Der König der dunklen Kammer - Rabindranath Tagore - E-Book

Der König der dunklen Kammer E-Book

Rabindranath Tagore

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Beschreibung

Tagores großes mystisches Drama versetzt uns in ein Land, dessen König sich niemals sehen lässt. Da taucht plötzlich ein "Ersatzkönig" auf ...

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Der König der dunklen Kammer

Rabindranath Tagore

Inhalt:

Rabindranath Tagore – Biografie und Bibliografie

Der König der dunklen Kammer

Personen

I.

II.

III.

IV.

V.

VI.

VII.

VIII.

IX.

X.

XI.

XII.

XIII.

XIV.

XV.

XVI.

XVII.

XVIII.

XIX.

XX.

Der König der dunklen Kammer, Rabindranath Tagore

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849625009

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Rabindranath Tagore – Biografie und Bibliografie

Indischer Dichter, Philosoph, Maler und Literatur-Nobelpreisträger, geboren am 7.5.1861 in Kalkutta, verstorben am 7.8.1941 ebenda. Sohn des bengalischen brahmanischen Philosophen Debendranath Tagore. Begann schon in frühester Kindheit Gedichte zu verfassen. Nach einem nur 17 Monate währenden und nicht abgeschlossenen  Jura- und Literatur-Studium in England kehrt er nach Indien zurück und wird in den folgenden Jahren zum wichtigsten Schriftsteller seines Heimatlands. Für seine von ihm selbst ins Englische übersetzten 'Gesangsopfer' wurde er 1913 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. 1915 wird er von König Georg V. geadelt, gibt diesen Titel aber 1919 aus Protest gegen ein britisches Massaker in Amritsar zurück.

Wichtige Werke:

    1881 Valmiki Pratibha

    1887 Rajarji, dt. Der heilige König

    1890 Visarjan, dt. Das Opfer

    1890 Manasi (Gedichte)

    1892 Chitrangada,dt. Chitra

    1894 Sonar Tari

    1899 Kalpana, (dt. Träume)

    1901 Nastanirh, dt. Das zerstörte Nest

    1902 Chokher bali, dt. Sandkörnchen im Auge

    1910 Gitanjali, dt. Sangesopfer 1914

    1910 Raja, dt. Der König der dunklen Kammer

    1910 Achalayatan, dt. Das Haus der Starrheit

    1912 Dak Ghar, dt. Das Postamt

    1913 The Gardener,dt. Der Gärtner

    1914 Gitimalya

    1916 Balaka

    1922 Muktadhara

    1926 Raktakaravi

    1926 Natir puja,dt. Das Opfer des Tanzmädchens

    1935 Patraput, dt. Eine Handvoll Blätter

    1941 Shesh lekha, dt. Letzte Stücke

Der König der dunklen Kammer

Personen

Der König                                      

Königin Sudarschana                     

König von Kanya Kubja, ihr Vater      

Avanti Koschala Kantschi Vidarbha Kalinga Pantschala Virat                                            

Surangama Rohini                                          

Virupakscha Vischu                                         

Janardan Kaundilya Bhavadatta                                   

Kumbha Madhav Vivajadatta                                  

Der Großvater                                

Der tolle Freund                             

Minister des Königs Kanya Kubja Bote des Königs Kanya Kubja Türhüter des Königs Kanya Kubja

Dienerin der Königin Sudarschana      

Erster Gärtner Zweiter Gärtner                            

Stadtwächter                                  

Suvarna, der falsche König            

Erster Herold des "Königs" Zweiter Herold des "Königs"       

Bürger, Landleute, Gärtner, Knaben

Reisende, Wachen.

I.

Eine Straße. Etliche Reisende und ein Stadtwächter.

Erster Mann

He, Mann!

Stadtwächter

Was wollt ihr?

Zweiter Mann

Welchen Weg haben wir zu gehn? Wir sind hier fremd. Bitte, sage uns, welches die rechte Straße ist.

Stadtwächter

Wohin wollt ihr gehn?

Dritter Mann

Wo dieses große Fest stattfinden soll, weißt du. Welchen Weg gehen wir?

Stadtwächter

Eine Straße ist hier genau so gut wie die andre. Jede Straße wird euch hinführen. Geht geradeaus, und ihr könnt den Ort nicht verfehlen.

Ab.

Erster Mann

Hört nur, was der Narr sagt: "Jede Straße wird euch hinführen!" Was hätte das dann für einen Sinn, so viele Straßen zu haben?

Zweiter Mann

Du brauchst darüber nicht so außer dir zu sein, mein Lieber. Es steht einem Land frei, seine Sachen auf seine eigne Art einzurichten. Was Straßen betrifft in unserm Land – nun, so sind so gut wie keine vorhanden; enge, krumme Gäßchen, ein Labyrinth von Wagen- und Fußspuren. Unser König glaubt nicht an freie Fahrstraßen; er meint, so viele Straßen im Land, so viele Ausgänge für seine Untertanen, seinem Königreich zu entfliehen. Hier ist es gerade das Umgekehrte; niemand steht einem im Weg, niemand hat etwas dagegen, daß man anderswohin geht, wenn man Lust hat; und doch denken die Leute nicht daran, dieses Reich zu verlassen. Bei solchen Straßen wäre unser Land sicher in kürzester Frist entvölkert.

Erster Mann

Mein lieber Janardan, ich habe immer bemerkt, daß das ein großer Fehler an deinem Charakter ist.

Janardan

Was denn?

Erster Mann

Daß du immer auf dein Land sticheln mußt. Wie kannst du glauben, freie Landstraßen könnten für ein Land gut sein? Sieh einmal, Kaundilya, da ist ein Mann, der tatsächlich glaubt, freie Landstraßen seien die Rettung für ein Land.

Kaundilya

Nun, Bhavadatta, ich brauche wohl nicht erst von neuem festzustellen, daß Janardan mit einem merkwürdig schiefen Verstand gesegnet ist, der ihn sicher eines Tages in Gefahr bringen wird. Wenn der König von unserm werten Freund zu hören bekommt, wird er es ihm nicht gerade leicht machen, einen zu finden, der für sein Begräbnis sorgt, wenn er tot ist.

Bhavadatta

Man hat doch das Gefühl, daß das Leben in diesem Lande recht schwer sein muß; man vermißt die Freuden der Einsamkeit in diesen Straßen – dieses Drängen und Schulterstreifen mit fremden Menschen bei Tag und Nacht läßt einen nach einem Bad verlangen. Und mit was für einer Sorte Menschen mag man auf diesen öffentlichen Wegen zusammenkommen – puh!

Kaundilya

Und gerade Janardan hat uns überredet, in dieses kostbare Land zu kommen! Wir hatten nie einen Zweiten seines Schlages in unsrer Familie. Du hast meinen Vater natürlich gekannt; er war ein großer Mann, ein frommer Mann wie nur einer. Er verbrachte sein ganzes Leben innerhalb eines Kreises von 49 Ellen Radius, der mit peinlicher Befolgung der Gebote der heiligen Schriften gezogen war, und nie überschritt er diesen Kreis auch nur ein einziges Mal. Nach seinem Tode erhob sich eine ernsthafte Schwierigkeit – wie sollte man ihn innerhalb der Grenzen der 49 Ellen und doch außerhalb des Hauses verbrennen? Schließlich entschieden die Priester, daß wir zwar nicht über die Schriftzahl hinausgehen durften, daß es aber einen Weg aus der Schwierigkeit gab, die Ziffer umzukehren und 94 Ellen zu nehmen; nur so konnten wir ihn außerhalb des Hauses verbrennen, ohne die heiligen Bücher zu verletzen. Auf mein Wort, das war genaue Befolgung! Unser Land hat wirklich nicht leicht seinesgleichen.

Bhavadatta

Und doch will Janardan, der dem nämlichen Boden entstammt, uns weismachen, freie Landstraßen seien das beste für ein Land.

Die Fremden gehen ab. Der Großvater mit einer Knabenschar tritt auf.

Großvater

Jungen, heute müssen wir es mit dem wilden Südwind aufnehmen – und wir wollen uns nicht schlagen lassen. Wir wollen singen, bis wir mit unsern Jubelliedern alle Straßen überflutet haben.

Lied

Das Südtor ist entriegelt. Komm, mein Frühling, komm! Schwing' dich zum Schwung meines Herzens, komm, mein Frühling, komm! Komm in den lispelnden Blättern, in den Blüten, die froh sich verschwenden; Komm in den Flötenliedern und den sehnenden Seufzern der Wälder! Laß dein loses Gewand wild flattern im trunkenen Wind! komm, mein Frühling, komm!

Ab. Eine Schar von Bürgern tritt auf.

Erster Bürger

Schließlich kann man nur wünschen, daß der König sich wenigstens an diesem einen Tag hätte sehen lassen. Es ist doch sehr schade: man lebt in seinem Königreich und hat ihn noch nicht ein einziges Mal gesehen!

Zweiter Bürger

Kenntest du nur den wirklichen Sinn dieses Geheimnisses! Ich könnte ihn dir sagen, wenn du schweigen könntest.

Erster Bürger

Lieber Freund, wir wohnen beide im nämlichen Stadtviertel, aber hast du je gehört, daß ich irgend jemandes Geheimnis ausgeplaudert hätte? Natürlich, die Sache damals, als dein Bruder beim Graben eines Brunnens einen Schatz gefunden hatte – nun, du weißt ganz gut, warum ich darüber reden mußte. Du kennst den ganzen Zusammenhang.

Zweiter Bürger

Natürlich kenne ich ihn. Und weil ich ihn kenne, frage ich, könntest du schweigen? Weißt du, es könnte Verderben für uns alle bedeuten, wenn du ein einziges Mal davon sprächest.

Dritter Bürger

Du bist mir ein netter Mensch, Virupakscha! Warum brennst du darauf, ein Unheil herbeizuführen, das bis jetzt nur geschehen kann?

Wer wird die Verantwortung auf sich nehmen wollen, dein Geheimnis sein ganzes Leben lang zu wahren?

Virupakscha

Es war nur, weil die Rede darauf kam – also gut, ich werde nichts sagen. Ich bin nicht der Mann, der unnütz redet. Ihr hattet selbst die Frage aufs Tapet gebracht, daß der König sich nie zeigt; und ich bemerkte bloß, es sei nicht umsonst, daß der König sich vor dem Blick der Öffentlichkeit verschließt.

Erster Bürger

Bitte, sag uns, warum, Virupakscha.

Virupakscha

Natürlich nehme ich keinen Anstand, es euch zu sagen – wir sind ja alle gute Freunde, nicht wahr? Das kann nicht gefährlich sein. (Mit leiser Stimme:) Der König – ist – häßlich –, so hat er den Entschluß gefaßt, sich seinen Untertanen nie zu zeigen.

Erster Bürger

Hah! Das ist es! Das muß es sein. Wir haben uns immer gewundert..., der bloße Anblick eines Königs läßt die Menschen in allen Ländern vor Furcht zittern wie Espenlaub; warum sollte da unser König sich von keinem sterblichen Auge je sehen lassen? Selbst wenn er nur herauskäme, um uns alle zum Galgen zu verdammen, könnten wir sicher sein, daß unser König kein Trug ist. Schließlich scheint mir Virupakschas Erklärung doch ganz einleuchtend.

Dritter Bürger

Nicht die Spur – ich glaube keine Silbe davon.

Virupakscha

Wie, Vischu, willst du sagen, ich wäre ein Lügner?

Vischu

Das gerade nicht – aber ich kann deine Theorie nicht annehmen. Entschuldige mich, ich kann nichts dafür, wenn ich ein bißchen grob und plump scheine.

Virupakscha

Kein Wunder, daß du an meine Worte nicht glauben kannst – wo du dich weise genug dünkst, die Meinungen deiner Eltern und Oberen zu verwerfen. Wie lange, glaubst du, hättest du in diesem Lande bleiben dürfen, wenn der König nicht im Verborgenen bliebe? Du bist nicht besser als ein offenkundiger Ketzer.

Vischu

Mein lieber Pfeiler der Rechtgläubigkeit! Glaubst du, irgendein anderer König hätte gezögert, dir die Zunge abschneiden und sie den Hunden zum Fraß vorwerfen zu lassen? Und du hast die Stirne, zu sagen, unser König wäre den Augen ein Greuel?

Virupakscha

Hör einmal, Vischu, willst du deine Zunge im Zaum halten?

Vischu

Man braucht wohl nicht erst festzustellen, wessen Zunge einen Zaum braucht.

Erster Bürger

Jetzt wird die Sache gefährlich. Da mache ich lieber nicht mit.

Ab. Eine Zahl Männer tritt auf, die in lärmendem Übermut Großvater mit sich schleppen.

Zweiter Bürger

Großpapa, etwas fällt mir heute auf ...

Großvater

Was ist es?

Zweiter Bürger

Dies Jahr hat jedes Land seine Leute zu unserm Fest entsandt, doch jedweder fragt: "Alles ist reizend und schön – wo aber ist euer König?" und wir wissen nicht, was wir antworten sollen. Das ist die eine große Lücke, die sich jedem in unserm Lande fühlbar machen muß.

Großvater

"Lücke", sagst du! Wie, das ganze Land ist ganz erfüllt und geladen und gestopft voll von dem König: und du nennst ihn eine "Lücke"! Wie, er hat jeden einzigen unter uns zum gekrönten König gemacht!

Gesang

Wir sind alle Könige im Königreich unsres Königs.