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Vor wenigen Tagen hat der neugierige Schüler Nano das erfindungsreiche Forscherteam Dr. X und seine Assistentin Micro Minitec in der geheimnisvollen "Villa Nachtigall" kennengelernt. Hier befindet sich auch der "Turbobeamer", eine Verkleinerungsmaschine, die Micro entwickelt hat. Bei seinem zweiten Besuch in der Villa tritt Nano gemeinsam mit dem rosaroten Hasen der Assistentin – auf Miniaturgröße geschrumpft und in einer Art Mini-U-Boot – eine unfreiwillige Reise in den menschlichen Körper an, wo sie zunächst am Mageneingang festhängen. Doch dann öffnet sich plötzlich der Boden unter der silbernen Kapsel und Nano schafft es im letzten Augenblick, die Flügel ihres Reisegefährts auszufahren. Es landet sanft mitten in den wogenden Wellen der Magensäure. Hier beobachten sie, wie eine von Micro Minitec verschluckte Sardine langsam zersetzt wird… Dabei wird ihnen trotz aller Neugierde ein bisschen mulmig zumute und sie verlassen diese gefährliche Zone Richtung Galle, Bauchspeicheldrüse und Dünndarm. Doch als sie den Blinddarm passieren wollen, wird es für Nano und den Hasen in ihrem U-Boot erst richtig brenzlig… Werden sie diese Reise heil überstehen? Und wird es gelingen, Nano wieder zu vergrößern? Die Reihe "Der kleine Medicus" stammt aus der Feder des bekannten Autors und Arztes Prof. Dr. Dietrich Grönemeyer. Die Geschichte rund um den jungen, geschrumpften Körperforscher Nano wurde behutsam modernisiert und zu einer Erzählung des 21. Jahrhunderts weiterentwickelt. Jeder Band beinhaltet ein neues Abenteuer und bietet spannende Unterhaltung, gespickt mit fundiertem Sachwissen über das Innere des menschlichen Körpers.
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Seitenzahl: 50
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Prof. Dr. Dietrich Grönemeyer
mit Illustrationen von Sabine Rothmund
1. Auflage 2021
© 2021 TESSLOFF VERLAG
Burgschmietstraße 2-4, 90419 Nürnberg
Alle Rechte vorbehalten
Idee/Text: Prof. Dr. Dietrich Grönemeyer unter Mitarbeit von: Dr. Bernd Flessner
Illustrationen: Sabine Rothmund
Grafische Gestaltung, Layout: Marie Gerstner
Lektorat: Anja Starigk
www.tessloff.com
ISBN: 978-3-7886-4412-3
eISBN: 978-3-7886-7153-2
Die Verbreitung dieses Buches oder von Teilen daraus durch Film, Funk oder Fernsehen, der Nachdruck, die fotomechanische Wiedergabe sowie die Einspeicherung in elektronische Systeme sind nur mit Genehmigung des Tessloff Verlages gestattet.
Im Säuremeer
Der Magenausgang macht Druck
Rappel bekommt einen Rappel
Nanos erste Operation
Nano aktiviert den Laser
Die große Monstershow
Nano kehrt zurück
Nano sah sich um. Neben ihm saß ein Hase mit rosarotem Fell und kaute lässig vor sich hin. Er war etwa halb so groß wie er. Sie befanden sich in einer Kapsel, die als Mini-U-Boot ausgestattet war, um durch einen menschlichen Körper zu reisen. Dazu war die Kapsel von Micro Minitec auf die Größe einer kleinen Pille geschrumpft und verschluckt worden.
„Das glaubt mir kein Mensch“, hauchte Nano. „Was meinst du, Rappel?“
Der rosarote Hase sagte kein Wort, sondern kaute weiter. Sonst rührte sich nichts. Aber Nano hatte eine Vorahnung, dass dies nicht so bleiben würde.
„Ihr hängt fest“, erklärte Dr. X per Funk. „Am Magenmund direkt über dem Magen. Dieser Verschlussmechanismus zwischen Speiseröhre und Magen verhindert, dass der Magen überläuft.“
„So wie ein Spion, der zum Feind überläuft?“, fragte Nano. „Wie bei James Bond?“
„Nein“, antwortete Dr. X schmunzelnd. „Eher wie bei einem vollen Glas, in das man noch mehr Wasser füllt.
Der Magenmund und die Speiseröhre verkrampfen zwar eigentlich nicht, das ist kaum bekannt. Aber weiter unten, am Eintritt zum Magen, ist auch Muskulatur – und das Zwerchfell. Sie können an Kraft verlieren und ausleiern. Wenn das passiert, gelangt Magensäure in die empfindliche Speiseröhre. Vor allem nach dem Essen. Man spürt dann ein sonderbares Brennen, das Sodbrennen genannt wird. Das ist auf Dauer gesundheitsschädlich.“
„Was ist, Micro, hast du jetzt einen Pups, also, ich meine, einen Rülpsi im Hals?“, fragte Nano. Er wollte witzig sein und so seine heimliche Angst überwinden.
„Ja, zum ersten Mal, und zwar, weil ich dich verschluckt habe, du Nervensäge“, antwortete sie mit leicht spöttischem Ton.
„Ich? Eine Nervensäge?“, maulte er. „Ich bin ganz bestimmt keine …“
In diesem Augenblick fing die Kapsel an, sich immer heftiger zu bewegen.
„Aufgepasst!“, rief Dr. X ins Mikrofon. „Die Fahrt geht weiter!“
„Wieso?“, fragte Nano, der schon gehofft hatte, von Micro Minitec gleich wieder ausgespuckt zu werden.
Stattdessen gab das Zwerchfell den Weg frei.
„Hilfe!“, schrie Nano, denn unter der Kapsel tat sich ein bodenloser Abgrund auf. Rappel sah ihn mit großen Augen an. Nanos Herz pochte bis ans Kinn, sein Magen schien oben über dem Abgrund geblieben zu sein.
War das sein Ende? Er wollte gerade seine Augen schließen, als sein Blick ein Icon auf dem Display erfasste. Es zeigte die Kapsel, jedoch mit zwei Flügeln.
Nano zögerte keine Sekunde und berührte es blitzschnell.
Plötzlich verlangsamte sich der Sturz. Aus dem freien Fall wurde eine Art Gleitflug. Neben dem Icon erschien auf dem Display eine Grafik der Kapsel, die rechts und links Flügel ausgefahren hatte.
„Ein fliegendes Mini-U-Boot!“, rief Nano erleichtert.
„Du bist wirklich eine tolle Erfinderin, Micro!“
„Du warst aber auch nicht schlecht“, lobte ihn Micro Minitec. „Und eine Fingerlänge schneller als ich.“
„Ich wollte nicht so lange warten“, entgegnete Nano, noch immer mit pochenden Schläfen. Sein Magen aber kehrte wieder an seinen angestammten Platz zurück.
„Wie kann ich die Kapsel steuern?“, fragte er. „Was ist mit dem Antrieb?“
„Den gibt es nicht“, antwortete Micro Minitec.
„Die Kapsel ist ja eine Weiterentwicklung der Kapselendoskopie. Der Patient schluckt eine kleine Kapsel mit eingebauter Kamera, die den Magen und Darm fotografiert. Ich habe nur ein Cockpit hinzugefügt, aber keinen Antrieb. Wir lenken die Kapsel von außen. Mit dem Joystick kannst du lediglich den Bug heben und senken. Aber mehr nicht.
Den Rest siehst du auf dem Display. Die Icons sind selbsterklärend, wie du ja schon bemerkt hast. Ein paar Außenwerkzeuge sind noch dabei, zwei Greifarme und eine Minischere etwa. Die wirst du aber bestimmt nicht benötigen.“
„Okay“, nickte Nano und sah auf das Display.
Im Segelflug meisterte die Kapsel den Abgrund und setzte sanft auf der Oberfläche auf. Die Flügel zogen sich automatisch zurück.
„Wo sind wir?“, fragte er und blickte auf eine Art Meer. Die Kapsel bewegte sich auf Wellen. Langsam gewöhnten sich seine Augen an das fahle Licht.
„Das ist kein Wasser“, stellte er schließlich fest.
„Wasser macht nicht diesen komischen Schaum und diese Schlieren. Und was ist das denn für ein Ding? Ein Eisberg?“, fragte Nano und duckte sich unbewusst weg, als neben der Kapsel plötzlich ein großer, schwimmender, löchriger Felsen auftauchte.
„Ah, natürlich! Das ist eines von den Brotstückchen, die Micro verschluckt hat. Und diese fetten, roten Brocken da, das sind Tomatenstückchen“, erkannte er nach einer Weile.
Dann nahm der Seegang zu. Aus kleinen Wellen wurden Wellenberge. Nano schaute durch den Glasboden der Kapsel. Auch unter ihm wurde alles durchgewirbelt.
Eine große Welle schwappte über die Kapsel hinweg.
„Ein Seebeben! Ojeee, wir sind verloren!“
Nano drückte aufgeregt die Funktaste.
„Hallo? Hallo? Hört ihr mich? Dr. X? Hiiilfe! In Micros Bauch geht gerade die Welt unter! SOS! Helft uns! SOS!
Nano und Rappel in Seenot!“
„Keine Angst“, meldete sich die beruhigende Stimme von Dr. X aus dem Lautsprecher. „Ihr seid nicht in Gefahr. Ihr schwimmt nur in der Magensäure.“
„Säure? Die scheint wirklich ganz schön sauer auf uns zu sein“, befürchtete Nano. „Die schäumt ja vor Wut.“
„Keine Sorge, eure Kapsel ist säurefest“, erklärte Dr. X.
„Bist du sicher?“, entgegnete Nano und betrachtete ängstlich den Bug der Kapsel. Das gerade noch glänzende Metall verfärbte sich und wurde zusehends stumpf und schwarz. Die Wellen der Magensäure sahen aus wie große Mäuler, die begonnen hatten, an der Kapsel zu beißen und zu nagen.