Der Leadership Effekt - Jürgen Fuhrich - E-Book

Der Leadership Effekt E-Book

Jürgen Fuhrich

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Beschreibung

Der dramatische Wandel der Geschäftswelt und die stetig steigenden Herausforderungen für Führungskräfte hinterlassen deutliche Bremsspuren in der Geschäftsentwicklung deutscher Unternehmen. Warum finden viele trotz ausreichender Kapazitäten und Ressourcen nicht in die Erfolgsspur? Der Wandel kann nur durch Führungskräfte mit den nötigen Kompetenzen und Fähigkeiten bewältigt werden. Das Zeitalter des Leadership ist angebrochen. Leader denken anders und in einem größeren Kontext, sehen den Markt und die Produkte aus verschiedenen Perspektiven und tragen ihre Vision von der Zukunft mit Vehemenz in die Organisation. Damit geben sie Mitarbeiter*innen das Gefühl an etwas Großem und Wichtigem beteiligt zu sein. Sie schaffen neue Organisationsformen, die es trotz beträchtlicher Unternehmensgröße ermöglichen, schnell und agil zu bleiben oder zu werden. Leader sind die Leitwölfe ihrer Organisation und genau wie diese verfügen sie über ein außerordentlich hohes Maß an Umsetzungskompetenz. Sie haben einen hohen Anspruch, sorgen für Klarheit und sind willens Veränderung durchzusetzen. Der Leadership Experte Jürgen Fuhrich zeigt nachvollziehbar und verständlich auf, wie sich Führungskräfte zu Leadern entwickeln können und Wachstumsperspektiven für ihre Organisation finden.

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Jürgen Fuhrich

Der Leadership Effekt

Wie nachhaltiges Wachstum entsteht

Im Gedenken an meine Mutter

und für meine Familie,

im Besonderen für meine Enkelinnen und Enkel

Elisa, Lorna, Amelie und Rufus

© 2023 Jürgen Fuhrich

Lektorat: Anna Ueltgesforth (www.arsvocis.de)

Korrektorat: Pia Oberdorf und Monika Fuhrich

Coverdesign: Goldmann Media (www.goldmannmedia.de)

ISBN Softcover: 978-3-347-77382-0

ISBN Hardcover: 978-3-347-77383-7

ISBN E-Book: 978-3-347-77384-4

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung „Impressumservice“, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Vorwort

Einleitung

Teil 1 Reflexion

Kapitel 1: Unternehmensführung war selten so anspruchsvoll

Kapitel 2: Klassische Managementmethoden stoßen an ihre Grenzen

Kapitel 3: Wachstum bleibt auf der Strecke

Teil 2 Grundlagen des Wachstums

Kapitel 4: Eine andere Denkhaltung

Kapitel 5: Denkleistung als Wettbewerbsvorteil

Kapitel 6: Denkleistung als Innovationsstimulator

Kapitel 7: Disruption – Denkleistung andersherum

Teil 3 Zukunft gestalten

Kapitel 8: Vision – Sinnstifter und Existenzberechtigung

Kapitel 9: Mission und Strategie – Arbeitsauftrag und Regieanweisung

Kapitel 1O: Geschäftsmodell – Operativer Bauplan

Teil 4 Wachstum realisieren

Kapitel 11: Erfolg oder Misserfolg

Kapitel 12: Aufbruch – Veränderung initiieren

Kapitel 13: Mentalität – Messlatte hochlegen

Kapitel 14: Klarheit - Richtung geben

Kapitel 15: Kompetenz – Menschen führen

Kapitel 16: Konsequenz – Umsetzung einfordern

Epilog

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Vorwort

Eine kurzer Leitfaden für dieses Buch

 

Warum sollten Sie dieses Buch lesen? Es zeigt auf, wie Führungskräfte neues und nachhaltiges Wachstum für ihre Organisation schaffen können. Es veranschaulicht, welche Faktoren einen entscheidenden Unterschied für Unternehmenserfolg und Wachstum ausmachen und was Führungskräfte tun können, um den Erfolg ihrer Organisation und ihre persönliche Entwicklung zu fördern.

Es ist gleichzeitig ein Aufruf an alle Manager und Führungskräfte, neue Wege zu gehen und durch gelebtes Leadership die Geschäftswelt von morgen erfolgreicher, nachhaltiger und menschlicher zu machen.

Dieses Buch reflektiert meine persönliche Erfahrungen aus über 25 Jahren erfolgreicher Führung in Geschäftsleitung, Marketing und Vertrieb. Es soll Ihnen Denkanstöße geben und Führungskräfte bei der Suche nach der Zukunft für ihre Organisation unterstützen sowie Aspekte für ihre Entwicklung liefern. Wenn mir das gelingt, hat mein Buch sein Ziel erreicht.

Checklisten oder Templates werden Sie in diesem Buch nicht finden, denn damit beschreiten Führungskräfte automatisch den Trampelpfad des Mainstreams. Ein echter Leader bewegt sich überwiegend auf unbekanntem Terrain und findet seinen eigenen Weg.

Wahrscheinlich werden Sie bei der Lektüre dieses Buches mit einigen Standpunkten und Sichtweisen nicht einverstanden sein und sich vielleicht manchmal über die versteckte oder offene Polemik ärgern. Das ist durchaus meine Absicht, ich möchte Sie zum Nachdenken anregen. Aus kontroversen Sichtweisen und kleinen „Provokationen“ können eventuell neue Erkenntnisse und Perspektiven entstehen.

Nobody is perfect. Das gilt auch für Führungskräfte und Leader. Wahrscheinlich ist keine Führungskraft in der Lage, alle in diesem Buch geschilderten Aspekte und Voraussetzungen hundertprozentig zu erfüllen. Es geht vor allen Dingen darum, sich und die zu führende Organisation weiter und in die richtige Richtung zu entwickeln.

Ich habe versucht, die Themen mit einer Vielzahl von Beispielen verständlich zu machen und in die Praxis zu übertragen. Dabei fällt auf: Häufig werden amerikanische Unternehmen als Beispiel herangezogen. Dies soll nicht bedeuten, amerikanische Firmen seien grundsätzlich besser als deutsche, allerdings sind sie in vielen Dingen voraus. Dies gilt etwa für Tesla, ein in diesem Buch oft verwendetes Beispiel. Auch Tesla und die anderen amerikanischen Firmen machen nicht alles richtig und bieten durchaus Angriffspunkte, es gilt nur, gründlich hinzuschauen.

Bei den herangezogenen Vergleichen habe ich mich, wo immer möglich, auf die Jahre vor Corona bezogen, denn die Unternehmensergebnisse der Jahre 2020, 2021 und 2022 sind stark durch die Pandemie beeinflusst. Aussagekräftig wird wohl erst wieder der Vergleich 2023 zu 2022. Ich bin überzeugt, wenn die Auswirkungen von Covid vorüber sind, hat sich die Geschäftswelt verändert, aber die geschilderten Wachstumsprobleme werden in vielen Unternehmen weiterhin Bestand haben.

Die gleichen oder ähnliche Aspekte werden manchmal in mehreren Themenblöcken auftauchen. Das liegt an verschiedenen Blickwinkeln auf diese. Diese bestimmen die Zuordnung zum jeweiligen Thema. Außerdem erhebe ich keinen Anspruch darauf, alle Aspekte zu berücksichtigen, sondern nur die in meinem Verständnis relevantesten.

Es ist schwierig die englischen Begriffe Leadership und Leader adäquat ins Deutsche zu übersetzen, da das Wort Führung nicht unbedingt gleichzusetzen ist mit der Bedeutung von Leadership und das Wort „Führer“ in Deutschland eine negative Assoziation auslöst. Deshalb werden die beiden Begriffe in englischer Sprache verwandt. Außerdem versteht sich der Begriff Leader selbstverständlich geschlechterübergreifend.

Sie wundern sich vielleicht über den Wolf auf dem Cover. Dies ist keine Dokumentation über Wölfe, es gibt aber einiges, was Führungskräfte von Leitwölfen lernen können, besonders wenn es um die Umsetzung von Veränderung geht. Mehr dazu im Teil „Wolfsfaktor“.

Da ich ein unverbesserlicher Freund von guten Sprüchen bin, finden Sie auch eine Vielzahl von Zitaten, die meines Erachtens sehr zutreffend für die geschilderte Situation sind und die Ihnen hoffentlich manchmal ein Schmunzeln abringen.

Bei der Sichtung von Publikationen als Inspiration zum Thema habe ich festgestellt, wie viele intelligente Menschen sich Gedanken über unsere Zukunft machen und dabei auf Ideen kommen, die manchmal naheliegend, aber trotzdem umwerfend sind.

Begleiten sie mich auf dem Leadership-Weg und entwicklen sie sich zum Leitwolf. So können sie nachhaltiges Wachstum für ihre Organisation schaffen. Das Leben ist voller Chancen, Führungskräfte müssen sie nur sehen und ergreifen.

Einleitung

 

Wir erleben den wohl größten Wandel der Geschäftswelt seit dem Beginn des Informationszeitalters. In solchen Zeiten kommt es auf die Qualität der „Häuptlinge“ an. Echtes Leadership ist gefragt. Jetzt sind Führungskräfte mit Vorstellungsvermögen, den richtigen Kompetenzen und der richtigen Mentalität gefragt. Echte Persönlichkeiten, die ihren Organisationen, Mitarbeiter*innen sowie Kunden und Kundinnen eine erstrebenswerte Perspektive bieten.

Überzeugendes Wachstum entsteht heute nicht mehr durch detaillierte Marktanalysen und klassische Managementmethoden.

Überzeugendes Wachstum entsteht heute nur noch selten durch detaillierte Marktanalysen, Marktforschung und Management im klassischen Stil. Die Zeiten der alten Managementmethoden sind passé. Unternehmenslenker müssen heute in der Lage sein, ihre eigene Vision für die Zukunft ihrer Organisation zu entwickeln oder das eigene Geschäftsmodell durch Anpassung überlebensfähig zu machen. Sie müssen sich vom Krisenmanager zum Chancendenker entwickeln. Hierfür brauchen sie die richtigen Kompetenzen, um das Gedachte Wirklichkeit werden zu lassen.

Wie viele wunderbare Ideen sind gescheitert, weil das Management nicht in der Lage war, sie umzusetzen. Das ist es, was echtes Leadership auszeichnet: die Kombination aus Reflexion, überlegener Denkleistung, der Fähigkeit, Erkenntnisse und wichtige Aspekte zu etwas Größerem zu verbinden, Menschen zu führen und zu entwickeln, sie zu überzeugen und zu motivieren und den absoluten Willen zu entwickeln, das Erarbeitete umzusetzen und die „PS auf die Straße zu bringen“.

Leadership stellt einen hohen Anspruch an die eigene Persönlichkeit. Die richtige Einstellung und Eigenschaften wie Mut, Stärke, Optimismus und Verantwortungsbewusstsein und Expertise sind gefragt.

Die Geschäftswelt ist voll von bestenfalls mittelmäßigen Kompromissen, die von angepassten, uninspirierten Politikern und Managern nach dem Prinzip der Machbarkeit ausgehandelt wurden. Ein Kompromiss, der auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner basiert, ist für alle Beteiligten der einfachste und bequemste Weg. Bedauerlicherweise gelangt man so selten zu nachhaltigem Wachstum. Dieses verlangt die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema, eine Vorstellung von der Zukunft und den Mut, eingefahrene Wege zu verlassen. Überproportionales Wachstum ist nicht durch eben jene Denkhaltung zu erreichen, die es bisher verhindert hat.

Tatsächliche und nachhaltige Antworten liegen meistens außerhalb der normalen Vorgehensweise.

Tatsächliche und nachhaltige Antworten liegen meistens außerhalb der normalen Vorgehensweise. Insofern ist es an der Zeit, die Managementphilosophie und -methoden von heute zu hinterfragen, denn sie taugen nur bedingt zur Bewältigung großer und existenzieller Herausforderungen. Es gilt, die Denkhaltung der letzten Jahrzehnte hinter sich zu lassen. Ein Wechsel der Perspektive kann die Entdeckung neuer, bisher verborgener Wachstumsfelder möglich machen.

Warum schaffen manche Unternehmen trotz Wandel und stetig steigender Herausforderungen Wachstum, und andere, die eigentlich mit den gleichen Möglichkeiten und Ressourcen ausgestattet sind, finden – obgleich sie immense Anstrengungen unternehmen – nicht in die Erfolgsspur? Dieser Frage bin ich mit einem pragmatischen Ansatz nachgegangen. Als Resultat sind neue Einsichten und erstaunliche Erkenntnisse zu verzeichnen.

Wir stehen beeindruckt vor den Erfolgsgeschichten von Unternehmen wie Amazon, Tesla, Alphabet, Facebook, Netflix und zahlreichen anderen. Allesamt Unternehmen, die es fast aus dem Stand geschafft haben, Weltmarktführer zu werden, und dabei Hürden genommen haben, die unüberwindbar schienen. Sie setzten sich gegen Konkurrenten durch, die über weitaus größere Ressourcen verfügten und die die bisherigen Kaufgewohnheiten der Verbraucher*innen auf ihrer Seite hatten.

War es lediglich Glück? Glück gehört dazu, aber diese Firmen schaffen es auch als Marktführer noch, Wachstumsraten zu erzielen, von denen die Konkurrenz oftmals nur träumen kann. Also muss es mehr sein als pures Glück.

Ist es der Standort? Möglich. Viele dieser Unternehmen kommen aus den USA, aber es gibt auch zahlreiche andere Erfolgsstorys z. B. aus China, Israel, Lateinamerika oder aus Europa. Auch in Deutschland finden sich Erfolgsunternehmen. SAP ist ein gutes Beispiel dafür. Die Firma wurde 1972 von fünf ehemaligen IBM-Mitarbeitern gegründet. Ihre Vision war die Entwicklung von Standardanwendungssoftware in Echtzeit – für die damalige Zeit eine Revolution. Am Ende des ersten Jahres beschäftigte SAP 9 Mitarbeiter und machte einen Jahresumsatz von 620.000.- DM. Heute ist SAP eines der größten Unternehmen im DAX, erzielte 2020 einen Jahresumsatz von 27,34 Mrd. EUR und beschäftigt über 100.000 Mitarbeiter*innen.

Sind es die Mitarbeiter*innen? Diese sind ein wichtiges Puzzleteil für den Erfolg, aber auch stagnierende Unternehmen haben durchaus ausreichend und gut qualifizierte Mitarbeiter*innen.

Ist es das Kapital? Kapital ist wichtig, heute aber eigentlich mehr oder weniger ohne Probleme verfügbar. Viele Firmen verfügen über eine ausreichende finanzielle Ausstattung und sind trotzdem nicht in der Lage, dynamische Wachstumsraten zu erzielen.

Ist es der Markt? Die Wachstumsunternehmen sind in vielen verschiedenen Branchen tätig und auch wenn Software und Digitalisierung eine große Rolle spielen, beschränken sich Wachstumsmöglichkeiten nicht nur auf diese Märkte. Sollte Digitalisierung für ein neues Geschäftsmodell nötig sein, sind Software, Serverkapazitäten und technologische Expertise frei verfügbar.

Die Qualität der Führung macht den entscheidenden Unterschied.

Nach Abwägung aller Faktoren ist die Erkenntnis offensichtlich: Es ist die Qualität der Führung, die den entscheidenden Unterschied macht. Neben einer Vielzahl von repräsentativen Studien zu diesem Sachverhalt, bestätigt meine eigene Erfahrung diesen Fakt. Einen verlässlichen Indikator dafür stellen Unternehmen dar, die jahrelang mehr oder weniger nicht von der Stelle kamen und teilweise sogar Erlösrückgänge oder Marktanteilsverluste hinnehmen mussten und nach einem Chefwechsel plötzlich wieder imstande waren zu wachsen, obwohl sich die äußeren Umstände nicht verändert hatten. Diese Erkenntnis wird von drei sehr markanten Beispielen aus unterschiedlichen Branchen untermauert.

Beispiel Satya Nadella – Microsoft

Als Satya Nadella 2014 bei Microsoft CEO wurde, hatte das Unternehmen mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Microsoft galt als Dinosaurier, der von den verblichenen Erfolgen der Kernprodukte Windows und Office zehrte. Apple und Google hatten Microsoft im Smartphone-Markt abgehängt, die Suchmaschine Bing hatte keine Chance gegen Google, und Amazon war Marktführer im Cloudgeschäft geworden.

Nadella entstaubte den Konzern gründlich und setzte Dinge um, die vorher unvorstellbar waren. So veränderte er die Konzernstruktur, um mehr Gemeinsamkeiten und Synergieeffekte zu erzielen. Er beendete „Feindschaften“ mit anderen Unternehmen, machte sie zu Kooperationspartnern und gestaltete Zukunft. Das Credo: „Mobile first and Cloud first.“ So gelang es ihm, den Konzern von Grund auf zu verändern.

Heute geht es bei Microsoft nicht mehr um Windows oder Office, sondern es geht um die Cloud, künstliche Intelligenz und virtuelle Realität. Nadella schnitt alte, nicht konkurrenzfähige Zöpfe ab, so verkaufte er 2016 das Smartphone-Geschäft, das sein Vorgänger erst 2013 von Nokia erworben hatte. Trotz dieser drastischen Maßnahme – der Umsatz dieses Geschäftsbereichs lag 2015 bei immerhin 7,5 Mrd. USD –, wuchsen die Erlöse des Tech Giganten durch die Strategie von Nadella in den Jahren 2015 bis 2020 auf 143 Mrd. USD.

Dies entspricht einer Gesamtsteigerung (ohne Smartphone-Business) von 76 % oder einer durchschnittlichen Wachstumsrate von ca. 12 % per anno. In den Jahren vor ihm hatte die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate (incl. Smartphone-Business-Umsätzen) nur bei knapp über 6 % gelegen.

Beispiel Dr. Lisa Su – Advanced Micro Devices (AMD)

Der kalifornische Chiphersteller AMD befand sich 2014 in großer Bedrängnis, der Aktienkurs fiel unter drei US-Dollar. Der Marktführer Intel war technologisch und finanziell weit voraus. Im Oktober dieses Jahres übernahm Dr. Lisa Su das Ruder bei dem angeschlagenen Konzern und leitete laut Wirtschaftsmagazin Forbes einen der größten Turnarounds im Technologiesektor der vergangenen Jahre ein. Das lässt sich auch am Aktienkurs ablesen, er notierte Ende 2021 bei über 140 USD.

Su machte den Konzern schlanker, tauschte Topmanager aus, brachte den Chiphersteller technologisch auf ein neues Niveau und installierte ein neues Geschäftsmodell. Im Gegensatz zu Intel bezieht AMD seine Prozessoren von der Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TWSC), dem führenden Auftragsfertiger. So werden einerseits Milliardeninvestitionen für Equipment eingespart und andererseits wird der Zugang zu modernsten Herstellungsverfahren gesichert. Inzwischen wächst der Umsatz rasant, von 3,99 Mrd. USD im Jahr 2015 auf 9,76 Mrd. USD Ende 2020. Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate lag bei fast 20 %.

Im Moment beliefert AMD hauptsächlich Computer- und Spielekonsolenhersteller, damit soll aber noch nicht Schluss sein. Lisa Su sucht intensiv nach weiteren Wachstumsmöglichkeiten, inzwischen hat AMD Xilinx, den weltgrößten Entwickler und Hersteller von Logik-ICs, übernommen. Sukzessive drängt Su in neue Wachstumsmärkte, wie den Mobilfunkstandard 5G oder das Geschäft mit Rechenzentren, und sie versucht auch, in der Automobilindustrie Fuß zu fassen. So könnte AMD bald auf Augenhöhe zu Intel gelangen.

Beispiel John Legere – T-Mobile US

Als John Legere im September 2012 den CEO-Posten bei der US-Tochter der deutschen Telekom übernahm, war T-Mobile US schwer angeschlagen. Das Management der Deutschen Telekom hatte bereits 2011 erfolglos versucht T-Mobile US an den Rivalen AT & T zu verkaufen, war aber an der Kartellbehörde gescheitert.

T-Mobile US war zwar noch der viertgrößte Mobilfunkanbieter in den USA, verlor aber immer mehr Kunden. Die Mutter in Deutschland und die Tochter waren völlig orientierungslos, und Telekom Deutschland wäre lieber heute als morgen ausgestiegen. 2013 fusionierte T-Mobile US mit Metro PCS, der Nummer 5 in den USA. Der Deal war, wie Analysten berichteten, ein Teil der Telekom-Ausstiegsstrategie für die USA. Dieser Zusammenschluss wurde im Mai 2013 an die Börse gebracht.

Doch dann kam Legere. Er baute Hierarchien im Unternehmen ab und sorgte dafür, dass Kundenstimmen wieder gehört wurden. Dies war die Grundlage für die „Uncarrier Strategie“ die er mit seinem Team entwickelte. Damals waren 24-Monatsverträge im Mobilfunksektor der USA normal, was den Anbietern enorme Planungssicherheit gab, aber nicht kundenfreundlich war. Die Mobiltelefone wurden von den Anbietern subventioniert. Dies führte, zusätzlich zu den langen Laufzeiten, zu teuren Tarifen.

Die neue Strategie von T-Mobile US gab den Kunden mehr Flexibilität, denn die Verträge waren monatlich kündbar, außerdem kam der Kunde durch Ratenzahlungen selbst für das Mobiltelefon auf. Das führte zu günstigeren Preisen.

Durch das neue Geschäftsmodell und das Marketingtalent von John Legere gelang es, T-Mobile US zum am stärksten wachsenden Mobilfunkanbieter der USA zu machen. Bei seiner Amtsübernahme zählte das Unternehmen 33 Mio. Kunden. Ende 2019 waren es bereits 86 Mio. und Leger konnte den Umsatz auf 45 Mrd. USD steigern, fast eine Verdopplung gegenüber 2013.

Diese Beispiele lassen sich beliebig fortführen und belegen eindrücklich: Es sind nicht die Umstände und Gegebenheiten, die das Schicksal eines Unternehmens bestimmen – die Führung entscheidet über den Erfolg.

Einsicht und Erkenntnis

Führungskräfte müssen über den Tellerrand hinausdenken und alles infrage stellen.

Erfolg und Wachstum haben sehr viel mit Einsicht und Erkenntnis zu tun. Nur wer sich der Realität stellt und erkennt, was ist, hat die Chance besser zu werden. Leider leben wir heute in einem Umfeld, in dem jeder von Transformation, Digitalisierung und Disruption spricht, aber die wenigsten wirklich verstanden haben, welche Chancen und Risiken sich dahinter verbergen. Viele Unternehmen machen weiter wie bisher und passen lediglich ihren Sprachgebrauch an die neue Zeit an. Selbst bei vorhandenem Verständnis ist die Unternehmensführung häufig nicht imstande, die Dinge zum Besseren zu wenden. Ein bisschen mehr Digitalisierung hier und ein „Transformationsprozess“ dort reichen nicht aus.

Es geht mehr denn je darum, aktiv Zukunft zu gestalten. Führungskräfte müssen über den Tellerrand hinauszudenken und alles infrage stellen, was bisher galt. Sie müssen eine erstrebenswerte Zukunft formulieren, den entsprechenden Veränderungsprozess einleiten und auch umsetzen. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen. In einem Unternehmen wird sich nur dann etwas ändern, wenn die Führung das auch kann und will. Scheut sie die Veränderung und verwaltet lieber den Status quo, wird es auch keine Zukunft geben.

Es ist also offensichtlich, dass sich die Führung und vor allen Dingen das Selbstverständnis der Führungskräfte zuerst verändern muss, wenn Erfolg und Wachstum das Ziel sind. Diese Erkenntnis ist ebenso banal wie zutreffend.

Eine neue Zeit bricht an

Die Zeiten in denen Standardisierung, Systeme und Prozesse einen Unterschied gemacht haben, sind vorbei. Ebenso ist die Ansicht, die Anzahl der Mitarbeiter*innen signalisiere die Wichtigkeit einer Funktion oder einer Geschäftseinheit schon lange überholt. Heute zählen wieder Menschen und Ideen.

Das Zeitalter des Leaderships ist gekommen. Die Zeit der überstrukturierten Geschäftsprozesse geht zu Ende.

Das Zeitalter des Leaderships ist gekommen. Damit geht auch die Zeit der überstrukturierten, bürokratisierten und endlos andauernden Geschäftsprozesse zuende.

Leader haben eine andere Haltung, sie denken anders und in einem größeren Kontext, wollen aktiv das Leben verbessen, sehen den Markt und die Produkte aus verschiedenen Perspektiven und tragen ihre Vision von der Zukunft mit Vehemenz in die Organisation.

Damit geben sie Mitarbeiter*innen das Gefühl, an etwas Großem und Wichtigem beteiligt zu sein. Sie schaffen neue oder abgewandelte Organisationsformen, die es trotz beträchtlicher Unternehmensgröße ermöglichen, schnell und agil zu bleiben oder zu werden. Sie richten ihre Unternehmen an den Kunden und Kundinnen und deren Ansprüchen aus.

Aller Digitalisierung und Prozessoptimierung zum Trotz machen am Ende des Tages Menschen den Unterschied. Deshalb ist es für einen Leader eine Herzensangelegenheit Mitarbeiter*innen zu befähigen und, wo immer möglich, ebenfalls zu Leadern zu machen. Leader und damit Multiplikatoren werden auf allen Hierarchiestufen gebraucht, um die Mission voranzutreiben, das ist ihnen bewusst.

Sie sehen das Unternehmen aus der Kundenperspektive und sind deshalb der kritischste Kunde der eigenen Organisation. Leader führen ihre Organisation zum Erfolg, denn sie sehen neue Möglichkeiten und entdecken so neue Märkte und Potenziale. Zudem verfügen sie über die nötigen Kompetenzen, um aus einem vorhandenen Potenzial nachhaltiges Wachstum zu generieren.

Teil 1 Reflexion

Der Faktor Erkenntnis

Ziel: Ursachen von Symptomen trennen und neue Erkenntnisse gewinnen

„Das Problem zu erkennen ist wichtiger, als die Lösung zu erkennen, denn die genaue Darstellung des Problems führt zur Lösung.“

Albert Einstein

Kapitel 1

Unternehmensführung war selten so anspruchsvoll

„Du kannst entweder zusehen, wie etwas passiert, oder ein Teil davon sein. “

Elon Musk

 

Unternehmen unter Druck

Unternehmen stehen unter einem enormen Innovations- und Veränderungsdruck. Die Herausforderungen sind vielfältig und müssen mehr oder weniger zeitgleich bewältigt werden. Und das in einer Phase, in der vielen – bildlich gesprochen – das Wasser bis zum Hals steht. Sie kämpfen mit höchstem Einsatz um das Überleben ihres Geschäftsmodells und versuchen, sich für das neue Zeitalter zu rüsten. Das verlangt der Unternehmensführung einiges ab, und es lässt sich wohl ohne Übertreibung feststellen: Unternehmensführung war selten so anspruchsvoll. Die folgenden Aspekte stellen nur eine Auswahl dieser Herausforderungen dar.

Globalisierung

Technischer Fortschritt in den Bereichen Information und Kommunikation, Transport und Verkehr, Kapitalmarktinnovationen sowie die zunehmende Liberalisierung des Welthandels haben zu einer weltweiten Vernetzung der Märkte und Gesellschaften geführt.

Die Globalisierung bietet Unternehmen erhebliche Chancen, die Öffnung der Märkte erweitert die Anzahl der Absatzmärkte und somit den potenziellen Kundenkreis. Allerdings führt die Globalisierung auch zu mehr Komplexität, die vom Unternehmen beherrscht werden muss. Durch die globale Verflechtung der einzelnen Märkte besteht die Konkurrenz nicht mehr nur aus Betrieben und Geschäften in der näheren Umgebung, sie umfasst nunmehr die ganze Welt.

Globalisierung bietet erhebliche Chancen, aber erhöht auch die Anforderungen an Unterehmen.

Somit steigt der Wettbewerbsdruck enorm an. Dieser drückt sich in immer günstigeren Preisen und daraus folgend einem immensen Kostendruck aus. Deshalb suchen Unternehmen neue, günstigere Einkaufsquellen überall auf der Welt und müssen durch Rationalisierung und eventuelle Verlagerung der Produktion ins Ausland ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten.

Dies hat große Auswirkungen. Die zu meisternden Herausforderungen reichen von möglichen Sprachbarrieren über verschiedene Länderwährungen, die durch ihre schwankenden Wechselkurse die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung beeinflussen, verschiedene Steuersysteme mit unterschiedlichen Regelungen und Mehrwertsteuersätzen, voneinander abweichenden Gesetzen und rechtlichen Vorgaben bis hin zum Aufbau einer funktionierenden und robusten globalen Lieferkette, oftmals auch für Rohstoffe und Halbfertigfabrikate. Die Coronapandemie und die Blockade des Suez-Kanals durch ein einziges Containerschiff haben gezeigt, wie fragil diese globalen Lieferketten sind und welche Auswirkungen eine Unterbrechung dieser Kette hat.

Durch die Globalisierung ist überdies eine gewisse wirtschaftspolitische Cleverness und Gewandtheit für Unternehmen unerlässlich, denn die politische Großwetterlage hat einen großen Einfluss auf die Geschäftsentwicklung, z. B. der Handelskonflikt zwischen China und den USA oder auch die Differenzen zwischen dem Westen und Russland, die ihren Höhepunkt im Ukrainekrieg gefunden haben. Dieser hat u. a. zum endgültigen Aus für die Gaspipeline „North Stream 2“ geführt, denn die Versorgung mit Gas, Kohle und Öl aus Russland ist aus naheliegenden Gründen nicht mehr gewollt. Die sich daraus ergebenden Herausforderungen für Unternehmen sind gewaltig. Die Energieversorgung muss anderweitig gesichert werden, die gestiegenen Energiepreise haben immense Auswirkungen auf die Kosten und sollten über eine mögliche Preisanpassung der eigenen Produkte an die Kunden weitergegeben werden, ohne die eigene Wettbewerbsposition zu schwächen. Gleichzeitig müssen Unternehmen inflationsbedingte Lohnforderungen und -Erhöhungen durch eine gesteigerte Produktivität ausgleichen. Zusätzlich sind die Unternehmen von beiderseitigen Sanktionsmaßnahmen betroffen und müssen diese und deren Auswirkungen berücksichtigen.

Als wäre das nicht schon genug, entschied zeitgleich die chinesische Regierung einen Corona-Lockdown in Shanghai zu verhängen, der die globalen Lieferketten bis ins Mark erschütterte und zusätzlich zu dem Ukrainekrieg zu einem erheblichen Mangel an Rohstoffen, Halbfertigfabrikaten und Fertigprodukten mit teilweise extrem verlängerten Lieferzeiten führte. Dies sind nur einige Beispiele, wie Weltpolitik Einfluss auf Unternehmen nimmt.

Unternehmen brauchen wirtschaftspolitisches Geschick und unternehmerische Rafinesse.

Der Weltmarkt wird überwiegend von großen, global agierenden Unternehmen beherrscht. Deshalb haben es kleinere Unternehmen schwer, sich gegen die mächtige Konkurrenz und den Wettbewerbsdruck durchzusetzen. Als Folge daraus sind die kleinen Unternehmen gezwungen, strategisch versierter, cleverer und agiler zu werden, um ihre Existenzberechtigung in einem globalen Markt zu behalten. Das erfordert enorme Anstrengungen und einen wachen Geist.

Der demographische Wandel und Fachkräftemangel

Der demographische Wandel verändert Deutschland zusehends: Deutschland altert und schrumpft. Das Bundesumweltamt geht in einer Studie zur Verringerung der Treibgasemissionen von einer Bevölkerungszahl von 72,2 Mio. Menschen in Deutschland im Jahr 2050 aus. Dies bleibt nicht ohne Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung.

Die Kombination aus längerer Lebenserwartung und konstant niedrigen Geburtenraten in Deutschland führt zu einem sich deutlich verschlechternden Verhältnis von Rentnern/Rentnerinnen und Menschen im erwerbsfähigen Alter. Die Situation verschärft sich durch eine nicht ausreichende Zuwanderung jüngerer Menschen aus dem Ausland.

Trotz technischen Fortschritts und Robotik werden gut ausgebildete menschliche Arbeitskräfte gebraucht.

Der Rückgang des potenziellen Arbeitskräfteangebots verstärkt sich demzufolge – mit entsprechenden Auswirkungen auf unser Sozialversicherungs- und Rentensystem sowie den Arbeitsmarkt. Dies stellt Unternehmen vor eine große Herausforderung, denn trotz technischen Fortschritts und Robotik werden zur Produktivitätssteigerung immer noch gut ausgebildete menschliche Arbeitskräfte gebraucht. Darum gilt es, alle möglichen potenziellen Arbeitnehmer*innen in den Arbeitsprozess zu integrieren. Heute ist eine Weiterbeschäftigung vieler älterer Arbeitnehmer*innen und ein Wiedereinstieg von Frauen in den Beruf ohne Alternative. Für einen durchschlagenden Erfolg dieser Initiativen bedarf es aber einer grundlegenden und weitgehenden Veränderung der Rahmenbedingungen und einer neuen Denkhaltung in den Unternehmen.

Der Mangel an qualifizierten Fachkräften tritt immer deutlicher zutage. Der weltweite Fachkräftemangel hat sich im letzten Jahrzehnt fast verdoppelt, und in Deutschland lag die Steigerung dem DIHK Arbeitsreport 2019 zufolge bei fast 50 %. Am stärksten von diesem Fachkräftemangel betroffen ist die Baubranche, gefolgt von der Industrie und dem Dienstleistungsbereich.

Mit dem Verschwinden der Älteren gehen kostbares Know-how und Erfahrung unwiederbringlich verloren.

Zusätzlich zu dieser bereits bestehenden Mangelsituation erreicht die Babyboomer-Generation langsam das Rentenalter und verschärft dieses Problem noch. Ein erheblicher Kahlschlag in den Unternehmen ist die Folge. Aus diesem Grunde ist der Umgang mit älteren Mitarbeiter*innen oftmals nicht nachvollziehbar. Da werden Abfindungen und Altersteilzeitregelungen für Menschen ab 55 Jahren angeboten, um solche älteren Mitarbeiter*innen loszuwerden, um dann junge, unerfahrene, aber billigere und digitalisierte Mitarbeiter*innen einzustellen in der Hoffnung, Kosten zu sparen und digitale Transformation zu beschleunigen. Ein entscheidender Fakt wird aber dabei gern übersehen: Immer seltener kann adäquater Ersatz gefunden werden, und mit dem Verschwinden der „Alten“ geht unfassbar viel Know-how und Erfahrung unwiederbringlich verloren. Das führt häufig zu einer Situation, in der die Jungen oft die Fehler der Alten wiederholen, ein Umstand, der die Entwicklung vieler Unternehmen unnötigerweise hemmt.

In einer Zeit, in der händeringend Fachkräfte gesucht werden, ist es notwendig, durch angemessene Arbeitszeit- und Entlohnungsmodelle, kombiniert mit einem entsprechenden Aufgabengebiet, die Kapazitäten und die Erfahrung der „Alten“ zu nutzen.

Neue Arbeitsmodelle, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleisten, sind unbedingt erforderlich.

Natürlich sind ältere Jahrgänge körperlich oft nicht mehr so belastbar und meistens auch keine digitalen Nerds, aber sie haben in der Regel ein gutes Verständnis des Geschäftsmodells und der Kunden/Kundinnen. Wer ihnen mit wachem Geist und nicht mit einem mitleidigen Lächeln zuhört, kann viel über die Stärken und Schwächen des Geschäftsmodells und die Entwicklung der Firma im Wandel der Zeit erfahren. Dieses Wissen kann durchaus helfen, ein besseres, digitalisiertes Geschäftsmodell zu entwerfen. Ein flexibles Arbeitszeitmodell kann den Wissenstransfer unterstützen und ist in der Lage, den Wünschen der „Alten“ und des Unternehmens Rechnung zu tragen.

Frauen sind gegenüber Männern unter den Erwerbstätigen immer noch unterrepräsentiert. Die Situation hat sich in den letzten Jahren zwar verbessert, aber es gibt noch einiges an Reserven zu mobilisieren. Neue Arbeitszeit- und Partizipationsmodelle müssen geschaffen werden, denn die heutigen Modelle schließen noch zu viele Frauen von einer höherwertigen Beschäftigung aus. Flexible Arbeitszeiten, die Möglichkeit als „Freelancer“ wichtige Arbeitsangebote für mehrere Firmen zu leisten, ohne Ausbeutung zu riskieren, und viele andere Vorschläge existieren schon, werden aber nur selten umgesetzt. Dies ist unter den gegebenen Rahmenbedingungen eine fahrlässige Verschwendung von Ressourcen.

Auch der Umgang mit Immigranten muss sich unter diesen Voraussetzungen ändern. Unternehmen dürfen hier nicht auf die Politik hoffen und warten, sondern müssen selbst aktiv werden. Wahrscheinlich sind nicht alle Einwanderer ausgebildete Programmierer, IT-Fachleute, Ingenieurinnen oder Ärzte, aber sie sind überwiegend jung, gesund und in der Mehrheit lernbereit, wenn ihnen eine bessere Zukunft in Aussicht gestellt wird.

Ansprüche der Kunden und Kundinnen

Kundenwünsche müssen zunehmend Eingang in die Supply Chain finden.

Verbraucher*innen sind sich ihrer Rechte und ihrer Macht bewusst, sie stellen hohe Ansprüche. Sie erscheinen zunehmend ungeduldiger, lange Lieferzeiten werden nicht mehr oder nur ungern hingenommen – eine große Herausforderung für jede Supply Chain. Es gilt plötzlich nicht mehr nur, die Belange des Unternehmens zu berücksichtigen, sondern Kundenwünsche müssen zunehmend Eingang in die Logistik- und Herstellungskette finden, welche manchmal diametral zu den Unternehmensanforderungen stehen. Ein Beispiel ist die Wartezeit an der Kasse – in den Augen vieler Menschen eine sinnlose Zeitverschwendung – weshalb einige Handelsunternehmen Shops ohne Kassen entwickeln.

Amazon gehört auch hier zu den Vorreitern und forciert mit seinen Amazon-Go-Filialen den Einkauf ohne Kasse. Die Verbraucher*innen füllen den Wagen und beim Verlassen des Ladens wird automatisch vom Konto abgebucht. Zusätzlich bringt Amazon Dash Carts zum Einsatz. Diese wetterfesten Einkaufswagen verfügen über Kameras, die erkennen welche Waren in den Wagen gelegt werden. Außerdem verfügt das System über eine Waage für das Wiegen von Obst und Gemüse.

Das Kaufverhalten der Kunden/Kundinnen ändert sich rapide. Sie wollen nicht mehr zwischen online und offline unterscheiden, sie nutzen sämtliche Kanäle, wobei der Einkauf über mobile Geräte und Apps zunehmend wichtiger wird. Der E-Commerce Umsatz in Deutschland lag im Jahr 2020 bei 83 Mrd. Euro, und laut einer Studie von PWC kaufen 78 % der Deutschen mindestens einmal pro Monat online ein. Gerade die Generation ab 55 Jahre, die sogenannten Silver-Ager, haben während der Pandemie ihre Liebe zum Internetshopping entdeckt.

Die Customer Journey beginnt heutzutage überwiegend im Internet, denn die Menschen gehen immer häufiger online auf Einkaufsbummel – ein Trend, der durch die Coronapandemie noch verstärkt wurde. Verbraucher*innen sind zudem bequemer geworden. Die Möglichkeit, im Internet – ohne zeitliche oder räumliche Beschränkung – shoppen zu können und sich um den Transport der Ware keine Gedanken machen zu müssen, bestimmt mit der zunehmenden Bedeutung des Online-Handels die Erwartungshaltung. Eine schnelle Lieferung, eine gute Rücksendelösung und möglichst niedrige Versandkosten werden dabei vorausgesetzt.

Dieser Vorteil des Online-Einkaufs muss im Offline-Handel durch ein echtes Einkaufserlebnis und einen besseren Kundenservice – nicht nur rund um die Beratung – ausgeglichen werden. Im B2B-Segment beinhaltet die Erwartungshaltung der Kunden zusätzlich nicht nur die fristgerechte Lieferung der Produkte verbunden mit technischem Service und einer kompletten Anwendungsschulung, sondern auch darüber hinausgehende Unterstützung. Sie erwarten heute, dass man ihr Geschäftsmodell unterstützt. Dies beinhaltet flexible Finanzierungslösungen, aber auch weitere Maßnahmen, wie z. B. die Entwicklung von zusätzlichen Wertschöpfungsmöglichkeiten.

Verbraucher*innen sind heute aufgeklärter und misstrauischer denn je.

Verbraucherinnen sind heute aufgeklärter und misstrauischer denn je. Klassische Werbung tut sich zunehmend schwer, Kunden/Kundinnen können sich oftmals mithilfe von alternativen Informationsquellen ein eigenes Bild machen. Testberichte oder Erfahrungsberichte von Verwender*innen mit einer aussagekräftigen Bewertungsskala, wie z. B. eine Sternebewertung, relativieren viele Werbeaussagen.

Sie kaufen auch bewusster ein. Spielten früher der Preis und die entsprechende Qualität, also das Preis-Leistungs-Verhältnis, die wichtigste Rolle, so sind in den letzten Jahren einige zusätzliche Parameter hinzugekommen. Verbraucher*innen achten vermehrt auf gesunde Ernährung und legen einen Fokus auf die Inhaltsstoffe sowie Nachhaltigkeit.

Es wird auch zunehmend Wert auf artgerechte Nutztierhaltung und nachhaltigen Anbau von Nutzpflanzen, Gemüse und anderen Nahrungsmitteln gelegt. Zusätzlich kommt dem moralischen Aspekt, wie beim Thema des fairen Handels, eine immer größere Bedeutung zu, was den wirtschaftlichen Spielraum der Unternehmen häufig einschränkt. Diese Entwicklungen machen es für Unternehmen nicht gerade leichter, bieten aber, bei einem entsprechend ausgerichteten Geschäftsmodell, auch große Chancen.

Wertewandel in der Arbeitswelt

Eine sinngebende Tätigkeit und die Work-Life-Balance werden für die jüngeren Generationen immer wichtiger.

Der demographische Wandel beeinflusst auch die Wertesysteme im Berufsleben. Die jungen Generationen besitzen andere Werte und Vorstellungen gegenüber der Arbeitswelt. Das heißt für Unternehmen und Führungskräfte, sie müssen mit einem Mix aus verschiedenen Einstellungen zur Arbeit zurechtkommen. Wer die besten Nachwuchskräfte gewinnen will, muss die Wertesysteme dieser

Menschen berücksichtigen und ernst nehmen, denn schon jetzt, können qualifizierte junge Jobsuchende zwischen verschiedenen Arbeitgebern auswählen.

Die Generation der Baby Boomer, die Jahrgänge nach 1955, ist noch sehr stark durch Arbeit und Karriere bestimmt. Menschen dieser Altersgruppe wollen beruflich vorankommen und sich für ihren Einsatz belohnen, was sich in einem gewissen Statusdenken ausdrückt.

In den folgenden Generationen geht die Bedeutung der Arbeit zunehmend zurück und Status spielt ebenfalls keine so große Rolle mehr. Galten in der Vergangenheit z. B. Firmenwagen oder Prämiensysteme und Incentives als besonders erstrebenwert, rücken materielle Anreize heute zunehmend in den Hintergrund – eine echte Herausforderung für Unternehmen. Verschiedene Berufsgruppen, wie z. B. Vertriebsmitarbeiter*innen, bei denen diese Stimuli bisher als das Nonplusultra der Motivation und Zufriedenheit galten, sind davon besonders betroffen.

Die Sinnhaftigkeit der ausgeführten Tätigkeit und das Privatleben rücken in den jüngeren Generationen zunehmend in den Vordergrund. Es geht immer weniger darum, Karriere zu machen oder gar Führungsverantwortung zu übernehmen – häufig werden Hierarchien sogar infrage gestellt –, sondern sehr viel stärker um Work-Life Balance und die Möglichkeit, sich selbst verwirklichen zu können.

Dies alles verlangt eine veränderte und anpassungsfähige Personal- und Entlohnungspolitik mit einer entsprechenden Flexibilität. Kein einfaches Unterfangen, wenn z. B. Tarifverträge existieren, die dann selbstverständlich auch entsprechend neu verhandelt werden müssen.

Digitale Transformation

Die digitale Transformation 1muss ganzheitlich verstanden werden.

Der technologische Fortschritt macht Dinge möglich, von denen Menschen früher nur träumen konnten. Entwicklungen wie der 3D-Druck, künstliche Intelligenz und Big Data verändern die Welt. Der Einsatz von Software-Lösungen zur Steigerung der Effizienz, Effektivität und Produktivität ist heute unverzichtbar. Gleichzeitig wird die Art und Weise, wie Menschen miteinander kommunizieren und Kontakt halten, mehr und mehr digitalisiert. Dies alles bietet große Chancen, aber stellt Unternehmen auch vor Herausforderungen.

Der Übergang in die Digitalisierung fällt deutschen Unternehmen schwer. Die meisten versuchen, ihr Geschäftsmodell zu digitalisieren, oftmals ohne eine wirkliche Strategie und ohne den Nutzen zu hinterfragen. Sie beschränken sich darauf, die Website zu überarbeiten, digitale Formulare zu entwickeln oder ein bisschen Social Media zu bedienen. Manche gehen immerhin schon einen Schritt weiter und bieten einen Webshop und/oder eine App an. Alles löblich, aber nur bedingt hilfreich. Digitalisierung muss als Ganzes verstanden werden, d. h. die Unternehmen sind gezwungen, eine angepasste Wertschöpfungskette zu entwickeln. Das bedingt in der Regel ein neues, ganz oder zumindest in weiten Teilen digitalisiertes Geschäftsmodell. Es scheint langsam ein Umdenken einzusetzen, wie der „Digitalisierungsindex 2020/2021“ zeigt, eine Studie im Auftrag der Deutschen Telekom, die untersucht, wie mittelständische Unternehmen ihre digitale Transformation vorantreiben.

Die Digitalisierung des deutschen Mittelstands hat deutlich wahrnehmbar Fahrt aufgenommen, hauptsächlich getrieben durch die Coronakrise. Der Index-Wert des deutschen Mittelstands 2020 kletterte gegenüber 2019 um zwei Punkte nach oben der bislang höchste gemessene Zuwachs. Haupttreiber für den digitalen Fortschritt: ein deutliches Plus bei der Produktivität in den Unternehmen.

Digitalisierung kann Win-win-Situationen schaffen.

Über alle Bereiche der Wertschöpfung, Branchen und Unternehmensgrößen hinweg nahm der Grad der Digitalisierung zu. Diese verändert auch das Arbeitsleben. Angetrieben durch die Kontaktbeschränkungen aufgrund der Coronapandemie ist z. B. der Trend zum Homeoffice dramatisch beschleunigt worden. Diese Entwicklung ist nicht mehr umzukehren, weil sie in den meisten Fällen für alle Beteiligte sinnvoll ist. Arbeitnehmer*innen gewinnen Zeit, weil der tägliche Weg zur Arbeit entfällt, die Umwelt profitiert von weniger Verkehr und Abgasen, die Unternehmen freuen sich über motivierte Mitarbeiter*innen, und durch den Wegfall von Anwesenheitszeiten können Unternehmen durch kleinere Büroflächen Kosten einsparen.

Ein intelligenter Umgang mit Digitalisierung kann zu Win-Win Situationen führen. Als Konsequenz ergeben sich daraus aber neue Herausforderungen bezüglich der Infrastruktur, der Arbeitsprozesse- und Methoden, der Kommunikation und Zusammenarbeit sowie der Datensicherheit. Cybersecurity ist inzwischen zu einem der wichtigsten Faktoren der Unternehmensführung geworden.

Klimawandel und Umweltschutz

Das Bewusstsein über die Alternativlosigkeit des Klima- und Umweltschutzes hat inzwischen auch Politik und Industrie erreicht.

Das Klima auf der Erde wandelt sich, und zwar schneller, als die Menschheit es erwartet hat. Diese Tatsache ist nicht mehr zu leugnen und hat inzwischen auch die Politik und die Industrien, die mit fossilen Brennstoffen Geschäfte machen, erreicht und wird von diesen mittlerweile akzeptiert. Sogar die Internationale Energieagentur IEA, 1974 als eine Einheit der OECD in Reaktion auf die damalige Ölkrise zur Sicherung des Ölnachschubs gegründet, fordert eine beispiellose Transformation im globalen Energiesektor und plädiert für ein sofortiges Ende der fossilen Energiegewinnung. In ihrem neuen Bericht „Net Zero by 2050“ präsentiert die Agentur eine „Roadmap“ für das globale Energiesystem. Ziel ist die Sicherstellung des Netto-Null-Emission-Ziels zum Zwecke des Klimaschutzes bis zum Jahr 2050.

Umweltverbände und andere Organisationen haben viele Menschen für dieses Thema sensibilisiert und – verbunden mit immer häufiger zu beobachtenden Umwelt- und Wetterkatastrophen – zum Umdenken gebracht. Der Druck von Verbraucher*innen, das Geschäftsmodell nachhaltiger zu gestalten und Umweltbelange mehr zu berücksichtigen, steigt deshalb stetig. In der Vergangenheit war es relativ einfach, sich als umweltbewusstes Unternehmen zu präsentieren. Eine neue Kläranlage hier, Umstieg auf Recyclingpapier da, ein Wechsel auf größtenteils regenerativen Strom reichten als Maßnahmen meistens aus. Diese betrafen allerdings fast immer nur die Peripherie und nicht das Geschäftsmodell direkt. Diese Zeiten dürften endgültig vorbei sein.

Jetzt gilt es, das gesamte Geschäftsmodell nachhaltiger zu gestalten und sich als Unternehmen und Führungskraft seiner Verantwortung zu stellen. Das ist mehr als überfällig. Wer sich einmal mit offenen Augen in oder vor ein beliebiges Fast-Food-Restaurant stellt wird erstaunt sein wie viel Müll in nur einer halben Stunde anfällt. Die Müllberge in den Innenstädten, die durch Essen und Getränke „to go“ verursacht werden sind ein weiteres Beispiel. Solche Fälle sind wahrscheinlich in allen Branchen zu finden.

Nachhaltigkeit ist mittlerweile einer der wichtigsten Wettbewerbsfaktoren.

Wer glaubt, weiterhin mit Alibi-Aktionen über die Runden zu kommen, wird zwangsläufig scheitern. Nachhaltigkeit ist inzwischen einer der wichtigsten Wettbewerbsfaktoren. Deshalb sind Unternehmen zukünftig gezwungen, mehr und größere Investitionen in diesem Bereich zu tätigen. Die Bandbreite reicht von neuen Herstellungsprozessen über den Umstieg auf energiesparende Fertigungsanlagen, neue Materialien und Rohstoffe mit einer besseren Umweltbilanz, verbesserte und intensivierte Recyclingprozesse, klima- und umweltfreundliche Produktinnovationen, Abfall- und Abwasservermeidung sowie Wiederaufbereitung bis hin zu neuen umweltfreundlichen Bewirtschaftungslösungen in der Landwirtschaft. Und diese Aufzählung ist noch lange nicht vollständig.

Hier die richtigen Entscheidungen zu treffen und z.B. passende Finanzierungsmöglichkeiten zu finden, stellt Unternehmen und vor allen Dingen die Unternehmensführung vor beträchtliche Herausforderungen.

Disruption

Disruption ist nichts wirklich Neues, aber die Digitalisierung verleiht ihr nahezu unendliche Möglichkeiten.

Und wäre das alles nicht schon genug für die Unternehmen, weht gleichzeitig der Sturm der Disruption durch das Land. Sie stellt per se nichts wirklich Neues dar, sondern ist im Prinzip schon so alt wie die Menschheit. Allerdings verleiht ihr die Digitalisierung neue Möglichkeiten und eine mörderische Geschwindigkeit. Die Skalierung von digitalen Angeboten ist fast uneingeschränkt möglich, ohne gleichzeitig zu viel Kapital in Manpower oder Maschinen investieren zu müssen. Disruption passiert von oben und unten zugleich, soll heißen von großen Technologiegiganten ebenso wie von kleinen Unternehmen oder Startups, das macht sie doppelt gefährlich.

Die Giganten rollen ihre digitalen Lösungen und Geschäftsmodelle einfach auf neue Geschäftsfelder aus und wo ihnen entsprechende Technologie fehlt wird sie mithilfe der nahezu unendlich verfügbaren finanziellen Ressourcen einfach zugekauft. Und sie sind clever und bereit, alles auf den Kopf und infrage zu stellen. Diese Denkhaltung führt zu immensen Wettbewerbsvorteilen und macht die Entdeckung und Erschließung von neuen Märkten möglich. So schrecken sie z. B. nicht davor zurück, den Zugang zu ihrer eigenen Infrastruktur als Geschäftsmodell zu monetarisieren. Eine solche Denkweise ist nicht gerade typisch für ein deutsches Unternehmen.

Prominentestes Beispiel für ein solches Vorgehen ist wohl AWS (Amazon Web Services). Dieser Ableger von Amazon ist inzwischen der größte Profittreiber im Konzern. Amazon hat die Cloud nicht erfunden, aber sie waren der erste Player, der kompromisslos und entschieden die eigene Server-Infrastruktur vermarktete, das Wachstum dieses neuen Geschäftsmodells in Schwung brachte und sich damit einen neuen gigantischen Markt erschloss. Im Jahr 2019 erreichte Amazon Web Services einen Umsatz von ca. 35 Mrd. USD und erzielte einen Betriebsgewinn von ca. 9,2 Mrd. USD. Zum Vergleich und als Gradmesser: Das größte deutsche Technologieunternehmen SAP erreichte mit allen Sparten zusammen einen Gesamtumsatz von ca. 27,5 Mrd. EUR und einen Betriebsgewinn nach IFRS von ca. 4,5 Mrd. EUR. Obwohl AWS erst 2006 gegründet wurde, ist dieser Amazon-Bereich inzwischen größer und profitabler als SAP.

Ein Beispiel dafür, welche Auswirkungen es haben kann, wenn Firmen den Mut aufbringen, anders zu denken. Und das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht. AWS repräsentierte im 4. Quartal 2019 laut Statista einen globalen Marktanteil von 33 % und seriöse Prognosen gehen von einem Marktwachstum von jährlich 20 % bis zum Jahr 2025 aus. Es fällt leicht, sich vorzustellen, was das bei nur gleichbleibendem Marktanteil für den Umsatz und die Profitabilität von AWS bedeutet. Und das nur, weil Amazon durch eine andere Sicht der Dinge eine für andere in Stein gemeißelte Regel („Gewähre keinen Zugang zu deiner Infrastruktur!“) gebrochen hat.

Aufgrund ihrer rigorosen Besetzung von Geschäftsfeldern und ihrem Mut, ein Risiko einzugehen, sind Firmen wie Amazon deutschen Unternehmen um Längen voraus. Wo deutsche Führungskräfte auf Nummer sicher gehen und erst einmal alles bis ins Detail analysieren, erobern Firmen wie Amazon oder Alphabet im Eiltempo neue Märkte.

Neben dem Druck der Großen müssen sich etablierte deutsche Unternehmen auch kleinerer Player erwehren. Sie werden von jungen und kleinen Firmen angegriffen, die nichts zu verlieren, aber alles zu gewinnen haben. Meistens kommen diese Firmen aus den USA, weil es dort relativ einfach ist, Risikokapital zu beschaffen. Eine Veröffentlichung zu diesem Thema ist die „CNBC Disruptor 50 List“, die versucht, schnell wachsende, innovative Start-ups zu identifizieren, die sich auf dem Weg zur nächsten Generation von großartigen, börsennotierten Unternehmen befinden.

Parameter für das Ranking sind u. a. Belegschaftsgröße und Diversität, Skalierbarkeit, Umsatz- und Nutzerwachstum, Firmenbewertung, Qualität der Investoren und vieles mehr. Die Top 5 des Jahres 2021: Robinhood, Stripe, Discord, SentinelOne und Didi Chuxing. Leider hat es mit checkout.com aus London (Platz 13) nur eine europäische Firma unter die Top 50 geschafft. Deutsche Firmen sind nicht vertreten.

Der „analoge“ Buchwert ist in der heutigen Zeit nicht mehr unbedingt ein Gradmesser für die Sicherheit einer Finanzierung.

Die Gründe für die Dominanz amerikanischer Firmen liegen auf der Hand. Viele ehemalige Gründer*innen der amerikanischen Tech-Szene sind heute Financiers, die trotz bewussten Risikos in erfolgversprechende Geschäftsmodelle investieren, während es in Deutschland immer noch hauptsächlich um die Finanzierung etablierter Geschäfte geht, die mit ausreichend

Sicherheit hinterlegt sind. Das Verständnis von Sicherheit liegt dabei meistens auf dem „analogen“ Buchwert. Die meisten deutschen Bankberater zeigen bei dem Wort Risiko, geprägt durch die Erfahrung in der Finanzkrise, vermutlich eine allergische Reaktion. Erst langsam beginnt sich in Deutschland die Erkenntnis durchzusetzen, wie wichtig es ist, junge Firmen mit zukunftsweisenden Geschäftsmodellen finanziell zu unterstützen.

Es ist wichtig, junge Firmen mit zukunftsweisenden Geschäftsmodellen mittels Wagniskapital zu unterstützen.

Die neuen Herausforderer, oftmals mit einem milliardenschweren Investor im Rücken, brechen die gängigen Regeln, um sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Die etablierten und großen deutschen Unternehmen tun sich damit schwer, denn sie haben sie ja meistens, zumindest teilweise, aufgestellt. Ein Bruch dieser Grundsätze könnte einen Vertrauensverlust bei den eigenen Kunden/Kundinnen und damit noch mehr Unruhe und Geschäftseinbußen bedeuten.

Zusätzlich sind diese Unternehmen noch überwiegend in den Denkmustern der Industrialisierung verhaftet, eine Skalierung des Geschäftsmodells ist für sie immer mit Investitionen in Maschinen und Manpower verbunden. Sie denken immer noch analog und glauben fest, Größe sei ein relevanter Überlebensfaktor.

Jedoch ist in der neuen Welt Größe kein Faktor, der vor Zerstörung schützt, manchmal kann sie sogar ausgesprochen hinderlich sein. Vor allen Dingen, wenn Größe zu langsamem Agieren führt.

Der perfekte Sturm

Es sieht so aus, als würden die Unternehmen, die heute schon teilweise hart um das Überleben kämpfen müssen, auf einen gigantischen Sturm zusteuern. Und wie bei der Seefahrt, braucht es jetzt Kapitäninnen und Kapitäne, die in der Lage sind, sich diesem Sturm zu stellen, ihn zu umfahren oder vielleicht sogar zum eigenen Vorteil zu nutzen.

Viele Unternehmen werden ihr Geschäftsmodell anpassen, wenn nicht sogar radikal ändern müssen, um auch in Zukunft überleben zu können. Deren Führungskräfte werden ebenfalls gezwungen sein, ihre Methoden anzupassen und ihre Denkhaltung zu disruptieren, wenn sie Wachstum – qualitativ und quantitativ – erzielen wollen. Ein „weiter so“ gefährdet das Überleben der Firma und damit das Wohl aller die von ihr abhängen.

Kapitel 2

Klassische Managementmethoden stoßen an ihre Grenzen

„Die Physik bietet eine gute Rahmenstruktur zum Denken: Brich die Dinge auf ihre fundamentale Wahrheit herunter und arbeite dich von dort aus begründet voran.“

Elon Musk

 

Die üblichen Methoden helfen nicht mehr

Viele (deutsche) Unternehmen sind nicht oder nicht ausreichend auf die neuen Zeiten vorbereitet. Die Unternehmensführung versucht, teilweise verzweifelt, die gute alte Zeit zu konservieren, obwohl sich der Markt zumindest schon in den Anfängen einer großen Verwandlung befindet. Diese Unternehmen haben sich heute bequem in ihrem Markt und ihrem Geschäftsmodell eingerichtet. Schwindende Umsätze werden mit dem kompetitiven Markt erklärt, und sie beruhigen sich in aller Regel mit einer ähnlichen Entwicklung der Wettbewerber. Also kein Grund, etwas zu ändern.

Wenn die Auswirkungen des Wandels nicht mehr zu leugnen sind und sich die Ergebnisse entsprechend weiter verschlechtern, wird als Gegenmaßnahme der übliche Management-Aktionismus losgetreten. Es werden Prozesse optimiert, neue Systeme eingeführt, die sich erst in Jahrzehnten amortisieren, es wird standardisiert, Kostensenkungsprogramme werden initiiert, das Reporting wird intensiviert – immer mit dem Ziel, zumindest die Profitabilität zu sichern. Eine solche Vorgehensweise führt aber mit hoher Wahrscheinlichkeit nur schneller in den Abgrund, denn sie beseitigt die Schwachstellen des Geschäftsmodells nicht. Im Gegenteil, diese Managementmethoden lenken von der Behebung der eigentlichen Ursache ab.

Bürokratie zerstört die Motivation

Systeme und eingefahrene Prozesse sind nicht imstande, ein Geschäftsmodell zu retten.

Dem typischen Management-Ansatz folgend wird als erste Maßnahme zur Optimierung der Planungsprozess „verbessert“, soll heißen, Planung wird straffer und intensiver, die Pläne werden häufiger kontrolliert, sogenannte Forecasts werden eingeführt, um möglichst früh Abweichungen zu erkennen und Gegenmaßnahmen, sogenannte Gapclosing Initiatives, einleiten zu können. Dies trägt zwar nicht zur Verbesserung der Situation bei, dient aber zur „Beruhigung“ des Managements. Das Management will Handlungsfähigkeit demonstrieren. Hier regiert der Glaube, Systeme und eingefahrene Prozesse seien imstande, ein Geschäftsmodell zu retten, aber genau das Gegenteil ist der Fall. Der Fokus liegt viel zu sehr auf einer Planung ohne Überraschungseffekte, als auf der Beseitigung der Umstände, die zur wirtschaftlichen Schieflage geführt haben.