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Jens und Jeremy setzen seit Jahren auf emotionale statt körperliche Treue. Daher ist Jeremy auch nicht verärgert, als Jens mit seinem neuen Kollegen Felipe im Bett landet und anschließend eine Nacht zu dritt vorschlägt. Doch was eigentlich nur als heißes Intermezzo gedacht war, entpuppt sich schnell als Zerreißprobe für ihre Beziehung. Denn Felipe hat es sich offenbar in den Kopf gesetzt, wenigstens einen der beiden Männer für sich zu gewinnen. Und obwohl Jeremy ahnt, was er aufs Spiel setzt, fällt es ihm zunehmend schwer, sich Felipes einnehmender Art zu entziehen. ~~~~~ Band 1 der zweiteiligen Reihe rund um Jens & Jeremy. Beide Bände können unabhängig voneinader gelesen werden.
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Ein Roman von Svea Lundberg
Jens und Jeremy setzen seit Jahren auf emotionale statt körperliche Treue. Daher ist Jeremy auch nicht verärgert, als Jens mit seinem neuen Kollegen Felipe im Bett landet und anschließend eine Nacht zu dritt vorschlägt. Doch was eigentlich nur als heißes Intermezzo gedacht war, entpuppt sich schnell als Zerreißprobe für ihre Beziehung. Denn Felipe hat es sich offenbar in den Kopf gesetzt, wenigstens einen der beiden Männer für sich zu gewinnen. Und obwohl Jeremy ahnt, was er aufs Spiel setzt, fällt es ihm zunehmend schwer, sich Felipes einnehmender Art zu entziehen.
Copyright © 2018 Svea Lundberg
Julia Fränkle-Cholewa
Zwerchweg 54
75305 Neuenbürg
www.svealundberg.net
Korrektorat & Buchsatz: Annette Juretzki/ www.annette-juretzki.de
Covergestaltung:
Irene Repp/www.daylinart.webnode.com
Bildrechte:
© KIRAYONAK YULIYA /shutterstock.com
© Ankor Light/shutterstock.com
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.
Alle Rechte sind vorbehalten.
Die in diesem Buch geschilderten Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Der Inhalt des Romans sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus.
Die im Roman geschilderte Handlung sowie die auftretenden Figuren sind frei erfunden. Sollte eine Ähnlichkeit zu lebenden Personen bestehen, so ist diese rein zufällig.
Im Roman werden explizite sexuelle Handlungen zwischen Männern beschrieben. In diesem Kontext wird auch mehrfach die Prä-Expositions-Prophylaxe (kurz PrEP) thematisiert. Hierbei nehmen HIV-negative Menschen ein HIV-Medikament (meist Truvada) vorbeugend ein, um sich vor einer Ansteckung mit HIV zu schützen.
Innerhalb des hier vorliegenden Romans wird die PrEP, deren Wirksamkeit und Verwendungsweise durch die Aussagen und Handlungen der fiktiven Figuren kritisch beleuchtet. Die im Roman wiedergegebenen Meinungen entsprechen nicht zwingend der persönlichen Meinung der Autorin und sollen weder als Anwendungsempfehlung, noch als persönliche Bewertung der PrEP verstanden werden.
Jedem Menschen steht es frei, seinen Körper und seine Gesundheit auf für ihn selbst bestmögliche Weise zu schützen. Für genauere Informationen zur PrEP sollte unbedingt eine fundierte ärztliche Meinung eingeholt werden. Bei diesem Roman handelt es sich um reine Fiktion.
Für all jene,
die an die Ehrlichkeit glauben.
»Oh. My. Godness!« Jeremys Stimme tönte aufgeregt, und sicher drei Oktaven höher als üblich, durch den Flur. »They’ll marry! Oh my ... Darling! Hörst du? SIE HEIRATEN!!!«
Halb genervt und halb belustigt sah ich von meinem Stapel Klassenarbeiten auf und schaute zu meinem Freund, der soeben mein Büro stürmte. Dabei wedelte er wie wild mit einer Karte und einem Briefumschlag herum.
»Wer heiratet?«, fragte ich nach und legte den Rotstift neben mich.
»Felix und Jannis!«
»Was? Echt?« Ich sprang förmlich von meinem Schreibtischstuhl auf und riss Jeremy die Karte aus der Hand. Zweimal überflog ich die wenigen Zeilen, konnte nicht ganz glauben, was ich da Dunkelgrau auf Beige zu lesen bekam.
»Wow, am 15. Juli schon. Das sind nur noch fünf Monate«, stellte ich ein wenig ehrfürchtig fest. Jeremy gab neben mir einen kieksenden Laut von sich.
»Sag mir bitte, dass wir an dem Wochenende noch nichts vorhaben.«
Ich ließ mich zurück auf meinen Drehstuhl fallen und grinste ihn von unten herauf an.
»Ich hab nichts vor, aber du müsstest deinen Salon zumachen.« Ich wusste genau, dass ich damit Jeremys wunden Punkt traf. Er verzog das Gesicht, erklärte jedoch bestimmt: »Für die Hochzeit der beiden würde ich auch eine ganze Woche schließen. Außerdem werden die Mädels das auch mal einen Tag ohne mich schaffen.«
»Und das aus deinem Mund«, neckte ich ihn und bewirkte damit nur, dass er mir die Einladungskarte aus den Händen riss und versuchte, mir damit eine über den Schädel zu ziehen. Lachend wehrte ich seine halbherzigen Versuche ab. Ich bekam seine Hüften zu fassen und zog ihn rittlings auf meinen Schoß. Zu meiner Überraschung protestierte er nicht, sondern sah mich nachdenklich an.
»Ich bin ein Kontrollfreak, was den Salon anbelangt, hmm?«
Ich hätte ihm gerne widersprochen, doch wenn es eine Quintessenz in unserer Beziehung gab, war es Ehrlichkeit. Also nickte ich zaghaft.
»Ein bisschen, ja. Aber hey, ich weiß, wie sehr dein Herz an deinem Laden hängt und die Mädels wissen es auch.«
»Trotzdem«, erklärte Jeremy entschlossen, »am Tag der Hochzeit werden sie ohne mich auskommen müssen.«
»Und das werden sie auch. Dein Team ist spitze.« Das waren sie tatsächlich. Der Erfolg gab Jeremy und seinen Angestellten recht. Nicht umsonst ließ sich halb Köln – und darunter auch so mancher Promi – die Frisur im ›J’s Scissors‹ aufhübschen.
»Hättest du geglaubt, dass sie uns einladen?« Überrascht über den Themenwechsel sah ich Jeremy verwundert an. Er indes betrachtete versonnen das Foto von Felix und Jannis, das im Innenteil der Karte prangte und das offenbar irgendwo in den Bergen, inmitten einer Schneelandschaft, entstanden war.
»Ich hätte nicht geglaubt, dass die beiden überhaupt heiraten.«
»Echt nicht?« Auf Jeremys Lippen schlich sich ein Grinsen. »Ich schon.« Er legte den Kopf leicht schief und unterzog das Foto einer erneuten genauen Betrachtung. Ich reckte den Hals, um über den Kartenrand spähen zu können, auf der Suche nach einem Detail des Fotos, das Jeremy anscheinend so faszinierte, dass er den Blick gar nicht mehr loseisen konnte.
»Die beiden werden verdammt heiß aussehen in Anzügen«, stellte er plötzlich fest und brachte mich damit zum Lachen.
»Werden sie ganz sicher. Und ich werde dafür sorgen, dass du an dem Tag deine Finger bei dir lässt.«
Gespielt schmollend schob er die Unterlippe vor, was mich dazu veranlasste, spielerisch nach seinem Piercing zu schnappen. Lachend kam er mir entgegen und verschloss meinen Mund mit seinem zu einem sanften Kuss. Sein Becken bewegte sich wie von selbst gegen meines und entfachte wie jedes Mal ein wohliges Kribbeln in meinem Bauch und Unterleib. Wie immer funktionierten Jeremys Küsse und Nähe wie mein persönliches Aphrodisiakum.
»Komm schon«, murmelte er an meinen Lippen, »wenn wir die beiden endlich wiedersehen, könnten wir schon nochmal fortsetzen, was wir in der Karibik angefangen haben.«
»Untersteh dich! Es ist ihre Hochzeit!«
»Auf die wir unbedingt anstoßen sollten!« Schneller als ich reagieren konnte, sprang Jeremy von meinem Schoß auf. »Lass uns noch einen Abstecher ins ›2B‹ machen.«
»Jetzt?« Ich warf einen prüfenden Blick auf die Uhr. Viertel vor zehn – eigentlich eine durchaus humane Zeit, feiern zu gehen, wäre es nicht Mittwoch.
»Liz kann morgen früh den Laden aufschließen«, erklärte Jeremy, während er quer durchs Zimmer marschierte. Dabei zog er sich bereits den schlabberigen Pullover über den Kopf. »Ich hab meinen ersten Kunden erst um 11. Wollte eigentlich Papierkram machen, aber das kann auch bis zum Abend warten.«
»Schön für dich. Ich hab donnerstags bekanntlich zur Ersten.«
»Schlafen kannst du, wenn du tot bist«, meinte Jeremy ungerührt von der Tür her. Gleich darauf landete sein Pullover in meinem Gesicht.
»Mistkerl«, knurrte ich in den weichen Stoff, zog ihn mir jedoch nicht sofort vom Gesicht, sondern inhalierte zunächst eine Nase voll ›Jeremy exklusiv‹. Ich schielte zu ihm, wie er da lässig im Türrahmen lehnte, ließ meinen Blick über seinen drahtigen Torso wandern und blieb für einen Moment an den Adlerschwingen unter seinen Schlüsselbeinen hängen.
»Bitte?«
Ich stieß einen theatralischen Seufzer aus.
»Okay. Aber ich bleib nicht so lange.«
~*~
Für einen Mittwochabend war das ›Station 2B‹ gut besucht, jedoch nicht annähernd so voll wie an den Wochenenden, an denen man sich nur mit ausgefahrenen Ellbogen oder übermäßig viel Körperkontakt durch die Mengen der feiernden Männer bewegen konnte. Und noch ein Grund, weswegen ich den Club unter der Woche lieber mochte: Die meisten der anwesenden Kerle waren vollständig bekleidet.
Nicht, dass ich etwas dagegen hatte, gut gebaute, schwitzende Männerkörper im flackernden Discolicht zu betrachten. Aber da ich selbst auf der Tanzfläche grundsätzlich meine Klamotten anbehielt, fühlte ich mich inmitten angezogener Partygäste doch wohler.
»Gar nicht viel los heute«, stellte Jeremy neben mir fest und ließ den Blick über die nur mäßig gefüllte Tanzfläche schweifen.
»Oh, ich bin mir sicher, du wirst dennoch jemanden finden.«
Der Blick, der mich von der Seite traf, wirkte fast schon empört.
»Hey, ich bin mit dir hier«, erklärte Jeremy und ergriff, wie zur Bekräftigung seiner Worte, meine Hand, verflocht unsere Finger miteinander. Die Geste schickte ein wohlig-warmes Kribbeln durch meinen Bauch und ich drückte ihm rasch einen Kuss auf die Stirn, immer darauf bedacht, nicht seine Frisur zu berühren.
»Trinken wir was?«, rief ich ihm über die wummernden Beats hinweg zu. Statt zu antworten, zog Jeremy mich in Richtung der oberen Bar. Einer alten Gewohnheit folgend, wählten wir einen Platz, von dem wir sowohl die Tanzfläche als auch den Eingang zum oberen Darkroom und der im Untergeschoss befindlichen Cruising-Area im Blick hatten. Allerbeste Aussicht!
Bei einem der Barkeeper orderte ich einen Cosmopolitan und ein Kölsch. Dann lehnte ich mich mit dem Rücken an den Tresen und ließ wie Jeremy meinen Blick über die feiernde Menge schweifen. Schon vor Monaten hatte ich mir heimlich einen Spaß daraus gemacht, die Kerle abzuchecken. Jedoch nicht, um eine Begleitung für die Nacht für mich zu finden. Stattdessen wettete ich mit mir selbst darum, wen der Männer Jeremy ansprechen würde. Sein Beuteschema war nicht so leicht einzugrenzen, er hatte keinen festen Typ Mann, den er heiß fand. Aber ich kannte ihn nach knapp fünf Jahren Beziehung einfach zu gut, um allzu oft falsch zu liegen.
Aus dem Augenwinkel schielte ich zu Jeremy und versuchte herauszufinden, ob sein Blick länger als gewöhnlich an dem Kerl mit dem weißen Shirt hängenblieb, der am Rand der Tanzfläche lehnte. Doch der Barkeeper unterbrach den fokussierten Blick.
»Eure Drinks, Jungs. Zum Wohl!«
Jeremy sah nicht noch einmal zu dem Kerl zurück, stattdessen hob er sein Cocktailglas.
»Auf Felix und Jannis!« Er stieß sein Glas gegen meines und fügte hinzu: »Und auf uns.« Er neigte sich für einen Kuss zu mir, ehe er den ersten Schluck nahm. Über den Rand des Cocktailglases hinweg blinzelte er mir zu, ehe sein Blick wieder unstet über die Menge huschte. Mit einem Bein wippte er im Takt der Musik mit, seine Hüften bewegten sich rhythmisch zu den Beats.
»Nun hau schon ab!«, rief ich ihm zu.
»Aber ...«
Mit einem Klaps auf den Po schickte ich ihn in Richtung der Tanzfläche. Jeremy warf mir einen Kussmund zu, den ich grinsend auffing, und verschwand gleich darauf in der Menge.
»Jens, hey, du auch hier!« Eine Hand landete schwungvoll auf meiner Schulter. Ich schaffte es gerade noch, das inzwischen halb leere Kölschglas abzustellen, ohne eine riesige Sauerei anzurichten.
»Hallo, Achim! Lange nicht gesehen. Wie geht’s dir?« Ich streckte ihm eine Hand entgegen, bereute es jedoch gleich darauf, als meine Finger schmerzhaft in seiner Tatze zusammengedrückt wurden.
»Gut, danke und dir?«
»Auch gut.« Suchend sah ich mich um. »Wo hast du André gelassen?«
»Zuhause, im Bett. Grippe. Und wo steckt Jeremy?«
Ich wies in einer unbestimmten Geste zur Tanzfläche hinüber.
»Irgendwo da drüben.«
Ich sah wohl den missbilligenden Schatten, der über Achims Gesicht huschte, ignorierte seine Miene jedoch gekonnt. Ich hatte schlichtweg keine Lust, den Leuten immer wieder aufs Neue zu erklären, dass ich nicht eifersüchtig war, wenn mein Freund mit anderen Kerlen tanzte, flirtete ... und mehr.
»Mit wem bist du hier?«, fragte ich rasch, um das leidige Thema gar nicht erst aufkommen zu lassen.
»Mit ein paar Arbeitskollegen. Unser neuer Kollege feiert seinen Einstand hier.«
Ich war gerade versucht, zu fragen, wo bitteschön Achim arbeitete, wenn es unter den Kollegen üblich war, gemeinsam in Schwulenclubs zu feiern, kam aber nicht dazu, da besagte Kollegen in diesem Moment zu uns stießen. Kurzerhand luden sie mich auf ein weiteres Kölsch ein, und da von Jeremy jede Spur fehlte, sprach wohl nichts dagegen, wenn ich noch ein halbes Stündchen an der Bar verbrachte.
~*~
Aus dem halben Stündchen wurde eine ganze, ausgewachsene Stunde – so zumindest kam es mir vor. Ein Blick auf mein Handy bestätigte meine Vermutung: Es war nach Mitternacht und somit blieben mir nur noch sehr wenige Stunden Schlaf, ehe mich mein Wecker um kurz vor sechs aus dem Bett werfen würde.
Kurzentschlossen leerte ich mein restliches Kölsch und verabschiedete mich von Achim und seinen Kollegen, von denen ich noch immer nicht wusste, was sie nun eigentlich beruflich machten. Ich umrundete die Tanzfläche einmal, fand Jeremy aber natürlich nicht auf Anhieb im Gewimmel und hatte auch keine Lust, mich weiter durch die schwitzende, tanzende Menge zu drängen. Seufzend kramte ich noch einmal mein Handy aus der Hosentasche, wohl wissend, dass ich ihn hier drin telefonisch nicht erreichen würde. Ich wollte ihn nur rasch per WhatsApp wissen lassen, dass ich mich auf den Nachhauseweg machte. Vermutlich würde er pissig werden, dass ich einfach so ohne ihn gegangen war, aber wenn er wie vom Erdboden verschluckt war ...
Noch einmal schaute ich mich suchend um, mein Blick blieb an zwei Männern hängen, die in dem nur schwach beleuchteten Gang standen, der die Tanzfläche und den oberen Darkroom miteinander verband. Ich kniff die Augen zusammen und brauchte einen Moment, um zu erkennen, dass es mein Freund war, der den breitschultrigen Kerl soeben mit dem Gesicht voran gegen die Wand drückte und dessen Hände auf dem Rücken fixierte. Wo Männer wie Achim vermutlich fuchsteufelswild geworden wären, entlockte mir die Szenerie ein Grinsen.
Auf den ersten Blick wurde Jeremy von fremden Kerlen meist für einen klischeehaften Bottom gehalten: zierlich, weiche Gesichtszüge, viel Haut unter wenig Klamotten, bis in die Haarspitzen durchgestylt. Wie es schien, hatte auch der Kerl da unten etwas andere Vorstellungen vom Ausgang des Abends gehabt. So zumindest deutete ich es, dass er sich aus Jeremys Griff zu befreien versuchte.
Dank des flackernden Lichts und der Entfernung konnte ich der Szenerie nur undeutlich folgen, dennoch sah ich, wie Jeremy sich näher an den Kerl drängte, seinen Mund nahe zu dessen Ohr brachte. Mir war, als könne ich die zarte Berührung spüren, nachfühlen, wie Jeremys Atem über Ohr und Nacken strich. Ich schauderte wohlig. Mein Herz pochte dumpf im Takt der Beats, als ich zusah, wie Jeremy und der Fremde hinter dem schweren Vorhang verschwanden, der den Darkroom vor Blicken verbarg. Kurz flammte der Gedanke in mir auf, den beiden zu folgen und zuzusehen, wie mein Freund sich mit dem Kerl vergnügte. Aber Zuschauer waren im Darkroom nicht immer gern gesehen und ... ach ja ... ich sollte schlafen.
Seufzend tippte ich eine kurze Nachricht an Jeremy, steckte mein Handy zurück in meine Hosentasche und stieß mich vom Geländer ab. Mit zu engem Schritt, um es noch bequem finden zu können, steuerte ich den Ausgang des ›Station 2B‹ an.
Fest krampften sich seine Muskeln um meinen Schwanz zusammen und gaben mir damit den letzten Kick. Ich stieß noch ein paar Mal hart in ihn, während sich meine Hoden schmerzhaft-süß an meinen Körper zogen und sich die angestaute Lust in heißen Schüben entlud. Der Kerl sackte schwer atmend gegen die Wand, verließ sich anscheinend ganz darauf, dass ich ihn, mit meinen Händen in seine Hüften gekrallt, aufrecht hielt. Ich lächelte über den Gedanken, war er doch annähernd doppelt so breit wie ich.
Kurz erlaubte ich es mir, die Stirn gegen seine verschwitzte Schulter zu legen, an ihn gelehnt zu Atem zu kommen, ehe ich das Kondom umfasste und mich vorsichtig aus ihm zurückzog. Er zischte leise, brummte gleich darauf wohlig, als ich ihm einen Kuss zwischen die muskulösen Schulterblätter drückte. Während ich noch damit beschäftigt war, das Kondom loszuwerden, drehte er sich zu mir um. Gegen die Wand gelehnt ließ er seinen Blick über meinen Körper gleiten. Ich hatte bislang kaum einen Typen kennengelernt, der sich zum Vögeln im Darkroom ganz auszog, aber mein dünnes Shirt mit kurzen Ärmeln und tiefem V-Ausschnitt gab genug Haut frei, um im Halbdunkel des Raumes einen Blick zu riskieren.
»Schöne Tattoos«, meinte der Kerl mit einer Stimme, so rau und schläfrig, dass sich mir sämtliche Nackenhaare aufstellten. »Einfach so oder mit Bedeutung?«
Aus dem Augenwinkel sah ich, dass sein Blick auf dem Adler auf meiner Brust ruhte. In diesem Fall fiel es leicht, »einfach so« zu antworten. Hätte er mich nach dem Mädchen mit der Sanduhr gefragt, hätte ich vielleicht gelogen.
»Verrätst du mir auch deinen Namen?«
Seine Frage entlockte mir ein Grinsen. Ich schaute ihm direkt in die Augen, als ich meine Jeans zuknöpfte.
»Fällt dir ja früh ein.« Ich zwinkerte ihm zu. »Nein.«
»Verstehe.« Er erwiderte mein Grinsen, wirkte aber doch ein wenig enttäuscht. Oder vielleicht bildete ich es mir im Schummerlicht und mit dem Stöhnen der anderen Kerle im Ohr auch nur ein. Ich wandte mich ab und verließ gemeinsam mit meiner Eroberung den Darkroom. Im Durchgang zum eigentlichen Club war das Licht minimal besser, dafür drangen die pumpenden Housebeats zu uns herüber.
»Und ... was treibst du jetzt noch?«
Obwohl mir das Deutsche vier Jahre nach meinem Umzug noch immer hin und wieder Fallen stellte, begriff ich doch die Zweideutigkeit hinter seinen Worten und musste einfach lachend den Kopf schütteln.
»Ich gehe nach Hause. Zu meinem Freund.«
Die Art, wie die Augenbrauen meines Gegenübers nach oben wanderten und er den Mund verzog, war immer wieder herrlich anzusehen.
»Dein Freund?«, wiederholte er, als sei er sich nicht sicher, ob er mich mit der Musik im Ohr richtig verstanden hatte. »Weiß er, dass du ... na ja ...«
»Was?« Provozierend verschränkte ich die Arme vor der Brust. »Dass ich andere Kerle ficke? Ja, das weiß er. Manchmal schaut er mir dabei zu.«
»Okay.« Ich meinte, ein Blitzen in seinen Augen zu erkennen, schob es aber auf das flackernde Licht. Dann jedoch spielte ein laszives Grinsen um seinen Mund. »Wie wär’s, wenn du mir deinen Freund mal vorstellst? Wir könnten sicher auch zu dritt ...«
»Sorry.« Ich neigte mich zu ihm und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen, auch wenn ich bezweifelte, dass dies meinen Worten die Schärfe nahm. »Du bist nicht sein Typ.«
»Ach? Und was ist sein Typ?«
Noch einmal zwinkerte ich ihm zu, ehe ich mich abwandte. »Ich«, rief ich ihm über die Schulter hinweg zu und umrundete die Tanzfläche in Richtung der Bar. Ich holte mir einen Gin Tonic und ließ mich damit auf einem Barhocker in einer Ecke nieder, lehnte mich mit dem Rücken gegen die kühle Wand. Ich mochte es, die Nacht hier ausklingen zu lassen, ehe ich mich auf den Heimweg machte. Ein Blick auf mein Handy zeigte 02:48 Uhr und eine Nachricht von Jens.
›Bin nach Hause. Viel Spaß mit deinem Kerl! ;-) Bis später ...‹
Dieses Mal war ich derjenige, dessen Brauen verwundert nach oben wanderten. Jens hatte uns gesehen? Kurz schloss ich die Augen, rief mir das Gefühl von nackter, verschwitzter Haut unter meinen Fingern und heißer Enge um meinen Schwanz in Erinnerung und stellte mir vor, Jens in einer Ecke des Darkrooms stehen und uns beobachten zu sehen. Allein der Gedanke daran ließ mich wieder halbsteif werden. In zwei Zügen kippte ich den Gin Tonic hinunter, orderte an der Garderobe meine Jacke und verließ den Club.
~*~
Mit einem leisen Klicken glitt die Wohnungstür hinter mir ins Schloss. Blind in der Dunkelheit tastete ich rechts neben mich und fand die Leiste mit Lichtschaltern. Der untere war nachträglich montiert worden und tauchte Eingangsbereich, Wohnzimmer und angrenzenden Schlafbereich in schwaches, bläuliches Licht. Während Jens vollkommene Dunkelheit brauchte, um tief schlafen zu können, war ich die hellerleuchteten Nächte New Yorks gewohnt. Das blaue Schummerlicht war unser Kompromiss, der es mir erlaubte, unfallfrei zum Bett zu finden, ohne Jens dabei zu wecken.
Ich streifte mir meine Schuhe und die leichte Jacke ab, meine restlichen Klamotten folgten auf dem Weg durch das Wohnzimmer. Vor der breiten Glaswand, die den Schlaf- vom Wohnbereich trennte, blieb ich stehen. Ich fühlte mich seltsam aufgekratzt und auch ein flüchtiger Blick auf den Funkwecker auf dem Wandregal brachte keine Müdigkeit. Stattdessen kribbelte trotz – oder wegen? – meines Stelldicheins im Darkroom unterschwellige Erregung in meinem Bauch und Unterleib. Ein großer Teil in mir sehnte sich danach, sich neben Jens in die Laken und an ihn zu schmiegen, ihn zu berühren und ...
Doch ich wandte mich abrupt um und schlich mich statt zu ihm ins Bett ins Badezimmer. Ich wusste, dass ihn das Wasserrauschen der Dusche nicht wecken würde, er war es gewohnt. Zwar stieg ich nicht immer nach meinen nächtlichen Eskapaden unter die Dusche – schlicht weil es weder ihn noch mich störte, wenn ich ab und an den Geruch fremder Männer an mir trug. Vielmehr funktionierte der Duft von Sex und unbekanntem Aftershave als Lustmacher für uns beide. Aber in manchen Nächten fühlte es sich falsch an, einen anderen Kerl mit in unser gemeinsames Bett zu nehmen.
Ich drehte den Wasserstrahl extra heiß, in der leisen Hoffnung, die Wärme und der Dampf mögen mich einlullen, aber stattdessen weckten die auf mich herabprasselnden Wassertropfen Visionen streichelnder Finger und nippender Küsse auf meiner Haut.
Mit einem Grollen in der Kehle schob ich eine Hand tiefer und umfasste meinen halbsteifen Penis, jedoch ohne mich weiter zu stimulieren. Was ich nach einem heißen Fick im Club wollte, war kein halbherziger Handjob. Dazu war ich mir Jens’ Nähe viel zu bewusst.
Hastig schäumte ich mich mit Duschgel ein und sah zu, wie der weiße Schaum zu meinen Füßen tanzte. Musste dabei unweigerlich an die hüpfenden Schaumkronen auf dem karibischen Meer denken. An Jens’ und meinen gemeinsamen Urlaub und an Felix und Jannis. An all die Abende, an denen wir zusammen am Strand gesessen und auf den Ozean hinausgeschaut hatten. Und nun heirateten die beiden also ...
Grinsend schüttelte ich den Kopf, drehte den Hahn zu und trat aus der ebenerdigen Duschkabine. Ich rubbelte mich nur halbherzig trocken, legte noch einen Stopp zum Zähneputzen am Waschbecken ein und tappte dann zurück in das von weichem Blaulicht durchflutete Wohnzimmer, umrundete die gläserne Trennwand. Ich stieg die drei Stufen zu unserem XXL-Bett hinauf und glitt neben Jens in die Laken. Selbst die kühlen Februartemperaturen hinderten ihn nicht daran, sich nachts im Schlaf weitgehend unter der Decke hervorzuwühlen. Das bläuliche Licht malte weiche Schatten auf seine Haut. Mit Blicken folgte ich dem Pfad weichen Brusthaares tiefer, über seinen Bauch, der wie dafür gemacht schien, den Kopf darauf zu betten, bis zum Rand der Boxershorts und weiter über die sanfte Wölbung. Nur einmal ließ ich die Finger darübertanzen, streichelte seinen Oberkörper aufwärts, bis ich mit dem Daumen eine seiner Brustwarzen necken konnte. Der leise Laut, den er im Halbschlaf von sich gab, entfachte ein Kribbeln in meinem Bauch und sorgte dafür, dass sich mein Schwanz weiter aufrichtete.
»Hey, Darling«, raunte ich meinem Freund zu und schmiegte mich an ihn, genoss es, wie er aus Reflex einen Arm um mich schlang und mich näher zog.
»Hey«, nuschelte er und suchte mit den Lippen meinen Hals, küsste mich treffsicher genau an der Stelle, an der mein Puls wummerte. »Da bist du ja. War’s gut?«
Seltsam gerührt obgleich seiner Frage, presste ich meinerseits die Lippen auf seine Schulter, leckte gierig über die kühle Haut.
»Mmh, war gut«, wisperte ich und bewegte mich leicht an ihm, sodass er meine Erektion an seinem Bauch spüren konnte. Sein halb verschlafenes, halb erregtes Brummen schickte ein heißes Kribbeln an meiner Wirbelsäule hinab.
»Er war wirklich, wirklich sexy, aber ...« Ich schob meine Hand tiefer, in den Bund seiner Shorts und bis hinab zu seinen Hoden, um diese zu umfassen und leicht zuzudrücken. Jens lag reglos neben mir, hielt mich im Arm und gab sich einfach meinen fordernden Berührungen hin. Ich neckte mit den Lippen sein Ohr, während ich flüsterte: »Aber es gibt nichts Heißeres als dich. Wenn du so verschlafen daliegst und ich dich berühren kann. Mich deinen samtigen Schwanz anfassen lässt und ich spüren kann, wie er langsam in meiner Hand hart wird.« Meine Worte vermischten sich mit seinem leisen Stöhnen, während ich sanft die Finger um seinen noch weichen Schaft legte. Ich liebte das Gefühl der zarten, warmen Haut unter meinen Fingern. Liebte seine leisen Lustlaute und wie er sich weiter auf den Rücken fallen ließ und die Beine ein wenig öffnete. Und ich liebte seinen Geschmack und das Gefühl, wie sein praller Schwanz meinen Mund ausfüllte.
»Babe, ich ...«, wisperte ich an seinen Lippen, hauchte einen einzelnen Kuss darauf. »Let me blow you. Want it so fucking badly.«
Wieder ein verhaltener, zustimmender Laut aus seinem Mund, der meinen eigenen Schwanz dazu brachte, verlangend gegen seinen weichen Bauch zu zucken. Der Kontakt seiner Haut mit meiner empfindlichen Eichel ließ mich zittern. Aber es war nicht wichtig. Alles, was zählte, war Jens. Wie er so verschlafen und gleichsam erregt neben mir lag und sich meiner Hand entgegendrängte.
»Mach«, kam es geflüstert von seinen Lippen. Keine Sekunde später glitt ich tiefer, währenddessen flog das letzte Stück Stoff zur Seite. Meine Hand machte meinem Mund Platz; mit Fingern, Lippen und Zunge begann ich, meinen Freund zu verwöhnen. Nach so vielen gemeinsamen Nächten, nach unzähligen Blowjobs wusste ich genau, was er mochte und es gab keinen Grund, ihn hinzuhalten. Alles, was ich in diesem Moment wollte, war, dass Jens sich gut fühlte. Ich wollte sein Stöhnen, seine von Lust geleiteten Bewegungen unter mir und ich wollte seinen Saft in meinem Mund und meiner Kehle. Seine Nähe war meine Zuflucht, sein Höhepunkt meine Glückseligkeit.
»Je... Jeremy ... Babe ...« Er grub die Finger in mein noch feuchtes Haar, dirigierte so auf sanfte Weise wie schnell und wie tief ich seinen Schwanz in meinen Mund tauchte. Mit der freien Hand tastete er nach meiner. Wir verflochten unsere Finger miteinander; die seinen klammerten sich an meinen fest.
»Gleich ... oh ja ...« Sein Stöhnen wurde lauter, er hob sein Becken meinem Mund entgegen. Noch zwei, drei Mal nahm ich seinen Schwanz so tief auf, wie es ging, dann pumpte ich seinen Schaft nur noch mit meiner Hand, schloss die Lippen mit festem Druck um seine Spitze. Meine Zunge, die ich fest auf seine pralle Eichel presste, gab ihm den letzten Lustschub. Gleich darauf wurde der Zug seiner Finger in meinem Haar fast schmerzhaft, sein Sperma füllte warm und salzig-herb meinen Mund. Ich hielt den Kopf ganz still, ließ ihn mir entgegenstoßen, wie er es brauchte. Nur meine Finger rieben weiter seinen zuckenden Schaft.
In dem Moment, in dem die Anspannung aus seinem Körper wich und er mit einem erleichterten Zischen die Luft ausstieß, hob ich die Lider. Unsere Blicke trafen und verhakten sich. Seinen Schwanz noch in meinem Mund, sodass er die Bewegung meines Kehlkopfes spüren konnte, schluckte ich. Sein erregtes Keuchen ließ mich selbst beinahe kommen.
»Babe ... du bist ...« Er brachte den Satz nicht zu Ende, doch die Art, wie er mit den Fingerspitzen über meine Wange strich, sagte mehr als genug. Ich entließ seinen weicher werdenden Penis und schob mich zu ihm nach oben. Drückte einen Kuss auf seine Lippen und kuschelte mich dann mit dem Rücken zu ihm in seine Arme, die er wie selbstverständlich um mich schloss.
»Schlaf jetzt«, flüsterte ich ihm zu. Er zog mich fester in seine Arme, streichelte über meinen Bauch und tiefer.
»Was ist mit dir?« Die Trägheit seiner Stimme zeigte überdeutlich, wie müde er eigentlich war.
»Nicht wichtig«, entgegnete ich leise und biss mir auf die Unterlippe, um das Wimmern zu unterdrücken, das mir entkommen wollte, als er meinen prallen Ständer umfasste.
»Doch«, murmelte er schlaftrunken gegen meinen Nacken, sein warmer Atem strich darüber und ich kapitulierte vor den unterdrückten Lauten in meiner Kehle. Keuchend grub ich das Gesicht ins Kissen und biss hinein. Es brauchte nur wenige pumpende Bewegungen um meinen Schwanz und eine zarte Berührung seiner Finger an meinem Nippelpiercing, und ich kam wimmernd in seiner Hand. Während ich noch nach Luft rang, wurden Jens’ Atemzüge in meinem Nacken noch langsamer und gleichmäßiger. Mit einem tiefen Seufzen kuschelte ich mich noch näher an ihn und blieb dann einfach liegen. Ich würde morgen das Bett frisch beziehen müssen, ging es mir noch durch den Kopf. Aber mit dem beruhigend warmen Körper meines Freundes im Rücken, seinen Lippen an meinem Nacken und seiner Hand an meinem erschlaffenden Glied war es keinerlei Option, noch einmal aufzustehen.
›Der Lehrer beendet die Stunde und nicht der Pausengong. Eigentlich ...‹ An diesem Vormittag überließ ich es der Schulglocke nur allzu gerne, den Matheunterricht für beendet zu erklären. Ich sah meinen Schülern dabei zu, wie sie in Windeseile ihre Hefte und Mäppchen in ihre Schultaschen warfen, und konnte ihnen ihre Eile in keinster Weise übel nehmen. Viel zu sehr sehnte ich mich selbst nach meinem Bett, in dem ich in der vergangenen Nacht eindeutig zu wenig Zeit verbracht hatte. Vor allem, da ich nicht die gesamte Zeit zum Schlafen genutzt hatte. Beim Gedanken an Jeremys Blowjob schlich sich ein Lächeln über meine Lippen – halb anzüglich und halb liebevoll.
»Herr Buchgraber ... Herr Buchgraber ...!«
Ich blinzelte und richtete den Blick auf Maximilian, der mit seinem Turnbeutel im Arm vor mir stand.
»Ja, Max? Was gibt es denn?«
»Kann ich Sie noch was zu der Textaufgabe mit den Schafen fragen?«
Im Grunde hätte ich dem Jungen für sein Engagement ein zusätzliches Fleißbienchen in sein Heft malen sollen, doch stattdessen antwortete ich: »Das machen wir morgen, Max, in Ordnung? Morgen haben wir eine Doppelstunde. Sobald wir Gruppenarbeit machen, setze ich mich zu dir und wir gehen die Textaufgabe nochmal gemeinsam durch.«
»Aber kommen in den Hausaufgaben keine Textaufgaben dran?«
Über so viel Umsicht musste ich innerlich verblüfft den Kopf schütteln. Kurz überlegte ich, was ich meinen Viertklässlern überhaupt als Hausaufgaben gegeben hatte.
»Nein, da sind keine Textaufgaben dabei.«
»Okay, gut. Dann bis morgen, Herr Buchgraber!«, plapperte er fröhlich und war auch schon mit wippendem Rucksack verschwunden. Seufzend klappte ich das Klassenbuch auf, um den Stoff der heutigen Stunde zu vermerken. Ich beneidete die Kids wirklich nicht dafür, sich noch mit einer Doppelstunde Sport herumschlagen zu müssen, ehe sie nach Hause gehen konnten. Ich für meinen Teil würde mich auf direktem Weg auf das Sofa begeben.
Meistens schaute ich auf dem Heimweg von der Schule noch rasch im Salon vorbei, brachte Jeremy und seinen Mädels Kaffee und manchmal auch süße Stückchen mit, aber heute ...
›Bin platt und fahre direkt nach Hause. Kuss.‹
Gemeinsam mit meinem Handy wanderten meine Unterlagen in meine Umhängetasche. Ich erhob mich, streifte mir meine dünne Jacke über und streckte die Hand nach dem Klassenbuch aus und ... griff ins Leere.
Irritiert blinzelte ich das blaue Buch an, das sich nicht wie es sollte auf dem Tisch befand, sondern vor meiner Brust schwebte. Erst nach einem weiteren Blinzeln registrierte ich die Hand, die mir das Buch entgegenhielt und dann den Mann, der an der Hand hing.
»Schlechter Tag heute, hmm?« Felipe blinzelte mir aus seinen verboten dunklen, warmen Augen mitfühlend zu. Rasch ergriff ich das Klassenbuch und war erleichtert, dass er sogleich losließ.
»Mhm«, brummte ich unbestimmt und wollte schon an ihm vorbeigehen, doch ein intensiver Blick ließ mich einfach so stehenbleiben.
»Vermutlich hätte ich mir dann einen anderen Tag aussuchen sollen, um dich zu nerven, aber ...« Er legte den Kopf etwas schief, sodass ihm eine seiner dunklen Locken in die Stirn fiel. »Aber ich habe ein Problem mit einem Schüler aus meiner Zweiten und wollte dich fragen, ob ich mal mit dir darüber reden kann? Bei einem Kaffee vielleicht?«
Beim Wort ›Kaffee‹ wurde ich tatsächlich hellhörig.
»Heute?«, hakte ich wenig charmant nach. Felipe lächelte zurückhaltend.
»Wenn es dir nichts ausmacht ...«
Es machte mir etwas aus. Eigentlich sogar eine ganze Menge. Aber seine Bitte hatte etwas so dezent Hilfesuchendes an sich, dass ich einfach nicht ›Nein‹ sagen konnte – oder wollte.
»Kennst du das Café Marlies?«, fragte ich stattdessen. Felipe hob entschuldigend die Schultern.
»Ich bin doch erst seit Anfang des Schuljahres hier und noch nicht so viel rumgekommen.«
»Es ist gleich in der Nähe. Ich bringe schnell das Klassenbuch ins Lehrerzimmer, dann können wir gehen.«
»Bist du nicht mit dem Fahrrad da?«, hakte er nach, während er gemeinsam mit mir das Klassenzimmer verließ. »Wir können uns im Café treffen, wenn du mir sagst ...«
»Unsinn. Das Fahrrad kann ich auch schieben. Wir können also gemeinsam hinlaufen.«
Von der Seite traf mich ein dankbares Lächeln. Im Gehen streifte Felipes Hand kaum merklich die meine. Purer Zufall oder Absicht? Ein Seitenblick in sein sonnengebräuntes Gesicht verriet nichts und mit einem Mal war ich mir sicher, statt Sofa ganz dringend Kaffee zu brauchen.
~*~
Es blieb nicht bei einem Kaffee. Und auch nicht bei zweien. Stattdessen schwenkten wir nach dem zweiten Heißgetränk zu einem verfrühten Feierabendkölsch um und bestellten uns im Anschluss noch warme Paninis. Felipes Schülerproblem hatte sich schon nach wenigen Gesprächsminuten als kleiner entpuppt als angenommen. Er vermutete bei einem seiner Zweitklässler eine Lernschwäche und hatte sich eine weitere Meinung einholen wollen. Da er erst seit wenigen Monaten an einer deutschen Schule unterrichtete, war er unsicher gewesen, wie er das Elterngespräch am besten angehen sollte und welche Instanzen es einzuschalten galt.
Im Laufe des Gesprächs fiel mir auf, dass ich eigentlich gar nicht so recht wusste, wie Felipes Arbeit an der portugiesischen Grundschule ausgesehen hatte. Matheunterricht mochte Matheunterricht sein, aber bekanntlich unterschied sich das Schulsystem anderer Länder teilweise gravierend vom deutschen.
Innerhalb weniger Minuten quatschten wir uns in einer lebhaften Diskussion über verschiedene Unterrichtsmethoden fest. Wobei Felipe beim Reden eindeutig den Löwenanteil übernahm. Mir war es nur recht. Nicht, dass ich nicht auch gerne mal meine Meinung kundtat, aber Felipe hatte eine so inbrünstige Art, die seine zu vertreten, dass ich wie gebannt an seinen Lippen hing.
Im Laufe des Gesprächs schweiften wir vom Thema Schule ab und Felipe erzählte von seinem Leben in Portugal. Seine Heimatstadt Lissabon wurde durch seine Worte lebendig vor meinen Augen. Obwohl ich niemals dort gewesen war, hatte ich mit einem Mal das Gefühl, auf einer erhöhten Terrasse eines lauschigen Cafés zu sitzen und über die orangeroten Dächer der Stadt hinwegzuschauen. In der Ferne sah ich das Meer und in der Luft lag ein angenehmer Duft nach frisch gerösteten Mandeln.
»Das Beste«, erklärte Felipe mit sanft-warmer Stimme, »sind die ›Pastéis de Nata‹. Schon mal gegessen?«
Wie mechanisch schüttelte ich den Kopf. In seinen dunklen Augen spiegelte sich das Licht eines einzelnen Teelichts.
»Das sind kleine Blätterteigtaschen mit Sahnepuddingfüllung. Nimmst du noch eines?«
»Hmm?« Irritiert blinzelte ich ihn an, suchte in seinem Blick nach Puddingtaschen, als könnte er sie durch den bloßen Gedanken heraufbeschwören.
»Ein Kölsch? Trinkst du noch eines?«
»Oh.« Ich richtete mich auf meinem Stuhl auf. Erst jetzt registrierte ich die Kellnerin, die neben unserem Tisch stand und uns fragend ansah. Hastig warf ich einen prüfenden Blick auf meine Armbanduhr und wusste nicht, ob ich es nun angenehm oder beängstigend finden sollte, dass Felipe und ich uns ganze drei Stunden festgequatscht hatten.
»Ich denke, ich sollte langsam mal nach Hause.«
»Okay.« Felipe lächelte erst mir zu, dann der Kellnerin. »Bringen Sie uns bitte die Rechnung?.«
»Gerne. Zusammen oder getrennt?«
»Getr...«
»Zusammen«, erklärte Felipe mit einem bedeutungsschweren Blick in meine Richtung. »Das ist das kleinste Dankeschön für deinen Rat.« Er sah flüchtig zu der Kellnerin, die sich soeben umdrehte. »Und außerdem«, fügte er leiser und mit einem Blinzeln hinzu, »waren es wirklich schöne Stunden mit dir.«
Ich spürte förmlich, wie sich meine Stirn fragend und perplex gleichermaßen zusammenzog, entschied mich aber rasch dafür, seine Bemerkung unkommentiert zu lassen.
»Beim nächsten Mal zahle ich«, meinte ich, noch ehe ich mich fragen konnte, ob ein nächstes Mal zustande kommen würde.
»Gerne.« Wieder war da dieses Funkeln in seinen Augen, welches das dunkle Braun für einen Moment fast schwarz erscheinen ließ. Und wieder war es die Kellnerin, die mich aus meiner gedankenversunkenen Betrachtung des Mannes mir gegenüber riss.
~*~
»You could have called!«, beharrte Jeremy und drehte mir demonstrativ den Rücken zu. Wie immer, wenn er angefressen war, verfiel er in seine Muttersprache.
»Es tut mir leid.«
Jeremy brummte etwas Unverständliches und rührte energisch in der Jambalaya, die auf dem Herd köchelte und einen herrlichen Duft nach Räucherwurst, Shrimps, Paprika und Zwiebeln verströmte.
Seufzend streifte ich mir die Schuhe von den Füßen und betrat die Küche. Als habe er mich nicht gehört, wandte Jeremy sich nicht um, sondern wirbelte weiter den Topfinhalt durcheinander.
Ich trat hinter ihn und schlang die Arme um seine Brust, raubte ihm so die Bewegungsfreiheit. Er ließ den Rührlöffel in den Topf fallen – ein stummes Zeichen des Waffenstillstandes. Ohne weiter nachzufragen, war mir klar, dass es Jeremy nicht darum ging, ob ich mich mit einem anderen Kerl getroffen hatte oder nicht. Denn auch wenn er weitaus häufiger Männer abschleppte als ich, gönnte er mir den aushäusigen Spaß ebenso wie ich ihm. Vielmehr war er zornig, weil mein Treffen mit Felipe durch die Nachricht, ich sei gleich zuhause, wo Jeremy mich jedoch nicht vorgefunden hatte, etwas Heimliches an sich hatte.
»Ich war mit Felipe einen Kaffee trinken und wir haben uns festgequatscht. Er ist ein Kollege und hat ...«
»I do not care, who he is, okay? You know that. Next time ... just tell me. Gib mir einfach Bescheid, ja? Ich hab mir Sorgen gemacht.«
»Mach ich«, versprach ich sofort und verstärkte den Griff um seine Brust, drehte ihn an den Oberarmen sanft aber bestimmt zu mir um. Den Kuss, den ich ihm auf die Stirn drückte, ließ er ohne zu murren geschehen und lehnte sich in meine Berührung.
~*~
Das schrille Klingeln des Funkweckers riss mich mehr als unsanft aus dem Schlaf. Ich fuhr regelrecht zusammen, nur um gleich darauf kerzengerade im Bett zu sitzen. Fahrig sah ich mich um und brauchte einige Sekunden, um zu begreifen, dass der Wecker wirklich erst 08:30 anzeigte und es Freitag war. Zur dritten Stunde würde ich es also noch locker rechtzeitig in die Schule schaffen.
Seufzend entknotete ich die Bettdecke um meine Füße und lauschte in die Stille der Wohnung hinein. Jeremy war längst aus dem Haus. Obwohl er freitags deutlich vor mir losmusste, standen wir in aller Regel gemeinsam auf, um den Tag mit einem kurzen, aber dennoch entspannten Frühstück zu beginnen. Dass ich nach dem ersten Weckerklingeln noch einmal einschlief, passierte eigentlich nur, wenn ich bis spät in die Nacht Klausuren korrigierte oder Unterricht vorbereitete.
Ich streckte mich, schwang die Beine aus dem Bett und ...
»Aaah ... Fuck!«
Etwas bohrte sich unangenehm in meine Fußsohle. Ein Blick nach unten enttarnte den Übeltäter als Vibrator.
»Mistding!«
Entgegen meiner spontanen Beschimpfung hob ich das Sextoy vom Boden auf und drehte es einen Moment lang grinsend in den Händen. Es mochte wenig angenehm für Fußsohlen sein, fühlte sich an gewissen, intimen Körperstellen aber umso besser an – vermutlich. Sehr wahrscheinlich, wenn man den anzüglichen Flüchen Glauben schenken durfte, die Jeremy in der Nacht in sein Kissen gestöhnt hatte.
Je länger ich den ›Prostata-Vibrator mit Perineum-Stimulator‹ – so der verheißungsvolle Name im Onlineshop – betrachtete, desto mehr wich das Grinsen von meinem Gesicht und machte einem nachdenklichen Ausdruck Platz.