Der Letzte war ein Gentleman - Günter Diesel - E-Book

Der Letzte war ein Gentleman E-Book

Günter Diesel

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Beschreibung

Unter den Augen einer aufmerksamen Nachbarschaft geschehen undenkbare Dinge. Ein Milieuverbrechen in biederer Wohnlage. Kriminalroman mit Ereignisbezug.

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Inhalt

In bester Lage

Das Straßen-Komitee

Expansion

Akribische Beobachtungen

Folgeprobleme

IT-Recherchen

Totenstille

Erster Verdacht

Zweiter Verdacht

Die DNA muss helfen

Geständnis

In bester Lage

Es geschah in der katholischen Kleinstadt Falkenthal. In der Goethe-Straße. Einer einspurigen, verkehrsberuhigten 30er-Zone-Wohnstraße. Man wohnte dort in respektablen Häusern, die – bis auf den Wildnis-Garten eines Künstlers – von gepflegten Gärten umgeben waren. Die Hausbewohner waren überwiegend Rentner, ehemalige Beamte des Gehobenen Dienstes oder sie waren Angestellte, Unternehmer und Freischaffende.

In der Goethe-Straße wusste man Bescheid über die Nachbarschaft. Man ließ jedoch niemand wissen, dass man über jeden Bescheid wusste. Denn hier gab es kein Getratsche über Nachbarn. Allerdings führten auch sparsam fallen gelassene Bemerkungen in ihrer Summe zu einem informativen Gesamtbild.

Zum „Gedankenaustausch“ unter Nachbarn kam es vornehmlich wenn jemand vom Einkaufen zurückkam, beim Hundeausführen oder Samstags, wenn man seinen Wagen nach Gebrauchsspuren inspizierte, man im Vorgarten mal nach dem Rechten sah oder vorm Haus die Garagenzufahrt sauber kehrte.

An den Gesprächen vornehmlich beteiligt waren folgende Personen: Sebastian Schneider (Finanzbeamter), Fred Mattissen (Ingenieur) mit Frau Ines, Paul Schnittig (Polizeirat a. D), Ivo Slavic (Wurst-Fabrikant) mit Frau Dunja, Dr. Ulrich Kühn (Urologe), Hein Steen (Künstler) mit Frau Greta, ferner die ehemalige Lehrerin Fräulein Elvira Pinzlich. Seltener auch der Unternehmer Axel Blum.

Bis auf das junge Paar Mattissen und die ledig gebliebene Ex-Lehrerin Elvira Pinzlich waren alle anderen Nachbarn mittlerweile von ihren erwachsenen Kindern alleingelassene Ehepaare. Sie wohnten durchweg in längst für zwei Personen zu groß gewordenen Eigenheimen.

Nur ein Haus in der Goethe-Straße passte nicht in die Gebäude-Charakteristik. Es war ein kleines, zum Wohnhaus umgestaltetes ehemaliges Werkstattgebäude. Das Häuschen stand, zurückgesetzt von der Gebäudeflucht, mit etwas Abstand zur Straße. Es war über einen kurzen Fußweg von der Straße aus zugänglich. Der Zugang führte durch Blumenbeete und verlief an einem kleinen Teich entlang.

Das überschaubare, viereinhalb Räume umfassende und nicht vollunterkellerte Kleinhaus gehörte dem nebenan wohnenden Geschäftsmann Alex Blum. Blum hatte das ehemalige Werkstattgebäude wohngerecht saniert. Zu seinem Bedauern gelang es ihm jedoch nicht, langfristig Mieter für das Haus zu finden.

Es war ein Kommen und Gehen von Bewohnern. Nun, der Mietpreis war auch so angelegt, dass die Sanierungskosten sich bald amortisieren sollten.

Ein allein stehender Herr, Mitte 40, interessierte sich schließlich doch für die Wohnung. Axel Blum zögerte nicht lange und vermietete dem jungen Mann die Hütte.

Der Mieter war ruhig, fuhr einen Maserati und schien einer festen Arbeit nachzugehen. Blum war es egal womit der Mann seine Brötchen verdiente, Hauptsache er zahlte.

Niemand in der Nachbarschaft erfuhr etwas über den neuen Mieter. Auch nachdem dieser schon zwei Jahre lang in dem Gebäude wohnte, blieb er seinen Nachbarn fremd. Man bekam ihn nur selten zu Gesicht. Seine Anwesenheit, bzw. die Nutzung des Mietshauses, wurde allenfalls durch sein an der Straße geparktes Auto angezeigt. Gelegentlich sah man den scheuen Mann wenn er tagsüber zur Mülltonne oder am späten Nachmittag zu seinem Wagen ging. Zu einem ortsüblichen, samstäglichen Gedankenaustausch ließ der Mann sich nie hinreißen.

Ivo Slavic begegnete ihm schon mal morgens um sechs, wenn er seinen Deutschen Schäferhund Gassi führte.

Dann stieg der neue Nachbar aus seinem Auto aus und ging ins Haus.

Er hatte eine Glatze, war kräftig gebaut und war stets dunkel gekleidet. Kam der Mann früh morgens von seiner Arbeit?

Ivo grüßte ihn immer freundlich, doch der scheue Maserati-Fahrer grüßte nur knapp zurück und ließ sich nie auf ein Gespräch ein. Kam es unter den Nachbarn zum Gespräch über den Bewohner des kleinen Hauses, bemerkte Slavic nur: „’S ist’n sturer Hund!“

Der fremde Nachbar verließ seine Wohnung also täglich am späten Nachmittag und kam morgens zurück. Bei seinen Nachbarn, die jahrzehntelang ihre Dienste tagsüber zu verrichten hatten, wirkte sein Kommen und Gehen höchst dubios. Arbeitete er wirklich nachts?

Fortdauernd bestand in der Goethe-Straße das dringende Bedürfnis zu erfahren, wer der Mann war und mit wem man es da zu tun hatte. Insbesondere die pensionierte Lehrerin Elvira Pinzlich, von schräg gegenüber der Wohnung des Fremden, hatte höchstes Interesse daran. Als sie mal vom Einkaufen zurückkam, schlich sie sich entlang der Blumenbeete über den Zugang zu dem kleinen Haus um seinen Namen zu erfahren. Auf dem Klingelschild stand „Jo Szurkov“. Das genügte ihr aber noch nicht. Beim abendlichen Gassiführen ihres Pinschers wollte sie mehr erfahren. Sie richtete es so ein, dass sie den Moment abpasste als Szurkov auf dem Weg zu seinem Auto war. Sie sprach ihn an, doch er ging mit einem: „N’ Abend“ an ihr vorbei. Dabei sah sie, dass auf dem Rücken seiner schwarzen Lederjacke so etwas wie ein Firmenlogo prangte. Die gute Elvira trat zwei Schritte vor, um in der Dämmerung sehen zu können was auf der Jacke stand. Vage konnte sie ein Paar in Gold gestickte Adlerschwingen und in großen Buchstaben einen Schriftzug erkennen. Sie entzifferte die Worte „Personal Security“.

Über die gewonnenen Informationen setzte sie natürlich alle ihr auf der Straße begegnenden Nachbarn in Kenntnis. Damit löste Frau Pinzlich ein heiteres Beruferaten unter den Straßennachbarn aus.

„Dass der kein Ingenieur ist war mir klar. Dann würde er tagsüber und nicht nachts arbeiten“, stellte Mattissen fest. „Nun ja, er wird wohl Nachtwächter sein“, meinte Polizeirat Schnittig. „Ich denke, er arbeitet in einer Nachtbar, ist Rausschmeißer oder sowas!“, meinte Dr. Kühn. „Ein Nachtwächter oder Rausschmeißer fährt doch keinen Maserati!“, bemerkte der Finanzbeamte Sebastian Schneider. „Seinem Namen nach könnte er auch an Geschäften der Balkanmaffia beteiligt sein“ vermutete der Stadtverordnete 1 Ivo Slavic.

„Ja, ja, jetzt denkt nicht gleich, er wäre kriminell, nur weil er so’ne dekorierte Jacke anhat. Das ist doch „in“. Da laufen heute viele mit solchen Firmenlogos auf ihren Klamotten herum“, beschwichtigte Hein Steen, der Künstler.

Dass Szurkovs Vermieter, Alex Blum, ein gut situierter Geschäftsmann war, war allseits bekannt. Vor diesem Hintergrund drängte sich bei Fräulein Pinzlich die Frage auf, ob der denn wenigstens sein Geld mit sauberen Geschäften verdiente oder etwa mit dem Szurkov unter einer Decke steckte.

Die Maffia-Bemerkung ließ der Ex-Lehrerin keine Ruhe. Sie passte den Blum ab, als er seinen Porsche in die Garage fahren wollte. Beim Aussteigen sprach sie ihn mit einer flapsigen Bemerkung an: „Eijeijei, Sie haben ja schon einen tollen Flitzer, aber ihr Mieter erst! Einen Maserati! Die Autos dieser beiden Marken werden doch gerne gestohlen. Nun ja, wenn Sie ihren Wagen mal draußen parken, kann ihr Mieter ja auf ihr Auto mitaufpassen.“

„Quatsch! Wie kommen Sie denn auf so etwas? Szurkov und mein Auto bewachen! Mein Wagen kommt jeden Abend in die Garage. Und Herr Szurkov hat wohl was Besseres zu tun als für mich den billigen Wachhund zu spielen.

Der Mann ist erfolgreicher Unternehmer, Selbstständiger, Chef einer Security Firma!“, antwortete Blum barsch.

Zur Klärung der brennenden Frage „Wer ist Jo Szurkov“ bedurfte es der koordinierten Beobachtung seitens seiner engeren Nachbarn.

1 Deutsche Volksunion, DVU

Das Straßen-Komitee

Nach drei Monaten Vermietung stellte Blum wohl fest, dass sich bei Jo Szurkovs Mietzahlungen Unregelmäßigkeiten einstellten. Brachte das Security-Geschäft für den Maserati und die Miete seines exklusiven Bungalows zusammen nicht mehr genug Moneten ein? Für ein Häuschen, in dem Jo nur wenige Stunden am Tag wohnte, musste er ja eine gesalzene Miete zahlen. War’s zuviel Miete für den einsamen Jo?

Offenbar kam dem Security-Mann die Idee einer Mietkostenteilung. Er holte sich Untermieter ins Haus, und zwar junge Damen. Die Damen waren immer attraktiv und ansprechend gekleidet. Szurkov selbst erschien tagsüber kaum noch auf der Bildfläche. Allerdings hatte es den Anschein, als sei er bei seinen Untermieterinnen sehr wählerisch gewesen.

Denn die Nachbarschafts-Interessen-Gruppe beobachtete, daß die Damenbesetzungen häufig wechselten.

Dann gab es aber auch Personen, deren Gang durch die Wiese von mehr Erfolg gekrönt war. Täglich ging eine Handvoll Herren, dem Anschein nach sehr willkommen, in dem Haus ein und aus. Für sie öffnete sich die gläserne Haustür wie von Elfenhand!

Das Ehepaar Steen wohnte dem besucherfreundlichen Häuschen vis-à-vis gegenüber. Die vielen Besucher irritierten sie. Sie registrierten zunehmenden Auto- und Parksuchverkehr. Das führte bei Greta Steen schließlich zum Fallzahlzählen.