Der Letzte macht den Mund zu - Michael Buchinger - E-Book

Der Letzte macht den Mund zu E-Book

Michael Buchinger

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Beschreibung

Was alles nervt - von A wie vegan bis Z wie Blumenkränze YouTube-Star Michael Buchinger erklärt böse und charmant, mit einer ordentlichen Prise österreichischem Humor, warum die Menschheit völlig verrückt ist und er seine Artgenossen nicht leiden kann. Buchinger zieht fabelhaft über Gesundheitsfanatiker und Bio-Nazis her, versteht nicht, warum jedes Jahr wieder Geburtstag gefeiert werden muss und verabscheut den Selfie-Wahn seiner Generation. Hier kriegt jeder sein Fett weg! "Michael Buchinger ist das mit Abstand erfrischendste auf YouTube." Vice

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Das Buch

»One-Night-Stand?! – Ich krieg ja schon Schnappatmung, wenn mich Leute besuchen wollen, die ich kenne.«

*

»Ehrlichkeit?! – Nervt am längsten! Ich schwöre auf ›selektive Ehrlichkeit‹, spart Zeit und Nerven. Außerdem: Genau wie beim Sex wird eine gute Lüge erst richtig spannend, wenn mehr als zwei Leute involviert sind.«

*

»Vegan?! – Aber bitte mit Honig. Sahne geht ja nicht.«

*

»Nacktbilder?! – Macht das nicht! Das ist so, als würde man Tickets zum David-Hasselhoff-Konzert verschenken: Man muss sich schon sicher sein, dass die andere Person das auch wirklich, wirklich, wirklich will.«

Michael Buchinger zieht charmant plaudernd und mit viel Witz über alles her, was der Zeitgeist seiner Generation hergibt.

Der Autor

Michael Buchinger, 1992 in Wien geboren, ist YouTuber und schreibt für Vice, Miss und Die Welt. Er hat Anglistik studiert und erhielt 2015 für das Format »Michaels Hass-Liste« den Deutschen Webvideopreis in der Kategorie Lifestyle.

Ullstein

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ISBN 978-3-8437-1525-6

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2017Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © Dominik PichlerSatz: KompetenzCenter, Mönchengladbach

E-Book: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin

Aller Rechte vorbehalten

Inhalt

Über das Buch und den Autor

Titelseite

Impressum

Vorwort

Ehrlich nervt am längsten

Das Coming-out: wichtig, aber fürchterlich anstrengend

Die vergessene Kunst des Schlussmachens

Spontan geht die Welt zugrunde

Warum ich keine Geburtstage mag

Dieses Kapitel wird dein Leben verändern!

Und was machst du so beruflich?

Mein erstes Dickpic

Ich bin kein Mädchen, ich kleide mich nur gern so

Der Gipfel der Zuneigung

Das verrückte Labyrinth

Der eingebildete Kranke

Zucker ist das Crack der Neuzeit

One-Night-Stand und nie wieder

Manieren statt Blamieren – Michis Benimm-Guide

Mein Leben als Selfie-Objekt

Im Internet hilft nur Humor

Hätte ich nur auf meine Eltern gehört – Die Abgründe des Online-Datings

O du schreckliche! Michis Survival-Guide für die Feiertage

Festivals sind fürchterlich

Wie ich versucht habe, ein positiverer Mensch zu sein, und im Krankenhaus gelandet bin

Danksagung

Feedback an den Verlag

Empfehlungen

Vorwort

Liebe Leserinnen, liebe Leser!

Es freut mich sehr, dass ihr dieses Buch in euren Händen haltet. Es klingt wie ein Klischee, aber schon als Kind träumte ich am häufigsten davon, eines Tages ein Buch zu schreiben. (Mein zweithäufigster Traum, eine Liebesbeziehung mit Alf zu führen, ist bis zum heutigen Tag unerfüllt geblieben.)

Im Kindesalter war ich nicht sonderlich sozial und hatte, abgesehen vom Schreiben, keine Hobbys. Ich kann mir direkt vorstellen, wie meine Mutter mit anderen Müttern im Café gesessen und Erzählungen über abenteuerlustige Kinder gelauscht haben muss.

»Oh, mein Patrick ist ein ganz begeisterter Fußballspieler. Neulich war ich dabei, als er sein erstes Tor geschossen hat. Momente wie diese geben meinem Leben einen Sinn.«

»Meine Sarah spielt erst seit einem Jahr Blockflöte, aber vor kurzem durfte sie bei einem Konzert ihrer Musikschule ein Solo spielen. Ich saß im Publikum, und eine kleine Träne der Rührung kullerte an meiner rechten Wange hinunter. Ach, ich liebe meine Tochter.«

Vermutlich extrem eingeschüchtert saß meine Mutter dann da und kratzte sich an ihrer Schläfe, während sie sich panisch nach dem Notausgang umblickte.

»Michael isst sehr gerne«, gestand sie womöglich äußerst zögerlich, um irgendetwas beitragen zu können. »Er findet auch großen Gefallen am Schlafen. Einmal am Tag, meistens kurz nach dem Mittagessen, geht er groß auf die Toilette. Ich liebe mein Leben.«

Zum Glück hielt mir meine Mutter mein Desinteresse an außerschulischen Aktivitäten nie vor – im Gegensatz zu meinem Sportlehrer an der Grundschule. Wiederholte Male wollte er mich dazu überreden, einem Verein beizutreten, um ein bisschen »unter die Leute« zu kommen.

Ich sah ihn fassungslos an: Wusste er denn nicht, dass ich ein Problem mit sozialen Konventionen hatte? Ich besuchte doch bereits fünfmal die Woche den Schulunterricht; wie viel mehr »unter die Leute« sollte ich denn noch kommen?

Doch eines Tages, nachdem ich daran gescheitert war, bei einer besonders ausgelassenen Runde Völkerball Teamfähigkeit unter Beweis zu stellen (es kann sein, dass ich mitten im Spiel das Feld verlassen habe, um mein Pausenbrot zu verzehren), einigten wir uns darauf, dass ich zumindest die Schnupperstunde eines außerschulischen Sportkurses besuchen würde.

Mein Lehrer schlug mir Selbstverteidigung vor; ohne Zweifel deswegen, weil er bereits damals ahnte, dass ich eines Tages ein ausgezeichnetes Mobbingopfer abgeben würde.

Ich versuchte, das Beste aus meiner Misere zu machen. Da ich ein Fan von Charmed war – einer Serie um drei gegen das Böse kämpfende Hexenschwestern –, redete ich mir ein, dass dieser Kurs hilfreich sein würde, um Dämonen abzuwehren, sollten sie – wie so oft! – versuchen, mein kostbares Buch der Schatten zu entwenden.

Es mag wohl niemanden überraschen: Ich fand den Selbstverteidigungskurs absolut fürchterlich! Als der Kursleiter am Ende der Schnupperstunde verkündete, es werde nun »Merkball« gespielt, um uns gegenseitig besser kennenzulernen, verfiel ich in eine Schockstarre. Das Prinzip des Spiels ist simpel: Die Kinder schießen sich gegenseitig mit einem extrem harten Ball ab und müssen sich den Namen des Arschlochs, das sie getroffen und ihnen qualvolle Schmerzen zugefügt hat, merken.

Warum sollte man so etwas freiwillig tun? Doch niemand teilte meine Bedenken: Die anderen Kinder jubelten ähnlich laut, wie ich es sonst nur tat, wenn jemand »Das Buffet ist eröffnet!« verkündete. Anscheinend konnten sie es kaum erwarten, sich gegenseitig mit gefährlichen Wurfgeschossen abzuknallen. Folgerichtig verließ ich den Kurs umgehend. Pfeif auf Karate-Kicks und Faustschläge!, dachte ich mir. In Zukunft werde ich mich wohl mit bissigen Kommentaren, Augenrollen und jeder Menge Sarkasmus verteidigen müssen.

Genau das tue ich nun schon seit zwölf Jahren und bin sehr glücklich damit. Egal, ob ich Leute, die die Rolltreppenregel »Rechts stehen, links gehen« noch immer nicht begriffen haben, auf ihren Fehltritt hinweise, oder mich mit Hilfe einer bösen (aber durchaus wahren!) Bemerkung ähnlich geschickt wie MacGyver aus einer Notlage rette: Sarkasmus ist die beste Selbstverteidigung, und mein Leben ist schöner, seit ich gemein bin.

Vor ein paar Jahren habe ich meine Boshaftigkeit sogar zum Beruf gemacht: Monatlich veröffentliche ich auf meinem YouTube-Kanal eine sogenannte Hass-Liste und spreche über Dinge, die ich leidenschaftlich verachte. Sehr zu meiner Überraschung erfreut sich mein Hass großer Beliebtheit. Meckern verbindet nun mal und hilft den Menschen, einander besser kennenzulernen – und das ganz, ohne einander mit Bällen abzuknallen!

Das war ja eine ganz nette Anekdote, aber »Hass«, Michael? Ist das nicht ein ziemlich starkes Wort?, fragt ihr euch an dieser Stelle vielleicht schockiert, eine Hand auf die Perlenkette gelegt. Das stimmt natürlich, aber das Gleiche gilt auch für das Wort »Liebe«, das meiner Meinung nach noch viel freizügiger verwendet wird.

Die Leute lieben Schauspieler, Kosmetikprodukte, exotische Obstsorten und wohlriechende Duftkerzen. Meine Freundin Sandra sagt, sie liebt ihren neuen Toaster, dennoch hat sie nicht vor, mit ihm einen romantischen Roadtrip durch die Toskana zu unternehmen – weil sie das mit dem Lieben natürlich nicht so ernst meint.

Genauso ist es mit mir und dem Hassen: Natürlich hasse ich keine schreienden Kinder, Hustenanfälle in der U-Bahn oder Menschen, die nicht wissen, wie Rolltreppen funktionieren. Ich verachte sie abgrundtief und wünschte, sie würden nicht existieren, aber ich hasse sie nicht.

Wie dem auch sei! Die Geschichten in diesem Buch kreisen allesamt um Dinge und Situationen, die ich fürchterlich anstrengend und falsch finde. Von Ernährungstrends über Spontaneität und One-Night-Stands bis hin zu schlechten Manieren und Gender-Normen gibt es kaum ein Thema, das ich unberührt lasse. Zwischendurch habe ich es mir nicht nehmen lassen, zusätzlich Listen von Dingen anzufertigen, die ich absolut fürchterlich finde – so, wie es meine treuen Zuschauer von mir gewohnt sind!

Am Ende jedes Kapitels findet ihr zudem »Buchingers Goldene Regeln«, DOs & DON’Ts, die die Lektionen der Geschichten kurz zusammenfassen und als gut gemeinter Wegweiser für die Tücken das Alltags dienen, damit wir alle so leben können, wie ich es befehle!

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen,euer Michael

Ehrlich nervt am längsten

Ehrlichkeit wird überbewertet. Dennoch hören wir ständig von allen Seiten, wie wichtig es sei, all unseren Mitmenschen immer nur die Wahrheit zu erzählen, und dass uns sofort der Blitz treffen werde, wenn wir auch nur einmal lügen. Ehrlich währt am längsten, sagt man, doch das halte ich – welch Ironie! – für eine fette Lüge. Wer das glaubt, weiß einfach nicht, wie man richtig lügt. Aber keine Sorge: Ich bin hier, um es euch beizubringen.

Ich habe eine Freundin namens Claudia, die immer ehrlich ist, und es bringt ihr – surprise, surprise! – nichts als Ärger. Erst letztens traf ich sie zum Weintrinken in einer Bar, wo sie mir ihre aktuellen Beziehungsprobleme schilderte.

»Ich hatte einen Sextraum mit einem anderen Mann«, berichtete sie vorsichtig, »und bekam so ein schlechtes Gewissen, dass ich meinem Freund davon erzählt habe. Jetzt ist er sauer auf mich.« Sie betonte den letzten Satz so, als hätte sie absolut keinen blassen Schimmer, was sie falsch gemacht hatte. Die Antwort lautet: alles.

Instinktiv verdrehte ich die Augen und nahm einen viel zu großen Schluck von meinem Sauvignon Blanc, bevor ich meinen ungefragten Rat darbot. »Schau, Claudia: Wenn du tatsächlich mit einem anderen Mann Sex hattest, solltest du es deinem Freund vermutlich sagen. Aber wenn du nur davon träumst, machst du dir durch ein Geständnis nur überflüssige Probleme. Ich habe neulich geträumt, dass ich meinen Freund küsse und er sich in Miss Piggy von den Muppets verwandelt! Erzähle ich ihm davon? NEIN! Weil es unwichtig ist«, sagte ich.

Claudia warf mir einen Blick zu, der sagte: Such dringend einen Therapeuten auf.

»Träume sind Schäume!«, setzte ich viel zu laut nach und leerte mein Weinglas.

Warum sollten wir unseren Mitmenschen jeden einzelnen Gedanken unterbreiten, den wir haben? Ich verstehe, dass es wichtig ist, offen über grundlegende Dinge zu kommunizieren; trotzdem ist es mir lieber, wenn du deine ehrliche Meinung zu meinem neuen bauchfreien Top für Männer für dich behältst und ich meinerseits weiterhin so tun darf, als würde ich deine Poetry-Slam-Gedichte ganz toll finden.

Ihr merkt: Ich bin der festen Überzeugung, dass gezieltes Lügen der Schlüssel für gut funktionierende Beziehungen ist. So wurde es mir schon im Kindesalter vermittelt. Damals verbrachte ich viel Zeit in der Obhut meiner älteren Schwester, die wiederum das Gros ihrer Aufmerksamkeit gerne den zwei Dingen widmete, die in unserem Elternhaus strikt verboten waren: Jungs und Zigaretten (das sollten später auch meine größten Steckenpferde werden!).

Als ein Kind, das schon ein schlechtes Gewissen bekam, wenn es mal ohne Zähneputzen zu Bett ging, schob ich während der verbotenen Aktionen meiner Schwester schnell Panik und lief aufgebracht im Wohnzimmer umher, während ich vollkommen aufgelöst stammelte: »… aber es ist nicht erlaubt … Bestrafung … möge Gott uns gnädig sein!«

Denn was, wenn Mama herausfand, dass Schulfreunde meiner Schwester unerlaubterweise zu Besuch gewesen waren und sogar Straßenschuhe im Wohnzimmer getragen hatten? Ich wollte es mir gar nicht ausmalen!

Doch meine Schwester wusste mich zu beruhigen. »Michi«, sagte sie und legte ihre Hand auf meine Schulter. »Was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß!«

In diesem Moment war es, als würde sich mir eines der großen Geheimnisse des Lebens offenbaren. Ich fühlte mich wie manche Menschen sich wohl fühlen, wenn sie in einem Clickbait-Artikel erfahren, dass sie ihr Leben lang Bananen falsch geschält haben.

»Was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß!«, wiederholte ich selbstsicher.

Plötzlich ergab alles Sinn: Ich ließ es beim Abendessen gänzlich unerwähnt, dass die halbe Klasse meiner Schwester zu Besuch gewesen war, und sie wiederum drückte ein Auge zu, wenn ich mich nachts aus dem Bett schlich, um im Wohnzimmer heimlich Golden Girls zu schauen.

Die Person, die ich seitdem am routiniertesten anlüge, ist und bleibt meine Mutter. Wenn es eine Buchinger-Familientradition gibt, dann diese. Meine Mutter ist eine sehr nette, aber stets um das Wohlergehen anderer besorgte Frau. Nicht selten schlug sie mir in meiner Kindheit vor, bei relativ harmlosen Aktivitäten wie Trampolinspringen oder einem Spaziergang im Wald (wo Äste aus mehreren Metern Höhe auf mich zurasen konnten!) einen Helm zu tragen, »um auf Nummer sicher zu gehen«.

Zwar wusste ich es sehr zu schätzen, dass meine Mutter sich dermaßen um mich sorgte, doch hatte ich ob meiner Vorliebe für die Golden Girls ohnehin bereits die Befürchtung, ewig Single zu bleiben. Es würde sicherlich nicht helfen, auf der Geburtstagsparty meines Kumpels Tim meinen Helm auszupacken, bevor ich zu den anderen auf das Trampolin stieg.

Man möchte meinen, dass meine Mutter heute, da ich ein erwachsener Mann bin, der schon sehr oft ganz allein und ohne Helm unfallfrei im Wald spazieren war, ein bisschen gelassener wäre, doch man würde falsch liegen. Erzähle ich ihr etwa, dass ich mit meinem Freund einen Roadtrip ans andere Ende von Österreich unternehme, wirft sie ihr Gesicht in besorgte Falten, als hätte ich ihr gerade eröffnet, dass ich zum Abendessen mit Hannibal Lecter verabredet bin. Der Grund: Meine Mutter denkt, dass ich ein fürchterlicher Autofahrer bin, obwohl ich noch nie jemanden überfahren habe. Anschließend folgt eine Liste an abstrusen Vorschlägen. Zum Beispiel regt sie an, ich könne doch stattdessen mit Zug, Bus und Taxi an mein Reiseziel gelangen. Es würde zwar elf statt vier Stunden dauern, wäre aber um einiges »abenteuerlicher«.

Oder aber sie könne mich mit dem Auto an mein Ziel fahren. Wenn ich wieder nach Hause möchte, solle ich mich melden und sie würde mich abholen. Wer braucht Uber, wenn man Mama hat?

Sollte ich doch selbst mit dem Auto fahren wollen, bot sie schließlich an, solle ich auf jeden Fall vorher weitere Fahrstunden nehmen, um meine Kenntnisse aufzufrischen. Bestimmt hätte sie mir auch noch gerne dazu geraten, während der gesamten Autofahrt einen Helm zu tragen.

Was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß, das sage ich heute wie damals und schwöre meiner Mutter, mir ihre Vorschläge durch den Kopf gehen zu lassen. Dann fahre ich mit dem Auto quer durch Österreich und zwinge meinen Freund, für mich zu lügen. »Wenn meine Mutter anruft, musst du so tun, als wären wir im Zug! Frag vielleicht mit verstellter Stimme nach meiner Fahrkarte, während ich mit ihr telefoniere!« Im Handumdrehen ist auch er im Netz meiner Lügen gefangen.

Natürlich lüge ich nicht, weil es mir so viel Spaß macht, sondern weil ich weiß, dass Menschen wie meine Mutter leichter durch den Alltag gehen, wenn sie nicht immer die ganze Wahrheit über alle Details meines Lebens wissen.

Ich halte Ehrlichkeit für vollkommen optional. Genauso wenig, wie ich möchte, dass meine Nachbarn wissen, dass »der Waschbär, der ständig den Müllplatz verwüstet«, all die Jahre lang ich war, ist es mir auch relativ egal, wenn jemand eine halbe Stunde lang um den heißen Brei herum redet, nur um mir schließlich zu gestehen, dass er das Buch, das ich ihm vor einem Jahr geliehen hatte, im Zug liegen gelassen hat. Mehr als die Tatsache, dass mein Freund wenig gewissenhaft mit den Leihgaben anderer umgeht, regt mich in diesem Fall auf, dass er meine Zeit verschwendet, indem er mir solche 08/15 Geständnisse macht. Ich hatte mich auf eine spannende Geschichte über eine Affäre mit meinem Exfreund oder dem Geständnis, dass er es ist, der ständig all diese negativen Kommentare unter meinen YouTube-Videos hinterlässt, gefreut. Und nun erfahre ich, dass meine Ausgabe von Feuchtgebiete wahrscheinlich bereits die Grenze nach Ungarn überquert hat.

Newsflash: Wenn du es mir nicht erzählt hättest, hätte ich es vermutlich nie bemerkt und wir hätten uns dieses ziemlich unangenehme Rendezvous sparen können, an dessen Ende ich dich übrigens dazu zwingen werde, meine Rechnung zu bezahlen, als Wiedergutmachung für die Zeit, die ich genauso gut zu Hause bei einer Partie Online-Scrabble hätte vergeuden können.

Hier ist ein grandioser Tipp für euch: Wenn ihr nicht sicher seid, ob ihr in einer Situation die Wahrheit sagen sollt oder nicht, fragt euch: Würde ich mir und meinem Gegenüber Zeit und Ärger ersparen, wenn ich lüge? Ja? Super! Fragt euch außerdem: Wird die Sache, deretwegen ich lüge, in einem Jahr noch wichtig sein? Nein? Prima: Ihr dürft lügen, was das Zeug hält. Bitte betrachtet dieses Kapitel als schriftliche Erlaubnis.

Da manche Lügen tatsächlich sehr kurze Beine haben, muss man sie – wenn man wie ich ist – mit weiteren Lügen vertuschen. Oft merkt man nicht, dass sich eine kleine Lüge, die man mal eben so erzählt, unheimlich in die Länge ziehen kann. Vor einigen Jahren kam es zum Beispiel zu einem Zwischenfall mit einem meiner Nachbarn, aufgrund dessen ich mich nun in einem langjährigen Lügenprojekt gefangen finde, obwohl die Situation eigentlich relativ harmlos begonnen hatte.

An einem besonders sonnigen Morgen kurz nach dem Umzug in meine neue Wohnung wurde ich unsanft von lautem Geschrei aus meinem Schlaf geweckt. Durch mein geöffnetes Fenster hörte ich, wie einer meiner Nachbarn im Innenhof laut mit einer Person schimpfte, die sich bei vorsichtiger Inspektion (soll heißen: ich beugte mich so weit aus meinem Fenster, dass ich beinahe in den Tod gestürzt wäre) als Bauarbeiter entpuppte.

Dabei bediente er sich einer Wortwahl, die selbst meine rassistische Tante kopfschüttelnd als »unerhört« bezeichnen würde. Da ich nicht viel von Rassismus halte, geschweige denn in voller Lautstärke um sieben Uhr morgens, wenn Michi seinen Schönheitsschlaf braucht, öffnete ich mein Fenster einen Spalt und ließ meinen Nachbarn auf wenig charmante Art und mit besonders bunter Ausdrucksweise wissen, dass er doch bitte ruhig sein solle.

Diese selbstlose Tat lässt mich bestimmt wie einen noblen Gerechtigkeitskämpfer wirken, was auch genau der Imagewandel ist, den ich dringend nötig habe. Leider hatte ich nicht bedacht, dass meine Nachbarn, die allesamt wohlhabende Rentner und somit ständig zu Hause sind, an diesem Morgen ebenfalls Zeugen meiner lauten Stimme und derben Wortwahl geworden waren. Dies dämmerte mir erst, als ich kurz darauf meine Wohnung verließ und von einer Nachbarin, mit der ich noch nie zuvor ein Wort gewechselt hatte, im Aufzug angesprochen wurde. »Haben Sie vorhin auch gehört, wie jemand Sauereien aus dem Fenster gebrüllt hat?«, wollte die Dame aus dem zweiten Stock wissen.

Kurz spielte ich mit dem Gedanken, ihr die ganze Geschichte zu erklären und mich als frühmorgendlicher Rächer zu erkennen zu geben. Doch dann fiel mir mein Mantra ein: Was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß! Ich ersparte uns beiden also sehr viel Zeit, indem ich auf eine harmlose Notlüge zurückgriff.

»Nein, habe ich nicht!«, entgegnete ich in einer Stimmlage, die etwa zwei Oktaven höher war als gewöhnlich. Da meine Beschimpfungen erst wenige Minuten zuvor den gesamten Innenhof erhellt hatten, schien mir dieser Move notwendig, um nicht enttarnt zu werden. Es war eine meiner besseren Lügen. Die gesamte Aufzugfahrt übte ich mich im Small Talk in meiner Mickey-Maus-Imitation und kam mir dabei ziemlich clever vor.

Doch mein Triumph verlor an Glanz, als ich meine Nachbarin schon zwei Tage später erneut im Flur traf. Da dämmerte mir, dass ich einen Fehler begangen hatte. Seitdem sehe ich mich gezwungen, bei jedem unserer Treffen meine helle Stimme zu benutzen. Das macht mich absolut wahnsinnig und führt zu shakespearehaften Verwechslungsszenarien, wenn ich diese Nachbarin in Begleitung von Personen, die meine echte Stimme kennen, antreffe. Zurzeit bin ich dabei, einen Stimmbruch vorzutäuschen.

Ihr seht, manche Lügen sind aufwendiger als andere. Manchmal reicht es, einer Person ein unwichtiges Detail zu verschweigen, um beiden Parteien Ärger und schlaflose Nächte zu ersparen. In anderen Fällen sind es scheinbar kleine Lügen, die sich am Ende länger hinziehen als so mancher Martin-Scorsese-Filmmarathon.

Ja, Lügen mag eine Sünde sein, und seit frühester Kindheit wird uns eingeredet, es tunlichst zu vermeiden. Aber übertriebene Ehrlichkeit ist absolut unnötig und verbraucht zu viel Energie. Uns allen könnte es so viel besser gehen, wenn wir gewisse Dinge verschweigen und ein bisschen mehr lügen würden. Glaubt mir, das ist die Wahrheit.

Buchingers Goldene Regeln

Ehrlich nervt am längsten Wer hat Zeit, ständig nur die Wahrheit zu hören? Praktiziere daher die Technik, die ich liebevoll als »selektive Ehrlichkeit« bezeichne (andere nennen es »Lügen«), und erspare uns allen ein bisschen Zeit und Stress.

Bitte deine Freunde um Hilfe Ähnlich wie der Geschlechtsakt wird eine gute Lüge erst dann so richtig spannend, wenn mehr als zwei Leute involviert sind.

Lüge mit voller Hingabe Eine kleine Notlüge kann zu einem jahrelangen Lügenprojekt ausarten. Führe ein Lügentagebuch, um nicht zu vergessen, wo du dein Lügennetz überall gesponnen hast.

Das Coming-out: wichtig, aber fürchterlich anstrengend

Ich finde es sehr nervig, welch besonderes Augenmerk in den Medien auf Sexualität gelegt wird. Ist eine Person des öffentlichen Lebens etwas anderes als heterosexuell, wird immer ein Weg gefunden, diesen FunFact irgendwie unterzubringen, als handle es sich dabei um einen sechsten Zeh. Wenn ich noch einmal lesen muss, dass »der schwule Popstar Ricky Martin« ein Konzert in meiner Stadt geben wird, verdrehe ich meine Augen im stürmischen Rhythmus von »Livin’ La Vida Loca«.

Ab und an passiert es auch mir, dass Leute meine Sexualität zwanghaft hervorheben. Das erste Mal berichtete ein Magazin über mich im Jahr 2010. Es handelte sich um ein Finanz-Magazin, was besonders ironisch ist, da ich für meine finanzielle Unbeholfenheit bekannt bin und heruntergefallene Münzen gerne mit den Worten »Ist es kein Schein, lass es sein!« liegen lasse.

Wie dem auch sei: Ich war in Ekstase, als ich erfuhr, dass jemand über mich geschrieben hatte, doch meine Freude verblasste schon bald, als ich sah, dass man mich als »der bekennend homosexuelle YouTuber« bezeichnete, so als wäre es mein einziges Alleinstellungsmerkmal.

»Der bekennend exzentrische YouTuber«, »der bekennend alkoholabhängige YouTuber«, ja, von mir aus sogar »der bekennend in der Damenabteilung einkaufende YouTuber« wäre mir lieber gewesen als diese für den Artikel völlig irrelevante Beschreibung meiner Person.

Ich denke wirklich nicht, dass jener bekennend heterosexuelle Journalist (seht ihr, wie bescheuert das klingt!) böse Absichten hatte, aber irgendwie ging mir dieser Seitenhieb schon damals gehörig auf die Nerven.

Mir persönlich ist es relativ egal, welche sexuelle Orientierung eine Person hat, und das liegt zur Abwechslung mal nicht daran, dass ich mich ausschließlich für mich selbst interessiere. Dennoch scheint es eine unersättliche Neugier gegenüber Homosexualität zu geben. »Ja, ich bin schwul!«, verkünden Stars gerne mal, und YouTuber machen 20-minütige Videos, in denen sie tränenreich und untermalt mit dramatischer Musik von ihrer Homosexualität berichten, als stünden sie damit ganz allein.

Dabei stört mich vor allem, dass implizit kommuniziert wird, dass es absolut verrückt ist, nicht heterosexuell zu sein, weswegen man es am besten im großen Stil enthüllen sollte. Als Jugendlicher in einer ländlichen Region, in der es in etwa so viele Schwule wie Verkehrsampeln gab (zwei), fühlte ich mich äußerst unter Druck gesetzt. Musste ich einen Zeppelin mit der Aufschrift »Ich bin schwul!« mieten, um der Sonderbarkeit meiner sexuellen Orientierung gerecht zu werden?

Versteht mich nicht falsch: All diese rührenden Coming-out-Storys, die mir sorgfältiger geplant scheinen als so manche Eröffnungszeremonie bei den Olympischen Spielen, lassen natürlich auch mich nicht völlig kalt. Ich verstehe, warum es den Menschen wichtig ist, sich zu outen, und das kann man natürlich handhaben, wie man möchte. Im Endeffekt entschied ich mich jedoch für ein Coming-out, das in etwa so spektakulär war wie eine geführte Tour durch ein Briefmarkenmuseum.

»Ich bin schwul!«, sagte ich im Alter von 15 Jahren meiner Mutter, als sie gerade bedrohlich schnell auf die Autobahn fuhr. Okay, vielleicht hatte ich nicht den idealsten Moment gewählt, um diese Bombe platzen zu lassen, aber es fühlte sich in dem Moment richtig an.

Einige stille Momente vergingen.

»Oh«, entgegnete meine Mutter dann interessiert, »ich dachte, du stehst auf Mädchen.«

Ich hoffte, dass sie keine Karriere als Privatdetektivin anstrebte, denn ihre Auffassungsgabe ließ zu wünschen übrig.

»Nein, ich bin schwul!«, klärte ich erneut auf.

Sie vergewisserte mir wortreich, dass das kein Problem sei, und ich wiederum zeigte mich äußerst erleichtert; es hätte auch bitter enden können, seiner Mutter seine Sexualität zu offenbaren, während diese bei 130 Stundenkilometern versucht, einen ungarischen Gurkenlaster zu überholen.

Zwei Monate vergingen, bevor ich mich auch meinem Vater gegenüber outete, der ebenfalls überrascht (warum eigentlich? Hatten sie alle diesen Sonntagnachmittag vergessen, an dem ich mich als sechstes Spice Girl – »Michi Spice« – verkleidete und meinen Vater zwang, meine Performance mit dem Camcorder für die Nachwelt festzuhalten?), aber ähnlich aufgeschlossen war wie meine Mutter.

Natürlich: Beliebte Floskeln wie »Aber das ist doch sicher nur eine Phase!« und »Das richtige Mädchen wird schon noch kommen!« hörte ich so häufig, dass ich beim »Coming-out-Bingo« als klarer Sieger hervorgegangen wäre, aber abgesehen davon verlief mein Outing gänzlich undramatisch.

Gerne würde ich behaupten, dass ich in den folgenden Wochen und Monaten in einer äußerst emotionalen und tränenreichen »Stating the obvious«-Tour all meine Freunde und Verwandten besuchte und ihnen diese sensationelle Neuigkeitverkündete, wie die Medienwelt es mir beigebracht hatte, aber nein: Schon als Kind war ich bekannt dafür, nur drei Sticker in mein Sticker-Album zu kleben und dann das Handtuch zu werfen. Ich hatte nun zwei Outings hinter mir, und das reichte in meinen Augen vollkommen.

Die Wahrheit ist: Ich hasse solche Situationen. Ich finde es fürchterlich, einer Person explizit zu erklären, dass ich nicht auf Frauen, sondern auf Männer (huch!) stehe, weil solch eine Offenbarung impliziert, dass meine Orientierung nicht nur abnormal, sondern auch so sensationell ist, dass ich mich mit meinen Freunden zum Brunch treffen muss, um ihnen meine Homosexualität so genau zu erklären, als wäre sie eine abstrakte, noch nie zuvor dagewesene Form der Interaktion, welche Wissenschaftler erst vor kurzem auf einem fremden Planeten entdeckt haben. Es ist nicht so besonders, wird aber in den Augen der Allgemeinheit immer sonderbar bleiben, wenn wir so ein Riesenspektakel daraus machen!

So beschloss ich, dem Rest meiner Mitmenschen einfach auf subtile Weise einen Wink mit dem Zaunpfahl zu geben, indem ich Sätze einleitete mit »Also ich als schwuler Mann muss sagen …« oder Liebesbriefe an Zac Efron schrieb (welche, wie ich euch leider sagen muss, bis zum heutigen Tag unbeantwortet geblieben sind). Die meisten von ihnen wussten es ohnehin, waren aber zu höflich, um etwas zu sagen.

Aber Michael, denkt ihr euch jetzt vielleicht, während ihr nach der Rechnung für dieses Buch sucht, damit ihr es umtauschen könnt, dafür, dass du keine große Sache daraus machen willst, erwähnst du schon auffällig oft, dass du schwul bist, und schreibst jetzt auch noch ein ellenlanges Kapitel darüber! Verwirrend, verwirrend. Bitte entscheide dich endlich: Soll man nun seine sexuelle Orientierung erwähnen oder nicht?

Natürlich sollte man, wenn man das will, seine sexuelle Orientierung thematisieren. Im Rahmen meines Coming-outs erwähnten meine Eltern auch, dass Sexualität Privatsache ist und es ja grundsätzlich niemanden etwas angeht, mit wem ich verkehre. Das ist meiner Meinung nach aber kompletter Humbug, da es ja nicht so ist, dass die sexuelle Orientierung nur das Schlafzimmer betrifft. Gehe ich etwa mit meinem Freund im Park spazieren und treffe auf einen Studienkollegen, möchte ich nicht sagen: »Oh, hallo, lieber Studienkollege! Das ist mein Kumpel Dominik, wir unternehmen einen Spaziergang durch den Park, aber sei dir sicher: Dieser Spaziergang ist nicht romantischer Natur. Nein, nein, nein! Wir sind nur im Park, weil wir hoffen, hier ein paar reizvolle Damen zu finden, die zu Liebe und Lust bereit sind!«

Natürlich gehe ich daher offen mit meiner Orientierung um und rede darüber, und zwar in einer Art und Weise, die den Leuten vermittelt, dass sie mich nicht mit ihrer Schwester verkuppeln sollen, und die dabei hoffentlich dennoch unspektakulär und entspannt ist. Meine Sexualität geheim zu halten, klingt wie ein absoluter Alptraum und das nicht nur, weil ich Geheimnisse spätestens nach dem zweiten Glas Wein generell immer ausplaudere.

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