Der maskierte Buddha - Harry Thürk - E-Book

Der maskierte Buddha E-Book

Harry Thürk

4,7

Beschreibung

Als Privatdetektiv in der Millionenstadt Hongkong kann Lim Tok über Mangel an Aufträgen nicht klagen - das war in der Kronkolonie nicht anders als nach dem Anschluß ans Mutterland. Seine Auftraggeber: Casinobetreiber, Schmuckhändler, schöne und reiche Witwen, Filmstars, Edelrestaurantbesitzer, ein Triadenboss, kurz, der ganz normale Bevölkerungsdurchschnitt. Die Fälle: Mord, Entführung, Geldwäsche, Drogenschmuggel. Harry Thürks Detektiv löst sie mit Charme, Witz und Bravour, nicht zuletzt dank seiner guten Beziehungen zur Polizei und zur Unterwelt.

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Impressum

ISBN eBook 978-3-360-50050-2

ISBN Print 978-3-360-01270-8

© 2005 Das Neue Berlin Verlagsgesellschaft mbH

Neue Grünstr. 18, 10179 Berlin

Umschlagentwurf: ansichtssache – Büro für Gestaltung

Die Bücher des Verlags Das Neue Berlin

erscheinen in der Eulenspiegel Verlagsgruppe.

www.eulenspiegel-verlagsgruppe.de

Harry Thürk

Der maskierte Buddha

Hongkong-Krimis

Das Neue Berlin

Der maskierte Buddha

Ich kann es auf den Tod nicht leiden, wenn einer mich zu nachtschlafender Zeit aufschreckt. Und genau das geschah an jenem Morgen, als über der Wasserfläche vor Aberdeen noch der Frühdunst um die tausend Masten waberte. Als ich aus dem Bullauge meiner Dschunke blickte, die hier ankerte und die mir als Wohnung diente, erkannte ich gerade mal die nächsten Boote. Von Himmel war nichts zu sehen.

»Mister Lim Tok!« Das war wieder die helle Stimme, die einem Kind hätte gehören können, und danach schlug erneut ein Paddel gegen den hölzernen Rumpf meiner Wasserbehausung. Die Liegeplätze in Aberdeen, an der Südseite der Insel Hongkong, sind am frühen Morgen ohnehin nicht gerade still, hier wachen um diese Zeit an die zwanzigtausend Leute auf, die auf dreitausend Sampans, Dschunken oder Fischerbooten leben; sie beginnen den Tag mit Geplärr, Gezänk, Radiomusik und allen nur denkbaren anderen Geräuschen, die die Menschheit sich verpflichtet fühlt zu verursachen, nachdem sie ausgeschlafen hat. Wenn dazu noch einer mit dem Holzpaddel an die Bordwand hämmert, ist das Maß voll.

Ich rollte mich von meiner Schlafstätte herunter und kletterte an Deck, nur mit einer Turnhose bekleidet, schlechtgelaunt und mürrisch, wie meist am Morgen.

Wenn Sie Hongkong kennen, dann wissen Sie, wie einem nach einer Nacht zumute ist, in der man mit ein paar Freunden auf einem der großen bunten Restaurantboote neun Gänge kantonesische Köstlichkeiten gegessen hat. Dazu kamen noch einige Liter Bier und ein Dutzend kleiner Schälchen Mao Tai, das ist ein Schnaps, der zwar wie ein Gully riecht, der aber schmeckt wie Pfirsichblütentau, mit dem leichten Nachteil, daß eigentlich ein Schälchen genügt, um einen Mann wie mich betrunken zu machen. Wenn Sie das alles nicht kennen, verrate ich Ihnen, daß Sie jedes einzelne Haar am Kopf zu spüren glauben, am nächsten Morgen, und daß Sie dann für die Schönheit unseres Inselfleckchens noch nicht den rechten Sinn haben. Geschweige denn für Besuch.

Die Schönheit – das sind ingesamt über zweihundert Inseln und Inselchen, dazu das Festland von Kowloon und den New Territories, alles zusammen eine bemerkenswerte Mischung aus Allerweltselementen, vom irrsinnigen Wald der Wolkenkratzer bis zu den stillen Gassen, in denen es nach abgestandenem Nachturin riecht und nach Chiliöl. Das sind auch die traumhaften Strände mit ihrem Sand und den Palmen, von denen die europäischen Touristen so entzückt sind, das sind die Hollywoodfassaden der Kneipen und Bordelle, dann wieder grüne Landschaften, in denen irgendwo ein altes Kloster steht, ausfahrende Dampfer, deren Sirenen mich immer wehmütig machen, und heulend nach Kai Tak einkurvende Düsenmaschinen, von denen man stets glaubt, sie nehmen entweder die Wäsche von den Leinen mit oder donnern gegen einen der Kowlooner Felsen.

Glauben Sie mir – als Einheimischer sehen Sie das alles ziemlich nüchtern, was Sie als erstmals anreisender Tourist flatternden Herzens bestaunen. Ein Gefühl, das sich unmerklich schon etwas zu legen beginnt, wenn Sie aus der Maschine steigen und die feuchte Hitze eines Sommertages Sie trifft wie der Schlag mit einem aus heißem Waschwasser gezogenen Handtuch. Und wenn Sie dann erst den Preis für die Taxifahrt zum Hotel erfahren ...

»Mister Lim Tok!« Da war der Schreihals wieder.

Ich blickte über die Reling hinab, und da war das Boot. Nicht mal eines der Walla-Walla-Taxis, sondern ein an der Anlegestelle geliehenes Ruderboot mit einer dreistelligen Nummer. Und darin dieser junge Bursche. Vielleicht zwanzig. Jeans und herabhängendes Hemd, selbstverständlich mit dem Aufdruck Columbia University. Und ein ziemlich verstörtes Gesicht. Ich warf ihm die Strickleiter hinunter, die ich nachts stets einzog, er machte das Boot daran fest und kletterte flink wie ein Affe aus dem Tiger Balm Garten zu mir herauf.

Ich kannte den Burschen. Hieß Wu. War aus Kowloon, drüben auf dem Festland. Ein nicht festangestellter Helfer eines mir befreundeten Geschäftsmannes, Kong Wei, der in der Kimberley Road mit Antiquitäten handelte, einer von Hunderten in der Kolonie, schon nicht mehr ganz jung und einigermaßen redlich. Übrigens schuldete ich ihm noch einige hundert Dollar. Hatte sie vor längerer Zeit geliehen, wollte sie ihm auch schon einige Male zurückgeben, aber er hatte das immer höflich abgewehrt mit der Begründung, es eile nicht und er hoffe, ich könne ihm statt Rückzahlung einmal einen Gefallen tun. Chinesen sind manchmal so. Schätzen einen Freund und dessen Dankbarkeit höher als einige hundert Hongkong-Dollars, die etwas mehr als die Hälfte des US-Dollars wert sind. Schickte er jetzt etwa seinen Helfer, um zu kassieren?

Der Bursche Wu jobbte ein bißchen für Kong Wei, das hatte ich einmal mitbekommen, mehr wußte ich nicht von ihm; er kam mir ziemlich aufgeregt vor, als er so vor mir stand und mich bat, mit ihm zu fahren. Ich hätte ihn an liebsten gefragt, ob er sich für seinen Besuch nicht eine menschenfreundlichere Zeit hätte aussuchen können. Aber was er dann hervorsprudelte, ließ mich den Einfall vergessen.

»Sie müssen kommen, Mister Lim Tok, ganz schnell. Mister Kong Wei ist etwas passiert. Ich fürchte, er ist tot. Und er hat mir vor langer Zeit aufgetragen, wenn es einmal eine solche Situation geben sollte, dann müßte ich sofort Sie holen ...«

Er schluckte. Schnappte nach Luft. Meine Strickleiter hat siebenundzwanzig Sprossen, und die Bordwand der Dschunke, auf der ich wohne, ist hoch.

»Tot?« fragte ich irritiert. »Sie wollen mir mitteilen, Kong Wei sei tot?«

Der Bursche nickte. Seine Augen zeigten Traurigkeit. »Ich komme, wie immer am Morgen, mit frischem Sesamkuchen und einer Grapefruit. Ladentür noch zu. Natürlich. Ich gehe zum Hintereingang. Kleines Loch in der Drahtglasscheibe. Tür offen. Ich gehe hinein. Der Laden ist verwüstet. Alles liegt durcheinander. Auch im Hinterzimmer, wo Mister Kong Wei schläft. Schlief. Mister Kong Wei liegt in den Trümmern von Porzellan und Holz. Sieht furchtbar aus. Tot ...«

Das mußte ich erst verdauen. Es ist nicht jedermanns Sache, sich noch vor dem Frühstück die Leiche eines Bekannten vorzustellen. Meine Sache auch nicht, obwohl ich einiges gewöhnt bin. Ich musterte den Burschen. Er zitterte.

»Sind Sie sicher, er ist tot?«

»Sicher.«

»Und Sie haben nicht die Polizei gerufen?«

Er schüttelte den Kopf. Man konnte sehen, daß er Angst hatte. Ich entschloß mich schnell. Schickte ihn in sein Boot und ließ ihn warten. Ging zur Luke und kletterte wieder in meine Behausung hinunter. Goß mir einen Kübel kaltes Wasser über Kopf und Oberkörper, trocknete mich ab, zog meine ausgefransten Jeans an, streifte ein Hemd über, steckte meinen Revolver in den Hosenbund unter das Hemd, meine Papiere in die Hemdtasche, dazu etwas Geld, dann fuhr ich noch mit einem Kamm durch mein nasses Haar, und ein paar Minuten später saß ich im Boot, das der Bursche Wu eilig zur Anlegestelle ruderte.

Unweit des Holzsteges, an einer Fischbratküche, hatte ich meinen sieben Jahre alten Toyota geparkt. Er sprang ausnahmsweise gleich an, und bald rollten wir nordwärts, an Happy Valley vorbei, im dichterwerdenden Verkehr bis Wanchai, auf die Landspitze von Kellett Island zu, durch den Hafentunnel hinüber nach Kowloon. Über ein paar weniger befahrene Nebenstraßen kamen wir zügig vorwärts. Als ich den Toyota vor Kong Weis Laden parkte, gab es keine Anzeichen dafür, daß die Polizei inzwischen schon dagewesen war. Also gingen wir durch eine schmale Gasse, die mehr eine Abwasserrinne war, zum Hintereingang. Auch hier kein Zeichen von Polizei. Es herrschte der übliche Morgenbetrieb, bevor die Läden öffneten: Kinder in Bambuswagen vor den Türen, Frauen an Holzkohleöfen. Männer, die sich am Rinnstein die Zähne putzten. Wie überall in Hongkong ist auch hier die Rückseite der modernen Geschäftsfassaden sehr chinesisch, und kein Chinese kann in seinen Lebensgewohnheiten die bäuerliche Tradition des Volkes verbergen. Ich finde das sympathisch, bei so viel städtischem Gehabe. Ich stolperte über ein paar leere Gemüsestiegen, die jemand vor einem Hintereingang abgestellt hatte, dann hatte Wu die Tür mit seinem Schlüssel endlich aufbekommen, und ich besah mir das Chaos.

Wer immer hier gewesen war, er hatte gründliche Arbeit geleistet. Kong Wei hatte einen jener anheimelnden altmodischen Curio-Läden geführt, die heutzutage immer mehr den durchgestylten Chromkäfigen weichen müssen, in denen modisches Kunstgewerbe oder gerade noch erträgliche Fälschungen asiatischer Kunst an eine reisewütige und souvenirbesessene Menschheit verhökert werden. Vermarktet, wie man korrekt sagt.

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