Der König nackt im Wald - Anders Baumgartner - E-Book

Der König nackt im Wald E-Book

Anders Baumgartner

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Beschreibung

Ein König splitterfasernackt im Wald? Ein Witz? Nein, keineswegs! Der listige Kardinal hat einen üblen Plan und bringt den Herrscher dazu, sich drei Tage lang nackt im Wald aufzuhalten. Doch es läuft anders, als es sich der König vorgestellt hatte. Hungrig und ohne Kleidung muss er durch Wald und Felder, in der Hoffnung, wieder zurück in sein Schloss zu gelangen. Wird er es wohl schaffen?

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Es war einmal ein König, der war über alle Maßen stolz. Er war aber nicht nur stolz, weil er König war. Nein, er besaß auch eine schöne Gestalt und war hochgewachsen. Respekt einflößend mutete seine Erscheinung an, wenn man vor ihm stand. Sein Königreich war wunderschön und voller Berge, auch seine Schlösser vermissten keinen Prunk.

Das Wesen des Königs war für seine Untertanen aber unerträglich. Sein Hochmut kannte keine Grenzen und seine Rachsucht war jedem Bewohner des Landes bekannt. Ihm durften nur die auserlesensten Mahlzeiten kredenzt werden und seine Kleider mussten aus den kostbarsten Stoffen hergestellt sein.

Allerdings war er nicht der Einzige, der im Land etwas zu sagen hatte. In der Stadt, in der sich sein Hauptschloss befand, lebte auch der Kardinal, der höchste kirchliche Würdenträger des Landes. Er sprach oft mit dem König und wollte bei vielem mitreden. Wer aber glaubt, dass der Kardinal zum Wohle der Menschen handelte, der irrt. Denn er war ebenso herrschsüchtig wie der König. Er versuchte seinen Einfluss auf diesen zu erweitern. Da der König sich aber kaum beeinflussen ließ, hatte der Kardinal damit wenig Erfolg. Anders sah es auf der Kanzel aus. Von dort aus predigte er während der Messen eifrig, um die Bürger zu erreichen. Er verurteilte jede vermeintliche Sünde, die schlimmsten Strafen malte er sich für die gefallenen Menschen aus.

Er predigte: »Niemand wage es, während der Fastenzeit vor Ostern auch nur ein Stück Fleisch zu essen!« Er ließ aber in der Küche in seinem Palast zur Fastenzeit ein paar Würste aufbewahren. Denn er sagte: »Es soll ja der Duft dieser Würste in die Nase aufsteigen, damit man eine Versuchung hat zur Fastenzeit, genau wie der Herr in der Wüste in Versuchung geführt worden war. Und so wie der Erlöser müsse man widerstehen können!«

Allerdings war er derjenige, der sich drei- oder viermal eine Wurst schnappte und sie dann heimlich in seiner Kammer aß. Wenn er darauf hinwies, dass eine Wurst in der Küche fehlte, so verdächtigte er seinen Koch, seinen Kammerdiener oder irgendeinen anderen Bediensteten. »Wenn ich herausfinde«, so sprach er, »wer die Wurst gestohlen hat, dem droht ein schreckliches Gericht!«

Dann wieder predigte er gegen Alkoholgenuss: »Der Wein wurde dazu geschaffen, um während der Messe getrunken zu werden! Nur zwei-, dreimal im Jahr darf man ihn auf einem Fest genießen, aber auch dann nicht so viel, dass man betrunken wird!«

Der König lebte im schönen Schloss,

in welchem er sein gutes Leben genoss.

Armut und Hunger kannte er nicht,

das Volk kannte er nicht vom Angesicht.

Er lebte dahin in Saus und Braus,

denn bitteres Leben gab’s nicht im Haus.

Wer täglich die besten Speisen isst,

sehr schnell auf die Armen vergisst.

Und sein Stolz tat ihm gar nicht gut,

vor ihm sei jeder auf der Hut.

Angehimmelt wollte er werden,

sonst bekam man Drohgebärden.

Nichts zählte für ihn als sein Ruhm,

dazu gehörte auch sein Reichtum!

Dabei trank er fast jeden Abend in seiner Kammer Wein, ohne sich damit aber zu sehr zu betrinken. Es sollte ja niemand in seinem Palast bemerken.

Er predigte auch viele Male: »Lebt fromm und ehrbar! Ihr sollt nicht einmal anzügliche und unanständige Bemerkungen machen! Das geziemt sich nicht.«

Dabei besuchte er nur zu gern die Nonnenklöster, um die jungen Novizinnen zu sehen. Es kam nicht selten vor, dass er anzügliche Bemerkungen machte, worauf die jungen Frauen erröteten.

Und wie man die Kassen füllte, das wusste der Kardinal ganz genau. Denn niemand konnte jemandem so gut ins Gewissen reden wie er. Nur beim König versagte sein Talent. Dieser hatte seinen eigenen Kopf. Er sagte sich: »Wieso sollte ich mir von diesem rotgekleideten Vogel etwas sagen lassen? Ich bin doch der König dieses Landes. Der soll sich um seine Kirchen kümmern und auf seinen Heiligen Vater hören, der weit fern thront. Warum geht er nicht gleich dorthin? Da kann er machen, was er will, das ist mir egal. Aber hier in meinem schönen Land soll er mich allein walten lassen. Ich sage ihm ja auch nicht, was er mit seinen Kirchen und Klöstern machen soll.«

Der König hatte aber einen Vetter, der sechs Jahre jünger war als er. Dieser war der Sohn seines Onkels, des Vaters Bruder. Der Vetter war fromm und glaubte alles, was der Kardinal ihm einredete. Daher sagte sich der Geistliche: »Ach, warum ist nicht er der König des Landes? Er wäre niemals so widerspenstig und würde mir stets gehorchen. Mein Einfluss wäre dann weitaus größer.«

Zurück zum wahren Herrscher. Der König hatte von sich eine Statue meißeln und sie im Schlosshof aufstellen lassen. Es freute ihn jedes Mal, wenn er an ihr vorbeiging und sein Abbild in Stein verewigt sah.

Als er sie eines schönen Tages wieder genau betrachtete, sagte er zu einem seiner höchsten Diener, der neben ihm stand: »So ein großartiger König verdient auch eine großartige Statue!«

»Ja, das ist wahr. Euer Großvater hat zwar mehr aufstellen lassen, aber Eure Statue ist viel schöner.«

Da stutzte der König.

»Mehr?« Er machte ein bitteres Gesicht.

Der Diener merkte, dass er in ein Fettnäpfchen getreten war. »Ja, Ihr seid doch noch so jung! Euer Großvater hat dreißig Jahre lang geherrscht. Ihr werdet bestimmt noch viele Statuen von Euch aufstellen lassen.«

»Ja, allerdings. Das werde ich. Und zwar bald. Ich muss wieder Künstler bestellen, die Statuen von mir anfertigen und sie sollen sie an vielen öffentlichen Orten im Land aufstellen. Auch hier, in der Stadt des Königs. Am besten auf dem Hauptplatz.«

»Auf dem Hauptplatz?«

»Ja, natürlich! Jeder soll meine Standbilder sehen!«

Der König gab seinen Künstlern weitere Statuen in Auftrag. Als sie fertig waren, wurden sie an mehreren Orten im Land aufgestellt. Bald stand auch eine in der Mitte des Hauptplatzes. Doch die Freude währte nicht lange. Bald schon erfuhr der König von einem Grafen, dass in einem Städtchen eine neue Statue von den Menschen beschädigt worden war. Da schreckte der Herrscher wutentbrannt auf. »Was? Wieso sollte das jemand tun? Jeder liebt den König!«

Der Graf senkte sein Haupt und verbeugte sich ein wenig. »Hoheit, ich verehre Euch. Und das tun auch die meisten Menschen in unserem Land. Es gibt aber dennoch armen Pöbel, der anders denkt.«

»Was? Wer soll das sein?«, brüllte der Monarch.

»Nein, nur sehr, sehr, sehr wenige Menschen. Bitterarmes Gesindel, nicht der Rede wert.«

»Wenn sie nicht der Rede wert sind, warum schaffen sie es, meine Statue zu zerstören?«

»Majestät, sie ist mitnichten zerstört! Es wurden nur ein paar Stellen beschädigt. Die Statue wurde Euch ohnehin nicht gerecht.«

»Sie waren alle gut und niemand hat das Recht, mein Abbild zu beschädigen! Das ist, als ob man mich angreifen und verletzen würde! Was ist mit diesen armen Leuten, wieso hassen sie mich?«

»Sie hassen Euch nicht, niemand kann Euch hassen. Aber sie leiden Hunger.«

»Was habe ich damit zu tun?«

»Nun, vor fünf Jahren, als Ihr König wurdet, habt Ihr die Steuern leicht erhöht.«

»Ja, ganz leicht. Na und? Das hatte bereits mein Vater gemacht und davor schon mein Großvater.«

»Es gab aber mehrere Missernten in den letzten Jahren. Und ein Armenhaus in dem Städtchen, in dem Eure Statue beschädigt wurde, habt Ihr vor zwei Jahren aufgelöst«, erklärte der Graf.

»Willst du mir das vorwerfen?«

»Nein, niemals!«

»Das Armenhaus war schließlich baufällig und einsturzgefährdet!«

»Sie wollten … die Undankbaren wollten ein neues.«

»Was bringt mir ein Armenhaus? Ich will doch nicht die Armen ernähren. Soll ich die durchfüttern, die keine Steuern zahlen und die Kinder hervorbringen, die wieder nichts haben?«

»Ich verstehe Euch doch.«

»Jeder, der dabei erwischt wird, meine Statuen zu beschädigen, dem soll dasselbe geschehen! Wer ihr eine Nase abbricht, dem soll seine Nase gebrochen werden. Wer die Finger zerschlägt, dem sollen sie gebrochen werden. Oder Schlimmeres! Und dann soll er in den Kerker geworfen werden. Denn er hat den König selbst verletzen wollen. Das soll überall im Land verkündet werden!«

»Zu gütig!«, sagte der Graf erschrocken.

Drei Tage später wütete spätabends ein frühsommerliches Gewitter und es brach ein Ast von einem Baum des Schlosshofes ab und stürzte auf die Statue des Königs. Am nächsten Morgen wurde der Ast weggetragen. Da sahen die Diener, dass die Statue einige Kratzer abbekommen hatte. Als dies dem König zu Ohren kam, wurde er wütend und ging zu seiner Statue. »Wie konnte das nur geschehen?«

»Es ist doch halb so schlimm. Das wird der Künstler wohl wieder richten können«, sagte der oberste Diener.

»Was redest du denn da, du Dummkopf? Wie soll man das wieder rückgängig machen? Da muss eine neue Statue gemeißelt werden. Ich glaube es nicht!«

Am selben Tag kam der Kardinal zu Besuch in das Schloss. Als er den König auf seinem Thron mit gesenktem Haupt sitzen sah, fragte er ihn: »Euer Majestät! Was ist denn los?«

»Ach, alles läuft schief! Ich habe Statuen von mir erschaffen lassen und eine wurde kürzlich stark beschädigt. Von Menschen! Es gibt Menschen, die mich nicht nur nicht verehren, sondern mir sogar Böses antun wollen und mich abgrundtief hassen. Und der Sturm gestern Abend hat meine Statue im Schlosshof beschädigt. Das betrübt mich zutiefst.«

»Aber Eure Hoheit! Ihr dürft doch nicht wegen solcher Dinge den Kopf hängen lassen.«

»Was sollte ich sonst tun?«

Der Kardinal überlegte ein Weilchen. Dann schien es so, als ob ihm ein Licht aufgegangen wäre. »Hoheit, vielleicht ist es ein Zeichen vom Himmel.«

»Warum?«, fragte der König überdrüssig.