Der Mallorca Mord Club - Albas Geheimnis - Laura Nieland - E-Book

Der Mallorca Mord Club - Albas Geheimnis E-Book

Laura Nieland

0,0
4,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
  • Herausgeber: beTHRILLED
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2024
Beschreibung

Als die Leiche des Schülers Mateo an den Klippen von Caví gefunden wird, ist die Dorfgemeinschaft erschüttert. Schnell stellt sich heraus, dass der junge Mann an einer Überdosis Drogen gestorben ist. Die Polizei will hart gegen die Drogendealer vorgehen und findet schnell eine Verdächtige: Maries Freundin Alba, die sympathische Besitzerin der Boqueria. Obwohl die Beweislast gegen die freundliche ältere Dame erdrückend ist, glauben Marie und Christian an ihre Unschuld und schmieden einen Plan: Sie ermitteln undercover in Mateos exklusiver Privatschule, in der nicht nur die Schüler eine Menge Geheimnisse haben ...

Über die Serie: Traumhafte Strände, malerische Dörfer und belebte Promenaden: Auf Mallorca will sich Marie endlich ihren großen Traum von einer eigenen Bar erfüllen. Bis es so weit ist, arbeitet sie als Rezeptionistin in einem kleinen, exklusiven Wellnesshotel. Doch schon bald muss Marie feststellen, dass hinter der sonnigen Urlaubsidylle der Baleareninsel auch menschliche Abgründe lauern können. Und sie entdeckt eine neue Leidenschaft: das Lösen von Kriminalfällen!

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 284

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

CoverGrußwort des VerlagsÜber diese FolgeDer Mallorca Mord Club – Die SerieDie ProtagonistenTitelProlog1. Das Ende einer Partynacht2. Überstunden für die Bar3. Was Marie nicht wissen soll4. Ungewöhnlicher Besuch in Albas Boqueria5. Alba unter Verdacht6. Eine zufällige Begegnung7. Trauerparty8. Mord oder Unfall? Das ist hier die Frage9. Alba, eine Dealerin?10. Marie observiert11. Ein einseitiges Verhör12. Nicht bei der Sache13. Haftbesuch14. Christians Plan15. Ein neuer Job für Christian und Marie16. Eine Schule voller Geheimnisse17. Dummingo18. Ein Lehrer in Bedrängnis19. Christian in Gefahr20. Zwischenbilanz21. Geheimnisse im Physikraum22. Auf der Suche nach Beweisen23. Ein geheimnisvolles Treffen24. Eine Übergabe läuft schief25. In flagranti erwischt26. Albas Geheimnis wird gelüftet27. Besuch auf dem Präsidium28. Dem Kaugummi-Attentäter auf der Spur29. Schnappt die Falle zu?30. Ende gut, alles gutCocktail RezeptIn der nächsten FolgeÜber die AutorinLeseprobeImpressum

Liebe Leserin, lieber Leser,

vielen Dank, dass du dich für ein Buch von beTHRILLED entschieden hast. Damit du mit jedem unserer Krimis und Thriller spannende Lesestunden genießen kannst, haben wir die Bücher in unserem Programm sorgfältig ausgewählt und lektoriert.

Wir freuen uns, wenn du Teil der beTHRILLED-Community werden und dich mit uns und anderen Krimi-Fans austauschen möchtest. Du findest uns unter be-thrilled.de oder auf Instagram und Facebook.

Du möchtest nie wieder neue Bücher aus unserem Programm, Gewinnspiele und Preis-Aktionen verpassen? Dann melde dich auf be-thrilled.de/newsletter für unseren kostenlosen Newsletter an.

Spannende Lesestunden und viel Spaß beim Miträtseln!

Dein beTHRILLED-Team

Melde dich hier für unseren Newsletter an:

Über diese Folge

Als die Leiche des Schülers Mateo an den Klippen von Caví gefunden wird, ist die Dorfgemeinschaft erschüttert. Schnell stellt sich heraus, dass der junge Mann an einer Überdosis Drogen gestorben ist. Die Polizei will hart gegen die Drogendealer vorgehen und findet schnell eine Verdächtige: Maries Freundin Alba, die sympathische Besitzerin der Boqueria. Obwohl die Beweislast gegen die freundliche ältere Dame erdrückend ist, glauben Marie und Christian an ihre Unschuld und schmieden einen Plan: Sie ermitteln undercover in Mateos exklusiver Privatschule, in der nicht nur die Schüler eine Menge Geheimnisse haben …

Der Mallorca Mord Club – Die Serie

Traumhafte Strände, malerische Dörfer und belebte Promenaden: Auf Mallorca will sich Marie endlich ihren großen Traum von einer eigenen Bar erfüllen. Bis es soweit ist, arbeitet sie als Rezeptionistin in einem kleinen, exklusiven Wellnesshotel. Doch schon bald muss Marie feststellen, dass hinter der sonnigen Urlaubsidylle der Baleareninsel auch menschliche Abgründe lauern können. Und sie entdeckt eine neue Leidenschaft: das Lösen von Kriminalfällen!

Die Protagonisten

Um ihren Traum von einer eigenen Bar auf Mallorca zu verwirklichen, ist die 30-jährige Marie Holstein nach Mallorca ausgewandert und arbeitet an der Rezeption des Beach Residence and Spa. Sie liebt Strandspaziergänge, Cocktails und das Essen in ihrer neuen Heimat. Mit ihrer lebhaften und freundlichen Art findet sie schnell Anschluss in der Dorfgemeinschaft von Cavís. Doch ein tragischer Todesfall wirft einen Schatten auf den sonnigen Ort und Marie scheint die Einzige zu sein, die nicht an einen Unfall glaubt …

Eigentlich will der 62-jährige pensionierte Mordermittler Christian Munker nur drei Dinge: seine Ruhe haben, seine Routine beibehalten und diesen einen Fall vergessen. Aber was ihn noch mehr nervt als schief angeordnetes Geschirr, sind ungelöste mysteriöse Fälle – und Marie Holstein. Dennoch kann der neurotische Rentner nicht nein sagen, als Marie ihn um Hilfe bei der Aufklärung des rätselhaften Todes von Gertrud von Timmenbach bittet.

Der 29-jährige Santiago Navarro nimmt seinen Job sehr ernst. Nicht nur, weil ihm seine Karriere bei der Mordkommission der Policía Nacional wichtig ist, sondern auch, weil er Gerechtigkeit will. Doch sein Vorgesetzter steht ihm meist im Weg und bremst ihn aus. Beim Surfen hingegen muss sich Santiago nicht ausbremsen lassen und genießt die Zeit im Wasser und in der Sonne.

Für den neuesten Klatsch und Tratsch ist man bei Alba an der richtigen Adresse. Die sympathische Dame betreibt seit Jahren ihre Boqueria, einen kleinen Supermarkt, an der Promenade von Caví. Ihr Kaffee und ihre Baguettes erfreuen sich großer Beliebtheit.

Cassandra arbeitet ebenfalls im Beach Residence & Spa. Sie hat nicht die deutsche Gründlichkeit inne und geht die Dinge gern entspannt an. Mit ihrer frechen Art versüßt sie Marie oft die Zeit an der Rezeption. Wenn sie nicht arbeitet, entspannt sie sich gerne am Strand oder in einer Bar.

Die 49-jährige Hotelbesitzerin Yolanda Ramirez ist ein Tornado auf zwei Beinen. Wo sie hingeht, entsteht Trubel und Chaos. Besonders wichtig ist ihr der Ruf des Hotels, der so einige Male ins Wanken gerät.

Rubio Alonso ist Kriminalkommissar bei der Policía Nacional. Verbrecher jagen und über mögliche Tathergänge nachzudenken ist ziemlich anstrengend. Deshalb verbringt Rubio seine Zeit lieber in Cafés und Restaurants, wo er sich den Bauch vollschlägt oder seinen Lieblingskräuterlikör Hierbas trinkt – das Ermitteln überlässt er lieber Santiago.

A L B A S G E H E I M N I S

Prolog

Rötliche Sonnenstrahlen brannten wie Laser über die Berge von Caví. Der Himmel über Mateo war noch immer wolkenlos, während das Blau in Lila verschwamm, als malte jemand mit Wasserfarben über eine Leinwand. Unter ihm rauschten die Wellen und krachten gegen die Felsen, auf denen sie standen. In Mateos Ohren pulsierte der Bass, der aus dem Gettoblaster dröhnte. Lachen und Gespräche seiner Klassenkameraden mischten sich hinein. Der Geruchsmix von Bier, Zigaretten, Joints und Parfum übertünchte den Geruch des Meeres.

Lächelnd trank Mateo einen Schluck von seinem Wodka-Gemisch, um die Tablette herunterzuspülen, die auf seiner Zunge ruhte. Gleich würde er eine weitere nehmen, wie fast jeder hier, um diesen kribbelnden Zustand der freudigen Ekstase zu erreichen.

»Conejos« hieß die neuartige Droge, die an der Escuela Privada de Santa María, einer Privatschule in Caví, vertickt wurde. Nahm man eine, erreichte man einen Zustand der vollkommenen Konzentration. Dosierte man die Tabletten leicht über, wirkte sie stimmungsaufhellend, aufputschend, psychedelisch.

Mateo ließ den Blick über die tanzenden Frauen und Männer schweifen. Er nahm die zweite Tablette und tanzte mit hocherhobenen Armen zum Beat. Sie jubelten. Während sie alle den Druck der Schule und der Erwartungen von sich abstreiften wie nasse Wäsche, brach die Nacht über sie herein. Nun tanzten sie gemeinsam mit den Flammen des Lagerfeuers Stunde um Stunde.

Inzwischen hatten die Tabletten ihre volle Wirkung entfaltet, und Mateo fühlte sich, als könnte er Bäume ausreißen. Er bewegte sich so schnell zur Musik, dass sein Herz raste, und grölte mit den Jungs um die Wette, als er plötzlich mit jemandem zusammenstieß.

»Sorry, Mann«, nuschelte Mateo und klopfte dem Typen aus seiner Parallelklasse grinsend auf die Schulter. Er konnte sich in diesem Moment einfach nicht an seinen Namen erinnern. Gab es das? Durch die Droge sprangen seine Gedanken wie Flummis durch seinen Kopf. Eigentlich wusste er seinen Namen ganz genau! Sie kannten sich schließlich. Mateo mochte ihn aber nicht sonderlich, das wusste er. Immer wollte dieser Idiot in allem besser sein als er.

Durst. Er hatte Durst. Seine Kehle brannte wie Feuer. »Hey, danke für den Drink.« Er schnappte sich den Becher, den sein Mitschüler in der Hand hielt, und kippte die Flüssigkeit seine Kehle hinunter.

Gin. Irgendwas mit Gin. Nicht seine bevorzugte Wahl, aber er hätte gerade literweise davon trinken können.

»Mann, Mateo, was soll der Scheiß? Das war für Valeria gedacht!«

»Sorry, ich –«, stammelte er.

»Du bist echt so ein Idiot!«

Plötzlich wurde alles dunkel.

Irgendwann fand er sich am Rand der Klippen wieder. Es fühlte sich an, als hätte man ihn hierher gebeamt. Wie war er hierhergekommen? Ein Schmerz pochte in seinem Kiefer. Mit seinen Händen massierte er sich die schmerzende Stelle. Ein Filmriss?

Dann bemerkte er, dass er bedrohlich nah am Abgrund stand und schwankte. Nur schemenhaft konnte er in der urplötzlich über ihn hereingebrochenen Dunkelheit die Felsen und schäumenden Wellen wahrnehmen. »Wow.« Er hörte die eigene Stimme nur noch verzerrt.

Sein Herz raste wie verrückt, während sein Geist von einer bleiernen Müdigkeit geplagt wurde. Er stolperte zurück und legte sich auf einen Stein. Einige Meter von ihm entfernt war die Party noch immer im Gange. Verschwommen sah er die Flammen in den Nachthimmel züngeln. Die Schatten der Feiernden tanzten um die Feuerstelle.

Seine Lider wurden schwer. Sein Herz schmerzte. Schlafen. Nur ein bisschen schlafen würde er.

1.Das Ende einer Partynacht

Santiago Navarro blickte die steile Felsformation hinab. Unter seinen Füßen brandete das dunkelblaue Meer, umspülte die spitzen Steine und schlug schäumend gegen die Felswand.

Der Februarwind hatte an diesem Tag aufgefrischt. Obwohl es noch immer mild war mit fünfzehn Grad, bevorzugte Santiago bei diesem Wetter ein langärmliges Hemd und eine leichte Jacke. Das Säuseln und Jaulen des Windes vermischte sich mit dem Rauschen des Wassers unter ihm, während die Wolken über seinen Kopf hinwegjagten.

Eine Möwe glitt im Luftstrom dahin und kreischte, während sie geschickt die Balance hielt, um dann im Sturzflug auf das Wasser niederzusausen.

Perfektes Surfwetter, dachte Santiago und ließ den Blick sehnsüchtig zum Strand schweifen, wo nur ein paar Touristen in Richtung Berge spazierten.

»Santiago?« Die Stimme seiner Kollegin Beatriz Sanchez von der Policía Local erklang hinter ihm.

Santiago wandte sich um.

Die Frau mittleren Alters schaute ihn fragend an. Sie sah älter aus. Ihre Haut schien von der vielen Sonne in Mitleidenschaft gezogen worden zu sein. Viele zarte Falten furchten ihr Gesicht. Die braunen, mit grauen Strähnen durchzogenen Haare hatte sie zu einem Knoten zusammengefasst. »Es ist noch ein Stück«, sagte sie und nickte in Richtung Strand, weg vom Meer.

Santiago blickte sich um. Er wartete auf Rubio Alonso, seinen Vorgesetzten und Teamkollegen, der sich schnaufend einen Weg über das unwegsame, mit Wildkräutern bewachsene Land bahnte. Immer wieder hielt er an, um die Hose über seinen beachtlichen Bauch zu zerren.

Hinter ihm folgten die Rechtsmedizinerin Dr. Reyes sowie eine Entourage der Spurensicherung, bewaffnet mit großen silbernen Koffern und Kameras.

Santiago wartete, bis Rubio sich ihm ein wenig genähert hatte, ehe er der Kollegin Sanchez weiter folgte. Sie hatte die Verwüstung oder Vermüllung mehrere Meter hinter ihnen auf Fotos dokumentiert, die offenbar eine feiernde Meute in der letzten Nacht hinterlassen hatte.

Als Beatriz Sanchez das Gelände jedoch weiträumig abgelaufen war, hatte sie einen grausamen Fund gemacht und Santiago und seinen Chef von der Policía Nacional verständigt.

Seine Kollegin blieb nun stehen. Unter ihren Füßen sackte der Fels ab und bildete so eine natürliche Stufe von ungefähr einem Meter Tiefe. Ihre braune Haut wirkte nun grau, als sie mit dem Finger auf den Leichnam deutete. »Ich dachte erst, dass der Junge nur seinen Rausch ausschläft«, begann sie und atmete schwer. »Als ich ihn dann aber wach rütteln wollte, habe ich schon gemerkt, dass er nicht bei Bewusstsein ist.«

Sie fuhr sich durch das Gesicht, auf dem sich nun Schweißperlen bildeten. Sie konnte den Blick offenbar nicht von dem Jungen wenden. »Ich habe nach seinem Puls gefühlt. Da war keiner … u-und er fühlte sich auch schon recht kalt und steif an.«

Santiago nickte. Mit einem Gefühl der Schwere auf der Brust blickte er auf den Jungen hinab. Er lag auf dem Rücken. Seine Augen waren geschlossen, ebenso wie der Mund. Es wirkte tatsächlich so, als schliefe er. »Du hast ihn also berührt? Hast du ihn anderweitig bewegt?«

Beatriz Sanchez nickte. »Ja, als ich gemerkt habe, dass er von meinem Rütteln nicht aufwacht, habe ich ihn auf den Rücken gedreht. Er lag ursprünglich seitlich in Embryo-Haltung.« Sie schluckte. »Ich dachte erst, ich müsste ihn wiederbeleben, aber da habe ich schon gemerkt, dass da nichts mehr zu machen ist.« Sie schlug traurig die Lider nieder. »Er war noch so jung.«

Santiago atmete schwer ein. »Ja, das war er.« Trotz des Schmerzes, den dieser Fund in ihm auslöste, wahrte Santiago die Ruhe. Sosehr ihn vor allem junge Opfer aufwühlten, musste er als Ermittler vor Ort fokussiert bleiben, um nichts zu übersehen. Kein Hinweis, kein Beweisstück durfte unentdeckt bleiben.

Hinter ihm erklang ein Schnaufen. Rubio hatte ihn also eingeholt. »Wo ist der Tote denn?« Suchend sah er sich um.

Santiago wies wortlos mit dem Kopf zu dem Jungen.

»Ah.« Rubios Miene blieb ungerührt. »Tja. Der hat wahrscheinlich zu tief ins Glas geschaut.« Er zuckte mit den Schultern.

Manchmal glaubte Santiago, dass Rubio Alonso diese Dinge absolut kaltließen. Oder – und das war die sympathischere Erklärung – er wahrte seine Professionalität, indem er keine Emotionen zeigte … Allerdings vermutete Santiago eher, dass er kaum zu Empathie fähig war. Davon abgesehen zog Rubio meistens voreilige Schlüsse, blieb jedoch starrsinnig bei der einmal gefassten Meinung, bis die Fakten etwas anderes belegten, und »ermittelte« lieber in Restaurants bei ein paar Gläsern hierbas, dem hier auf Mallorca beliebten Kräuterschnaps.

»Das wissen wir doch noch nicht«, erwiderte Santiago nun und bahnte sich an der Seite der Rechtsmedizinerin einen Weg zu dem Leichnam.

Über ihnen begannen die Kollegen von der Spurensicherung, Fotos zu schießen.

Während Santiago abwartete und Rubios viel zu lauten Atem zu ignorieren versuchte, ließ er Dr. Reyes ihre Arbeit machen. Dabei schaute er sich interessiert um.

Einige Meter weiter zeugte eine regelrechte Müllhalde um ein abgebranntes Lagerfeuer von der Party, die hier offenbar in der letzten Nacht stattgefunden hatte. Dieser Ort hier war aber frei von extremen Verschmutzungen. Eine Süßigkeitentüte hatte sich in einer gelben Wildblume verfangen und knisterte im Wind. Zu Santiagos Füßen lagen Zigarettenstummel. Die hatten sich jedoch schon so weit zersetzt, dass zu vermuten war, dass sie hier schon einige Zeit lagen. Nichts Brauchbares also.

Er blickte sich um, begutachtete die Stelle, wo gefeiert worden war. Hatte niemand bemerkt, dass einige Meter entfernt jemand gestorben war? Ein bitterer Geschmack breitete sich auf seiner Zunge aus. Wahrscheinlich nicht. Ab irgendeinem Zeitpunkt waren die Feiernden sicherlich berauscht gewesen, und nachts wurde es hier sehr dunkel. Und der Leichnam lag recht weit von der Feuerstelle entfernt. Er würde es in Erfahrung bringen, sobald sie Zeugen aufgetrieben hatten, die auf der Party gewesen waren.

Jetzt konzentrierte er sich erst einmal auf die Rechtsmedizinerin, die den Leichnam umsichtig untersuchte und dabei in ein Diktiergerät sprach. Er beobachtete, wie sie einige Gegenstände aus der Hosentasche des Mannes zog und in Asservatenbeutel verfrachtete. Danach erhob sie sich und wies ihren Assistenten an, den Leichnam abzudecken. Darüber war Santiago froh, denn einige Meter über ihnen auf den Klippen hatten sich bereits ein paar Schaulustige versammelt, die ihre Köpfe zu ihnen herüberreckten.

Seufzend kam Dr. Reyes auf Santiago zu, wobei sie die weißen Latexhandschuhe von ihren Händen zog. »Guten Tag, die Herren«, begrüßte sie Santiago und Rubio. Ihr rostbraunes Haar war zu einem hohen Zopf zusammengefasst. Sie war jung. Ein knappes Lächeln zuckte über ihre Lippen.

Rubio trat ungeduldig von einem Bein aufs andere. »Wo ist Dr. Gonzalez?«, murrte er.

Dr. Reyes’ Blick schnellte zu Rubio. Ihre Augen verengten sich. »Er ist momentan im Urlaub.« Kurz schwieg sie, als wartete sie auf eine Reaktion von Rubio. »Haben Sie damit irgendein Problem?«

Rubio Alonso mahlte mit dem Kiefer und rieb sich mit der Hand über die lichten Haare. »Nein. Nein, kein Problem. Normalerweise haben wir es mit Dr. Gonzalez zu tun, und ich weiß ja nicht, wie Sie so arbeiten. Schließlich sind Sie … äh …«

Dr. Reyes hob eine Braue. »Eine Frau?« Sie legte den Kopf schief und setzte ein Lächeln auf, das Rubio hätte zu Stein erstarren lassen, wäre er von sensiblerem Gemüt gewesen. »Keine Sorge. Ich habe die gleiche Laufbahn wie Dr. Gonzalez durchlaufen.«

Rubio brummte etwas Unverständliches, zog seine Hose einmal mehr am Gürtel nach oben und schnaubte. »Gut. Dann schießen Sie mal los, Frau Dr. Reyes.«

Santiago warf der Medizinerin einen entschuldigenden Blick zu. So viel zum Thema »Professionalität«! Allerdings konnte Santiago das Gefühl der Genugtuung nicht ignorieren, das er empfand, weil die Gerichtsmedizinerin Rubio so unmissverständlich in die Schranken gewiesen hatte.

Dr. Reyes beließ es dabei, wandte sich beim Sprechen nun aber demonstrativ Santiago zu. »Der Todeszeitpunkt ist schwer einzugrenzen. Die Totenstarre, rigor mortis, ist bereits fortgeschritten, aber noch nicht vollständig ausgeprägt. Livores, Totenflecke, sind seitlich am Körper nachweisbar. Ich gehe davon aus, dass er auf der Seite gelegen hat, als er gestorben ist.«

Santiago nickte. »Ja, Señora Sanchez hat mir bereits berichtet, dass sie den Toten bewegt hat.«

Rubio schnaubte empört auf. »Das ist ja ungeheuerlich! Lernen die bei der Policía Local denn heutzutage gar nichts mehr? Die verunreinigt hier ja alles.«

»Wir wissen doch noch gar nicht, ob es sich um ein Fremdverschulden handelt«, gab Santiago zurück und wünschte sich einmal mehr, dass sein Kollege sich zur Siesta in ein Lokal verziehen und ihn in Ruhe seiner Arbeit nachgehen lassen würde.

»Wie auch immer«, mischte sich Dr. Reyes ein, bevor Rubio etwas entgegnen konnte. »Die Livores bestätigen die Aussage der Kollegin, dass sie ihn auf der Seite wie einen Schlafenden aufgefunden hat. Die Totenflecke sind allerdings noch wegdrückbar. Das sind sie bis zu zwanzig Stunden nach Einsetzen des Todes. Und da die Totenstarre nach etwa acht Stunden vollständig ausgeprägt ist und das hier aber noch nicht der Fall ist, gehe ich davon aus, dass der Junge so ungefähr sechs bis sieben Stunden tot ist. Aufgrund der Leichenstarre lässt sich der Todeszeitpunkt auf ungefähr zwei oder drei Uhr morgens schätzen. Es gibt aber keine äußerlichen Auffälligkeiten. Vielleicht wird die Obduktion noch etwas offenbaren. Über die Todesursache kann ich also gerade nur spekulieren. Doch das hier –« Sie hielt einen der zwei Asservatenbeutel in die Höhe. Darin erkannte Santiago eine Papiertüte, daneben eine kleine Plastiktüte mit rosafarbenen Pillen darin. »– könnte schon einmal ein Hinweis auf eine mögliche Todesursache sein.«

Santiago rieb sich über den Bartschatten an seinem Kinn. »Eine Überdosis?«

Dr. Reyes wiegte mit nachdenklicher Miene den Kopf. »Möglich. Ich lege mich ungern fest, bevor ich keine genauere Untersuchung vornehmen konnte.«

Rubio gab einen grunzenden Laut von sich, klappte seinen Notizblock zu und hob die Brauen. »Dann ist der Fall doch klar: Der Junge hat sich entweder tot gesoffen oder ist an ’ner Überdosis gestorben. Oder er hatte zu viel von beidem.« Er drehte sich um sich selbst und betrachtete die Kollegen der Spurensicherung, die bereits Fotos von der Umgebung schossen und auch den Ort um das Lagerfeuer herum genauer unter die Lupe nahmen. »Ich bezweifle, dass ihn jemand gezwungen hat, Drogen und Alkohol zu sich zu nehmen.« Er rieb sich die Hände.

Santiago musterte seinen Vorgesetzten. »All das wissen wir doch noch überhaupt nicht. Wir müssen erst einmal die Untersuchung abwarten und herausfinden, wer alles auf der Party war. Vielleicht hat ja auch jemand mitbekommen, dass es ihm schlecht ging, und hat ihm nicht geholfen. Das allein wäre schon ein Verbrechen.«

Rubio verdrehte gelangweilt die Augen.

»Außerdem –«, fuhr Santiago fort, nahm die Plastiktüte entgegen und begutachtete die kleinen Pillen genauer, »– sind das mit hoher Wahrscheinlichkeit die Drogen, die momentan hier im Umlauf sind. Conejos. Es wurden schon einige Jugendliche mit einer Überdosis im Krankenhaus behandelt. Viele Eltern sind besorgt und berichten, dass diese Droge vor allem an den Schulen grassiert.«

Rubio verzog das Gesicht. »Davon höre ich zum ersten Mal.«

Santiago presste die Lippen aufeinander. Seine Nasenflügel bebten, als er sich bemühte, tief einzuatmen. Wenn du nicht den Großteil deiner Arbeitszeit bei Schnaps und Essen verbringen würdest, wüsstest du, welche Fälle auf unseren Tischen liegen, dachte Santiago. Doch sein Kollege warf meistens nur einen müden Blick in die Akten, ehe er sie auf Santiagos Tisch bugsierte, damit der sich darum kümmerte.

Und Santiago nahm seinen Job ernst. Er hatte bereits mehrere Fälle aus dem Aktenstapel mit ebendieser Droge in Verbindung bringen können. Bei den Ermittlungen war er aber noch nicht wirklich weit gekommen. Die im Krankenhaus behandelten Jugendlichen schwiegen und verrieten nicht, von wem sie die Drogen gekauft hatten. Nun war es aber der erste Todesfall, der höchstwahrscheinlich zulasten dieser Conejos ging, was die Dringlichkeit erhöhte, Licht in das Dunkel zu bringen.

Santiago wandte sich wieder an Dr. Reyes, die ihn mit einem vielsagenden Gesichtsausdruck bedachte. »Danke«, sagte er.

»Gern. Sobald ich mehr weiß, melde ich mich.« Sie hielt ihm den zweiten Asservatenbeutel hin. »Das sind die persönlichen Gegenstände des Jungen.« Sie schluckte. »Werft einen Blick hinein. Dann wisst ihr vielleicht, um wen es sich handelt.«

Santiago nickte, nahm dankend den Beutel entgegen und betrachtete das Smartphone und das Portemonnaie. Sicherlich würde er darin einen Ausweis finden. Santiago seufzte. Dann würde er den Eltern dieses Jungen die schreckliche Nachricht überbringen müssen, dass ihr Sohn nicht mehr lebte.

Er atmete gegen die Schwere auf seiner Brust an und hielt die Nase in den salzigen Wind. Sein Blick lag auf der Bucht von Caví, wo einige Kinder am Wasser spielten, immer unter den aufmerksamen Blicken ihrer Eltern.

Das Meer schimmerte in allen erdenklichen Blautöten und strahlte mit dem Blau zwischen den Wolken um die Wette.

2.Überstunden für die Bar

»Haben Sie einen schönen Abend«, wünschte Marie einer jungen Frau, die sich von ihr an der Rezeption Restaurant- und Bar-Empfehlungen im Ort hatte geben lassen.

Nun lief sie in den Abend hinaus, wobei das Platschen ihrer Flip-Flops in der Lobby widerhallte. Sie verschwand im grünen Vorgarten-Dschungel, der vom goldenen Licht der untergehenden Sonne geflutet wurde.

Marie seufzte und wandte sich zu ihrer Kollegin Sara um, die ganz zerstreut Rechnungen sortierte. »Ich mache dann jetzt Feierabend, ja?« Maries Füße schmerzten von der heutigen Schicht im Hotel Beach Residence & Spa. »Kommst du klar?«

Sara blickte auf wie ein aufgeschrecktes Häschen und tupfte sich über die von Schweißperlen überzogene Stirn. Nervös pustete sie sich eine braune Haarsträhne aus der Stirn, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatte. Die Kollegin war schnell gestresst und auch ein wenig schusselig. »Was? Äh ja, ja, natürlich. Du hast doch heute so viele Überstunden gemacht. Geh nur.« Sie klappte den Ordner mit den Rechnungen zu. »Äh, Marie, wie war das noch einmal? Jeder, der in den nächsten Wochen bucht, bekommt noch einmal was?«

Marie lächelte. Eigentlich waren sie das heute schon mehrmals durchgegangen. Aber sie wiederholte es gerne noch einmal. »Also. Jeder Hotelgast, der in den nächsten zwei Wochen über unsere Website bucht – nur über die Website –, bekommt zwei Tage gratis im Spa und darf drei Anwendungen aus den Bereichen ›Beauty-Behandlungen‹, ›Massage‹ und ›Schlammbad‹ wählen.«

Das waren die Aktionen, die Marie und ihre Lieblingskollegin Cassandra der Hotelchefin Yolanda Ramirez vorgeschlagen hatten, um nach den Ereignissen der vergangenen Zeit wieder mehr Gäste anzulocken. Die letzten negativen Schlagzeilen um Mordfälle im und im Umfeld des Hotels hatten sich bei den Buchungen negativ niedergeschlagen, und mit diesen Maßnahmen und weiteren wollten sie wieder in der Öffentlichkeit punkten.

Sara nickte und blickte gen Decke, als versuchte sie, sich genau die Worte einzuprägen, die Marie gerade benutzt hatte.

Marie schulterte ihre Tasche und nahm ihren Rollerschlüssel, als sie noch einmal innehielt. »Vielleicht schreibst du es dir einfach auf? Dann brauchst du dir deshalb schon mal gar keinen Stress mehr zu machen.«

Sara schreckte wieder auf. »Ja, gute Idee.« Hektisch reckte sie sich nach einem Post-it-Block, der auf dem Tresen lag. Weil Sara sehr klein und gedrungen war, reichte sie nicht ganz heran. Bevor Marie ihr helfen konnte, zog sie den hohen Bürostuhl näher, kniete sich darauf, wackelte bedrohlich und erwischte dann die gelben Klebezettel. Sofort kritzelte sie etwas auf den obersten Notizzettel. Dann blickte sie lächelnd auf. »Danke, Marie.«

»Gern«, antwortete sie und verschwand dann in ihren wohlverdienten Feierabend. Sie hatte in den letzten Wochen immer wieder Überstunden gemacht, um etwas mehr Geld für die Bar zur Seite legen zu können, die sie hier auf Mallorca eröffnen wollte. Das war seit Langem ihr großer Traum, und aus diesem Grund war sie vor einiger Zeit aus Deutschland auf die Insel übergesiedelt.

Marie trat in den milden Februarabend und hielt kurz inne, damit ihre von Sommersprossen übersäte Haut die goldenen Sonnenstrahlen aufsaugen konnte. Eine Brise streichelte durch ihre blonden Haare. Sie hatte den Zopf gelöst, sodass ihr einige Strähnen in die Stirn fielen.

Mauzend strich ihr Tequila um die Beine, eine der Hotelkatzen, die ihre besonderen Lieblinge waren. Lächelnd bückte Marie sich, um den rot getigerten Kater hinter den Ohren zu kraulen. Das Plätschern des Brunnens erfüllte die Stille des Hotelgartens.

Dieser betörte mit kräftigen Grüntönen. Die Bougainvillea kletterte, zu dieser Jahreszeit ohne ihre pinke Blütenpracht, die Mauer entlang. Nur die Orangen- und Zitronenbäume, die sich ihren Platz mit den knorrigen Olivenbäumen teilten, waren von weißen Blütentupfern übersät. Ihr zitroniger Duft strich Marie um die Nase.

Seufzend verließ sie den Garten und spielte mit dem Rollerschlüssel in ihrer Hand. Ihr gelber Roller hob sich leuchtend gegen die weiße Mauer des Hotels ab.

Stotternd röhrte der Motor auf, nachdem Marie sich den Helm aufgesetzt und den Zündschlüssel gedreht hatte.

Heute freute sie sich besonders auf ihren Feierabend. Als sie gerade losfuhr, kündigte ein Klingeln eine eingehende Nachricht auf ihrem Handy an. Die würde sie gleich lesen, wenn sie angekommen war …

Röhrend folgte der Roller der Straße, über die sich die Pinienbäume bogen und eine Art Tunnel schufen. Die goldenen Sonnenstrahlen brachen durch die Äste und Nadeln und warfen einen Flickenteppich aus Licht und Schatten auf die Fahrbahn. Die Lichtpunkte tanzten über den Asphalt. Der kühle Fahrtwind strich Marie um das Gesicht und trug den Duft der Fichten mit sich.

Als sie aus dem Tunnel aus Bäumen auf die Hauptstraße fuhr, die durch den kleinen Ort Caví führte, blickte sie über die Tondächer, hinter denen sich das blaue Meer erstreckte. Die Sonnenstrahlen der tief stehenden Sonne flossen wie flüssiges Gold über die Berge und glitzerten auf den Wellen.

Marie bog in eine Gasse und wich einem roten Fahrrad und einer hellblauen Vespa aus, die an den Hauswänden geparkt waren. Am Ende der Gasse befand sie sich bereits am unteren Ende der Promenade, die zum Strand führte. Marie parkte den Roller, zog sich den Helm vom Kopf und sah sich um.

Der Wind war rau und kühl, zerrte an ihren Haaren. Marie betrachtete die Wellen, die an den Strand rauschten, über den Sand schwappten und sich dann schäumend wieder zurückzogen.

Wenn sie daran dachte, dass sie dort gleich Surfen lernen würde, fröstelte es sie. Sie zog den Neoprenanzug, den sie sich angeschafft hatte, aus dem kleinen Fach unter dem Sitz ihres Rollers. Der Anzug machte es möglich, in das eiskalte Wasser zu gehen.

Marie warf sich den Neoprenanzug über die Schulter und schlenderte durch den Sand. Sie sah sich um. Santiago Navarro, mit dem sie hier verabredet war, war noch nicht da.

Sie zog ihr Handy hervor und checkte die Nachrichten. Tatsächlich war die SMS, die vorhin eingegangen war, von Santiago. Stirnrunzelnd öffnete Marie sie.

Hey, Marie. Ich hoffe, es geht dir gut. Es tut mir total leid. Ich muss unser Treffen für heute absagen. Mir ist ein brenzliger Fall dazwischengekommen. Ich melde mich.

Santiago

Marie gelang es nicht ganz, das bohrende Gefühl der Enttäuschung zu ignorieren. Schweren Herzens blickte sie auf die Nachricht, dann aufs Meer. Sie hatte Verständnis für Santiagos Situation. Polizeiliche Ermittlungen hatten vor dem Privatleben nun einmal Vorrang. In was für einen Fall er wohl gerade hineingeraten war?

Dennoch lastete die Enttäuschung über seine kurzfristige Absage schwer auf ihrer Brust. Seufzend ließ sie sich in den kalten Sand fallen. Marie spielte mit ihrem Handy und beschloss, Ebru anzurufen. Sie brauchte jetzt das offene Ohr ihrer besten Freundin in Deutschland.

3.Was Marie nicht wissen soll

Santiago hasste es, in der Pathologie vorbeizuschauen. Alles war steril und kalt. Der Geruch nach Desinfektionsmittel war allgegenwärtig. Auch heute. Dazwischen waberte der eisenhaltige Hauch von Blut. Doch da drängte sich ihm noch etwas anderes auf. Etwas, was ihn an die Ausdünstung von rohem Fleisch, das etwas zu lange in der Auslage gelegen hatte, erinnerte. Santiago war sich sicher, dass er sich nie daran gewöhnen würde.

Die Kälte kroch an ihm empor, und er fragte sich kurz, ob diese von der hier herrschenden niedrigen Raumtemperatur oder dem anwesenden Tod herrührte. Er schüttelte sich. Ja, er hasste es hier geradezu!

Vor allem, wenn er eigentlich am Strand sein sollte. Mit Marie und seinen Surfbrettern, um ihr das Surfen beizubringen. Dass er ihr hatte absagen müssen, nagte an ihm. Er genoss die Zeit mit ihr immer sehr. Wenn aber die Spuren in einem Fall noch heiß waren, musste er diese Überstunden einlegen, sonst würde es ihn die ganze Nacht wach halten.

Allerdings war das nicht der einzige Grund gewesen, warum er Marie abgesagt hatte. Ein Beweisstück, das er bei dem Toten gefunden hatte, bereitete ihm besonders Bauchschmerzen. Gerade fühlte er sich nicht bereit, dieses Detail mit Marie zu teilen – und er würde es wahrscheinlich mit ihr teilen, würden sie sich treffen.

»Danke, dass Sie die Obduktion des Jungen vorgezogen haben.« Santiago verschränkte die Arme vor der Brust, die Akte in einer Hand, während er auf den mit einem weißen Tuch abgedeckten Körper blickte.

Dr. Reyes kritzelte noch etwas auf einen Zettel auf ihrem Klemmbrett, wobei ihr rostbrauner Zopf hin und her wippte. »Das mache ich gern. Es ist ja wichtig, dass wir hier schnell Erkenntnisse gewinnen.« Sie ließ die Miene des Kugelschreibers in die Hülle schnappen, dann sah sie sich mit erhobenen Brauen um. »Wo ist denn Ihr … charmanter Kollege?«

Santiago musste angesichts des Sarkasmus schmunzeln. »Der ist pünktlich in den Feierabend gegangen.«

»Wie vorbildlich!« Sie unterzog Santiago einer kurzen Musterung über den Rand ihres Schreibbrettes hinweg. »Würde Ihnen auch guttun.«

Er seufzte. »So lösen sich aber keine Fälle.«

Dr. Reyes wiegte den Kopf und machte eine letzte Notiz, ehe sie das Klemmbrett sinken ließ. »Mag sein.« Sie sah ihn erwartungsvoll an. »Bereit?«

Santiago nickte beklommen. Sein Blick wanderte auf den Metalltisch mit dem toten jungen Mann. Nur seine Zehen lugten unter dem Tuch hervor. In der Brise der Lüftung, die durch den Raum ging, baumelte der Zettel, der daran hing.

Mateo Lima. Der Name hatte auf dem Ausweis gestanden, der in der sichergestellten Geldbörse gesteckt hatte. Das Geld war noch darin gewesen. Mit einem Raubmord hatten sie es also aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zu tun.

Noch am Nachmittag waren Santiago und Rubio zu seinen Eltern gefahren. Sie lebten im Villenviertel von Caví. Eine abgeschlossene Wohnanlage, zu der das »einfache Volk« und vor allem die Touristen keinen Zugang hatten.

Sie hatten den Limas die Nachricht vom Ableben ihres Sohnes überbringen müssen. Das war ebenfalls etwas, was Santiago an seinem Job zutiefst hasste. Es brach ihm jedes Mal aufs Neue das Herz, wenn er eine Mutter und einen Vater um ihr Kind weinen sah. Aber gleichzeitig zog er daraus auch Kraft und Motivation, die teils mysteriösen Todesumstände aufzuklären.

»Also«, begann Dr. Reyes, tippte mit dem Kugelschreiber auf das Klemmbrett und riss damit Santiago aus dem Sumpf seiner Gedanken. »Den Todeszeitpunkt kann ich auf ungefähr drei Uhr eingrenzen – plus/minus eine Stunde.« Sie atmete einmal tief ein. »Eine äußerliche Fremdeinwirkung schließe ich nach wie vor aus. Es waren keine nennenswerten äußeren Verletzungen nachweisbar. Ich vermute jedoch, dass der Junge mit jemandem in Streit geraten ist. Er hat ein Hämatom am Kiefer, das er sich nachweislich ante mortem zugezogen hat. Sehr wahrscheinlich rührt es von einem Schlag her. Hat aber nichts mit der Todesursache zu tun.«

»Interessant«, sagte Santiago. Sollte die Ermittlung in Richtung Mord laufen, konnte die Auseinandersetzung einen Hinweis auf den Täter geben. »Woran ist der Junge dann gestorben?«, hakte Santiago nach und notierte sich die wichtigsten Stichpunkte auf seinem Notizblock.

Dr. Reyes’ Blick verdunkelte sich. »Atem- und Herzstillstand, verursacht durch eine Drogen-Überdosis. Einer der Hauptbestandteile dieser neuartigen Designerdroge Conejos ist Methylphenidat, ein Stoff, den man beispielsweise auch in Ritalin findet. Prinzipiell bin ich etwas überrascht, dass sie nicht schon mehr Todesopfer gefordert hat. Die Droge ist eine tickende Zeitbombe, weil sie aus beruhigenden Substanzen und aufputschenden Amphetaminen zusammengepanscht wurde.«

Santiago sah sie fragend an. »Wie genau wirkt sie?«

Dr. Reyes wiegte den Kopf. »Na ja, der Konsument ist euphorisch, aufmerksam und kann sich besser konzentrieren. Er wird aber auch risikobereiter, was vielleicht hier den Streit erklärt.« Sie machte eine kurze Pause. »Der Körper reagiert auf Amphetamine mit erhöhtem Blutdruck und beschleunigter Puls- und Atemfrequenz. Anxiolytika hingegen wirken muskelentspannend und schlaffördernd, was erklären könnte, warum der Junge müde wurde. Dass es so war und er sich etwas abseits der Party hingelegt hat, lässt die Auffindesituation vermuten.«

Dr. Reyes blickte auf ihr Klemmbrett, hob einen Zettel an, als wollte sie sicherstellen, dass sie keine Fakten zu erwähnen vergaß. »Wir haben diese Conejos ja schon mehrfach in den letzten Fällen untersucht. Die Kids nehmen sie beispielsweise für schulische Zwecke, um sich besser konzentrieren zu können und aufnahmefähiger zu sein. Und wir kennen die Wirkung von Conejos, wenn man sie überdosiert. Dann ist es eine Partydroge, die aufputscht.«

Die Rechtsmedizinerin seufzte. »In Mateo Limas Fall war die Überdosierung einfach zu viel für sein Herz-Kreislauf-System. Wenn Sie es sich bildlich vorstellen wollen: Sein Herz ist erst einen Marathon gelaufen und dann abrupt stehen geblieben. Der Alkohol hat sein Übriges dazugetan. Limas Blutalkoholgehalt lag bei fast zwei Promille. Und dazu die Conejos …« Traurig blickte sie auf den Toten vor ihnen. »Es ist ein echtes Teufelszeug.«

Santiago nickte langsam. »Ja«, stimmte er zu und rieb sich müde über das Gesicht. »Leider haben wir noch nicht herausgefunden, wer diese Pillen verkauft. Die Jugendlichen schweigen sich dazu aus, und die Eltern des toten Jungen wollen nichts von seinem Konsum gewusst haben.«

Die Pathologin seufzte. »So ist es ja oft.«

»Ja, stimmt. Aber die beiden haben wirklich vehement abgestritten, dass ihr Sohn freiwillig Drogen konsumiert hat.«

Dr. Reyes hob interessiert die Brauen und verschränkte die Arme vor der Brust, während sie sich an die Unterschränke mit der Arbeitsfläche hinter ihr lehnte. »Also gehen die Eltern von einem Tötungsdelikt aus?«

Santiago bejahte.

»Der Schlag ins Gesicht ante mortem könnte natürlich auf einen Streit beziehungsweise einen Schlag ins Gesicht kurz vor seinem Tod hindeuten.«

»Aber vielleicht steckt dahinter auch mehr die Sorge um den Ruf der Familie.« Santiago wusste, wie unsensibel diese Aussage klang, doch das war der Eindruck, den er in Mateo Limas Elternhaus gewonnen hatte. »Schließlich sind die Conejos