bekommen hat und dass sie nicht wusste, was Liebe war, ehe sie dich getroffen hat.«

Karl wartete gespannt auf Per-Olofs Reaktion. Der sank noch weiter in sich zusammen.

»Da bin ich mir nicht so sicher wie du. Ich habe ihr direkt vor deiner Ankunft einen Antrag gemacht, aber, verdammt noch mal, Frauenzimmer sind immer so schrecklich kompliziert. Sie hat Nein gesagt.«

Karl stieß einen Pfiff aus. »Ich glaube, wir lassen die Zeichnungen jetzt mal sein. Hör mir gut zu, Per-Olof. Das hat nichts mit dir zu tun. Es geht dabei um ihre Dämonen. Sie will mit dir zusammen sein, das verspreche ich dir, aber sie wird niemals wieder heiraten.«

»Aber für mich ist die Ehe heilig. Das ist das Zeichen, dass man wirklich zusammengehört. Ich weiß, dass ich jetzt verdammt altmodisch klinge, aber ich will sie zu einer ehrbaren Frau machen. Ich habe noch nie so etwas für jemanden empfunden. Durch Kristina werde ich zu einem besseren Menschen. Ich brauche sie.«

»Ich weiß. Und man kann schon von Weitem sehen, dass ihr füreinander geschaffen seid, aber du musst akzeptieren, dass ihr unterschiedliche Vorstellungen von der Ehe habt. Sie wird niemals zustimmen, dich zu heiraten.«

Kapitel 3Er ist wieder da

Klara

Ende Januar, als Klara gerade auf dem Weg in die Bibliothek war, tauchte plötzlich ein Volvo auf und versperrte ihr den Weg. Aus den Lautsprechern des alten, rostigen Kombis tönte auf voller Lautstärke Eurodisco. Tobbes alte Lieblingsmusik, dachte sie noch, bevor sich die Fahrertür öffnete und sich ein Paar zerschlissene Turnschuhe auf den Steinbelag stellten. Er hievte sich aus dem Auto. So groß wie früher, aber ansonsten komplett verändert. Es war das erste Mal, dass sie ihn sah, seit er vor genau einem Jahr und sieben Monaten aus dem Gefängnis entlassen worden war. Sie hatte mitgezählt. Ein Telefonat im Juni letzten Jahres, bei dem er sie beschimpfte, war das einzige Lebenszeichen gewesen. Da hatte Tobbe Ester, ihre gemeinsame Tochter, nicht einmal erwähnt.

Klaras Magen drehte sich um und sie spürte das alte Magengeschwür, das verschwunden war, als er in den Knast gekommen war. Übelkeit stieg in ihr auf. Sie legte die Hand vor den Mund und versuchte, sie wegzuatmen, indem sie sich auf den Baum vor der Bibliothek konzentrierte.

Als sie das erfolgreich geschafft hatte, sah sie zu Tobbe. Was hatte er da für merkwürdige Tätowierungen im Gesicht? Sie sahen aus wie Tränen und komische Symbole. Punkte, Kreuze und Vierecke um die Augen und auf den Wangen. Sie kniff die Augen zusammen, um sie besser zu erkennen. Sah man so nach einem Gefängnisaufenthalt aus? Das konnten sie doch bei Mio sicher nicht tolerieren. Was war überhaupt aus seinem Dienstwagen geworden? Wenn man bedachte, dass er für Menschenraub gesessen hatte, war er den Job wohl losgeworden, auf den er so stolz gewesen war. Klara erinnerte sich daran, wie er damit angegeben hatte, wie unentbehrlich er war. Sie schämte sich, dass er einmal ihr Ein und Alles gewesen war. Und trotzdem war die Angst noch da, dass sie ihm zu Willen sein würde.

Was war mit dem Rest von Tobbes Aussehen? Vor ihr stand eine andere Person. Aus dem eitlen Gymgänger war ein, ja, was überhaupt? Aussehen war ihm immer so wichtig gewesen, aber jetzt sah er heruntergekommen aus. Seine Haare waren nicht gewaschen. Auf dem weißen T-Shirt befanden sich Essensreste. Er war dick geworden. Er, der dicke Menschen immer verachtet hatte.

»Hi!«, sagte Tobbe lächelnd.

»Hallo«, antwortete sie leise.

»Ich dachte mir doch, dass du das bist. Du siehst aus wie früher, aber du hast wieder ordentlich Titten.« Er stieß einen Pfiff aus.

Klara ignorierte den Kommentar. Sie wusste sehr genau, warum sie so mager gewesen war, als sie mit ihm zusammen gewesen war. Erst, weil das Zusammenleben der reinste Terror war, und dann, als Tobbe sie und Ester rausgeworfen hatte, aus Geldmangel. Sie hatten ihr Leben neu aufbauen müssen.

»Was willst du?«, fragte sie. Er sollte es nur wagen, einen Anspruch auf Ester zu erheben. Klara ballte ihre Hände in den Jeanstaschen so fest zu Fäusten, dass sich die Fingernägel in die Handflächen bohrten.

»Warum klingst du so abwehrend? Ich wollte nur mal gucken«, grinste er. »Dein Arsch ist auch wieder da, schick. Verdammt, ich hatte echt vergessen, wie lang deine Beine sind.«

»Ich habe mit dir nichts zu besprechen. Du hast Ester und mich rausgeworfen. Du wolltest uns nicht und dann bist du auch noch ins Gefängnis gekommen.« Klara keuchte vor Anstrengung. Endlich hatte sie das gesagt, was sie sich so lange vorgenommen hatte, falls sie Tobbe noch einmal treffen würde. Sie schloss die Augen und atmete zittrig ein. Sie füllte die Lungen und atmete mit einem abgehackten Seufzer aus.

Als sie die Augen wieder öffnete, stand Tobbe nur noch zehn Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt. Sie konnte seinen Schweißgeruch deutlich wahrnehmen. Er roch nicht mehr frisch nach all den teuren Parfums, in die er sich sonst immer eingenebelt hatte. Instinktiv trat sie einen Schritt zurück.

»Pass bloß gut auf!«, schrie er. »Ich kann mit dir machen, was ich will! Niemand würde davon erfahren!«

Klara zwang sich, stehen zu bleiben. Sie standen auf einem offenen Platz. Wenn Tobbe Gewalt anwenden würde, käme sicher bald jemand. Sie sah, wie sein Hals pulsierte. Sie wusste, dass das ein Zeichen für drohende Gefahr war. »Du hast uns abgewählt. Du hast meine Tochter und mich weggeworfen. Wir waren dir immer egal. Ich habe Freunde, die mich vermissen würden und sie würden dich nie damit davonkommen lassen.«

»Verdammte Bitch, das Balg ist meins, ob du es willst oder nicht! Ich werde sie mitnehmen und du kannst mich nicht daran hindern!« Ein diabolisches Grinsen spielte in seinen Mundwinkeln, aber seine Augen waren schwarz.

»Du würdest niemals das Sorgerecht bekommen.« Klara versuchte, so kalt zu klingen wie nur möglich. Anscheinend brachte das Tobbes Machtgefühl tatsächlich zum Wanken. Es sah so aus, als wäre er verwundert, dass sie noch immer da stand und ihm Widerworte gab. Wenn sie recht drüber nachdachte, war es das erste Mal und noch dazu ohne Unterstützung. Nur einmal hatte sie bisher widersprochen, aber da war Per-Olof dabei gewesen und hatte sie unterstützt, also zählte das nicht richtig.

Tobbe räusperte sich aus seinem tiefsten Inneren und spuckte ihr einen großen, gelben Klumpen vor die Füße. Sie sprang zurück. Er trollte sich zu seinem Auto, öffnete die Fahrertür und zündete sich eine Zigarette an. »Verdammtes Luder! Du bist doch nicht ganz dicht«, brüllte er, ehe er sich mit einer gewissen Mühe in seine Rostlaube setzte und davonfuhr.

Klara zitterte von der Anstrengung, stehen zu bleiben und nicht wieder in ihre alte Rolle als unterwürfige Freundin zurückzufallen. Sie schleppte sich irgendwie nach oben in die Bibliothek, die in einer alten Feuerwache untergebracht war. Sie sank in einen der Sessel und legte ihr Gesicht in die Hände. Würde sie Tobbe denn niemals loswerden? Und was war mit Ester, ihrem kleinen Mädchen, das nichts von seinem Papa wissen wollte, weil er sich nie wie ein Vater benommen hatte? Sie wusste, dass sie es nicht überleben würde, wenn er sie ihr wegnahm.

Das einzig Gute, das Tobbe für sie getan hatte, war, sie aus ihrer Wohnung in Helsingborg zu werfen. Damals fühlte es sich natürlich nicht so an, aber im Nachhinein war es das Beste, was ihnen hätte passieren können. Klara und Ester wurden immer selbstständiger und Klara war als Mensch gewachsen, nachdem sie seine Tyrannei überlebt hatte.

Ester hatte väterliche Vorbilder in Form von Peter und Karl, und sogar Großeltern durch Per-Olof und Kristina. Wenn Tobbe sich mit ihr anlegen wollte, würde er auf Widerstand treffen. Das schwor sie sich. Aber es zehrte an ihren Kräften. Die alte Angst stieg in ihr auf, wenn sie ihn traf, und sie musste dafür kämpfen, nicht in ihre Rolle als geschlagener Hund zu verfallen. Eine Rolle, die Tobbe nur zu gern an ihr sah. Er liebte es, die Überhand zu haben und sie mit mehr oder weniger Gewalt zu lenken und über Ester und sie zu bestimmen. Niemals würde sie es zulassen, dass er sie wieder zerstörte und zerbrach.

Kapitel 4Eine neue Bekanntschaft

Klara

Eine Weile danach spürte Klara etwas Warmes an ihrem Arm. Sie blinzelte und konnte durch ihren Tränenschleier eine Hand auf ihrem Ärmel ausmachen. Jemand atmete nah an ihrem Gesicht. Halb wach und aus den Gedanken gerissen, hob sie den Kopf und blinzelte die Tränen weg, die noch an ihren Wimpern hingen. Neben ihr auf dem Boden saß ein Mann. Er schien etwa in ihrem Alter zu sein. Seine Haare trug er in einem Dutt und seine haselnussbraunen Augen sahen warm und besorgt aus. Sie atmete durch die Nase ein und erschnupperte seinen Duft. Er roch sportlich und maskulin, wie nach der Nutzung eines Herrenduschgels.

Klara erkannte ihn wieder. Das war der Typ, den sie schon oft hier in der Bibliothek gesehen hatte. Meistens war er vertieft in seine Studien über den menschlichen Körper. Manchmal machte er sich Notizen, dann fielen ihm die Haare ins Gesicht, wenn er sie nicht zurückgebunden hatte. Klara wusste, dass sie sehr dick waren, weil sie sich immer dagegen wehrten, von ihm hinter die Ohren geklemmt zu werden. Sie würde diese Haare so gern anfassen. Das hatte sie schon mehr als einmal gedacht. Verschämt schob Klara diese Gedanken beiseite. Sie hatte sie doch nicht mehr alle. Gerade war sie noch Tobbe begegnet, und jetzt saß sie hier und spielte mit dem Gedanken, ihre Finger durch die Haare eines fremden Mannes gleiten zu lassen. Die weichen Strähnen an ihren Fingerspitzen zu fühlen. Klara schüttelte den Kopf.

»Kann ich dir irgendwie helfen?«, fragte er. Seine Stimme war tief und besaß einen warmen Klang, der gut zu seinen Augen passte.

»Entschuldige. Nein danke.« Klara stand vom Sessel auf. »Ich wollte nur … Ich war müde und wollte noch Kraft sammeln, bevor ich nach Hause gehe. Danke fürs Fragen.« Sie stand wacklig auf und ging Richtung Treppe.

Klara klammerte sich am roten Geländer fest. Sie hatte Angst, dass sie sonst nicht im Ganzen unten ankommen würde.

»Ich bringe dich nach Hause.« Die braunen Augen sahen sie an und etwas in seinem Blick versicherte Klara, dass sie keine Angst haben musste. Aber trotzdem. Es war immer dasselbe mit fremden Männern. Sie war in jungen Jahren schwer verbrannt worden und es fiel ihr schwer, einem Mann zu vertrauen. Dass sie ihren Freunden vom Stilkundekurs inzwischen voll und ganz vertraute, war etwas anderes. Von denen fühlte sie sich nicht angezogen. Ihr ganzes Inneres wehrte sich gegen den Gedanken. Dieser Mann war etwas Besonderes. Etwas in ihm sprach zu ihr und vibrierte in ihrem Inneren. Sonst hätte sie sich während ihrer Bibliotheksbesuche auch nicht so sehr darum bemüht, ihn zu betrachten, statt sich auf ihr eigenes Studium zu konzentrieren. Ihn anzusehen, war das eine, aber ihm so nahe zu kommen, etwas ganz anderes.

Klara wich vor ihm zurück.

»Nein danke. Ich komme schon klar.« Sie ging weiter nach unten.

»Ich will nur sichergehen, dass du gut zu Hause ankommst. Der Typ scheint nicht ganz dicht zu sein. Und ich verspreche, dass ich dir nichts tue. Ich bringe dich nur bis zu deiner Tür.« Er streckte ihr die Hand entgegen. Sie nahm sie an.

»Ich heiße Nikola.«

Der Name passte perfekt zu ihm. Er hatte etwas an sich, das sie total entwaffnete. Nachdem auch sie sich vorgestellt hatte, erlaubte sie ihm, sie zu begleiten. Aber nicht bis nach Hause. Sicherheitshalber musste er sie an der Bushaltestelle gegenüber vom Friedhof verlassen.

Kapitel 5Geflüchtete aus Kroatien

Klara

Am Abend brachte Klara Ester ins Bett. Sie las der Achtjährigen eine Geschichte vor und räumte anschließend in der kleinen Wohnung auf. Dann ging auch sie ins Bett. Es fiel ihr schwer, zur Ruhe zu kommen. Ihre Gedanken fuhren Karussell. Klara wälzte sich im Bett hin und her, auf der Suche nach einer bequemen Position.

Am Ende gab sie auf, schwang die Beine über die Bettkante und erhob sich. Sie machte sich eine Tasse Tee. Während sie dabei zusah, wie der Teebeutel das Wasser immer stärker färbte, ging Klara ihren Gedanken nach.

Es war unmöglich, nicht jedes Mal an ihre Mutter zu denken. Als sie etwa zehn Jahre alt gewesen war, hatte Mama ihr beigebracht, wie man Tee kochte. Jetzt hatte Klara keine Eltern mehr. Beide waren bei einem schrecklichen Autounfall ums Leben gekommen, als Klara gerade Abitur machte. Damals war Tobbe da gewesen und hatte sie aufgefangen, als sie jedes Zugehörigkeitsgefühl verloren hatte.

Inzwischen erkannte sie, dass er sie nur als leichte Beute gesehen hatte. Eine Person, die er dressieren und über die er bestimmen konnte. Dass sie mit ihren langen, blonden Haaren, ihrem schlanken Körper und den langen Beinen so umwerfend anmutete, sah er als großes Plus an. Für sie war ihr Aussehen eher der Grund gewesen, dass sie zu seiner Sklavin geworden war. Wenn sie mehr wie Maria ausgesehen hätte, hätte Tobbe sie niemals wahrgenommen.

Klara nahm den Tee und stellte sich an das Wohnzimmerfenster. Sie legte die Hände um den Becher, wie sie es immer tat, wenn sie sich beruhigen wollte und ihre Gedanken sortieren musste. Klara sah auf den Innenhof, der von den Laternen erhellt wurde. In der Mitte stand ein bioenergetisches Haus. Wintergrüne Gewächse wuchsen in den Beeten drum herum. Die einzige Fläche, die nicht asphaltiert worden war. Gegenüber stand ein Mietshaus wie ihres aus gelben Ziegeln.

Sie dachte darüber nach, was an dem Tag passiert war, aber vor allem über die Situation auf dem Rückweg von der Bibliothek.

Nikola war zunächst schweigend neben ihr hergegangen. Dann hatte er erzählt, dass er auf dem Weg zur Bibliothek gewesen war, als er sah, wie Tobbe Klara den Weg versperrte. Er hatte ein Stückchen weiter weg gestanden und alles mitgehört.